|
[71] 1069. An Grete Meyer
Wiedensahl Dienstag. [Frühjahr 1896]
Meine liebe Grete!
Für deinen netten schnellen Bericht, den ich Sonntag abends erhielt, sollst du auch vielmals bedankt sein.
Ihr seid ja alle ganz munter und bringt eure Sach, wie ich sehe, gehörig in Ordnung; wie ich denn wohl annehmen darf, daß auch die Gucklöcher in den intimen Fußumhüllungen, von denen du schreibst, noch denselben Sonnabendabend nach den Regeln der Kunst vollkommen verstopft sind.
Bei uns hier weht von Nordosten her eine ungemüthlich kühlkalte Luft; doch scheinen die dickleibigen Cumuluswolken voller Regen und Schloßen vorläufig mal alle zu sein. Es fehlt an Sonnenlicht; daher kommt das zartere Grün, abgesehen vom Unkraut, nur schüchtern hervor. Der Hopfen hat über ellenlange Sproßen, wagt aber seine Blätter nicht voreilig zu entfalten. Seit Wochen ist der Spinat schon grün und kommt nicht viel weiter. Die ersten Erbsen indeßen sind frech heraus; ein zweites Beet ist gestern gelegt. Frühkartoffeln sind gleichfalls untergeschaufelt.
Wie weit sind denn Otto's Maiblümchen? Meine spitzen jetzt zahlreich in die Höhe, wenn auch nicht ganz so gleichmäßig über das Beet hin, wie es wohl sein sollte; vielleicht kommen noch welche nach.
- Eben thut die Frau Sonne so, als ob sie endlich wieder mal scheinen wollte.
Und nun leb wohl, liebe Grete! Seid alle herzlich gegrüßt von deinem
getreuen Onkel
Wilhelm.
Auch von Frl. K. einen schönen Gruß.