Neunter Auftritt.

[95] Anna, Heiling zu ihrer Linken.


ANNA.

Was soll das Schrein? –

Ihr tollen Mädchen, laßt die Possen sein!

So kommt doch! – Wollt ihr nicht? So sprecht! So sprecht!

Ihr ängstigt mich! Ihr ängstigt mich!

Ach, das ist gar nicht recht!


Unwillig reißt sie mit dem letzten Wort das Tuch von den Augen, erblickt Heiling, der unbeweglich ihre Hand hält; sie sinkt in die Kniee, wendet entsetzt das Gesicht.


Barmherz'ger Gott!

HEILING mit starrer Kälte.

Was wendest du dein Angesicht?

Süß Liebchen, kennst du deinen Bräut'gam nicht?

ANNA.

Entsetzlicher! Hinweg! – Was willst du hier?

HEILING reißt sie empor; fürchterlich.

Als Rächer komm' ich her!

ANNA scheu und bang.

Weh mir!

HEILING von ihrem Anblick entwaffnet und tief bewegt, schlägt die Hände zusammen.

Anna! Warum hast du mir das gethan?

ANNA gerührt, ganz kindlich.

O rechnet mir nicht Euern Jammer an![95]

HEILING.

Gedenkst du nicht des Tags, da du mir Treu'

versprochen,

Als ich in Wonn' und Schmerz zu deinen Füßen rang?

Warum, warum hast du mir deine Treue gebrochen?

ANNA kindlich.

Warum habt Ihr zum Menschen Euch gelogen,

In Eure grause Nähe mich gezogen,

Mit Eitelkeit mein Herz versucht?

Ich wußte nicht, was ich versprochen,

Als Ihr mich Braut genannt.

HEILING.

Verflucht!

So hast du keine Treue mir gebrochen?

Vor meiner Liebe konnte dir schon grauen?

Wohlan, wohlan, so sollst du meine Rache schauen!

ANNA.

So räche dich, so räche dich, Entsetzlicher!

Doch nur an mir, an mir allein

Erschöpfe alle Pein!

Doch an mir allein

Erschöpfe alle Pein


Sie fällt ihm zu Füßen.


Und schone, schone meines Gatten nur!

HEILING rasend.

Ha, Schändliche! So wagst du, ihn zu heißen?

Aus deinem Herzen will ich diesen Namen reißen.

ANNA flieht wankenden Schrittes vor ihm nach rechts vorn.

Ihr Heil'gen alle, schützet, rettet mich!


Sie stürzt in die Kniee, mit ausgebreiteten Armen wie verzückt gen Himmel rufend.


In deine Hände, o Gott, befehl' ich mich!


Heiling läßt von ihr ab, steht erschüttert und unschlüssig.

Stephan und Konrad eilen von rechts vorn herbei.

Gertrud, die vier Schützen, Bauern und Bäuerinnen kommen von links.

Die acht Brautjungfern treten von allen Seiten heran.
[96]


Quelle:
Heinrich Marschner: Hans Heiling. Leipzig [1895], S. 95-97.
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