[1] Gedancken über etliche Personen in einer Wirthschafft

1682.


Diane.1

O hab ich mich verirrt? wo bin ich eingekehret?

Warum ist dieser Ort so herrlich ausgerüst?

Es scheinet, wo ich bin, daß auch mein Tempel ist,

Weil hier, als Göttin, mich so manches Volck verehret.


Sultanin.2

Man zittert nun nicht mehr vor Ketten und vor Banden,

Ist in der Barbarey ein solches Bild vorhanden,

So wird dort mit der Zeit an Fesseln Mangel seyn:

Denn wer nur sehen darf, stellt sich zum Sclaven ein.
[353]

Sultan.3

Kein Ottomanner-Printz mit allen seinen Reichen,

Ist mir an Tapfferkeit und Ansehn zu vergleichen.

Nur eins macht, daß ich nicht unüberwindlich bin:

Die ungemeine Zier der holden Käyserin.


Schäffer.

Kommt, laßt uns wieder gehn, und zu den Schaafen kehren,

Die Liebe möchte sonst uns alle Ruh verstören.

Ey was vor schönes Volck kriegt man allhier zu sehn!

Die Unschuld leidet Noth; kommt, laßt uns wieder gehn!


Ziegeunerinnen.4

Nehmt eure Hertzen wohl in acht,

Die ihr diß Lumpen-Volck nicht kennet,

Das nur auf Mord und Raub durch Land und Städte rennet,

Sie haben viele hier schon in Gefahr gebracht.

Sie zeigen unser Glück und Unglück richtig an,

Dieweil ihr Ja und Nein uns beydes schaffen kan.


Mohren.

So groß ist unsre Glut in treu-verliebten Hertzen,

Als diese, die so sehr die Haut uns können schwärtzen.

Doch das ist Wunderns-werth in unserm Mohren-Land:

Wir beten das noch an, was uns so schwartz gebrannt.
[354]

Hauß-Knecht.5

Der Küch und Keller kan in gutem Stand erhalten,

Muß billig diesesmahl des Hauß-Knechts Amt verwalten,

Ihn lobt ein jeder Gast, denn, wo sein Stab sich rührt,

Es sey Schertz oder Ernst, wird Uberfluß gespührt.


Charlatan.6

Ich bin auf diesem Plan mit Theriack erschienen,

Mit Balsam und Extract, ich gebe guten Kauff;

Es komme wie es will, hört gleich mein Handel auf,

So kan – – – – mir neues Geld verdienen.


Jude und zwo Jüdinnen.

Ich bin auf Schacherey und auf Betrug bedacht,

Und manchen falschen Stein hab ich schon angebracht.

Lacht nicht, ihr, die ihr seht zwey Weiber mit mir wandeln:

Wer Lust zu kauffen hat, kan eine von mir handeln.


Pickelhering.7

Es mögen andre sich verkleiden,

Mein Leib kan nicht Verstellung leiden,

So wenig als mein treuer Sinn.

Drum zeig ich mich, auch selbst am Fest der Freuden,

So wie ich von Natur beschaffen bin.
[355]

Moscowiterin.8

Wer ist der Wunder-Peltz behängt mit hundert Schwäntzen,

Die uns der Kürschner hohlt von Ruß-Lands kalten Gräntzen?

Man sagt, daß Prügeln dort der Liebe Zeichen sey,

Warum schlägt ihr der Mann nicht Arm und Bein entzwey?


Gärtnerin.9

Die dieses Gärtner-Weib in ihrer Einfalt schauen,

Die glauben nicht zu sehr dem frommen Angesicht!

Den stillen Wassern ist am wenigsten zu trauen,

Wißt, daß man viel von ihr und dem Apthecker spricht.10

Fußnoten

1 Diß war die damahlige Brandenburgische Chur-Princeßin Elisabeth Henriette, aus dem Hoch-Fürstl. Hause Hessen-Cassel, König Friedrichs, als Chur-Printzen, erste Gemahlin, welche das folgende Jahr darauf verstorben, worüber der Herr von Canitz die ungebundene Rede aufgesetzt, welche Bl. 184. in dieser neuen Ausgabe zu finden.


2 Ihro Durchl. die Gemahlin des Marggrafen Ludwigs, Loyse Charlotte, eine gebohrne Printzeßin von Radzivil.


3 Ihro Durchl. der Marggraf Ludwig, welcher erst das Jahr zuvor mit Ihr Beylager gehalten hatte.


4 Es waren zwey Pohln. Fräulein, die sich bey der Frau Marggräfin Ludwig, als Hof-Damen, aufhielten, Nahmens Groschevska und Zinitschka, davon diese, durch ihre wohlausgesonnene und prächtige Kleidung, bey solcher Gelegenheit sich sonderlich hervor gethan: Massen sie eine von Gold reich durchwürckte Decke auf der Schulter mit einer grossen Diamantnen Spange zusammen gehefftet, nicht weniger das Stirn-Band mit vielen kostbaren Edelsteinen reich besetzt hatte; welches alles, zumahl sie bräunlich von Gesicht und Haaren, mit ihrer angenehmen Person vortrefflich schön überein kam.


5 War der damahlige Chur-Brandenburgische Ober-Hoff-Marschall Freyherr von Canitz.


6 Ich habe, alles Nachfragens ungeacht, nicht gewiß erfahren, wer der Charlatan gewesen, daher auch der letzte Vers nicht ergäntzt werden können.


7 Der damahlige Obriste, nachmahls General-Major von Wangenheim, welcher, wegen seiner Schertz-Reden, bekannt, und beständig um den Graff Rebenack gewesen.


8 Wer die Moßkowiterin, hätte ich, wegen des letzten Verses, worinn ein sonderliches Rätzel stecken mag, gerne erkläret; zumahl dergleichen Sinn-Gedichte, ohne die dabey genannte Personen, auf welche sie zielen, die meiste Anmuth und Stärcke verliehren, aber ich habe bißher keine zuverläßige Nachricht ausforschen können.


9 War die erste Gemahlin unsers Herrn von Caniz, mit der er sich, gleich das Jahr zuvor, vermählet hatte.


10 War ihr eigner Mann, der Herr von Caniz selbst, welcher in dieser Wirthschafft den Apothecker abgab, statt der Knöpfe am Kleide, lauter kleine runde Artzney-Fläschgen; statt des Degens, eine lange Clistir-Sprütze, und andere dazu sich schickende Auszierungen; über dieser Kleidung aber einen altväterischen mit Gold breit-gestickten schwartzen Sammtnen Mantel hatte, und durch diese artige Erfindung seines, zu dieser Vorstellung, wohl ausgesuchten Anzugs, den Beyfall des gantzen Hofes, eben wie hernach im Jahr 1690. erhielt; da er dergleichen wieder in der grossen Scheren-Schleiffer-Wirthschafft vorgestellt. Siehe die Besserischen Gedichte Bl. 445. Diese Wirthschafft geschah, bey Gelegenheit eines öffentlichen Lust-Festes, welches der damahlige Frantzösische Abgesandte am Chur-Brandenburgischen Hofe, Graf von Rebenac-Fequieres, wegen des dem Dauphin gebohrnen Hertzogs von Burgund, ietzigen Königs in Franckreich Herrn Vaters, zu Berlin, gegeben. Der Herr von Caniz meldet in einem Frantzösischen Schreiben an Hof-Rath Zapfen, daß Graf Rebenac zu solchem gantz ausser-ordentliche Zubereitungen gemacht, in dem Vorsatze, alle übrige Frantzösische Abgesandten in Teutschland und andern Orten, an Pracht und kostbarer Erfindung in ihren, schon vor ihm, dieserhalben angestellten Lustbarkeiten, zu übertreffen. Weil der Printz schon den 6. August zur Welt kam, hätte der Gesandte die Lust eher angestellt, er wolte aber erst die Zurückkunfft des Chur-Fürsten und des Hofes abwarten, welcher auch würcklich, nebst allem, was Vornehm war, demselben beygewohnet. Den ersten Tag, als den 26. Sept. alten Calenders, ward Mittags auf dem, zu solchem Ende, prächtig ausgeschmückten Stall-Platze an 5. Tafeln, jede zu 30. Personen, gespeiset; Abends aber, so wohl die vor dem Hause, als vor den Fenstern gesetzte Spitz-Säulen und Sinn-Bilder, mit mehr als sechs Tausend Lampen, und einer Menge Wachs-Kertzen und Fackeln erleuchtet. Nachmahls wieder, bey einer schönen Musicke, gespeiset, und zu dem Gesundheit-Trincken, unter Trompeten und Paucken-Schall, die Stücken gelöset endlich mit einem biß in die späte Nacht daurenden Balle beschlossen. Den andern Tag Abends, den 27. Sept. gieng die Wirthschafft vor sich, und versammelten sich die dazu Verkleidete in des Chur-Printzen und der Chur-Printzeßin Zimmer, welche mit von der Gesellschafft waren; so dann verfügten sie sich in Ihro Durchl. des Chur-Fürsten und der Chur-Fürstin Gemächer, und führten dieselben wieder auf den allbereits schon erleuchteten Stall-Platz, woselbst alle Verkleidete zur Wirthschafft, deren 80. Personen waren, an einer Tafel, in Form eines halben Monds; die übrige Hohe Gesellschafft aber, an verschiedenen andern Tafeln, speisete, biß endlich gegen Tag, mit Tantzen, geendiget ward. Im Mercure galant vom Nov. 1682. 2. T. Bl. 178. findet man dieses Fest sehr umständlich beschrieben.


Quelle:
Friedrich Rudolph Ludwig von Canitz, Kritische Ausgabe: Gedichte, Tübingen 1982, S. 351-356.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Galante und Schertz-Gedichte
Galante und Schertz-Gedichte

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Nach der Niederlage gegen Frankreich rückt Kleist seine 1808 entstandene Bearbeitung des Hermann-Mythos in den Zusammenhang der damals aktuellen politischen Lage. Seine Version der Varusschlacht, die durchaus als Aufforderung zum Widerstand gegen Frankreich verstanden werden konnte, erschien erst 1821, 10 Jahre nach Kleists Tod.

112 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon