[835] Das Innere des Burghofes zu Lochstädt. Rechts eine Linde mit einer Rasenbank, auf welcher Plauen schlummernd ruht. Von der andern Seite treten Graf Günther von Schwarzburg und der Schloss-Wart auf, ohne Plauen zu bemerken. In der Ferne hört man Trompeten.
SCHWARZBURG.
Das ist recht still und einsam hier. Der Herbstwind
Rauscht durch die alten Wipfel schon und streut
Die bunten Blätter auf den öden Hof.
SCHLOSSWART.
Horcht ist's mir doch, als ginge Kriegsmusik
In weiter Ferne durch die stillen Lüfte.
SCHWARZBURG.
Mein Fähnlein ist's, das gen Marienburg zieht.
Da draußen, Alter, hält der Tod jetzt Heerschau,
Die Besten sucht' er längst sich aus, und alt
Geworden ist die Welt, seit du hier einsam
Das stille Schloß gehütet. Mich verlangt
Auch recht nach ehrlichem Soldatentod![835]
Doch ging' ich ungern in den letzten Kampf,
Bevor der alte Meister nicht noch einmal
Die Hand mir herzlich hat gereicht zum Abschied.
Krank, sagst du, ist der Held?
SCHLOSSWART.
Still und todmüde
Der Undank brach das Herz ihm. Seht! da ruht er.
SCHWARZBURG nachdem er ihn lange schweigend betrachtet.
Du wunder Leu! Verlassen von der Welt,
Die du so lang bewacht in Nacht und Schrecken!
Ich drückt den Pfeil ab, doch so meint ich's nicht!
Man hört draußen kriegerische Musik.
Horch da! sie mahnen schon, die Stunde drängt!
SCHLOSSWART.
Der alte Klang hat ihn erweckt, er rührt sich
PLAUEN sich halb erhebend und die beiden anschauend, nach einer Pause.
Mir träumte, es sei tiefer, tiefer Abend
Die Gipfel nur noch ragten aus dem Grau,
Und in der Abendglut, wie über Trümmern,
Stand wunderbar der Engel mit dem Schwert,
Zu richten die vergangenen Geschlechter.
Und als, die weite Einsamkeit entlang,
Sein Schwert ertönte, an das Schild geschlagen:
Da Günther faßt ich rasch dich bei der Hand,
Es war, als hätt ich Gräßliches zu sagen
Und da ich mit dir vor dem Engel stand,
Senkt ich mein Haupt und konnt dich nicht verklagen.
SCHWARZBURG.
O hoher Herr wie Schwerter kreuzweis drückst du
Mir deine Worte schneidend in die Brust!
PLAUEN.
Denn wie der Engel ernst das Auge wandte,
Traf solche Hoheit mich und solche Milde,
Daß ich erschrocken in die Kniee sank:
Ach gegen dich, wie ist mein Herz so wilde!
Vermessen richtet ich mich auf ob allen
Und in die Wolken griff ich über mir,
Des Herren Blitze wollt ich strafend schwingen
Ich Staub vom Staub im Zorn die Welt bezwingen.
SCHWARZBURG seine Hand fassend.
O laß mich weinen auf die teure Hand.
Nicht du der starke Gott hat dich gehoben,
Ein feur'ges Zeichen, über diese Zeit,
Daß alle Herzen sich zum Himmel wenden![836]
Nun sucht der Blick verwirrt die Tiefe wieder,
Graun kommt und Sturm wühlt, Haß, Grimm, wildes Trachten,
Und sternlos geht der heil'ge Orden unter.
PLAUEN.
Ein Tropfen kaum, war's in dem großen Strome
Gelobt sei Gott! des Herren Wege gehn
Hoch über die Gedanken weg der Menschen.
So laß den Orden nur zusammenstürzen:
Das Kreuz bleibt stehn, das er gepflanzt im Norden,
Und übers Graun geht frommer Helden Kunde
Erschütternd fort durch künftige Geschlechter!
Sieh, Schwarzburg hinter der tiefen langen Nacht,
Wo alle Sterne ausgelöscht am Himmel,
Die trostlos aus dem Schutt der Zeiten stiert
Und uns nicht kennt mehr, die da unten ruhn
Seh ich den Himmel, wie von Schmerz zerrissen,
Und bei der Blitze Schein, dem ungewissen,
Die Helden all aus ihren Gräbern gehn;
Die richten schweigend auf den stillen Höhn
Ein wunderbares Kreuz empor von Eisen
In der gewitterschwarzen Einsamkeit.
Da geht ein Schauer durch das Volk der Preußen
Und noch einmal gedenkt's der großen Zeit.
SCHWARZBURG.
Dein Auge leuchtet seltsam Herr wie ist dir?
PLAUEN sich nach und nach hoch aufrichtend.
Hoch überm Walde, der sich rauschend neigt,
Wie unermeßlich da Aurora steigt!
Die Waffen blitzen, mutig schallen Lieder
Reich mir den Helm, gebt mir das Banner wieder!
Das flatternde Panier hoch in der Hand,
Zieh ich der Schar voran durchs deutsche Land,
Am Rheine pflanzen wir's zu Gottes Ruhm
Was zagt ihr? Ewig ist das Rittertum!
Er stürzt tot nieder.
SCHWARZBURG.
O scheide nicht was soll ich ohne dir
In dieser öden Welt! Gleichwie ein Cherub
Schwang er sich auf, es ist als hört ich leise
Den Flügelschlag noch in den stillen Lüften,
Und mahnend lockt mich's nach.
HANNS VON BAYSEN mit einer Fahne hereinstürzend.
Hoch! Freud'ge Botschaft![837]
Das bring ich dir! Marienburg ist frei!
Was ist das?
SCHWARZBURG.
Still der müde Held ruht aus.
BAYSEN.
Tot?
Die Fahne wegschleudernd.
Nun so fechte wer da will! das lohnte
Für so 'ne lump'ge Welt noch! O mein Meister!
Er wirft sich vor Plauen nieder.
SCHWARZBURG.
Steh auf! Und liebtest du ihn recht, so wende
Des Schmerzes Schneide auf des Feindes Haupt!
Not drängt und Großes gibt's zu tun. Was sprachst du
Da von Marienburg?
BAYSEN sich aufrichtend.
Höchst wunderbar
Bis an das Tor schon mit entbundnen Wogen
Stürzt' das Verderben da auf einmal lautlos
Stutzt Jagjels Heer, die Rosse steigen schnaubend,
Und Flüstern murmelt durch die bleiche Schar:
Des totgeglaubten Plauens Schreckensbild
Erblicken sie gewappnet auf der Zinne.
Da faßt Entsetzen Herrn und Knecht', und mitten
Im Jubel wandte schauernd sich der König.
SCHWARZBURG.
So schreckt im Sterben noch des Löwen Blick
Die dumpfe Welt. Den wunderbaren Sieger,
Wenn alle sein vergessen, laß uns ehren
Wie 's Kriegern ziemt dann fort ins Kampfgewühl!
Plauen mit der Fahne bedeckend, während draußen die Kriegsmusik wieder ertönt.
Solch Held regiert Jahrhundert' lang die Geister,
Und lebend oder tot, Er bleibt der Meister!
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