|
[344] 850. An Johanna Keßler
Wiedensahl 25. Dec. 91.
Für die schönen und nützlichen Geschenke, liebste Tante, womit Sie mich zum Feste so liebenswürdig bedacht haben, sage ich Ihnen, der Letty, der Nanda und den Kindern meinen verbindlichsten Dank.
Die Lesedecke, eine schöne Verwandte des Fußsacks (nicht b[l]oß von mir, sondern auch von meiner Schwester (die sich Ihnen freundlichst empfehlen läßt) gar sehr bewundert) paßt ausgezeichnet. Jetzt soll der Ostwind, so über den Wald her, über Feld und Garten, durch Fenster und Wände, des Nachts nur zu mir kommen – ich lieg da, mein Buch in der Hand, umhüllt[344] von dem molligen Ärmelding, und freu mich, daß ich solch gute Feen als Tanten besitze, die mit ihren Strick= und Zauberstäbchen so heilsam zu weben und wirken verstehn.
Den gestrigen Abend feierten wir allhier in bescheidener Stille. Ein Baum war aufgeschmückt; allein es fehlten die glänzenden Kinderaugen, und ich dachte an's Trudchen in Hattorf und zwei Lockenköpfchen in Frankfurt a/Main. – Bald fällt nun auch mal wieder ein Tröpflein Zeit, genannt ein Jahr, in den Abgrund der Vergangenheit. Ein neues Tröpflein kommt herbei geronnen. Ob's trüb, ob's klar sein wird – wer weiß?
Prosit Neujahr, liebste Tante, sammt all den Ihrigen!
Wie Sie bisher getreulich dieselbe geblieben, so hoff ich, so weiß ich, werden Sie's ferner bleiben für
Ihren Sie stets verehrenden
Onkel Wilhelm.