|
[216] 1426. An Nanda Keßler
Mechtshausen 11. Jan. 1904.
Meine liebe Nanda!
Für deinen Brief aus Heidelberg sag ich Dir besten Dank. Der Profeßor scheint die Sach gründlich zu nehmen, und da, wie ich aus der Einlage ersehe, der Hudi selbst bei gutem Humor ist, so wird der Erfolg sicher nicht ausbleiben.
Zu meinem stillen Vergnügen find ich, daß du den Schopenhauer von hinten beginnst. Das ist, glaub ich beinah, ein Naturgesetz bei den Damen. Die Anfangsgründe sind unbeliebt.
Unser Winter war gemäßigt bislang. Die Hühner legen bereits, während die Puter und Enten in dieser Hinsicht noch immer verschloßen sind. – Etwas bedrückend war der beständige Nebel. Am Dreikönigstage fuhr ich durch eine Welt voll Watte nach Hannover, allwo ich mit meinem Bruder Hermann aus Celle und drei Neffen recht gemüthlich zu Mittag aß.
Vor unserm Fenster im Zimmer blühn die Tulpen. Daran erfreu ich mich denn, wenn ich morgens zum Kaffee die üblichen Zigarretten rauche.
Laß dir's gut gehn, liebe Nanda. Sei herzlich gegrüßt im neuen Jahr, und grüß die Nellie und besonders auch den Hudi, sobald du ihm schreibst, von deinem alten
Onkel Wilhelm.