1182. An Otto Nöldeke

[123] 1182. An Otto Nöldeke


Wiedensahl 12. April 98.


Lieber Otto!

Sei bedankt für deine Zeilen, die ich heut mittag erhielt. Gut, daß du die Hauptfestplage nun hinter dir hast. Da kannst du dich denn bald um's Velociped bekümmern, wofür ich dir gleichzeitig durch Postanweisung 250 Mk. schicke. Hab nur kein Malör damit. Unser Docter zieht das eine Bein mehr nach, als gewöhnlich; wie ich höre, ist er vom Rad gefallen.

Die ersten Erbsen sind zum Theil aus der Erde; der Spinat steht schön grün in der Reih; die Salatsaat ist munter gelaufen. Das Wetter ist kühl und regnerisch.

Seit Palmarum haben die Schwarzdroßeln sich uns entfremdet. Das Nest im Epheu ist fix und fertig, und nun benutzen sie's nicht. Vielleicht sind die Katzen dran schuld. Eine graue sah ich gestern still oben in der Tanne lauern, von wo ich sie mit Steinen heraus bombardierte.

Der Hausgöpel geht ja mit gutem Willen ganz leidlich zu meiner Zufriedenheit. Freitag abend war Damengesellschaft mit Apfelsinen vorn in der Stube: Frl. Niemitz u. Frl. Hilker. (Ich saß in meiner Stube). Morgen mittag will Frl. H. mit Emma nach Stadthagen; abends spät zurück mit Niemitz Wagen; holen zugleich einen neuen Bäckerlehrling ab. Ich ermuntere immer zu Ausflügen.

Adolf schrieb zu Ostern ganz vergnügt. Er erwartete Schwiegereltern und Schwager.[123]

Sophie hat gestern bei Poggenschusters Gevatter gestanden, hernach im Kranz zum Tanz sich verfügt.

Ortsdieners Marie ist wieder schwer krank. Es wird ihr Mittags Suppe hinüber gebracht.

Schuster Krömer ist gestorben. Ich glaube, er hat dir früher auch Stiefel gemacht, und so wirst du dich wohl noch "lebhaft" an ihn erinnern.

Postfriedrich, obwohl noch etwas schwach nach seiner Lungenentzündung, machte heut wieder seinen ersten Umgang. Er brachte mir deinen Brief.

Leb wohl, lieber Otto! Seid alle mitsammen recht herzlich gegrüßt.

Dein getr. Onkel

Wilhelm.


N.B. Daß deine "Harzaussichten" nicht ungünstig sind, kommt mir doch sehr wahrscheinlich vor. Die Sommermonate freilich wirst du wohl noch in Welplage herum radeln.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 123-124.
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