1244. An Grete Meyer

[151] 1244. An Grete Meyer


Mechtshausen 18. Oct. 1899.


Liebe Grete!

Sei bedankt für den hübschen Brief.

Der Vorsatz, wiederholt das Museum zu besuchen, ist lobenswerth. Denn so pflegt's zu gehen, daß man meint, was am Ort ist, wäre Einem immer noch sicher; dann kommt man weg, und nie mehr sieht man's wieder.

Schön, daß du mal endlich eine Oper gehört von diesem Mozart, der so voller Einfälle steckt, der alles machen kann, in jeder Art, von unten bis hoch oben hinauf, und so "furchtbar gut" außerdem. – Gounod's Faust sah ich bei seinem ersten Erscheinen in München vor länger als 30 Jahren. Man (ich auch) war entzückt über die Musik und die Sängerin des Gretchens. In beiderlei Hinsicht hat seitdem die Begeisterung nachgelaßen.

Den Vater der jungen Münchnerin hab ich, wenn auch nicht genauer, doch genugsam gekannt, um mich über das Vorhandensein eines Töchterchens zu freun, das dir gefällt.

Und nun, wie gefällt dir der Herbst? Wir loben ihn täglich. Freilich nachts 3 – 4° unter Null. Dafür ist aber am Morgen die Welt hübsch weiß mit Zucker bestreut, den die liebe Sonne regelmäßig wegleckt mit ihrer langen goldenen Zunge; und nebenbei hat sie auch wieder mal Elsen's Wäsche getrocknet in aller Geschwindigkeit. Der Wald wird bräunlich. Weit über das Feld wehen die Schleier der letzten Kartoffelfeuer. Und dann der Abend! Neulich, als Frau Luna noch sichelhaft mager war, drückte sie sich frühzeitig und schüchtern hinter den Berg hinab. Jetzt, nachdem sie fett und voll geworden, spatziert sie preisherrlich in hohem Bogen am Himmel dahin, so lange, wie's dauert. Vorn die dunklen Gartenbäume und die matt silberne Gegend dahinter machen sich angenehm. Ich wollte, du sähst es.

Tantens Koffer, der am Freitag vergeßen, ist noch rechtzeitig am selben Abend in Hattorf angekommen.

Von Stupsteerts Küchlein sind nur noch zwei am Leben. So gehts, wenn man zu spät auf die Welt kommt.

Dagegen herrlich gedeihen die Mäuse. Zum Entsetzen von jedermann ernähren sie sich mehr als redlich von allem, was sie mögen und kriegen können.

Leb wohl, liebe Grete! Otto ist per Flitzepärd nach Bültum zur Konferenz. Also viele herzliche Grüße von Else, den Kindern und deinem alten

Onkel Wilhelm.


N.B. Ein "mitunteriges" Zigarettchen darfst du dir hoffentlich erlauben.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 151.
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