Drittes Kapitel.

[162] Es war Nacht; der alte Herr lag im tiefsten Schlafe; Julie zählte jeden Augenblick. Es schlug zwölf Uhr; das Nachtlicht hatte diesmal schlechterdings nicht brennen wollen. – Bst! – Soller schlich leise herein, und faßte ihre Hand.

O wie glücklich! sagte sie, und drückte ihn an ihr Herz. – Aber? erwiederte er ängstlich. – Ich habe für Alles gesorgt! war ihre Antwort: was du auch hören magst, laß dich nichts irre machen. – Sie faßte seine Hand, und weckte ihren reizenden Ehegemahl.

Er (verdrüßlich und hustend): Was denn? Was denn?

Sie: Vergeben Sie, gnädiger Herr!

Er: Was wollen Sie denn? So lassen Sie mich schlafen!

Sie: Nur einen Augenblick!

Er: Mein Gott! Sie wissen es ja.

Sie: Nur ein Wort!

[162] Er: Aber ich habe Ihnen ja gesagt – Sie sehen ja selbst –

Sie (lächelnd): Sie verstehen mich nicht, gnädiger Herr! Ich will Sie nicht geniren, ich will Ihnen nur ein Wort sagen.

Er: Ist denn das so eilig, daß Sie mich aufwecken müssen?

Sie: Gewiß, gnädiger Herr! Was halten Sie von Anton?

Er: Anton? Wie kommen Sie denn jetzt auf den?

Sie: Sie sollen es gleich hören: sagen Sie mir nur, was halten Sie von ihm?

Er: Ueber Ihre Narrenpossen! – Nun, es ist ein ehrlicher Kerl, den ich wohl leiden mag.

Sie: So? Ein ehrlicher Kerl? Nun, da betrügen Sie sich stark. Ein Schurke ist es, ich gebe Ihnen mein Wort!

Er: Was? Ein Schurke? Woher wissen Sie das?

Sie: Aus seinem eignen Munde.

Er: Wie? – Das ist unmöglich'

Sie: Sie wollen es nicht glauben? Nun so sag' ich Ihnen: er hat mir einen Antrag gemacht.

Er (sich aufrichtend und ernsthaft): Einen[163] Antrag? Wie verstehen Sie das? Reden Sie Madame! Was für einen Antrag?

Sie: Ihre Ehre – Meine Tugend – Verzeihen Sie, die Schamhaftigkeit verbietet mir –

Er: Wäre es möglich? – Ich erwürge ihn mit meinen Händen!

Soller wußte nicht, was er denken sollte; aber sie drückte ihm leis die Hand, und er beruhigte sich.

Quelle:
Christian Althing: Dosenstücke, Rom; Paris; London [o.J.], S. 162-164.
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