[162] Es war Nacht; der alte Herr lag im tiefsten Schlafe; Julie zählte jeden Augenblick. Es schlug zwölf Uhr; das Nachtlicht hatte diesmal schlechterdings nicht brennen wollen. – Bst! – Soller schlich leise herein, und faßte ihre Hand.
O wie glücklich! sagte sie, und drückte ihn an ihr Herz. – Aber? erwiederte er ängstlich. – Ich habe für Alles gesorgt! war ihre Antwort: was du auch hören magst, laß dich nichts irre machen. – Sie faßte seine Hand, und weckte ihren reizenden Ehegemahl.
Er (verdrüßlich und hustend): Was denn? Was denn?
Sie: Vergeben Sie, gnädiger Herr!
Er: Was wollen Sie denn? So lassen Sie mich schlafen!
Sie: Nur einen Augenblick!
Er: Mein Gott! Sie wissen es ja.
Sie: Nur ein Wort!
[162] Er: Aber ich habe Ihnen ja gesagt – Sie sehen ja selbst –
Sie (lächelnd): Sie verstehen mich nicht, gnädiger Herr! Ich will Sie nicht geniren, ich will Ihnen nur ein Wort sagen.
Er: Ist denn das so eilig, daß Sie mich aufwecken müssen?
Sie: Gewiß, gnädiger Herr! Was halten Sie von Anton?
Er: Anton? Wie kommen Sie denn jetzt auf den?
Sie: Sie sollen es gleich hören: sagen Sie mir nur, was halten Sie von ihm?
Er: Ueber Ihre Narrenpossen! – Nun, es ist ein ehrlicher Kerl, den ich wohl leiden mag.
Sie: So? Ein ehrlicher Kerl? Nun, da betrügen Sie sich stark. Ein Schurke ist es, ich gebe Ihnen mein Wort!
Er: Was? Ein Schurke? Woher wissen Sie das?
Sie: Aus seinem eignen Munde.
Er: Wie? – Das ist unmöglich'
Sie: Sie wollen es nicht glauben? Nun so sag' ich Ihnen: er hat mir einen Antrag gemacht.
Er (sich aufrichtend und ernsthaft): Einen[163] Antrag? Wie verstehen Sie das? Reden Sie Madame! Was für einen Antrag?
Sie: Ihre Ehre – Meine Tugend – Verzeihen Sie, die Schamhaftigkeit verbietet mir –
Er: Wäre es möglich? – Ich erwürge ihn mit meinen Händen!
Soller wußte nicht, was er denken sollte; aber sie drückte ihm leis die Hand, und er beruhigte sich.