1050. An Franz von Lenbach

[64] 1050. An Franz von Lenbach


Wiedensahl Dec. 1895.


Liebster Lenbach!

Deine liebenswürdigen Zeilen von neulich zeigen mir erfreulicherweise, daß wir uns doch wenigstens noch zuwinken können in den Gefilden der Freundschaft, wenn auch nur aus erklecklicher Ferne, wie dies in der Volksversammlung aller Dinge nun einmal beschloßen scheint. – Inzwischen handhabt die Zeit, die alt Urschel, unermüdlich den Besen und fegt das Gegenwärtige auf den Kehrichthaufen der Vergangenheit. Oder macht sich's nur so durch die Brille und ist eigentlich anders?

Von Kunst sah ich einiges Alte, was mir, wie immer, sehr wohlthätig durch's Aug in die Hirnkapsel drang. Auch allerlei Neues hab ich besehn. Darunter ein harmonischer Farbenteppich – cimbrische Schneidergesellen und Knorzelmänner, die auf und neben einer Brucken sogenannten Römern zu Leibe gehn. – Anderwärts scheint Violett, die einst so beliebte Nachtjackenfarbe kleinbürgerlicher Hausfrauen bei den Künstlern wieder Mode zu sein. Und selten ein kräftiger Pinselstrich, frisch aus dem Topfe, schlankweg, grad da, wo er sitzen muß. Vermuthlich liegt's an der Tücke, die jetzund in den Tuben lauert. –

In der Wißenschaft, nach der ich ja auch mitunter so ein Bißel hinüber schiele, glaub ich zu wittern, daß die todte Unterlage, auf der man bishero gewirthschaftet, allmählig lebendig wird. Munterkeit bis in's Kleinste würde zu der Art des Denkvergnügens, an die ich gewöhnt bin, gut paßen. Doch einerlei! Jedenfalls war der letztvergangene Herbst höchst lobenswerth. Die Sonne, wenn ich so im Garten herumstocherte, wärmte mir behaglich den Buckel und stimmte mich mild und wohlwollend, sogar gegen Raupen und Blattläuse.

Sei herzlich gegrüßt, lieber Freund, und feiere mit den Angehörigen ein fröhliches Weihnachtsfest.

Stets Dein getreuer

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 64.
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