Dritter Auftritt

[31] Climene, Lisette, Timant, Philipp.


TIMANT. Endlich kann ich doch den glücklichen Augenblick finden, Sie zu sprechen, gnädiges Fräulein! Endlich kann ich doch ohne die Aufseher, die allezeit auf uns lauschen, einige Worte mit Ihnen reden. Ich würde mich glücklich deswegen schätzen: aber alle Ihre Minen, alle Ihre Blicke, geben mir zu verstehen, daß Ihnen meine Gegenwart beschwerlich ist.

CLIMENE. Es ist mir allemal viel Ehre, in Ihrer Gesellschaft zu seyn.

TIMANT. So kaltsinnig, so verdrießlich antworten Sie mir. Sie wissen, daß ich Sie liebe, daß ich Sie anbethe, und Sie können so grausam gegen mich handeln? Was muß wohl die Ursache Ihrer Sprödigkeit, und meines Unglücks seyn?

CLIMENE. Ich habe Sie schon gebethen, mir nichts von Ihrer Liebe vorzusagen! Ich werde allemal mit Vergnügen bey Ihnen seyn, wenn Sie die Sprache eines Freundes, und nicht eines romanenhaften und mistrauischen Liebhabers im Munde führen werden.

TIMANT. Was kann Sie abhalten, meiner Liebe Gehör zu geben?

CLIMENE. Die Schuldigkeit einer Tochter, ein natürlicher Trieb zur Freyheit, ein Herz, das für die Freundschaft empfindlich, aber für die Liebe nicht gemacht ist. Das ist genug!


Sie will abgehen.


TIMANT. Bleiben Sie, gnädiges Fräulein! Ich will fortgehen, wenn ich Ihnen beschwerlich falle. Aber das glauben Sie nicht, daß mich Ihre List verblendet. Nein, das alles ist es nicht, das Sie gegen mich fühllos machet. Eine andere Leidenschaft, die Ihr Herz eingenommen hat, ist Schuld daran. Sie bemühen sich umsonst, es mir zu verbergen; ich weiß es gewiß.

CLIMENE. Und wenn Sie es gewiß wissen; warum verfolgen Sie mich mit Ihrer Liebe?

TIMANT. Sie begegnen mir zu heftig; es muß Sie jemand angehetzt haben. O wüßte ich den Störer meiner Ruhe![31]

CLIMENE. Das weiß ich, daß Sie sich bemühen, die meinige zu stören.


Timant und Climene gehen zornig auf und ab, ein jeder auf seiner Seite.


LISETTE zu Philipp. Sie sind heute, wie ich sehe, alle beyde sehr übel aufgeräumt.

PHILIPP zu Lisetten. Sie zanken sich so hitzig, als wenn sie schon Mann und Frau wären.

LISETTE. Mein gnädiges Fräulein hat auch dießmal wider ihr Gewissen geredet, als sie von ihrer Unempfindlichkeit sprach.

PHILIPP. So machen es alle Mägdchen. Hast du etwas erfahren?

LISETTE. Still! Ich will dir es hernach sagen. Sieh nur an, wie sie so trotzig auf- und abgehen; und jetzo bleiben sie stehen.

TIMANT. Könnte ich nur den Namen meines Nebenbuhlers erfahren! Sollte es Clitander oder Euphemon seyn? Antworten Sie mir! An wem soll ich mich rächen! Wer hat Ihr Herz gegen mich unempfindlich gemacht?

CLIMENE. Hören Sie mich an, Timant; und lernen Sie besser von meinem Herzen urtheilen: aber ich bitte Sie darum, unterbrechen Sie mich nicht. Weder Clitander, noch Euphemon hat mein Herz gegen Sie verhärtet. Nein, die Vernunft und die Sorge für Ihr eigenes Glück haben es gethan. Glauben Sie mir, wenn ich Sie auch liebte; wenn Sie auch mein Herz und meine Hand besäßen: Sie würden deswegen nicht glücklich seyn; weil Sie immer das Gegentheil fürchten würden. Glauben Sie mir, wir sind nicht für einander gemacht. Sie wollen mich nicht allein gegen sich empfindlich machen; Sie wollen haben, daß ich gegen alle andere Men schen unempfindlich, menschenfeindlich seyn soll. Die unschuldigsten Reden und Handlungen legen Sie auf das schlimmste aus. Sie quälen sich selbst, und werden alle Ihre Freunde mit dieser Gemüthsart quälen. Ich zähle mich darunter; ich schätze Sie hoch; ich verehre Ihre Verdienste; Sie wollen bey meinem Vater um mich anhalten. Es steht Ihnen frey; ich werde meinem Vater gehorchen: aber ich sage es Ihnen noch einmal, wir schikken uns nicht zusammen, und wir würden einander unglücklich machen – Ich empfehle mich Ihnen, bis auf wiedersehen.


Climene und Lisette gehen ab; die letzte läßt ein Papier fallen, das Timant begierig aufhebt.


Quelle:
Johann Friedrich von Cronegk: Der Misstrauische. Berlin 1969, S. 31-32.
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