Ein Denkmal

[37] Kreuznach, 14. April. Wie man vernimmt, wird auf der Ebernburg, auf welcher es wenigstens wieder wohnlich ist, eine Spielbank errichtet.

»Kölnische Zeitung vom 16. April 1842.«


Ein Spieler war, ein frecher,

Trug Koller und Barett,

Schwang stets den Würfelbecher,

Setzt' alles auf ein Brett;

Sein' einz'ge Lust das Spielen,

Sein Hort die Würfelei,

Und wenn die Knöchel fielen,

Dann war sein Wahlspruch frei:

»Jacta est alea! Ich hab's gewagt!«


Meist hatt' er's mit den Pfaffen –

Wie war die Kutte schwach!

Doch Rittern auch in Waffen

Mit Ehren bot er Schach;

Sah Fürsten in die Karte,

Trumpft' ab und stach genug;

In allem Ding beharrte

Er treulich bei dem Spruch:

»Jacta est alea! Ich hab's gewagt!«


Bei Gott, ein dreister Spieler,

Ein rechter Unverzagt!

Ein Schreck und Fürchten vieler

Sein kühn: »Ich hab's gewagt!«

Und immer spielt' er ehrlich:

»Da liegt mein Wurf! seht nach!«

Das macht' ihn just gefährlich

Den Falschen, wenn er sprach:

»Jacta est alea! Ich hab's gewagt!«
[37]

Drum haben die Obskuren

Und Argen ihn gehaßt.

Sie folgten seinen Spuren,

Verhetzten ihm die Rast.

Sie hätten ihn gern geknechtet,

Den freisten Mann im Land;

Er aber floh, geächtet,

Und grollte noch verbannt:

»Jacta est alea! Ich hab's gewagt!«


Wie ward er umgetrieben

Auf seinem irren Zug!

Es hat davon geschrieben

In Treuen manches Buch.

Lest selbst, auf was für Steinen

Der flücht'ge Trotzkopf schlief;

Ich nenn' euch heut nur einen,

Auf dem er auch einst rief:

»Jacta est alea! Ich hab's gewagt!«


Schloß Ebernburg, die Feste,

Bespült vom Nahefluß,

Empfing ihn auf das beste

Mit Handschlag und mit Kuß.

Bei Berlichingens Schwager,

Nach manchem harten Strauß,

Erwarb er sich ein Lager

Und spielt' aufs neue aus:

»Jacta est alea! Ich hab's gewagt!


Da kühlt' ihm Laub und Blüte

Der Seele Zorn und Qual;

Noch heißt im Burggebiete

Ein Tal das Huttental.

Da lag er still im Holze,

Dem Hirsch gleich, den man hetzt;

Warf immer noch, der Stolze,

Ausrufend bis zuletzt:

»Jacta est alea! Ich hab's gewagt!


O Deutschland, deine Großen

Zu ehren stets bereit!

Ihm, den die Welt verstoßen,

Ein Denkmal weihst du heut![38]

Die Zeit ist Mälern günstig;

Wen ehrt nicht seines Orts

Ein Denkmal? Du entsinnst dich

Zur rechten Zeit des Worts:

»Jacta est alea! Ich hab's gewagt!


Und o, mit welchem Bilde

Preist ihn dein richt'ger Sinn;

Mit Helm und Schwert und Schilde

Stellst du den Hermann hin;

Mit seinem Bürgerbuche

Hebt Justus Möser sich: –

Ein Tisch mit grünem Tuche

Dem Würfler Ulerich!

Jacta est alea! Du hast's gewagt!


Auf Ebernburg, der Trümmer,

Da wird das Denkmal stehn;

Da wird es bald den Schimmer

Erlauchter Gäste sehn.

Den efeugrünen Stufen

Des Burgtors nahn sie frank;

Dann hört man oft wohl rufen

Zu Huttens Preis: »Va banque


Dann wirst du wieder schallen,

O Wort voll Mut und Trutz,

Dort in der Herberg' Hallen,

Die der Gerechten Schutz!

Wirst bis zum Eiland dringen,

Wo matt sein Auge brach;

Wirst am Gestad' verklingen,

Wo sterbend noch er sprach:

»Jacta est alea! Ich hab's gewagt!«


Was gilt's, das wird ihn wecken!

Aufblickt er, wer ihn stört.

Ihr Herrn, wollt nicht erschrecken,

Wenn ihr ein Echo hört!

Steht fest und ohne Scheuen,

Spielt weiter keck und kalt,

Wenn es wie Wetterdräuen

Zurück von Ufnau schallt:

»Jacta est alea! Ihr habt's gewagt?!«


Darmstadt, Mai 1842.
[39]

Quelle:
Ferdinand Freiligrath: Werke in sechs Teilen. Band 2, Berlin u.a. [1909], S. 37-40.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Prinzessin Brambilla

Prinzessin Brambilla

Inspiriert von den Kupferstichen von Jacques Callot schreibt E. T. A. Hoffmann die Geschichte des wenig talentierten Schauspielers Giglio der die seltsame Prinzessin Brambilla zu lieben glaubt.

110 Seiten, 4.40 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon