Erstes Kapitel.

[159] Warte! sagte Baron Soller, und nahm den Kalender heraus. – Schon sechs Wochen! Wohlan, es biegt oder bricht! Ich muß sie darauf bringen! – In dem Augenblick wurde geklingelt, er zog seine Livrey und spraug vor.

Anton! sagte die schöne gnädige Frau: sind die Bücher noch nicht angekommen? Ich bin so schwermüthig, und habe nichts zu lesen.

Er: Nein, gnädige Frau, noch nicht.

Sie: Traurig, wenn man nichts als die Lectüre hat!

Er: Gewiß! Meinem armen vorigen Herrn gieng es eben so.

Sie: Wie hieß er?

Er: Der Herr Baron von Soller.

Sie (erröthend und erschrocken): Von Soller?

Er: Ja, gnädige Frau! Er schien einen großen Kummer zu haben.

Sie (bewegt): Der arme Mann! Ja, ich erinnere mich seiner. Er hat einen vortrefflichen Charakter.

[159] Er: Er sprach seht oft von Ihnen, gnädige Frau!

Sie (freudig): Von mir?

Er: Tagelang, gnädige Frau! Und dann wurde er immer noch trauriger.

Sie: Der gute Mann! Wo mag er jetzt sein, lieber Anton?

Er: Ich weiß es nicht, gnädige Frau!

Sie: Ich gäbe viel darum, ihn noch einmal zu sehen.

Er: Wenn er das wüßte!

Sie: Er ist mein liebster Jugendfreund gewesen.

Er: Und Sie die einzige Person auf der Welt, die er liebte.

Sie (weinend): Umstände! – Du wirst alles wissen, lieber Anton.

Er: Alles! Alles!

Sie: O wär' es möglich, daß ich ihn noch einmal sehen könnte! Mein Herz ist auf ewig sein.

Quelle:
Christian Althing: Dosenstücke, Rom; Paris; London [o.J.], S. 159-160.
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