Das Neun und dreissigst Capitel.
Wie Gurgelstrozza das Schloß am Furt zu Vede zerstöret, unnd über den Furt zog, da er sich dapffer wehret.

[342] Als er ankommen, erzehlet er inn welcher gestalt er die Feind angetroffen, und wie er durch ein geschwind Kriegsstück allein ein gantz Herd Kyklopocoler, Picrocholer unnd Bittergroller auffgeriben hab, unnd daß sich vor ihnen nicht zubesorgen sey, dann es weren nichts als Huderbutzen, Grindpfutzen, Fetzglocken, Raumsfelder, Marterhansen, Hans Humm, Muffmaffen, Baurenelementer, die gar kein Kriegsweiß wissen als stelen und rauben: Derhalben sollen sie sich frisch an sie machen, sie werden sie wie das Viech schlachten.

Hirauff macht sich Gargantoa auff sein schwantzlappenmaul und zusampt ihm alle seine obgedachte mitgefärten zu Roß: Und als er unterwegen ein grossen hohen baum antraf, welchen man gemeinlich S. Martins baum nant, dieweil er auß des guten heiligen Bilgerstab, den er einmal dahin gepflantzt, soll gewachssen sein (wie der Dornstrauch im Schonbach von des Hertzogs Eberhard mit dem Bart Laubstrauß) da macht er ihm ein Spanisch Bäselosmanos, und sprach, Sehe da, was mir gefehlet hat: dieser baum soll mir für ein Leytstab unnd Spieß dienen: riß ihn derwegen flugs leichtfertig auß wie ein anderer Christoffel, behieb ihm die äst, unnd machts wie ihrs gern eßt. Unter des stallet sein Libysch Maulthier die blaß zuentlähren: und dasselbige so überflüssig,[342] daß auff siben meilen ein Flut drauß ward, als ob das Mör ein Thamm inn Seeland eingerissen hett. Auch luff alles das Seychwasser an den furt zu Vede, unnd schwemmet den fluß so blötzlich unnd gewaltig, daß alle die daselbst ligenden geschwader der Feind schrecklich ersoffen, außgenommen etlich wenig, die den weg zur lincken auff die höhe namen.

Gargantoa als er umb die gegene des Forstes zu Vede kam, ward er vom Gotart Wolbeigeist gewarnet, daß im Schloß noch etlich Feind legen: welches zuerfahren, rüffet Gargantoa als fast er mocht. Seit ihr drinn, oder nicht? seit ihr drinn, so secht und geht drauß: seit ihr nicht drinn, ha so darf es nicht der Wort. Aber ein schelmischer Schützenmeister, so die kunst vom Juden, der den Hertzog Albrecht von Mechelburg vor Franckfort erschoß, gelehrnt, und auff der Bastei, welche die Frantzosen Machicoulis unnd wir Nagloch heissen, stund richtet ein stuck büchssen nach ihm, unnd schoß ihn grausamlich auff die rechte Schläffe, aber schadet ihm eben so wenig als ob ihn einer mit eim Pfirsichkern geschnelt het. Was ist das? sprach Gargantoa, werfft ihr mit Traubenbören zu? der Herbst soll euch wol etwas kosten: meint also nit anders dann es weren der grösten Cananeischen Traubenbör eine gewesen: seufftzt derhalben drüber, daß sie die Edel Creatur so übel anlegten, gleich wie die Spangrünköch.

Die so im Schloß waren und ein weil mit dem Tachballen kurtzweilten, als sie diß vorgedacht tonnerend geschrei vernamen, wischten auff was hand unnd fuß hat, liessen etlich die wehr dahinden, setzten das hinder herfür, und kamen also uneingenestelt, schnaufend auff die Thürn unnd Pollwerck gelauffen, thaten wol neun tausent fünff unnd zwentzig schuß auß Falckonetlin unnd Toppelhacken nach ihm, daß ihm die Kugeln umb den Kopff sausseten, als ob die Meykäfer geflogen kämen, und so dich in einander wie die Türcken Flitschen, daß er kein Himmel sahe, unnd ihm den Lufft verschlug Atham zu schöpffen: da fieng er an zukeuchen, als ob man ihn mit kalt Wasser beschütt, und schry, Ha ha, Kundlob mein Freund, dise Mucken hie werden mich noch gar blenden: reych mir etliche Weidenbäume für ein Muckenwadel oder Fuchsschwantz her, sie zuverscheychen: dann er sah dise Eisenmucken für Roßbrämen an.[343]

Ponocrates berichtet ihn, daß sie also auß ihren Schlebüchssen, Schlüsselbüchssen und Vogelroren, Kirsenstein schnellten, aber es werd sie nicht vil helfen, diß Wetter sei ein übergang. Er soll an jenen Teutschen Keiser gedencken, welcher als er für ein feindliche Statt inn Italien überzog, unnd sie ungeschwunden ding mit Büchsstralen zu ihm herauß praßleten, tonnerten und hurnaußten, unnd ihm viel an der Seit erschossen, zog er den Helmlin ab, unnd sprach, Oho laß rauschen, Herrn haben mehr glück als daß sie so liederlich von disen Pillulen sterben: man find von keim Teutschen Keyser, der vom Geschütz erlegt seie, aber sonst wol daß ihnen ein Sacramentloser Mönch im Sacrament vergab. Papst Hiltebrand fehlet auch, da er unter der Meß vom Kirchengeweib ein stein auff Keyser Heinrichen den vierten wurff. Derhalben unerschrocken dran, drara, dran, mit dem kopff voran, er ist rund, es hafftet nichts dran, können sie eins, können wirs ander, sie poltern, wihr foltern. Hiemit schirmt unnd stürmet Gargantoa mit seim grossen bäum so hurlebausisch wider das Schloß, daß er Thurn, Mauren unnd Pollwerck niderstieß, zerbrach, zerschmettert unnd zerriß, als ob alle Römer mit Böcken angelauffen weren: also daß alle die so auff den Festen stunden inn disem ersten lauff bliben. Von dannen zogen sie auff die Mülbruck zu, unnd fanden den gantzen fürt so überhäuffig voll Todtenleich ligen, daß sie dem Mülwasser den lauf verstopfften. Und waren eben dise die jenigen, die in des Lastmauls seich verdarben. Da giengen sie zu rhat, wie sie über disen schelmenhauffen kommen solten. Aber Kumpfkieb sprach. Sind die Teuffel hinůber kommen, will ich auch wol hinüber, Was? sagt Gutart, der Teuffel mit dir, Gott mitt uns, schriben etwan die Griechen dem Babst: Die Teuffel, mustu wissen, haben da jenseit zuschaffen unnd geleit gehabt, dann sie die verdampfe Seelen haben müssen holen. Ha Kürißbuß, sprach der von Lobsteig, so wird er gewiß auch hinüber kommen, dan er ist der armen hungerigen Teuffel einer: treibt nit der hunger den Wolf über schnee und eiß? Auch des eh kompt er drüber, wann er sich nit mit seeltragen beschwäret: des minder schreien ihm die Pfaffen nach, die kein Seel verlohren lassen werden: dann Seeltagen, Mähltragen. Aubeia, eia, sagt Kampffkeib, laßt[344] euch diß nicht grauen: komm ich nicht hinüber, so bleib ich im Dörfflein Beitein weil unterwegen: pax mihi est cum mortuis. Stach damit sein Pferd an, wischt hinüber wie ein Tartarpferd übers Mur nicht daß sein Pferd einmal für den Toden gescheuet het. Dan er hette es nach Eliani lehr gewöhnet, weder Seelen noch Tode leichnam zu scheuen, doch nicht auff Diomedisch, der sein Roß mit Traciern und erschlagenen Gästen thet mesten, und ihre häupter wie wildschweinen köpff an die Pfosten hefften: Noch wie Ulysses, der (wie Homerus ihm zum lob, das scheltens werd, gedencket) seiner Feind tode körper den Pferden unterstreyet. Nein solchen Todenlust hat er nicht, wie könig Metzenz von Metz und Mentz, der die lebendige auff die Tode band, und dran verschmachten und faulen ließ: noch wie Babst Sergius, der seins Vorfaren toden leib köpffen ließ, und Cambyses der des Egiptischen Königs tod Aß geyseln hieß: noch wie sonst Ketzermeister, die Tode außgraben, und verbrennen: noch wie König Albowin auff Essedonisch, der auß seines Schwähers Hirnschal ein Trinckschal macht: noch wie Antheus der auß der erhangenen Hirn Pillulin für den Hundsbiß zubereitet. Noch wie die feind Keisers Caligulæ, welche mit lust sein fleisch frassen fürgebend, weil er sich für Gott außgeben, müssen sie versuchen, ob Göttlich fleisch auch wol schmackt: ja Schelmenfleisch fraß Schelmenfleisch. Noch wie der Lithauisch König Wüthold (welcher so gehorsame Underthanen gehabt, daß wann er einen sich hat hencken heissen, solchs gleich gethan hat) der die Leut in Bärenhaut vernehet, und die Hund an ihnen übet: wiewol diß stücklin auch wol ein weidmänischer Bischoff zu Saltzburg mit einer Hirtzhaut gekönt hat, wan er mit den Wildschützen des Actæons spilet. Noch wie Alexander Magnus, der ein bruck von toden Cörpern machet. Noch wie König Thoas, der allen anlendenden die köpff abhieb, und sie seiner Göttin Diane umb den Altar hieng: noch wie etlich Scythæ, die ihrer Feind köpff auff den Helm heffteten, unnd auß ihren abgeschundenen heuten glate Pferdsdecken machten: ja wol gar Reutröck: überzogen auch mit der Arßbackenhaut ihre Köcher, dörrten das Menschenfleisch, maltens, unnd gabens den Pferden unders futer: (O wie vergönstig Leut, die den Würmen ihr[345] Speiß vergonnen.) Noch wie die Perser, die auß des Königs Ochi Todenbeinen handhaben zu Schwerdgefässen machten: noch wie Pollio der die tode Knecht seinen Lampreten fürwarff, noch wie Tracula, der zwischen der gespißten und gemarterten todengestanck bancketieret, und wie Keyser Vitell (oder Kalb) der zwischen dem stinckenden Menschenaß spaciert: und darzu lustig sagt, ein erschlagener Feind rieche wol, aber viel besser ein toder Burger: noch wie die inn America, welche die Kinder inn der erschlagenen blut duncken, unnd auff Jüdisch saugen: noch wie Cicerons Frau, die ihren Knecht sein selbs abgehauenen arm zukochen und fressen zwang: und der Eleer König Pantaleon, der den Legaten außschnit, und sie ihr eigen geschirr zuessen zwang: noch wie die Jesabelisch Königin in Franckreich, die unter den toden Mannen umbzog, zusehen, wa es eim jeden gemangelt, daß er keine Kinder zeuget: noch wie die Gasconier, die den kriegischen Pfaffen tote Hund an Halß hiengen: anzuzeigen daß ein schelm am andern hieng: noch wie die Türeken vor Wien, die auß der Christen auffgeschnittenen unnd außgenommenen leibern ihren geulen krippen machten, und bänck auß erschlagenen Christenhauffen, und wann sie nit Seiler noch Strick genug hatten, Riemen von Menschenheuten schnitten, andere mit zubinden unnd zuknipffen: noch wie die Spanier, die auff Cilicisch unnd fallensüchtisch auß der erschlagenen Wunden Blut sauffen: noch wie die unfietige Pariser, die den Leuten außschneiden, Paternoster darauß zumachen: Tode in Rauch zuhencken, ihre Ohren, Händ und anders in Pasteten zufüllen und einander zuverehren. Nein, so greulich war er nit, wie Teuffelisch er war, mit solcher schelmenübung gewönet er weder sich noch sein Pacolletrößlin untodenscheu und gespenstfrey zusein: sonder legt ihm sonst ein gespenst in sein futer, auff daß es also darüber gewonet. Die andern drey folgten ihm ohn einigen anstoß nach, außgenommen Gotthart Wolbeikopff, welcher mit seim Pferd eim grossen feißten Schelmen, der da ersoffen war, mit dem rechten Schenckel biß an die Kniebüg inn den Bauch ful, und dermassen bestack, daß ers nit mehr herauß bringen kont, biß ihm Gargantoa zu hilff kam, und mit dem äusersten seins Stabs dem schelmen die Kutteln ins Wasser hinab stieß und[346] senckt, daß das Pferd die Schenckel wider herauß renckt, sonst wickelten sich die därm umb die füß wie die Schlangen umb den Troianischen tropffen Laocoon. Und welchs wunderlich in der Hippiatri oder Roßartznei zumereken, so war durch disen fall das Pferd von eim Überbein, welchs es am selbigen fuß hat, geheilet, nur auß anregung dieses grosses unflats gedärm: welchs dann auch des Bapsts Nef Hertzog Octavian im Schmalcaldischen Krieg an seinen Welschen Pferden probieren wolt, da er inn der Teutschen blut biß an die Sättel gedacht zureuten: aber die kunst fehlt ihm, dann er war zu frü auffgestanden, er bückt sich nach eim Strohalm, vermeynend es wer Gold, und richtet sich auff wie ein Ginaff. Jedoch freß mich eben so mehr ein Wolff als ein Schaf, dann er wird nicht so lang an mir käuen, auch mich bälder verdäuen. Demnach doch die sag geht, es thu den Toden wohl, wan sie kommen in ein erden, darin die Cörper bald erfaulet werden: Di es erfaren haben, werden darvon wissen zusagen.

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 342-347.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anonym

Schi-King. Das kanonische Liederbuch der Chinesen

Schi-King. Das kanonische Liederbuch der Chinesen

Das kanonische Liederbuch der Chinesen entstand in seiner heutigen Textfassung in der Zeit zwischen dem 10. und dem 7. Jahrhundert v. Chr. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Victor von Strauß.

298 Seiten, 15.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon