Sechster Auftritt.

[165] Landrath. Ernestine.


ERNESTINE. Jetzt müssen Sie sich entschließen, Herr Landrath, Ihr Glück, das meines Fräuleins, das meine steht auf dem Spiele. Sie hörten, Frau von Kiel kommt vielleicht noch heute an, sie wird alle anwenden Elise für ihren Sohn zu gewinnen. Sie wissen, daß Elisens Mutter stets gewünscht, ihre Tochter mit dem Sohne ihrer liebsten Freundin verbunden zu sehn, das wird sie benutzen.[165] Dazu treiben die derangirten Umstände der Familie sie, die reiche Heirath durchzusetzen.

LANDRATH aufgeregt. Das alles ist es ja, was mich Tag und Nacht nicht ruhen läßt. Elise ist für mich, vielleicht für sich selbst verloren! Ich bin in einer schrecklichen Lage!

ERNESTINE. So enden Sie, Herr Landrath, erklären Sie sich, und alle Gefahr ist gebrochen.

LANDRATH. Ihre Sicherheit bringt mich vollends zur Verzweiflung, sie spiegelt mir ein Glück vor, auf das ich gar keine Aussicht habe.

ERNESTINE. Trauen Sie doch dem Blicke eines Mädchens, Sie haben nichts zu fürchten.

LANDRATH. Seyn Sie still, um Gotteswillen, ich möchte gefaßt bleiben. Glauben Sie nur nicht, daß ich überall so scheu und zaghaft bin, wie vor Elise.

ERNESTINE. Was denken Sie, Herr Landrath?

LANDRATH. Wie ein gescholtener Schulknabe steh ich da, wenn ich zu ihr reden soll, wenn sie mich mit den klaren muntern Augen ansieht. Ach und dazu der Fluch der Lächerlichkeit, der mich von Kindheit an verfolgt. – Wie oft war in diesen zehn Wochen schon mein Herz auf der Zunge, und gerade im entscheidenden Augenblicke kam dann etwas dazwischen, oder ich machte etwas Ungeschicktes, Elise lachte und ich konnte mich vor Beschämung Tage lang nicht wiederfinden.

ERNESTINE. So sollten Sie ihr schreiben.[166]

LANDRATH. Daran hab' ich wohl auch schon gedacht, aber nein, es wäre feige und unmännlich; Elise würde auch gewiß darüber spotten.

ERNESTINE. Sie denken zu arg von ihr. Wie wäre es denn, wenn Sie ihr das Gedicht gäben, das Sie heut früh gemacht? Gewiß bezieht es sich auf sie, und daran knüpft sich dann wohl ein innigeres Gespräch.

LANDRATH. Hm, es ist nichts an den Versen.

ERNESTINE. O nicht zur Unzeit bescheiden!

LANDRATH. Nun, ich will es sogleich sauber abschreiben lassen.

ERNESTINE. Warum? Von Ihrer Hand hat es doppelten Werth.

LANDRATH. Wo denken Sie hin, ich schreibe so schlecht! – Aber das ist alles nichts, auf Umwegen verliere ich meinen Muth vollends, ich muß der Gefahr gerade entgegen gehn und sage frei heraus, was mein Herz belastet.

ERNESTINE. Herrlich, herrlich! Jetzt sind Sie in der rechten Fassung, ich melde Sie meinem Fräulein auf er Stelle! Will fort.

LANDRATH hält sie; erschrocken. Was wollen Sie thun? Mein Gott, so schnell? – Ich muß mich doch sammeln – vorbereiten. –

ERNESTINE. Was bedarf es dazu der Vorbereitung?

LANDRATH. Ich muß doch – bedenken – und[167] dann – so wie ich bin – ich – ich muß mir doch einen Frack anziehen. –

ERNESTINE. Einen Frack? Mein Gott, welche Förmlichk – –

LANDRATH. Aber in zehn Minuten komme ich wieder, dann muß es sich entscheiden. Er nimmt seinen Hut und setzt ihn, beim Abgehen durch die Mitte, auf.

ERNESTINE ihm nach. Ich lasse Sie nicht aus den Augen.


Quelle:
Eduard Devrient: Dramatische und dramaturgische Schriften, Leipzig 1846, S. 165-168.
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