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[61] 1040. An Nanda Keßler
Wiedensahl 6. Oct. 1895.
Meine liebe Nanda!
Es dämmert ein bißel, wenn ich an Frankfurt denk, und, wirklich, es ist Zeit, um Beleuchtung zu bitten und mal anzufragen, wie es den lieben Leutchen denn eigentlich geht, von denen ich nun seit Juni nichts mehr gehört habe. – Welcher Berg hat euch getragen? Welcher Wald hat euch umflüstert? Welches Meer hat das Glück gehabt, euch in seine Arme zu schließen? – Vielleicht ging's folgendermaßen zu: Erst die Ginheimer Höh mit Bretzeln und Thee, dann das Gebirge und darauf die See, und jetzt Montecarlo, heißa juchheh!
Meinerseits war ich, jedesmal bloß auf ein paar Täg, in Celle und in Wolfenbüttel, und zuletzt in Hunteburg, um hier den kleinen Großneffen, genannt Martin, der nun bereits 8 Wochen alt wird, zu besuchen und kennen zu lernen. Recht drollig, fürwahr, so ein klein winziges Menschenwürmchen! Aber er weiß, was er will. Trinken ist sein Bestes. Wird er nicht prompt bedient, gleich ist er ungnädig. Toilette dagegen macht er nicht gern, sondern sträubt sich mit Hand und Fuß;
Doch da hilft kein Strampeln nicht;
Reinlichkeit ist Menschenpflicht.
- Im Übrigen kramt ich still, simpel und weltvergeßen im Garten herum, was mir, scheints, nicht übel bekommen ist. –
Leb wohl, liebe Nanda! Die Mama, die Letty, die Onkels, die Nelly und der Hudi, ihr all mit einand, seid herzlich gegrüßt von
Deinem stets getreuen
Onkel Wilhelm.
Anbei das Buch; beste Übersetzung; nur noch antiquarisch zu haben. – Ein bereits über 500 Jahre alter, spirituoser Wein; nicht Jedem bekömmlich. – Aber die hübsche Empfängerin, die übrigens schon an Stärkeres gewöhnt ist, hat's selber zu haben gewünscht und der Verfaßer sagt in der Vorrede, daß es speziell zum Troste der Damen geschrieben sei. – Die Beiden müßen's ja wißen.
Meinen Dank für den Brief, den ich soeben erhalte.