1579. An Grete Thomsen

[261] 1579. An Grete Thomsen


Mechtshausen 28. April 1907.


Liebe Grete!

Also am Donnerstag, nachdem ich euch verließ, fuhr ich sehr bald an einem Krähenwäldchen vorbei mit viel hundert Nestern, an grünen Viehweiden voller Kühe und Pferde, unter diesen ein alter magerer Schimmel, der Kapriolen machte, wie der munterste Geisbock; dann kamen die hübschen Dörfer, und dann gings durch den langen Tunnel und dann durch den kurzen – immer sicher und langsam, so daß ich Zeit hatte, dran zu denken, wie gut's bei euch war. Seid herzlich bedankt dafür, du und Andreas und deine Mutter, die den vortrefflichen Kuchen buck. Ja, und die anmuthigen Freundinnen, spuken auch noch weiter im Sonnengeflecht, wo, wie man sagt, die Seele ihren besonderen Wohnsitz hat.

In Seesen empfingen mich Else und Anneliese; Ruth war zuhause geblieben. Die beiden Mädels machen mir Freude. Neulich, als mich Liese beim Kaffee unterhielt, über Kochs Kanarienhecke, rief sie plötzlich: Ich muß lernen! und lief zu Otto hinauf.

Unsere Kirschen blühen noch nicht. Unter den Rosen sind manche verfroren, aber Herr Heike, der milde, hat uns ein halb Dutzend neue geschenkt.

Übermorgen nachmittags will Freund Bachmann von Rhüden kommen, ausdrücklich zufuß. –

Leb wohl, meine liebe Grete! Grüß mir Andreas und all deine Angehörigen.

Immer dein getreuer

Onkel Wilhelm.


Empfiel mich, bitte, der Anna, deren fromme Morgenunterhaltung ich nun entbehren muß.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 261.
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