819. An Marie Hesse

[333] 819. An Marie Hesse


Wiedensahl 29. Juni 91.


Seien Sie freundlichst bedankt, liebe Frau Heße, für Ihren Brief! – Es geht mir gut so weit, nur daß ich inzwischen so ungefähr tausend Jahre alt geworden bin, die Welt gelinde an mir vorbei säuseln laße und mehr auf Das schaue, was grün ist und wächst, als auf mich selber, der ich dürr bin und abfalle.

Bei meinen verwandtschaftlichen Kreuz= und Querzügen war ich neulich auch mal wieder in Hattorf beim Neffen Hermann und hatte meinen Spaß am kleinen Trudchen, welches schon läuft und die ersten Versuche im Deutschen macht.

Adolf, der im vergangenen October sein Seminarjahr in Leer begann, hat 3/4 dieser Übung jetzt hinter sich und kommt am 1. Juli in die Ferien hierher. – Otto, nach gut bestandenem Examen, trat am 1. Mai eine Hauslehrerstelle in Hamburg an. Schon am 1. Juni aber mußte er für 8 Wochen in den bunten Rock hinein, und zwar in Altona. Er wird sich wohl freun, wenn er nach dieser Turnfahrt wieder an das Getriebe seiner bürgerlichen Thätigkeit zurückkehren kann.

Auf die Kälte und den Regen des Frühlings scheint es nun schön zu werden. In allen Zweigen piepsen die jungen Vögel, die eben unter diesen günstigen Verhältnißen ihre Nester verließen.

Mit herzlichem Gruß an Sie und die Ihrigen

Ihr ergebenster

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 333.
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