|
[30] Eglantine. Euryanthe zu ihrer Linken.
Nr. 5b. Recitativ.
EGLANTINE.
So einsam bangend find' ich dich?
EURYANTHE.
O nenne Bangen nicht mein einzig Glück'
Dies Sehnen ist der Himmel unter Klagen.
EGLANTINE.
Dein Hoffen und dein Sehnen
Zeigt dir als höchstes Glück nur Thränen –
EURYANTHE.
Mir bot das Leben Leid und Liebe nur.
Verwaiset lebt ich in des Klosters Stille, wie Veilchen blühn.
Da drang der Liebe Blick, ein Pfeil, in meine unbewehrte Brust,
Und mein ward Adolar!
EGLANTINE für sich.
Weh ihm! Weh dir!
EURYANTHE.
Nach Nevers führt er mich, zog in den Kampf;
Hier blieb ich einsam, sehnsuchtsvoll zurück.
Da fand ich dich, dein schmeichelnd holdes Kosen
Gab Lind'rung mir.
EGLANTINE.
Du wandeltest den Kerker
Zur Freistatt um, warst mild der Heimatlosen,
Die ihrer Ahnen Burg in Staub gesehn,
Den Vater als Rebell geächtet, flüchten!
Mich tötet die Erinnerung!
EURYANTHE.
O Geliebte!
Getrost blick' in die Zukunft! Mir vertraue!
EGLANTINE.
Dir? Nimmer hast du mir Vertraun gewährt!
Dich drückt ein bang Geheimnis –
Leg es nieder in diese Brust,[30]
Dann kann ich ruhig sein,
Nur dann, sonst nie!
EURYANTHE.
Verschone, laß mich schweigen!
EGLANTINE.
Des Unglücks Blick ist scharf! Um Mitternacht
In dunkler Gruft, wo du dich einsam wähnst,
Wacht Liebe dir zur Seite.
EURYANTHE.
O verschweig' es dir selbst, was du gesehn.
EGLANTINE.
Nichts sagst du mir?
Nr. 6a. Arie.
O mein Leid ist unermessen,
Du kannst mir dein Herz entziehn!
Laß mich einsam und vergessen
In die fernste Wildnis fliehn!
Laß mich fort, vom Sturm getrieben,
Irren, schwanken, untergehn!
Nein, dein Mitleid ist kein Lieben,
Nie sollst du mich wiedersehn.
Doch wie könnt' ich je dich meiden?
O verstoß mich nicht von hier!
Dulden will ich, lächelnd leiden,
Sterben süß am Busen dir!
Nr. 6b. Recitativ.
EURYANTHE.
Freundin! Geliebte! an meine Brust!
Wie konnt' ich solche Lieb' ermessen!
Vergieb!
Sie umarmen sich.
EGLANTINE.
Du liebst mich? Alles ist vergessen!
EURYANTHE.
So treu hast du mit mir gewacht,
In dunkler Gruft, in stiller Nacht?
EGLANTINE.
Was störest du der Toten Ruh'?
EURYANTHE.
O nein! Ich flehe dort für Emmas Frieden.
Die Schwester Adolars, durch schnellen Tod
Entrissen seiner Brudertreu'; ihr Leid
Trug sie verschwiegen in die Gruft hinab.[31]
EGLANTINE.
Wer that es kund?
EURYANTHE.
Ihr Geist!
EGLANTINE.
Entsetzen! Wie?!
EURYANTHE schauernd in Erinnerung vor sich hinstarrend.
Am letzten Mai, in banger Trennung Stunde,
Bei Mondenlicht sah'n wir von Duft umwallt
Der holden Emma Luftgestalt,
Und säuselnd tönt's von ihrem bleichen Munde:
»Die ihr der Liebe Thränen Herz an Herz so selig weinet,
Hört mich an! Auch mir
Strahlt' einst dies goldne Licht, mein Udo
Liebte mich zart und treu! Er fiel in blut'ger Schlacht!
Da war mein Leben mir kein Leben mehr,
Aus gifterfülltem Ring sog ich den Tod!
Weh dieser That, die mich vom Heil geschieden!
Getrennt von Udo irr ich durch die Nächte!
O weint um mich! Nicht eh' kann Ruh' mir werden,
Bis diesen Ring, aus dem ich Tod getrunken,
Der Unschuld Thräne netzt im höchsten Leid
Und Treu' dem Mörder Rettung beut für Mord!«
EGLANTINE triumphierend.
Gewicht'ge Kunde!
EURYANTHE entsetzt auffahrend.
Was hab' ich gethan?
Verraten Adolars Geheimnis! Gott!
Gebrochen meinen Eid!
EGLANTINE.
Befürchte nichts!
Nr. 7. Duett.
EURYANTHE.
Unter ist mein Stern gegangen,
Bange Ahnung sagt es laut!
EGLANTINE.
Kannst du zagen, kannst du bangen,
Holde, da du mir vertraut?
EURYANTHE.
Weh! ich brach des Schweigens Treue!
[32] EURYANTHE.
Unter ist mein Stern gegangen,
Bange Ahnung sagt es laut!
EGLANTINE.
Kannst du zagen, kannst du bangen,
Holde, da du mir vertraut? –
Such' an meinem Busen Ruh!
BEIDE.
Trost der Liebe, süß bist (findest) du!
EURYANTHE.
Ja, es wallt mein Herz aufs neue
Selig deinem Herzen zu;
Nie bezweifl' ich deine Treue,
Du nur bist mein alles, du!
EGLANTINE.
Ja, es wallt dein Herz aufs neue
Selig meinem Herzen zu;
Zweifle nie an meiner Treue,
Du nur bist mein alles, du!
Euryanthe ab in das Gruftgewölbe links hinten.
Eglantine begleitet sie.
Buchempfehlung
Diese »politische Komödie in einem Akt« spiegelt die Idee des souveränen Volkswillen aus der Märzrevolution wider.
30 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro