1264. An Grete Meyer

[162] 1264. An Grete Meyer


Mechtshausen 22. April 1900


Liebe Grete!

Ich denke, du bist nun wieder volltönend in Wirksamkeit.

Hier ist Konfirmation heut. – Anna hilft Nachbar Probstens, die zur Feier des Tages ein Schaf geschlachtet haben, bei der Bereitung des Festeßens. Minna besorgt bei uns den Sonntagsbraten, da Else zur Kirche ist. Martin war natürlich zu Probstens gegangen, um nach dem rechten zu sehn. Mit Ruth, die sich einsam fühlte, spatziert ich ein wenig herum, bis Martin mit zwei Stück Kuchen zurück kehrte.

Während es vorigen Mitwoch, als ich mit Elsen nach Hannover war, noch fröstelte, haben wir jetzt ein solch anmuthiges Frühlingswetter, daß arbeitsame Leute schon über die Wärme klagen.

Von Hattorf, Barnstorf, Verden lauten die Nachrichten gut. Sophiechen in Schwerin gehts etwas beßer. – Tante wird vermuthlich demnächst nach Verden fahren.

Morgen in acht Tagen hoff ich in Hattorf zu sein und von da auch Ebergötzen zu besuchen.

Leb wohl, liebe Grete! Sei vielmals gegrüßt von uns Pfarrbewohnern und besonders herzlich auch von deinem alten getreuen Onkel Wilhelm. –


Notabene.

Die Lehre von der Wiederkehr

Ist zweifelhaften Sinns.

Es fragt sich sehr, ob man nachher

Noch sagen kann: Ich bins.


Allein was thuts, wenn mit der Zeit

Das alte Ich verblich?

Die Fähigkeit zu Lust und Leid

Lebt fort im neuen Ich.


Was aber die zwei Worte "gut" und "bös" betrifft, so halt ichs für meine Person nicht für angemeßen, ihnen den altererbten moralischen Sinn zu rauben. Schon nach dem vierzigsten Jahr, heißt es, ändert Keiner mehr seine Philosophie.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 162.
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