Die Freiheit! das Recht!

[36] O, glaubt nicht, sie ruhe fortan bei den Toten,

O, glaubt nicht, sie meide fortan dies Geschlecht,

Weil mutigen Sprechern das Wort man verboten

Und Nichtdelatoren verweigert das Recht!

Nein, ob ins Exil auch die Eidfesten schritten;

Ob, müde der Willkühr, die endlos sie litten,

Sich andre im Kerker die Adern zerschnitten –

Doch lebt noch die Freiheit, und mit ihr das Recht!


– Die Freiheit! das Recht!


Nicht mach' uns die einzelne Schlappe verlegen!

Die fördert die Siege des Ganzen erst recht;

Die wirkt, daß wir doppelt uns rühren und regen,

Noch lauter es rufen: Die Freiheit! das Recht!

Denn ewig sind eins diese heiligen Zweie!

Sie halten zusammen in Trutz und in Treue;

Wo das Recht ist, da wohnen von selber schon Freie,

Und immer, wo Freie sind, waltet das Recht!


– Die Freiheit! das Recht!


Und auch das sei ein Trost uns: Nie flogen, wie heuer,

Die freudigen Zwei von Gefecht zu Gefecht!

Nie flutete voller ihr Odem und freier,

Durch die Seele selbst brausend dem niedrigsten Knecht!

Sie machen die Runde der Welt und der Lande,

Sie wecken und werben von Strande zu Strande,

Schon sprengten sie kühn des Leibeigenen Bande,

Und sagten zu denen des Negers: Zerbrecht!


– Die Freiheit! das Recht!


Ja, ihr Banner entflattert und weht allerorten,

Daß die Unbill gesühnt sei, die Schande gerächt!

Ja, und siegen sie hier nicht, so siegen sie dorten,

Und am Ende doch siegen sie gründlich und echt!

O Gott, welch ein Kranz wird sie glorreich dann zieren!

All die Läuber, die Völker im Fahnentuch führen!

Die Olive des Griechen, das Kleeblatt des Iren,

Und vor allem germanisches Eichengeflecht!


– Die Freiheit! das Recht!


Wohl ruhn dann schon manche, die jetzo noch leiden –

Doch ihr Schlummer ist süß, und ihr Ruhn ist gerecht!

Und licht an den Gräbern stehen die beiden,

Die wir ihnen auch danken – die Freiheit! das Recht![36]

Unterdes hebt die Gläser! Ihr Wohl, die da stritten!

Die da stritten und mutig ins Elend drum schritten,

Die das Recht uns verfochten und Unrecht drum litten!

Hoch ewig das Recht – und die Freiheit durchs Recht!


– Die Freiheit durchs Recht!


St. Goar, Dezember 1843.


Quelle:
Ferdinand Freiligrath: Werke in sechs Teilen. Band 2, Berlin u.a. [1909], S. 36-37.
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