[790] Kapitelsaal zu Marienburg, Hermann Gans, die Grafen von Kyburg und Sayn, Schönfeld, Zenger und Schäven um eine Tafel sitzend, an deren oberen Ende Heinrich von Plauen.
PLAUEN.
Seitdem die Waffen ruhn, seh ich hier finstre
Gewalten gehn durchs Haus, verhüllt und scheu noch,
Doch heimlich zornentbrannte Blicke wechselnd;
Argwohn verdreht der Dinge klaren Sinn,
Und aus dem Mißverständnis wächst die Zwietracht.
So darf es nimmer bleiben, liebe Brüder,
Sag's jeder freiheraus doch was er sinnt!
Wie helle Blitze die Gewitterschwüle,
Bricht ehrlich Wort und rechte Gegenrede
Verhaltnen Groll. Darum berief ich euch,
Und sag zuerst euch meines Herzens Meinung:
Ihr schloßt mit Polen wider meinen Willen
Den Frieden ab, und unerhörte Zahlung
Habt ihr dem Kön'ge zugesagt. Was hilft's uns?
Nicht eitel Gold, der Stahl, das Eisen gilt
Auf solchem Markt! Mit unsrer Armut hier
Wächst dort die Gier nur und der Übermut,
Und mit dem eignen Marke füttern wir
Den Krieg auf, den wir abzuwenden meinen.
So lastet schwer der Friede auf uns allen
Und wie ein Friedhof ist das ganze Land.
Die Ungewißheit ist's, die Furcht, die Sorge,
Die wie ein grauer Regenhimmel tief
Mit trägem Flug die müden Seelen streift,
Das unerträglich Hoffnungslose ist's,[790]
So Roß und Schwert allmählich zu verpfänden,
Um von dem prahlerischen Feind die Schmach
Solch zweifelhaften Daseins zu erkaufen.
GANS.
Bevor wir weitergehn in der Verhandlung,
Muß ich, der Ordnung wegen, replizieren,
Daß in Paragrapho vier oder fünf
Des Friedensbriefs die Zahlung stipuliert ist
Als Lösegeld für die gefangnen Brüder.
Gott schütz, daß wir die Unsern nun verließen!
PLAUEN.
Du meinst es immer ehrlich, alter Freund.
Drum nenn's, wie's recht dir dünkt. Ich nenn's Tribut.
GRAF KYBURG.
Eh's dahin käm, eh soll!
PLAUEN rasch und streng.
Wie willst du's wenden?
GRAF SAYN.
In Deutschland ist noch Geld. Eure Hoheit hat
Die Brüder dort zu reicher Spend entboten.
PLAUEN.
Die Boten sind zurück mit leeren Händen.
In Franken, heißt's, war Hagel, Mäusefraß,
In Koblenz ist der Wein just nicht geraten,
Und ekler Mißwachs überall im Orden.
Ein Tor, der, wo es gilt, auf viele baut!
Wir stehn für alle auf der Vorhut hier
Der Christenheit, von uns verlangt sie Hülfe!
Täuscht euch nicht länger Polen und der Orden,
Wie Löw und Tiger liegen lechzend wir
Einander gegenüber, jeder scharf
Des andern Blick bewachend wer zuerst
Sich wieder aufrafft, der zerreißt den andern!
GRAF SAYN.
Was meint Euer Hoheit?
ZENGER.
Kaum zu deuten wag ich's
SCHÄVEN.
Du siehst verwirrt uns alle, bleich, voll Staunen
PLAUEN.
Was starrt ihr mich so an? Es ist die Zeit nicht,
Mit eitler Red sich selber zu belügen.
Ich sag's euch freiheraus: die Stille hält nicht!
Die Friedensmatten zu vernichten sinnt
Der König Jagjel, und wir sind verloren,
Bricht er ins Land! Da gibt's nur einen Rat:
In raschem Überfall des Ordens Banner
Zu pflanzen mitten in des Feindes Reich
Und so die Wetter, die sie heimlich türmen,
Zurückzuwerfen auf ihr eignes Haupt!
GANS.
Bedenk die hochbeschworenen Artikel[791]
SCHÄVEN.
Wie? ist das eine geistliche Versammlung?
Den heil'gen Friedenstempel, den der Herr
Mit seinen Engelscharen aufgerichtet
Ob diesem Land, daß es ihn dankbar preise
PLAUEN.
Hüll dich nicht in den Pfaffenmantel, Schäven!
Sprich ohne Falsch, als stündest du vor Gott,
Der Rechenschaft wird fordern von der Stunde!
GRAF SAYN.
Und ständ ich hier vor Gott, ich spräch nicht anders!
Noch raucht der Krieg ringsum von allen Burgen,
Das Volk eratmet' kaum nie spannt es willig
Zu neuem Kampf das letzte Roß vom Pfluge.
PLAUEN.
Da's draußen galt, wer frug da nach dem Plunder?
Gib ihnen einen einzigen Gedanken,
Und jeder setzt das Seine freudig dran!
SCHÄVEN.
Um Gott! wir haben kaum das Leben noch,
Zumal wir auf den armen Komtureien,
Und insbesondre ich! wo nähm ich's her?
PLAUEN.
Ich wende an euch alle mich noch einmal
Ich bitte, ich beschwör euch, denke keiner
Jetzt an sich selbst in der gemeinen Not!
Müd sind wir alle doch die dort vom Schreck,
Vom Siege wir im Ehrenschmuck der Wunden.
Noch einmal ging des Ordens strenger Geist
Geharnischt durch die Flammen dieses Hauses
Und aus den Kriegeswolken über uns,
Die kaum fernab am Horizont vergrollen,
Langt Gottes Hand laßt sie uns rasch erfassen,
Eh sich der Himmel schließt zum letztenmal!
GRAF SAYN.
Ein Wunder müßt geschehn, wenn wir's vollbrächten!
PLAUEN.
Das größte Wunder ist der starke Glaube,
Der Roß und Reiter schlägt aus dürrem Sand.
GRAF SAYN.
Es soll der Mensch den Himmel nicht versuchen
Und, was die andern auch beschließen mögen,
Ich stimme nimmer drein, tollkühn das Ganze
An einen ungewissen Wurf zu setzen.
Ein halb Jahrhundert blut'gen Kriegsruhms hab ich
Zu wagen, und will meines Stammes nicht
Der erste sein, der Ehre schmachvoll endigt.
PLAUEN.
Nun was für Ehr wär das, die von Fortuna,[792]
Der Metze, noch des Ritterschlags bedürfte!
Halt höher dich, wenn du hier mit willst stimmen,
Denn nicht von deinem Ruhm wird jetzt gehandelt.
SCHÄVEN.
Nein doch von unser aller Hab und Gut.
PLAUEN.
So werft den Ballast fort, wenn er euch hindert!
ZENGER.
Wozu dann Krieg?
SCHÄVEN.
Was blieb' dann noch zu schützen?
PLAUEN.
Spottwenig ja, du hast erschrecklich recht.
Zu den andern gewendet.
Zur Sache denn: wollt Krieg ihr oder nicht?
ZENGER.
Wenn erst die Häuser wiederhergestellt
GANS.
Ich rat zu kluger Unterhandlung erst
SCHÖNFELD.
Ja nennt, anstatt Hans Schönfeld, mich Hanswurst,
Wenn ich hier weiß, wer recht hat in dem Handel.
PLAUEN.
Ich frag: wollt ihr den Krieg?
GRAF SAYN.
Und ich sag nochmals
FÜR ALLE.
Nein!
PLAUEN.
Nun denn so helf mir Gott!
Er steht rasch auf und tritt in den Vordergrund, die andern erheben sich gleichfalls. Allgemeine Stille. Währenddes hört man draußen Trompetenklang.
PLAUEN freudig auffahrend.
O frischer Klang! Wer naht?
GRAF KYBURG am Fenster.
Küchmeister ist's,
Der neue Marschall. Viele bunte Banner,
Die er dem Feind bei Tuchel abgerungen,
Umflattern ihn, und wie ein Frühlingssturm
Stürzt Jubel nach und zahllos Volk, das er
Auf dunklem Rosse mächtig überragt.
GRAF SAYN.
Seht doch, grad hinter ihm hat ein Gewitter
Zornfinster sich gelagert überm Land.
Jetzt bricht er durch den Haufen und sprengt donnernd
Voraus in heller Rüstung auf der Brücke,
Wie Wetterleuchten auf dem dunklen Grund.
PLAUEN der unterdes ans Fenster getreten.
Flieg zu, du feur'ger Blitz!
GRAF KYBURG.
Jetzt schwingt er sich
Vom Roß und eilt hierher.
PLAUEN.
Laßt uns allein.
Alle ab.
[793] Küchmeister in voller Rüstung tritt herein.
PLAUEN der ihm entgegengegangen, ihn freudig bei der Hand fassend.
Willkommen, wackerer Genoß! Nun ich
Dich wiederseh, ist's mir, als schaut ich weit
Ins Morgenrot und alles stünde freudig.
KÜCHMEISTER.
Heinrich Euer' Hoheit wie es sich gebührt,
Komm ich zu grüßen
PLAUEN.
Gut, doch laß die Flausen,
Wir sind allein.
KÜCHMEISTER.
Der Bruder mit dem Meister.
PLAUEN.
Du bringst mich nicht zum Lachen meine Seele
Ist tief betrübt.
KÜCHMEISTER.
So werden wir auf neue
Zerstreuung sinnen müssen hier.
PLAUEN ihn scharf ansehend nach einer Pause.
Küchmeister!
Es wär entsetzlich, wenn auch du
KÜCHMEISTER.
Wenn ich?
Nun was denn? Was wär denn entsetzlich?
PLAUEN.
Laß das!
Von andern wicht'gern Dingen laß uns reden.
Den Günther sandt ich zu dir, meine Meinung
Sollt er eröffnen dir.
KÜCHMEISTER.
Unglaubliches
Hört ich von neuer Rüstung, Friedensbruch,
Und eilte, gegen diesen neuen Krieg
Hier feierlich mein Wort, soweit's noch gilt
Im Orden, zu erheben.
PLAUEN.
Du? Warum?
KÜCHMEISTER.
Frag das zertrümmerte Marienburg,
Das blut'ge Volk frag, das zertretne Land!
PLAUEN.
Das war sonst deine Art nicht, viel zu fragen.
Du weißt's so gut wie ich, es fällt das Heil
Vom Himmel nicht, es will erobert sein,
Und wer da nach dem Höchsten zielt, darf nimmer
Gemeine Übel scheun.
KÜCHMEISTER.
O wackrer Schütz,
Der jedesmal das Schwarze trifft und immer
Von neuem wieder höher zielt!
PLAUEN.
Was meinst du?
KÜCHMEISTER.
Daß es ein stolz und königlich Gelüsten,[794]
Die Welt mit Unerhörtem zu erschüttern
Und wie ein Sturm, der kein Gesetz erkennt,
Als seinen eignen unermeßnen Trieb,
Den Wald zu packen und das Meer zu peitschen.
Doch Felsen gibt's im Meer, die Flut zu brechen,
Und Stämm im Walde noch, die sich nicht beugen.
PLAUEN.
Nun das vergeb dir Gott! den dunklen Abgrund
In deiner Seele aber hab ich nun erkannt
Und sag dir's unverhohlen was dich treibt
Zu solchem frechen Wort: der Fürstenmantel
Auf meiner Schulter ist's, der dich verstört,
Der Neid, der hünd'sche ist's, der die Gestirne
Anbellt, weil er sie nicht erreichen kann!
Schäm dich, schäm dich dich schlug ich höher an!
KÜCHMEISTER.
Sprich du mit Knaben so! Nicht du, die Welt
Wägt den, der Burgen bricht und Schlachten lenkt
Und siegreich heimkehrt, schuld'gen Dank zu fordern.
PLAUEN.
Du tatst's um dich, du mordetest für dich
Nichts tatst du, Wilder, und nichts kannst du tun
Mit dem gemeinen Sinn!
KÜCHMEISTER.
Dräng mich nicht mehr!
Bei Gott es könnt sich Gräßliches begeben!
PLAUEN.
Es hat sich schon begeben! was noch kommt
Verlach ich nur. Auf Tod und Leben ring ich
Von heut mit dir, wie mit 'nem gift'gen Wurm,
Eh du die Drachenzähne ausgesät
In diesen schlamm'gen, giftgeschwollnen Boden.
Wie der Geringste bist du mir fortan,
Nur grimmiger Geh, ich verachte dich!
KÜCHMEISTER.
Heinrich ist das dein letztes Wort?
PLAUEN.
Das letzte.
KÜCHMEISTER faßt rasch an sein Schwert, stößt es aber nach einer kurzen Pause wieder in die Scheide.
Still, stille, wildes Herz und wenn du börstest,
Ich zwing dich doch! Eur' Hoheit lebe wohl.
Ab.
PLAUEN der ihm schweigend nachgesehen, nach der andern Türe rufend.
He Günther! Günther!
Graf Günther von Schwarzburg tritt ein.
SCHWARZBURG.
Was verlangt Eur' Hoheit?
PLAUEN.
Du bist ein ernster Mann, rasch, wachsam, klug
Geh zum Archiv, dort findest du ein Buch,[795]
Worin all Gold und Silber und Kleinodien
Verzeichnet, die des Ordens Schlösser schmücken.
Wähl einen treuen Ritter aus, der's ehrlich
Noch mit uns allen meint, dem gib das Buch.
Von Burg zu Burg dann eil er, mit dem Haupthaus
Die Rund beginnend, und was er da trifft
Des Mammons, soll er fassen auf mein Wort
Und sicher gen Marienburg senden!
SCHWARZBURG erstaunt.
Herr!
PLAUEN.
Du selbst mußt gleich nach Böhmen fort und Deutschland,
Die Briefe liegen drin für dich bereit,
Dort sollst du Söldner werben mir, so viel
In Hast du greifen kannst von dem Gesindel,
Das rings der Sturm der Zeit zerstiebt. Rasch, heimlich
Bei Nacht, durch Wälder, daß der Pole drüben
Den leisen Tritt nicht hört, führ sie ins Land
In kleinen Haufen, bis die Bäche alle
Hier plötzlich als ein Strom zusammenstürzen.
SCHWARZBURG.
O freud'ge Kunde! so hat das Kapitel
Den Krieg beschlossen?
PLAUEN finster.
Frag nicht!
SCHWARZBURG.
Wie? Das Recht
Der Herrn, zu stimmen in so wicht'gem Werk?
PLAUEN.
Frag nicht. Mein Recht ist höher hier als ihres
Und überwältigt kleiner Formen Maß,
Wo Not hereinbricht über alle Maßen!
SCHWARZBURG nach einer Pause.
Du bist des Ordens Meister ich gehorche.
Er will gehn.
PLAUEN in tiefer Bewegung seine Hand fassend.
O Günther! wär die Seel von ird'schen Stoffen,
Wie Felsen oder grimmer Löwen Leib,
Sie bräch beim Anblick dieser Jammerwelt!
SCHWARZBURG.
Mein hoher Herr!
PLAUEN.
Laß nur Eil nun, die Zeit
Geht ohne Rast, und wirft den Säum'gen nieder.
Ab.
SCHWARZBURG.
Ich stehe wie bei Nacht in fremder Gegend,
Wo ferne Blitze kaum den Richtweg deuten.
Er folgt Plauen.
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