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[53] 1024. An Hermann Nöldeke
Wiedensahl Montag. [Mai 1895]
Lieber Hermann!
Ich danke dir für deinen Brief von letzter Woche. – Mutter, die Sonnabend morgens bei musseligem Wetter nach Hunteburg abgereist ist, hat dann doch noch einen schönen Reisetag gehabt, wie mir gestern von Grete berichtet wurde. – Hier war's kühl, ja kalt letzther; bei Regen und Schloßen; dazwischen mal Sonnenschein. Auch heute weht's kühl von Norden her; doch ziehen nicht mehr so dicke Wolken herauf, so daß man hoffen darf, es wird klarer und wärmer werden. – Mit der Arbeit in den feuchteren Gärten ist man auch hier noch zurück. In unserm Garten sind die Erbsen und Wurzeln endlich munter heraus. Tastemäuse sind vorige Woche gepflanzt; früher schon auch zwei Reihen großer Bohnen, die ersten wieder seit langer Zeit. Mir war so, als möcht ich sie wieder. – Übrigens entwickelt sich, bei der Kühle, alles Grün mit äußerster Vorsicht. Der erste Spinat, schon lange gelaufen, kriegt erst jetzt die zweiten Blätter. Ein halb[53] Dutzend Buchfinken war anfangs dabei, ihn ganz zu zerstören. Fäden halfen nicht; ich zog ein Netz darüber; sie gingen auch da drunter in ihrer Dummdreistigkeit; bis ich auch an den Seiten alles dicht zumachte. Sperlinge sind mißtrauischer. – Die Petersilie bemüht sich nach fünf bis sechs Wochen nun ebenfalls langsam hervor. – Die Maiblumen, obschon nicht ganz regelmäßig, zeigen ihre Spitzköpfe. – Alle Rosen sind gesund geblieben; die im Herbst gepflanzten etwas zurück gegen die andern. – Der Hopfen hat mehr als ellenlange Triebe, aber er scheut sich noch, seine Blätter zu entwickeln.
Hoffentlich wird das Wetter nun günstiger, daß du in deinem Garten alles nachholen kannst, was du bisher liegen laßen mußtest.
Leb wohl, lieber Hermann, und bleibt alle gesund, und seid herzlich gegrüßt von Deinem getr. Onkel
Wilhelm.
Auch von Frl. K. einen Gruß.