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[230] 1476. An Grete Meyer
Mechtshausen 11. Dec. 1904.
Liebe Grete!
Seit ich zuletzt von Dir hörte, sind wieder mal 1000 Jahre vorbei gerutscht, wie geschmiert. Je älter man wird, je hastiger tritt sie Einem auf die Hacken – die Zeit – die sogenannte. Denn wider beßeres Wißen, unter dem Zwange des verzwickten Gehirns, müßen wir denken, daß alles vorüber geht und schließlich entschlummert – auch wir – auch die Episteln der Freundschaft. All die guten Vegetabilien draußen in Garten und Feld sind eingeerndtet oder haben sich verhüllt gegen den empfindlich nahenden Winter. Wohl rühren sich die Schneeglöckchen, die Priemeln, der keimende Roggen in Morgenträumen; aber nichts, was war, wacht auf, wie es einstmals gewesen ist.
Leb wohl, liebes Gretchen! Fröhliches Weihnachtsfest! Und hernach spring munter in's neue Jahr, das dich, so hoff ich, recht freundlich behandeln wird.
Viele Grüße, besonders an's Mütterlein, von deinem alten
Onkel Wilhelm.