2. Szene.

[68] Clarin, Clotald.


CLARIN für sich.

Um den Preis vier derber Stöße,

die der Einlaß mir bei jenem

Rotrock von Hatschier gekostet,

dem sein Dienstkleid half zum Bärtchen,

bin ich hier, zu sehn, was vorgeht.

Denn fürwahr, kein sichrer Fenster

gibt's als solches, das ein Mensch

selber bei sich führt, ohn eben

den Kassierer viel zu bitten,

weil man ja bei allen Festen

nur hindurch zu gucken braucht,

ohne Grämen oder Schämen.

CLOTALD für sich.

Dieses ist Clarin, der Diener

jener Armen, (Himmel!) jener,

die als Mäklerin des Unglücks

meine Schmach nach Polen schleppte.


Laut.


Was gibt's Neues, Freund?

CLARIN.

Das gibt's,[69]

Herr, daß deine milde Seele,

fest entschlossen, meines Fräuleins

Schimpf zu rächen, sie beredet,

Frauenkleidung anzuziehn.

CLOTALD.

Gut ist's, denn für Leichtsinn gelten

konnte sonst ihr Tun.

CLARIN.

Das gibt's,

daß sie, ihren Namen wechselnd

und sich deine Nichte heißend,

sich erhob zu solcher Ehre,

daß als Dame sie im Schloß

in Estrellas hoher Nähe

lebt.

CLOTALD.

Gut ist's, daß ich die Rechnung

ihrer Ehr itzt auf mich nehme.

CLARIN.

Das gibt's, daß sie nunmehr wartet,

bis zur Rettung ihrer Ehre

Zeit und Anlaß dir sich zeigt.

CLOTALD.

Wohl ist der Entschluß der beste;

denn gewiß kann nur die Zeit

glücklich dies Geschäft vollenden.[70]

CLARIN.

Das gibt's, daß man sie als Fürstin

hier bewirtet und verehret,

weil sie gilt für deine Nichte,

und daß ich vor Hunger sterbe,

bin ich gleich mit ihr gekommen;

daß kein Mensch an mich gedenket,

noch erwägt, ich sei Clarin,

und wenn ein Clarin trompetet,

könn er, was geschieht, verraten

an Basil, Astolf, Estrella;

denn fürwahr, Clarin und Diener

sind zwei Dinge, die sich selten

gut mit dem Geheimnis stehn;

und vielleicht, wenn aus den Händen

die Verschwiegenheit mich läßt,

kann von mir das Sprüchlein gelten:

»Heller, wann der Tag erschien,

schmettert kein Clarin.«

CLOTALD.

Deine Klag ist wohl begründet;

ich will dich zufriedenstellen,

und indes bediene mich.

CLARIN.

Ha, schon läßt der Prinz sich sehen.


Quelle:
Calderon de la Barca, Pedro: Das Leben ein Traum. Leipzig 1964, S. 68-71.
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