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[83] 1098. An Nanda Keßler
Hattorf Dienstag [1. Dezember 1896]
Meine liebe Nanda!
Das lautet mal erfreulich, daß du die Hauptbeschwerden glücklich überstanden und die Aussicht hast, schon nächsten Sonnabend nach Frankfurt zurück zu kehren. Es wär aber, nach dem, was Du mir über deine behutsamen Gehübungen schreibst, doch möglich, daß der Herr Doctor seine liebenswürdige Patientin noch einige Tage länger in seiner sorgsamen Nähe zu behalten wünschte. Also für so ganz bestimmt, um meine Reise drauf einzurichten, möcht ich's nicht ansehn. Es ist außerdem zu bedenken, ob der Mama, die die Kinder bei sich hat und wohl auch noch behalten wird, ein Gast unter diesen Umständen so ganz paßend käme, und so halt ich's denn für schicklich, zuerst von ihr darüber Nachricht zu erwarten. Mein Besuch wird, was mir leid ist, jedenfalls nur sehr kurz sein können, denn noch vor Weihnachten muß ich naturgemäß wieder bei meiner guten Schwester sein, um so mehr, als sie jetzt zum ersten Mal, nachdem ihre Kinder verheirathet sind, zum Feste ganz mutterseelenallein sitzt.
Ich bitte dich, liebe Nanda, das Alles freundlich zu überlegen.
Leb wohl und sei vielmals gegrüßt von deinem
Onkel Wilhelm,
der hier seit gestern hübsch sauber im Schnee lebt.