973. An Nanda Keßler

[36] 973. An Nanda Keßler


Wiedensahl 2. Aug. 94.


Liebe Nanda!

Sei bedankt für deine Zeilen! –

Man sagt ja wohl: "Des Menschen Wille ist sein Himmelreich." Man könnte eher sagen: Des Menschen Wille ist seine Hölle. Je mannichfaltiger das Wünschen und Wollen, je stärker die Begehrlichkeit ist, um so mannichfaltiger sind die Enttäuschungen, um so stärker die Rückschläge. Was hilft's, wenn Einer klagt: "Was kann ich dafür? Ich bin mal so." Verurtheilt und bestraft wird er doch. Und, was mich betrifft, ich geb's immer mehr auf, mich auszureden und zu entschuldigen, indem ich immer mehr einsehe, daß mir ganz recht geschieht.

Zwischen Nro 1. und Nro 15., über dem schönen Garten, scheint mir ein "Wölkchen" zu schweben. Der Ort und die Leut, die da wohnen, sind mir wahrlich lieb genug, um recht sehr zu wünschen, es möge dort heiteres Wetter sein. Oder täuscht sich der ferne Phantast und sieht Wolken, wo keine vorhanden sind? – Weh's weg, werther Wind!

Die Felder stehen heuer voll Garben, wie selten, aber immerfort regnet und regnet es.

Sei herzlich gegrüßt, liebe Nanda! Und, bitte, grüß auch vielmals deine Mutter, deine Schwester, deine Kinder, deine Brüder vom

Onkel Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 36.
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