[33] Astolf, Estrella.
Kriegsmusik.
Von der einen Seite erscheint Astolf mit Soldaten, von der anderen Estrella mit ihren Damen.
ASTOLF Estrella begrüßend.
Bei dem Anblick dieser hellen
Strahlen, gleichend dem Kometen,
hört Ihr sich zum Gruß gesellen
hier die Trommeln und Trompeten,
dort die Vögel und die Quellen.
Eifer zeigt sich überall,
Euerm Götterreiz zu dienen;
und sie sind bei gleichem Schall
die, gefiederte Clarinen,
jene, Vögel von Metall,
und so grüßen Euch, Señora,[33]
als Monarchin die Kartaunen,
muntre Vögel aus Aurora,
als Minerva Kriegsposaunen,
und der Blumen Schar als Flora.
Denn Aurora, siegbewußt,
seid Ihr, die den Tag verdunkelt,
Flora bei des Friedens Lust,
Pallas, wo der Kampfstahl funkelt,
und Monarchin meiner Brust.
ESTRELLA.
Soll des Menschen Wort sich fügen
nach den Taten, die man schaut,
so erscheint als leeres Trügen
Eurer Worte Schmeichellaut;
denn es strafet dort Euch Lügen
jene kriegrische Trophäe.
Nicht, daß sie den Mut mir störe;
doch es stimmt, wie ich's verstehe,
nicht das Schmeicheln, das ich höre,
zu der Rauheit, die ich sehe.
Und bemerkt: so niedre Tat
kann dem Wilde nur gebühren;
Trug gebiert es und Verrat,
Schmeichelein im Munde führen,
wenn man Mord im Herzen hat.
ASTOLF.
Fürstin, schlecht seid ihr belehrt,
da Ihr meine Höflichkeiten[34]
fälschlich mit Verdacht beschwert;
doch wenn ich mich ganz erklärt,
werdet Ihr nicht länger streiten.
Fürst Eustorg, bei seinem Sterben,
ließ für Polens Diadem
seinen Sohn Basil zum Erben,
und zwei Töchter außerdem,
unsre Mütter. Nicht verderben
will ich Euch die Zeit durch jene
müß'gen Dinge. Clorilene,
die anjetzt auf höherm Throne
schmückt ihr Haupt mit einer Krone
von Gestirnen, wie ich wähne,
war die ältre; sie gebar
Euch, Estrella. Recisunde,
so die zweite Tochter war,
brachte mich; auf diesem Runde
weile sie noch manches Jahr!
Moskaus Herzog, ihrem Gatten,
ward ich Erbe; umzukehren
mögt Ihr jetzo mir gestatten.
Fürst Basil, der sich von schwerem
Druck der Jahre fühlt ermatten,
und in seinem ganzen Leben
mehr der Wissenschaft ergeben
als den Fraun, hat keinen Sohn;
daher wir auf seinen Thron
unsern Anspruch beid erheben.
Ihr führt an für Euch, daß Ihr
seid der ältern Schwester Kind;[36]
aber gab das Leben mir
gleich die jüngre, so gewinnt
doch der Mann den Vorzug hier.
Euern Anspruch und den meinen
legten wir dem Oheim vor,
der, bedacht uns zu vereinen,
diesen Tag uns auserkor,
um vor ihm hier zu erscheinen.
Schnell von Moskau abgegangen,
eilt ich seinem Wunsch entgegen,
und bin hier, mit dem Verlangen,
nicht den Krieg Euch zu erregen,
nein, von Euch ihn zu empfangen.
Oh, daß Amors Weisheit gebe,
daß des Volkes prophet'sche Meinung
noch Erfüllung hier erlebe,
und daß friedliche Vereinung
Euch zur Königin erhebe,
doch auf meines Herzens Throne:
Gibt als schuldigen Tribut
Euch der Oheim seine Krone,
Siegstrophäen Euer Mut,
und mein Herz sich selbst zum Lohne.
ESTRELLA.
Bei so edelmüt'gem Streben
bleibt mein Herz nicht gern zurück;
auf den Thron mich zu erheben,
wäre mir nur darum Glück,
um ihn Euch zu übergeben.[37]
Doch mir Undank zu bereiten,
fühl ich freilich keine Lust;
denn mit Euern Artigkeiten
scheint dies Bild an Eurer Brust,
wie ich fürchten muß, zu streiten.
Kriegsmusik.
ASTOLF.
Völlig sollt Ihr Gnüg empfahn,
hoff ich; doch der Instrumente
lautes Tönen zeigt uns an,
daß mit seinem Parlamente
sich der König werde nahn.
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