[Es wurde Nacht. Verdeckt sind Sterne und Mond]

[148] Es wurde Nacht. Verdeckt sind Sterne und Mond.

Die Hirten liegen um Orpheus lauschend gelagert.

Es wird alle Schroffheit ringsum schwarz betont.

Es scheinen Cypressen beinah abgemagert.
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Ein Jüngling spricht: »Ach Orpheus, milder Meister,

Oh sag, wozu entschließt sich die Natur,

Wo bleibt denn jetzt der Sang der milden Geister,

Der Liederhauch, der sanft vorüberfuhr?!«

Und Orpheus sagt: »Mein Herz ist arg beklommen,

Es harrt ein Sturm im dunklen Wolkenmeer,

Es hat mein Seelensehn sein Nahn vernommen

Und um Euch alle ist mir bang und schwer.

Sahst Du am Abend nicht die Sonnenspangen?

Sie hielten Wolken wirksam eingepreßt.

Da ist die Furcht vor Sturm in mir vergangen,

Doch wehe, wenn der Tag uns gar zu jäh verläßt!«

Was glitzert jetzt auf einmal durch den Wald?

Mänaden scheinen Feuer anzufachen.

So Manche hat die Rüstung umgeschnallt

Und denkt sich wohl zum Kampf zurecht zu machen!

Jetzt hört man gruppenweise Weiber lachen.

Nun aber plötzlich gar nichts mehr im Wald.

Doch was? Nun scheint man Fackeln zu erheben!

Wer hat sie, Fäusten gleich, emporgeballt?

Mänaden oder wer? Was fängt dort an zu beben?

Ach nein, das ist noch nicht der wilde Sturm!

Es wackelt wohl schon mancher Dunkelthurm,

Und es entkriecht ihm auch sein Wolkenwurm.

Doch meistens legt sich der um Felsenkuppen,

Als wäre so ein Gipfel sein Gehäuse.

Auch hängen dort verschiedene Wolkengruppen,

Wie schlafumfangene, dunkle Fledermäuse.

Da spricht der Dichter: »Stürme, fangt doch an zu heulen!

Die Wolken, die die Hügel überdachten,

In deren Schutze stumme Riesen übernachten,

Erzittern schon und ringsum stürzen Säulen:[149]

Entsetzlich ist es, einen Einsturz zu betrachten!

Begänne doch das Sturmeswüthen und das Schlachten!«

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 3, München; Leipzig 1910, S. 148-150.
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