Dritter Aufzug.

[48] Personen.


Frau Künkelün.


Bürgermeister.


Roland.


Marie.


Rat Klemens.


Die Räte.


Ein Weib.


Weiber.


Hellebardier.


Frau Klemens.


Scene: Der Rathaussaal. Tisch und Stühle sind seitlich aufgeräumt wie beim Reinemachen üblich.

Ein kleiner Trupp bewehrter Weiber wartet im Rathaussaal auf die Ankunft von Frau Künkelün. Ihre Stimmung ist ernst, sie schwätzen nicht. Bald aber wird's anders. Eine neu zukommende Frau bringt mit rühriger Zunge die Herde zum

Schnattern.


WEIB zukömmling. Frau Künkelün hat den Rolandpanzer um, sie ist damit ins Zeughaus gegangen, zehn Schritt von mir. Wie ein schwarzer Hornschröter, der einem zum Schreck zwischen die Finger krabbelt. Mich überläuft's Grausen, wie wenn ich den Seeknecht noch einmal aus dem Schlamm zöge! Nicht mittun müßt ihr, wenn sie den nicht ablegt. Schande ist's für alle Weiber, daß sich eine mit dem Affen seinem Narrenkleid auch noch anzieht. Wir vertrauen uns ihrer Führung so nicht!

DER HAUFEN die einzelnen Sätze werden laut so gerufen, daß gewissermaßen immer der Folgende den Vorderen über den Haufen zu schmeißen scheint. Sie ist nicht mehr ganz recht, die Frau. – Wer weiß, wie die Sitzung im Rat gewesen ist. – Man weiß nichts anderes als von der Marie. – Die in ihrem Leibdienst ist. – Wir machen nicht mit. –

WEIB. Nur wenn sie das Narrenkleid auszieht. Die Zustimmung überschreiend. Durch den Panzer soll sie unverwundbar sein. Unter höhnendem Gelächter. Glaubt eins den Unsinn, den[49] ihre Marie allüberall in der Stadt herumträgt? Das Lachen wird rauher, leiser. Diese Grille kann ihr bloß durchs Ueberschnappen gekommen sein. Und in dem, ihrem übergeschnappten, Zustand hat sich der Affe für uns, für die Weiber, aufgemacht. Der für die Weiber! Sie reißt wieder zum Hohnlachen hin. Der meint wohl jetzt, das schieb ihn rein! So dumm ist er gar nicht, er weiß, warum er sich gerade an eine mehr feine Frau wendet. Die weiß nichts von der Trottel, mit der sein Abscheu aufgewachsen ist. 's ist darum aber auch unsere Pflicht, der schönen Frau 's nackig Gemälde von ihm zu zeigen, womit ihn der Riedel verulkt hat. Schallende Lache. Das wird, denk ich, wohl helfen. Hilft's aber nicht, dann ist die Frau Wird ganz leise. bloß schön am Kopf und ist wie Molch im übern.

DER HAUFEN. Das ist Verleumdung.

WEIB. Die müßt Ihr zu fühlen geben, damit sie ihn ablegt. Lärmend. Und legt sie ihn nicht ab, wir weigern uns einfach. Keinen gotten Streich gegen die Franzosen, wenn sie das empörte Gefühl von allen Weibern nicht achtet. Ist's nicht, als hüpfte es in einem, wenn man sich die schöne Künkelün in dem Haßeisen steckend denkt, in dem Haßeisen, in dem man dem Affen Hohn und Spott nachgejagt hat, wo er sich damit blicken ließ.

DER HAUFEN ruhig. 's ist wahr. Sie muß es ablegen. Weg mit dem Anblick, 'r ist wie zwölf Löffel Rizinus. Da kommt ihre Marie.

MARIE. Was habt ihr denn so stürmend mit der Frau Künkelün?

WEIB schreit. Sie muß den Panzer abtun.

MARIE. Find ich an dem Panzer was unpassend? Daran ist gar nichts unpassend.

WEIB. Uns ärgert's. Sag ihr's also!

MARIE. Glaubt mir, ihr Lieben, das ist meiner Frau ziemlich sehr gleichgültig.

WEIB. Da habt ihr's. Tut nicht mit, sag ich.

DER HAUFEN schmeißt die Bewehrung weg. Wir tun's auch nicht.

MARIE. Ha nu, ha nu! Daß der Anführer kugelsicher sei, das gefällt euch nicht?

DER HAUFEN gelächter. Unsinn das!

MARIE im Eifer. Wer kann das leugnen? – In den Saal springend. Habt ihr Roland nicht damit um Johanni vor[50] zehn Jahren gesehen? – Ist das auch Unsinn? – Aber ich weiß schon, der Schutz, den die schöne Frau haben soll vor euch, den könnt ihr nicht leiden.

WEIB. Wir können an deiner Frau alles recht schön leiden. Bloß das nicht. Den Melak selber, der auch ein schöner Mann sein soll, täten wir ihr sogar leiden.

MARIE. Den Melak?! Darum vereifert man sich ja aber, daß wir dem Roßmücken einätzen!

WEIB. Gut, wir ätzen's ihm ein. Bloß soll uns deine Frau nichts einätzen wollen, das sag ihr. Sonst weigern wir uns.

MARIE. Euch ist's gar nicht so wichtig gegen die Franzosen.

WEIB. Das sind immer noch Menschen. Der aber ist ein Aff.

MARIE schlagsicher. Z' Schorndorf ist er geboren.

WEIB. Weißt du etwa nicht, was mit ihm los ist? Das riecht man schon beinah. Mit gezogenen Nüstern. Er soll mit etwas wie mit Leichen – wenn ich's sacht ausdrücke – den Götzendienst feiern.

MARIE nach einer Pause. Das sind unsichere Gerüchte.

WEIB. Z' Schorndorf geboren.


Es ist einen Augenblick still. Jetzt drängt sich plötzlich Frau Künkelün ohne Rüstung durch den Haufen, dieser beginnt, zuerst unterdrückt, in Beifall auszubrechen: »Hoch, Frau Künkelün!«


FRAU KÜNKELÜN. Laßt nur, es dringt mir wohl zu Ohren. Hier bin ich. Ohne Umhang.

DER HAUFEN stark. »Hoch, Frau Künkelün!«

FRAU KÜNKELÜN. Es freut mich nicht. Was ist denn an dem Mann, der mir ihn gab, dem ich ihn nahm, so schandenvoll? Sein großer Mut? – So ist's. – Den Mut verabscheut ihr. Es ist euch peinlich, daß der verachtete Kriegsritter – oder wie ihr ihn heißt Zwischenruf: »Affe!«. – den Kampfaufruf erfunden hat. Ihr hieltet lieber mit den Männern wahrscheinlich. Widerspruchsregung. – 's beweist mir leider nichts von Mut, daß ihr's nicht aufgeben könnt, den »Affen« zu ächten.

WEIB verstockt. Wir wollen nichts von ihm. – Daß Frau Künkelün den Menschen liebt, das spottet uns, das widerspricht dem Anstand.

FRAU KÜNKELÜN erbost. Frech nenne ich dich, verbohrt.[51] Du hast ihn nie geprüft. Ich kenne ihn. Seinem Herzen verdank ich's, daß ich Entschlossenheit bekam.

WEIB lachend. Seinem Narrenkleid!

FRAU KÜNKELÜN. Was unterschiebt ihr mir? Furcht! – Ihr mir?! Mir, die sich entflammt hat! Zuerst. – Das ist zum Lachen! Ihr maßt Euch ein Verdienst an und habt noch nichts getan als, wie ich seh', Gewehre fortgeworfen. Schrill. Aber irrt Euch! Gleich hebt sie auf Es geschieht. und vorwärts jetzt hinaus mit euch ins Zeughaus zum Appell! Weh', fehlt ein Name! Auch die alte Rosine, die an Krücken krackelt, muß mit, 's ist auch ein Weib. Mit den Krücken soll die auf den Feind einschlagen. Ich kriege alle. Auch die mit ihrer Gicht muß mit, sie reit auf ihrer Gais! Es kommt drauf an. Die ganze Weibschaft voraus! Ein Regiment mit Ochsenschwänzen, das euch antreibt, stell' ich zuhinterst. Spürt meinen Stachel solang, bis es mich Senkung der Stimme. trifft. – Ernst. Dafür der Harnisch, damit die Kraft beharre, die euch treibt. Nun habt ihr mich soweit gebracht, daß ich ihn ablegte. Ich will kein Lebensvorrecht vor Euch. Seht dann eben zu, ob ihr Schorndorf behaltet.


Der Haufen wälzt sich hinaus.


MARIE. Ich zög' ihn wieder an.

FRAU KÜNKELÜN. Sie wollen's nicht. Es ist ihnen nichts begreiflich zu machen.

MARIE. Ich hätt' denen, ihren Zungen, womit sie Kaktus fressen könnten, wie die Kameler, nie nicht nachgegeben. Sotten teigen Birnen! – Das kann Ihnen den Tod kosten.

FRAU KÜNKELÜN. Dabei – wäre eine von diesen in seinen Harnisch geschlupft?! Welche von Ihnen wagte nur im Gedanken dieses Tier über sich! Denn er ist ein Tier. So grausig, daß man ihm wirklich den Tod vorzieht, um ihm auszuweichen. – Wenn das auch feig zu nennen ist, sie die andern sehen's nun einmal anders an.

MARIE. Hat er nun gewiß schon die Hoffnung auf Frau Künkelün gesetzt?

FRAU KÜNKELÜN. Ja wahr. Der Arme wollt erlöst sein. Ich kann's nun nicht. – Doch was kümmert's mich, wie nach mir auf Schorndorfs Pflaster getreten wird.

MARIE. Man sagt so arges über ihn.[52]

FRAU KÜNKELÜN wirst den Kopf, schneidig. Ach laß! – Der Mensch ist arm.

MARIE. Ein verpflichtender Bund zwischen ihm und Ihnen besteht doch nicht?

FRAU KÜNKELÜN. Nein. Aber er darf und wird ihn glauben. Gehoben. Ich habe mich aus Liebe, aus Freude, daß dieser Haßmensch den Mut und dies Herz hat, an ihn wie ganz verkauft.

MARIE. Sie sind jetzt verlegen darum? –

FRAU KÜNKELÜN. Was weiß ich. – Manchmal, ich will dir's sagen, da zuckt in mir eine Lust, allen Verstand zu vergessen. Ich habe noch nichts so wie ihn gesehen und gehört. Pause. Darum kann es wohl sein, wenn ich nun sterbe, verfällt er in Verzweiflung.

MARIE. Ich glaube, Sie können nicht sterben.

FRAU KÜNKELÜN. Ich wünsche mir den Tod.

MARIE. Habt Ihr, ich habe mir's halb gedacht, deswegen auch den Panzer ausgezogen?!

FRAU KÜNKELÜN. Da ist das Geschwätz der Weiber daran schuld. Ich bin gezwungen worden durch ihren Unverstand und ihr Mißtrauen.

MARIE. Es zwingt nichts, wenn man sich nicht zwingen lassen will.

FRAU KÜNKELÜN. So siehst du's an? – Auf keinen Fall! Daß ich mich um die Fordernis der Liebe drücken will? Daß mich ein Schauder nachträglich vor ihm befiel? Daß mir der Widerspruch des Weibervolks ein geschickter Vorwand sei, ihn wieder von mir zu bringen? Niemals. Das hieße: es sinkt mir schon der Mut.

MARIE. Ein bißchen was unheimlich ist er Ihnen geworden.

FRAU KÜNKELÜN. Durchaus nicht! Lächelnd. Schwätze nur keine Unwahrheit!

MARIE. Wer sieht in's Herze meiner Frau! Sie fängt die Leute gern. Ich bin auch mit einem Kuß gefangen worden.

FRAU KÜNKELÜN lächelnd. Das paßt jetzt gar nicht. – Doch, will ich dir sagen, wage du, du verwendest dich gerade so sehr für ihn, die Liebe mit ihm. Erlös ihn du!

MARIE ihre Brust steigt. 's ist nicht ganz verfehlt, wenn Sie mir's sagen.

FRAU KÜNKELÜN lebhaft. Nun also, du liebst ihn vielleicht[53] empfindender als ich. Uebernimm du's! Der Arme wird glücklich. Indirekt noch durch mich. Denn du bist mein Dienst und tust es durch meine Güte. Ein Dienst für deine Frau und dich – vielleicht – zugleich?

MARIE wiederatmend. Den Affen! – Ich?

FRAU KÜNKELÜN. Wir machen ein Tauschgeschäft mit ihm. Sieh, du bist rauher aufgewachsen als ich. In deinem Dorf, wo bist her? Aus Hohengären, da gibt's vielleicht noch manchen so?

MARIE kichert. Ganz so doch keinen.

FRAU KÜNKELÜN. Tu's! Es ist mir eine Last vom Herzen. Nimm du den Panzer. Er hat dann's Aug auf dich. Du fällst dann nicht, weil er dich feit. Und nachher heiratet ihr!

MARIE. Das geht aber so schnell wie's Kaffeemahlen.

FRAU KÜNKELÜN. Warum denn langsam? Immer alles fix, sage ich dir tausendmal im Tag Will sie fortziehen.

MARIE. Halt, halt! Das muß bedenkt sein.

FRAU KÜNKELÜN. Warum bedenkt?

MARIE. Ich weiß nicht. In den Panzer mag ich nicht hinein. Und nachher noch den, der 'reingehört! – 's schüttelt mich.

FRAU KÜNKELÜN. Was sagt ich denn, er mißt den Mut bei einem Weib! Nicht wahr, man geht leichter auf die Mauer als mit ihm zu Bett.

MARIE. Ich glaube es schon lange und gern jetzt. Nein, ich mache das nicht. Wenn ich auch die Neigung oft hätte, aber dann 's Nackete in Tatsache!

FRAU KÜNKELÜN. 's Nackete in Tatsache. – Man wird den Ritter wohl im Stich lassen müssen; wenn zur Täuschung sich nicht noch etwas findet. Etwas, das ihm den Trost der Liebe läßt und ihm doch die Erfüllung nicht gibt.

MARIE. Ich dächt, wir sterben.

FRAU KÜNKELÜN. Freilich sterben wir. – Aber setze den Fall, wir kriegen Melak ohne Blutenmüssen unter.

MARIE. Das kann man hoffen?!

FRAU KÜNKELÜN. Nicht gleich so darüber hinaus! – Schnell nur, wie betrügen wir ihn dann?

MARIE. Hätten Sie das Gewissen dazu?

FRAU KÜNKELÜN. Ich bin ja doch nicht schuldig, daß man ihn so scheußlich aus der Mutter gezogen hat.

MARIE. Aber es heißet: Wer »a« sagt, muß auch »b«[54] sagen. Er wird sich nicht zurückstoßen lassen, so wenig als ein Hund vom Fressen.

FRAU KÜNKELÜN. Es wird mir säuerlich. Du meinst, er würd gefährlich? Er könnte erbost werden, sich rächen?

MARIE. Ganz in Ruhe lassen, wäre besser gewesen, als das an ihm kitzeln. Auf die Leute, die einem halbes tun, wird man viel falscher.

FRAU KÜNKELÜN. Schon kommt er wie die Hummel zum Löwenmaul, komm vorbei an ihm, der Zufall gibt das ein. Während sie hinausgehen kommt Roland, geht verächtlich abwinkend an ihnen vorbei.

ROLAND. Ich habe es schon gesehen.

FRAU KÜNKELÜN im Vorbei, lachend. Es macht nix aus. Mit Marie ab.

ROLAND allein. Macht nix aus! So. So! Leichtsinnig bist. Warum du ihn ausgezogen hast, weiß ich. Du willst mir auswitschen. Zu was machst du dann die ganze Geschichte vorher mit mir! Das ist grausam! Vom Gerührtsein in höhnende Pfiffigkeit übergehend. Aber du weißt etwas nicht, das wird dir geschehen!


Der Bürgermeister tritt auf, vorsichtig Roland prüfend. Sie sehen einander an.


BÜRGERMEISTER. Euer Hochwohlgeboren! verließ nicht soeben meine Frau – –?

ROLAND mit Bärenruhe. Kommt nur herein, Bürgermeister. Ich tttu keinem Menschen etwas. EEEs ist mir ganz recht, daß Sie kommen.

BÜRGERMEISTER. Wenn ich Ihnen willkommen sein kann, so ist es mir eine unendlich ungemeine Ehre.

ROLAND. Ihr könnt ruhig sein. Mit Eurer FFFrau wird's nichts.

BÜRGERMEISTER. Diese Frau ist für niemand.

ROLAND. Da muß etwas geschehen.

BÜRGERMEISTER. Es muß etwas geschehen. Diese Frau ist im Geiste trostesbedürftig. Es ist ein Wahnwitz, was sie will.

ROLAND. Man muß sie darin aufhalten.

BÜRGERMEISTER. Nicht wahr, nicht wahr. Mit Ihrem Schutzpanzer hätt ich mir's noch gefallen lassen. Aber nun, ist sie ganz blos. Die Frau hat keine Ahnung von Melaks Gewalt.

ROLAND wütend. Ist das nicht eine Gemeinheit von ihr, daß sie den auszieht?[55]

BÜRGERMEISTER. Eine ungeheure Freigebigkeit mit dem Fleisch ihres Leibes gegen den Feind ist es. Sie wird zu Gänseklein zerstückelt werden. Die Wut Melaks ist jetzt furchtbar.

ROLAND. Ich habe mit dem Rat bebesprechen wollen, daß man sie hehlingen überfällt und einsperrt.

BÜRGERMEISTER. Da haben Sie's. Jetzt kommen Sie selbst. Wenn Ihre werte weise Einsicht nun zu spät kommt?

ROLAND. Ich hhab nicht gewußt, daß die Frau mich vom VVerteidigen der Stadt ausschließt.

BÜRGERMEISTER. In der Frau habe ich mich beinah ein Ehejubiläum lang getäuscht. Sie ist ein Vogel ohne Magen. Nicht zu beschreiben was sie ist.

ROLAND. Darum will ich sie lieber einsperren über die kommenden Tage.

BÜRGERMEISTER. Und Schorndorf wird aufgemacht! Nicht wahr?

ROLAND. Das ist mir gleichgültig. Ich denk bloß an sie.

BÜRGERMEISTER. Das ist mir sehr angenehm, daß ich olch einen Freund besitze, der mir mein Teuerstes erhalten will.

ROLAND. Ich fang sie und setze mich vor die Türe vom Turm, in den ich sie mir stecke.

BÜRGERMEISTER. Dank, herzlichen Dank für diese Tat.

ROLAND. So wär's das Gescheiteste, mein ich, Bürgermeister. Frau Künkelün kriegt keinen Franzosen. Und ihr habt sie wie sie ist. Und ich geh vielleicht auch nicht ganz leer aus.

BÜRGERMEISTER. Ich würde mich eben vor Melak als Witwer führen.

ROLAND. So meint ich's, wär's gut. 's macht ja nichts, wenn man sie jetzt wegfängt. Zum Schorndorf Befreien taugt sie, wie sie verfaßt ist, doch nicht.

BÜRGERMEISTER. Nur keine Kopfschmerzen deswegen! Wenn ich nichts einwende. Sie sind ein Ritter von Ehren. Ein Dienst ist einmal des andern wert; helfen Sie mir zur Durchsetzung des Friedensschlusses, so mach ich ganz gern diese Abtretung. Nicht die Bohne von Verdruß gegen Sie ist in mir. Im Gegenteil, ich triefe vor Wonne wie eine heiß stehende Kerze. Kämen sie nur gleich, die Esel von Räten, wir nähmen sofort zu Protokoll!

ROLAND. 's wird Sie doch auch ffreuen, wenn sie nicht stirbt?

BÜRGERMEISTER. Was verlangen Sie meine tausendfachste[56] Versicherung sprühendster Freude! Die sämtlichen Kanonen Melak's möchte ich gegen mich losbrennen, so betrunken bin ich.

ROLAND. Was sollen wir dann auf die andern lang warten? Ich geh' und tu mein Ding. Ich will sehen, daß ich sie gleich fange.

BÜRGERMEISTER. Wird es Ihnen gelingen?

ROLAND. Ich müßt eben in Künkelün's Haus, wie mir's gut scheint, dürfen aus- und eingehen.

BÜRGERMEISTER zieht seinen Schlüsselbund aus der Hosentasche und macht im folgenden den Hausschlüssel ab. Also Sie sind mein Freund. Machen Sie keine Umstände. Ich reiche Ihnen, wenn es möglich ist, selbst den Zipfel des Leintuchs, auf welchem sie schlummert. Packen! Nur fest packen! Sie ist stark.

ROLAND. In meinen Händen liegt sie wie eine Melone.

BÜRGERMEISTER. Ach! Dieser Kürbis ist sie mir nie gewesen. Dafür. Fangen Sie sie!

ROLAND mit entsprechender Bewegung. Ich fang' sie wie ein güldenes Fischl.

BÜRGERMEISTER. Aufgepaßt nur, daß sie sich nicht zu glatt anfaßt.

ROLAND. Ich drück' sie fest wie ein steifes Brett. Ist im Gehen.

BÜRGERMEISTER. Wart', hier ist der Hausschlüssel. Hausfreund! Roland nimmt. Losung für uns: »Triole«.

ROLAND. Bleibet zurück! Ich hhab' nicht mit Euch geredet. Ab.

BÜRGERMEISTER geht Hände reibend und Arme ringend auf und ab. Schorndorf's Jubeltag ist nah. Der Frieden der unverletzten Bürger und Bürgerinnen. Da werde ich dem Meister der Stadtmusik sagen: »Jetzt Française«!


Sein Solotanz und Gesang.


Du wolltest mich berücken

mit seiner Affenhaut.

Der Affe wird dich schmücken

zur holden Friedensbraut.


HELLEBARDIER tritt vergnügt ein. Soll ich den Partner machen, Herr Bürgermeister?

BÜRGERMEISTER weitersingend und tanzend.

Du bist ein blöder Affe,

ich tanze gern allein.

Zum Teufel mit der Waffe.

Franzosenmädelein![57]

HELLEBARDIER schnäuzt sich, während der Bürgermeister sich verpustet. Ich glaube, sie sind im Anmarsch.

BÜRGERMEISTER. Schon die Franzosen!

HELLEBARDIER. Nein die Weiber.

BÜRGERMEISTER. Das ist die wichtigste Mitteilung. Hierher auf's Rathaus? Will hinausgehen.

RAT KLEMENS stürzt ihm angstvoll entgegen. Sie kommen! Sie kommen!

BÜRGERMEISTER gefaßt. Es ist mir ein bißchen zu rasch. Aber pipe. Sehr pipe!

RAT KLEMENS. Pipe?! – Ihre verfluchte Hexe, warum haben Sie ihr in Friedenszeiten nicht gelegentlich die Zähne eingeschlagen?! – Jetzt streckt sie sie heraus.

BÜRGERMEISTER. Ich fürchte mich gar nicht.

RAT KLEMENS. Wir sollen gefangen genommen werden!

BÜRGERMEISTER. Für so entsagend halte ich die Weiber nicht.

RAT KLEMENS. Entsagend? – Die entsagen sehr leicht. Ich sage Ihnen, meine Frau hat mich in der letzten Nacht mit einem nassen Lappen überrascht. Allgemein entsagen schon alle Weiber. Entsagen nicht bloß, prügeln sogar.

BÜRGERMEISTER. Ich bin total ruhig, denn –

RAT KLEMENS außer sich. Wie kann man denn ruhig sein!

BÜRGERMEISTER. Ich habe einen Verbündeten. Einen nie versagt habenden Freund, der den Beschluß des Rates durchzusetzen auf sich genommen hat.

RAT KLEMENS. Wer soll in Schorndorf das können!

BÜRGERMEISTER. Roland.

RAT KLEMENS fällt fast um. Der Affe?!

BÜRGERMEISTER. Bitte mein Freund, wir werden fortab das Betttuch zu zwei gleichen Teilen benutzen.

RAT KLEMENS. Wieso?

BÜRGERMEISTER. Ihr scheußlicher Schatz wird sie verstricken und sie mit einem Netz überwerfen, und dann ist sie gefangen.

RAT KLEMENS. Da capo! Da capo!

BÜRGERMEISTER. Ist das nicht die glänzendste Wendung für einen Diplomaten?

RAT KLEMENS. Woher aber? Es lacht ja der Erdball wie ein wassersüchtiger Bock! Es könnte Herkulanum und Pompeji zum zweitenmal überspeien![58]

BÜRGERMEISTER. In der Tat überspeit das alles, was dieser Edle von Rattennest bisher in der Stadt leiden mußte.

RAT KLEMENS. Erklärt mir! Erklärt mir!

BÜRGERMEISTER. Er fürchtet sein Liebchen im Kampf zu verlieren. Und der arme Mensch hat eine italienische Nacht von ihr im Kopf.

RAT KLEMENS pathetisch. Das hat sie mit Recht aus seinem Grasboden zu ernten!


Die Räte aus einer anderen Türe hereinstürzend. Der Hellebardier drückt sich.


RÄTE. Die Weiber sind im Ansturm, wir sollen fliegen!

BÜRGERMEISTER. Herrlich ein sanfter Flug!

RÄTE. Es ist Tatsache, es klirrt schon auf der Treppe.

RAT KLEMENS. Wenn es auch schwer fällt, jetzt Mut!

BÜRGERMEISTER. Ich erwarte eben doch Weiber.

RÄTE. Ihre Spieße sind aber ganz geschlechtslos.

BÜRGERMEISTER. Mannhafteste Miene aufgesetzt! Lächeln! Ueberlegenheit! Grenzenlose Verachtung! Geringschätzung!


Die Räte nehmen Haltung. Der Weiberhaufen stürzt mit Hurrah herein. Im Weiberhaufen fehlt Marie, die später mit einem Trupp hinzukommt.


FRAU KÜNKELÜN. Ergebet Euch! Streckt die Waffen!

BÜRGERMEISTER mit leeren Händen. Wir haben nichts zu strecken.

FRAU KÜNKELÜN. Wollt ihr – Ultimatum – Schorndorf selbst verteidigen oder überlaßt ihr's uns?

BÜRGERMEISTER zurückgewandt. Meine Herren? Wir haben unserem Beschluß weder etwas hinzuzusetzen noch von ihm wegzunehmen.

FRAU KÜNKELÜN. Dann werd ich euch Zeit geben, über euren Beschluß noch einmal nachzudenken. Schließet die Läden!


Einige Weiber an den Fenstern.


BÜRGERMEISTER. Ja, wie? Du richtest uns den Ratssaal zum Gefängnis?

FRAU KÜNKELÜN. Ist dir's nicht gut genug? Heute nacht bekommt ihr dann noch Strohsäcke herein. Da wird's dann ganz behaglich.

BÜRGERMEISTER. Höre Weib! Ich habe noch Mut, dir zu trotzen. Dein Gebahren ist unverschämt. Was erlaubst du dir! Laß mir die Fenster helle, ich habe mit dir allen Ernstes zu reden.[59]

FRAU KÜNKELÜN. Also Weiber, hört seinem Ernste zu! Laßt solange noch offen. Kommt, folgt meinem Beispiel, setzt euch auf den Boden. Wir essen hockend seinen Dessertkäs. Frau Künkelün hottert hin, wie sie, der ganze Haufen.

BÜRGERMEISTER. Und nun?

FRAU KÜNKELÜN. Nun rede!

BÜRGERMEISTER. Meine Herren, ich habe das Gefühl, ich stehe mit den Füßen bis über die Waden in einem Tümpel voll Wollgras.

RAT KLEMENS. Ich fühle mich wie auf einem Gänsewasen.

BÜRGERMEISTER. Ich gehe wie der Storch im Salat. Meine Herren, was machen wir denn da? Diese Weiber überbieten jedes Kuriosum. Auf unserer Alb gibt es Gegenden, wo die Felsblöcke umherliegen wie kauende Büffel. So zum Beispiel im Eselsburgertal. Dieses Bild haben wir hier.

FRAU KÜNKELÜN. Du wirst sehr anzüglich. Bedenke, bedenke, du hast eine kleine Gnadenfrist, uns deine Predigt zu halten.

BÜRGERMEISTER. Umso begreiflicher wenn ich sie auszudehnen versuche. Doch will ich mit Ernst reden. Lieben Weibelein, ihr habt euch etwas ganz Undurchführbares in den Kopf gesetzt. Ja leider, durch die Unvernunft meiner Frau seid ihr fanatisiert. Ich muß um Entschuldigung bitten, wenn ich mit aller Strenge gegen Sie vorgehe. Erstens einmal ist die Versammlung nicht polizeilich angemeldet, Aufkichern der Weiber. und zweitens sodann nenne ich sie Landesverrat und verrücktes Spiel. Und darum verlange ich jetzt die schleunige Räumung, Gesteigert. sonst treten wir Sie mit Füßen und Ihr fliegt mit Hundstritten hinaus.

FRAU KÜNKELÜN. Darauf lassen wir's ankommen. Wir sitzen.

BÜRGERMEISTER. Ich zähle eins ... zwei ... und eins ist ... auf drei muß ich die Anstalten zur Räumung getroffen sehen. Eins, zwei, und eins ist, regt sich niemand? drei.

FRAU KÜNKELÜN. Die Hundstritte? Eben wieder die Entschlußlosigkeit.

BÜRGERMEISTER. Bescheidene Gans, möchtest du, daß wir sie wahr machen?

FRAU KÜNKELÜN. Künkelün, wäre es nicht klüger, du wolltest keine Autorität mehr gewinnen wollen?

BÜRGERMEISTER. Es ist meine Pflicht, den Weiberhaufen[60] zu zersprengen. Wie es geht! Geht es mit Strenge nicht, versuche ich's mit Härte.

RAT KLEMENS. Ja freilich, man sollte das Haus in Flammen stecken und die Hornnuß vertilgen.

FRAU KÜNKELÜN. Ihr denkt wirklich häßliche Dinge gegen uns aus, Rat Klemens. Und tun wir denn etwas gegen das Wohl der Stadt?

RAT KLEMENS. Frau Künkelün gehorsamt nicht. Auch die Frau des Bürgermeisters hat sich zu fügen.

FRAU KÜNKELÜN. Darf Er das deiner Frau sagen, Künkelün?

BÜRGERMEISTER. Ihr Weiber müßtet mit Geißeln raisonniert werden.

RAT KLEMENS. Nein, Feuer anstecken! Wenn ein mal die Flammen um die Rocksäume lecken, werden diese Frauen schon den Eigensinn abschütteln.

FRAU KÜNKELÜN mit Beherrschung. Selbst das würde uns nicht in Verzweiflung treiben.

BÜRGERMEISTER. Man sollte die soeben verpackten Folterwerkzeuge wieder herausholen.

FRAU KÜNKELÜN steht allein auf. Es könnte mich die Verzweiflung erfassen, wie diese Verstocktheit sich zu Rohheiten hinreißen ließe.

RAT KLEMENS. Dem tollen Frauchen wird man schon die Kandare anlegen.

FRAU KÜNKELÜN. Man könnte wirklich mutlos werden.

BÜRGERMEISTER. Ich rede ganz gern auch mit Güte.

FRAU KÜNKELÜN. Die kennst du gar nicht, Künkelün.

BÜRGERMEISTER. Du weißt doch, daß ich soviel Böses gegen dich nur gesagt habe, um dich zu bewegen. Nun bewegt dich's ja schon, da komme ich noch am liebsten mit Liebe. Sieh liebes Weib, du kannst dir gar nicht denken, was für eine Zähigkeit dazu gehört, gegen solchen Feind zu bestehen.

FRAU KÜNKELÜN stolz. Nichts als diese selbst. Und die haben wir. Wir haben auch Zähigkeit, die Kinder im Leibe zu tragen.


Lauter Jubel der Weiber: Hoch!


FRAU KÜNKELÜN. Was gehört dazu, diese Kinder zu zeugen? Diese Kunst entspricht weit mehr eurem schnellen Verzagen. Ihr guten Männelein!

BÜRGERMEISTER. Du sprichst wie eine gütige Königin.[61]

FRAU KÜNKELÜN. Nichts da. Beweiset eure Liebe und nehmt die Waffen! Wir haben mutige Männer von Herzen lieb. Eine andere Brücke gibt es aber nicht zu uns.

BÜRGERMEISTER. Liebe ist die Brücke vom Mann zur Frau. Jawohl Frau Künkelün.

FRAU KÜNKELÜN. Wir reden nicht von dem. Daß, ehe Schorndorf frei ist, nicht davon die Rede ist, das wird euch die verwichene Nacht klar gemacht haben. Die Weiber lachen.

RAT KLEMENS ausfallend. Dafür gehörte allen eine Tracht Prügel.

BÜRGERMEISTER. Klemens, wir reden von Liebe. Halt zurück!

FRAU KÜNKELÜN. Dein spezieller Freund dirigiert mit dem Taktstock schon richtig. Die Gnadenfrist läuft auch ab.

BÜRGERMEISTER wischt über die Stirn. Es fällt mir auch nichts weiter ein.

RAT KLEMENS. So, wenn ich das gewußt hätte, wäre ich nicht auf dem Rathaus geblieben. Brutal, respektlos. Du hast ja so groß getan, mit deiner Geringschätzung von den Weibern. Da stehst du unter ihnen wie ein schmelzender Schneemann.

RÄTE. Wir haben auf den Bürgermeister gebaut.

FRAU KÜNKELÜN mitmachend. Du bist der Stadtpräfekt.

BÜRGERMEISTER in Angstschweiß, die Umringung abwehrend. Lieben Kinder, Stottert. wenn an einen Haken ein zu schweres Gewicht hängt, so bricht er.

RAT KLEMENS. Du mußt's aushalten.

BÜRGERMEISTER. Was soll ich hervorstoßen?! Frau Künkelün, du weißt etwas nicht. Ja so, jetzt fällt mir's ein. Das Reservoir meiner Weisheit war warm gelaufen, jetzt tröpfelt es wieder.

RAT KLEMENS. Tröpflein heraus!

BÜRGERMEISTER. Frau Künkelün! Es wird etwas geschehen. Es wird dir einer die Nudeln aus der Suppe klauen.

RAT KLEMENS. So, das genügt, weiter nicht sagen! Zu Frau Künkelün. Du Weibsbild, dein Mann versteht's ja nicht mit dir, du wirst wie eine Schwalbe gegen eine Glasscheibe fliegen und dir den Schnabel einstoßen.

FRAU KÜNKELÜN. Lächerlich, wer soll mich aufhalten!

RAT KLEMENS Künkelün zunickend. Gelt wir wis sen's.

FRAU KÜNKELÜN. Ja hört einmal, wenn wirklich ein[62] Geheimes gegen mich wäre, sagt es mir lieber, es könnte gut sein, daß ich dann nachgebe.


Die Weiber recken die Hälse.


BÜRGERMEISTER. Soll ich es sagen?

RAT KLEMENS. Nix Schwachkopf, 's Andeuten plagt ein Weib. Damit sie's herauskriegt, tut sie noch was.

FRAU KÜNKELÜN. Ja, sag mir's Künkel!

BÜRGERMEISTER. Wenn ihr die Waffen wegtut, verrat ich's.

RAT KLEMENS gukt sie frech an. Jetzt wie nasenweis bist?

FRAU KÜNKELÜN. Wird es mich mitten im Kampfe aufhalten?

BÜRGERMEISTER. Und schon vorher. Und der Feind wird auch trotzdem hereinkommen, ob wir gefangen sitzen oder nicht. Darum gib lieber alles auf. Denn wenn du uns Männer einsperrst, wird Melak desto frechlustiger mit Euch verfahren, weil er glauben wird, wir sitzen fest, damit ihr getroster Schäferei mit dem Feinde treiben könnet.

FRAU KÜNKELÜN nachdenklich. Der Feind wird unter allen Umständen hereinkommen?

RAT KLEMENS lacht und grinst. Ha hehe, über legt's Euch.

FRAU KÜNKELÜN. Soll ich's denn aufgeben? Weiber, was meint ihr?


Die Räte stoßen sich mit den Ellbogen.


EIN WEIB steht auf. Besser noch im Anfang, als mitten drinne. 's ist gerade, wie wenn man mit einem Karren am Berg oben steht. 'z Anfang hält er sich leicht ober.

FRAU KÜNKELÜN verschlagen. – Sagst du mir's nicht, Künkel?

RAT KLEMENS. Seid kein Schwachkopf!

FRAU KÜNKELÜN. Künkel!

BÜRGERMEISTER. Nein, diesmal nicht.

FRAU KÜNKELÜN. Dann unterbleibt alles, ich will's wissen. Anklagender Ton. Dem Umstand, daß ihr meine Neugier stachelt, verdankt ihr das Schicksal Schorndorfs. Ihr verantwortet's! Ihr Männer.

BÜRGERMEISTER. So gehört es sich auch, die Weiblein sehen in aller Welt wie Rosengesichtchen in ihre Sonnen, die Männer.

FRAU KÜNKELÜN. Ich bin nicht mutlos. – Was sagt Schorndorf, Mann oder Weib dazu, wenn nichts geschieht?[63]

EIN WEIB. Eurem guten Willen wird man ein Denkmal setzen.

BÜRGERMEISTER zu Klemens. Ist es nicht wunderbar der Lichtung ihres Geistes zuzusehen? Beseht Euch ihre Stirne, wie die Sonne durch Wolken bricht.

RAT KLEMENS. Ja, es ist schön.

FRAU KÜNKELÜN. Also die Weiber setzen meinem guten Willen ein Denkmal?

DER HAUFEN. Jawohl, ja.

RAT KLEMENS. Aus dem Stadtsäckel.

FRAU KÜNKELÜN schüttelt lange den Kopf. – Verzweifeln, verzweifeln! – Das schwächliche Geschwätz! So wenig echt ist die Begeisterung der Weiber.

DER HAUFEN. Ha nu.

BÜRGERMEISTER. Die Verhältnisse gebieten.

FRAU KÜNKELÜN groß. Welche? – Ich will dir sagen, es ist noch Zeit, die Verhältnisse zu machen. Mein Verhältnis zu Roland, das ist dein Geheimnis, ich sage es aber fest, das wird abgeschlossen. – Blickt Euch um Räte! Wo ist meine Musketentruppe? – Auf der Jagd nach deinem Geheimnis, Bürgermeister. Ich habe ganzen Willen. Schorndorf, ihr Weiber, ich nehme euch noch einmal den Schwur ab, wird frei. Auf!


Der Haufen rasselt auf.


FRAU KÜNKELÜN. Hände erhoben!


Die Weiber zögern.


DIE RÄTE schreien. Tut's doch nicht!

FRAU KÜNKELÜN. Weiber, schämt Ihr Euch nicht?

RAT KLEMENS. Die Weiber sind genau so vernünftig wie die Männer.

EIN WEIB. Wir werden ins Blinde verhetzt.


Marie kommt mit der Musketentruppe. Hat auf der Laufmündung des Gewehrs einen Kittel und einen Hemdfetzen hängen. Sie präsentiert dies beides.


MARIE. Da ist 'r! Das erste aufgespießte Mannsbild!

FRAU KÜNKELÜN. Nun, Weiber, so lassen wir auch den Franzosen baumeln.

WEIBER. Hurrah, wir schwören.


Alle erheben die Hände.


BÜRGERMEISTER sich Platz erwehrend. Wer soll das sein?[64]

FRAU KÜNKELÜN. Roland, dein Hilfsritter. 's steht schlecht um dein Komplott.

BÜRGERMEISTER. Sein Rock und ein Stück vom Hemd. Das scheint mir wie der Rock Josephs. Untersucht den Kittel.

MARIE. Und doch ist 'r 's.

BÜRGERMEISTER. Ich glaube nicht, daß er in die Grube gefallen ist.

RAT KLEMENS zornig zum Bürgermeister. Zum mindesten sind sie ihm auf der Haut!

FRAU KÜNKELÜN. Und ist ihm eine Stelle zum Verwunden aufgrissen.

MARIE. Morgen bring ich noch mehr von ihm.

RAT KLEMENS noch wütender. Sollen sie ihn dir erst nackig bringen?!

BÜRGERMEISTER. Ich glaube nichts.

FRAU KÜNKELÜN. Das wirst du darum jetzt lernen. Die Frist ist um. Die Läden zu!


Während die Weiber ringsum die Läden schließen.


RAT KLEMENS. Es scheint eben doch, daß wir erst den Geschlechterkrieg führen müssen. Ich lasse mich nicht einsperren von Weibern. Du Bürgermeistertropf, es ist nicht wahr, daß du einen Verbündeten hast, der die Weiber bezwingt. Nun wehr dich selber!

BÜRGERMEISTER. Man kann nur noch galant sein.

RAT KLEMENS. Nur hier keine Galanterie mehr! Die Balgerei kann losgehen. Wo bist Alte?

FRAU KLEMENS eine große Matrone, vortretend. Was Klemens?

RAT KLEMENS. Wir balgen. Wie daheim!

FRAU KLEMENS. Klemens, der Uhrkasten.

RAT KLEMENS. Aus Galanterie ließ ich mir das einmal gefallen. Heut ist Schlachtfeld.

FRAU KÜNKELÜN. Bläut alle durch!


Die Weiber werden handgreiflich. Die Räte und der Bürgermeister fallen auf die Knie und rufen: »Gnade«. Frau Künkelün gibt, das Auge freudig auf Klemens gerichtet, mit der Hand ein Zeichender Schonung, gibt Weisung »nach hinten«!


RAT KLEMENS wehrt sich allein, retiriert sich in eine Ecke, stößt mit Armen und Beinen. Geht weg von mir! Ich stoße überall[65] hin. Jetzt kriegt ihn seine Frau mit einem geschickten Griff am Kragen und legt ihn über. Eine andere traktiert ihn auf dem Hinterteil mit dem Säbel.

FRAU KLEMENS. Wenn du genug hast, schrei »danke«.

RAT KLEMENS. Danke, danke, danke. Man läßt von ihm ab.

FRAU KÜNKELÜN lacht. Dann wären wir im Reinen. Die Läden sind verschlossen. Die Herren Räte machen sich in den Ecken behaglich. Damit könnten wir abziehen.


Die Weiber verlassen den Saal. Zuletzt Frau Künkelün.


RAT KLEMENS nachschimpfend. Verwünschtes Pack! Elendes Pack! Pack!


Die Saaltüren werden verschlossen.


BÜRGERMEISTER seufzt durch die Dunkelheit. Oh weh mein Weib!

RAT KLEMENS. Schreien wie die Affen!!! Bis man uns herausläßt.


Eine Tür wird aufgeschlossen. Marie erscheint in ihr mit einer Fackel, sie stellt sich auf in Erwartung. Bald fliegen Gegenstände in den Saal, welche als weitere Männer zu erkennen sind.


DIE RÄTE. Barmherziger Heiland, so geht's da draußen zu.

DIE ANGEFLOGENEN. Grüß Gott, ist schon jemand da?


Marie verschwindet wieder mit der Fackel. Die Tür wird verschlossen.


STIMME. Mir tut aber der Arsch weh.


Vorhang.


Quelle:
Hermann Essig: Der Frauenmut, Berlin [o.J.], S. 48-66.
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