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[85] 1106. An Marie Hesse
Wiedensahl 2. Jan. 1897.
Meine liebe Frau Heße!
Ja, die Zeit, je älter sie wird, radelt immer schneller an einem vorüber, wie närrisch, und wird immer vergeßlicher und läßt leicht einen Brief liegen, der schon längst (in Gedanken) geschrieben wurde.
Und so sind Sie also seit dem ersten März bereits Großmama und haben, wie mir scheint, mit recht Ihre Freud an der Sach. Ich meinerseits muß zufrieden sein mit dem bescheideneren Titel eines dreifachen Großonkels. Neffe Hermann in Hattorf hat zwei hübsche und gescheidte Mädeln, Trudel und Irmgard, eine sechs, eine vier Jahre alt, die mich, als ich neulich ein paar Wochen lang dort war, tagtäglich belustigt haben. Neffe Adolf hat im November vorläufig erst mal Hochzeit gehalten. Otto aber, der jüngste der Neffen, ist bereits im Besitz eines anderthalbjährigen Söhnchens, genannt Martin, den ich im Juli etwas genauer besichtigt habe. Recht merkwürdig ist's zu sehn, wie solch ein ungeübtes Menschenkind sein Behagen und Mißvergnügen so ausdrucksvoll verständlich zu zeigen versteht – für's Auge immer ergötzlich, für's Ohr nicht immer gar sehr. Nächstens will ich denn wieder mal hin, um zu sehen, wie sich das Kerlchen macht, wenn's laufen thut.
Prosit Neujahr, liebe Frau Heße! Haben Sie besten Dank für Ihren freundlichen Brief, und seien Sie und die Ihrigen auf das herzlichste gegrüßt von
Ihrem
Wilh. Busch.