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[229] 1473. An Marie Hesse
Mechtshausen 13. Nov. 1904.
Liebe Frau Heße!
Besten Dank für Ihren freundlichen Brief!
Mein Neffe Otto und sein Martin kamen neulich munter und frisch aus der Seeluft zurück. Dies Borkum, scheints, ist gegen früher kaum mehr wieder zu kennen. Statt vom Landungsplatze auf harten Bretterwagen in's Dorf zu rumpeln, fährt man gelinde per Eisenbahn. Am Strande, wo sonst die bescheidene Giftbude stand, erheben sich jetzt große Hôtels. Und drei Kirchen giebt's. Fehlt nur die Synagoge. Damit hapert's jedoch; denn, wie ich vernehme, will die dortige Gesellschaft in ihrer Mitte durchaus keine Juden dulden.
Über mein kleines Wohnörtchen ist, nach dem sonnigen Sommer, nunmehro der Herbst gekommen. Durch die Akazien saust tobend der Wind und stößt hart an die Fenster. Unten raschelt wirbelnd das trockene Laub – aber über den Garten weg seh ich bereits grünende Roggenfelder als tröstliches Zeichen, daß unter der Kruste noch unermüdliches Leben drängt.
"Erde du meine Mutter und
du mein Vater der Lufthauch"
sagte einmals ein alter Brahmine.
Leben Sie wohl, liebe Frau Heße. Herzliche Grüße vom Neffen Otto und
Ihrem alten
Wilh. Busch.