Scena II.

[45] Vlrich, Wendelgard, Adelhard.


VLRICH.

Mein liebe Haußfraw Wendelgart,

Vnd mein lieber Sohn Adelhart,

Ihr habt vernommen zu der frist,

Wies mir in Vngarn gangen ist,

Vnd wie ich bin erledigt worden,

So hab ich jetzund ewern Orden

Von euch hergegen wol vernommen,[45]

WENDELGARD.

Ach das wir könnten zsamen kommen,

Vnd ich meines Glübts erlassen wer,

VLRICH.

An Bischoff wölln wir solchs begern,

So es mit ewern willen gschicht,

WENDELGARD.

Ja lieber Herr, dann anderst nicht,

Begehr ich jetzt, dann das ich kum,

Zu meinem Gmahel widerumb.

VLRICH.

Ich hab sichs gnug, wir wöllen all,

Nu ziehen hin, wol zu S. Gall,

Erbitten Bischoff Salomon,

Er wird nach vnserm willen thun,

Damit wir kommen bald in Rhu,

ADELHARD.

Da will ich gern helffen zu.

Dann mir kein grösser Frewd auff Erden,

Hett jemals könt begegnet werden,

Dann das ich meinen Vatter sehe,

Was gut wird sein, daßelb gescheh,

Allein ich vmb verzeihung bitt,

Weil ich euch vor erkennet nit.

Ihr wölt mir nit für vbel han,

Das ich euch also hin gelahn,

Dann für ein armen Bettelman,

Hab ich euch fürwar gesehen an.

VLRICH.

Mein lieber Sohn, mein Adelhart,

Wie frew ich mich zu dieser fahrt,

Daß sich die Sachn also geschickt,

Vnd GOTT mich widerumb erquickt,

In dem ich sieh mein Vatterland,

Vnd nu bin wider hie erkannt,

Erlößt auß meiner Dienstbarkeit,

Auß Angst vnd Sorg, vnd grossern Leid.

Hab wider gründen frisch vnd gsund,[46]

Vnd red jetz an mit meinem Mund,

Euch beydesam, mein Gmahl vnd Sohn,

ADELHART.

GOTT schickt vns diese Frewd vnd Wohn,

Nach trawrigkeit, die wir erfahrn,

Ietz lenger dann vier gantzer jahrn.

WENDELGARD.

Die Diener kommen auch hernach,

Nu sein wir alle zu Roschach.

Ihr zween habt achtung auff die Herrn,

In züchten vnd in allen ehrn.

Du Cöntzlin rüst die Gutschen zu,

Fahr vns hernach vnd hab kein rhu,

Damit wann wir auffsitzen woltn,

Nit lenger auff dich warten soltn.

ADELHART.

Führ du mir meinen Gaul hernach,

Weil ich mit meinem Vattern sprach.

VLRICH.

Nu weil wir seind auff dieser Fahrt,

So sag mir her mein Adelhart,

Was sich in diesen langen tagen,

Meins außbleibens hab zugetragen?

Denn was mein Elend hie anlangt,

Habt jhrs gehört vom anefang.

ADELHARD.

Viel seltzam Ding kan ich euch sagen,

Die gschehen sein in diesen tagen,

Im Land zu Schwaben vnd Thurgow,

Deßgleichen hie am Bodensee.

Drey Fürsten hat der Keyser lon

Enthaupten hie, ohn allen schon.

Vor zweien jahrn, als ich euch sag,

Gleich eben auff S. Agneß Tag.

VLRICH.

Wer seind die gwesen lieber Son?

Für war ich ein mitleiden hon.

Wülst mir sie alle drey benennen,[47]

ADELHARD.

Ihr werdens zweiffels ohn wol kennen,

Es ist Berchthold vnd Erchinger,

Und Leutfrid, alle nach vnd ferr,

Bekannte Fürsten, gwaltige Herrn,

Es ist mir leid vmb jhre Ehrn,

Daß sie empfangen ein solchen Lohn,

VLRICH.

Was haben sie dann vbels thon?

ADELHARD.

Daß werd jhr von dem Bischoff hörn,

Ich mag daruon nit sagen gern,

Es ist für war ein trawrig Gschicht,

Deßgleichen zuuor ist gschehen nicht,

Wil gleich daruon jetz lassen ab,

Dann ich wol anderst zsagen hab.

VLRICH.

Ich jens viel lieber hören wölt,

ADELHARD.

Der Bischoff solchs viel baß erzehlt.

Dann diß ist von seint wegn gschehen,

Das kan ich für ein Warheit jehen.

VLRICH.

Was ist dann solchs in dieser Zeit,

Geschehen mehr, das sag mir heut?

ADELHARD.

Nit lang hernach als jhr warn gfangen,

Hat sich auch die Gschicht begangen,

Daß Ludwig König in Burgund,

Der lang zuvor starck widerstund

Dem welschen Keyser Berengar,

(Danns Reich, wie noch zertheilet war)

Wider sein gschwornen Eyd ist zogen,

Mit Wehr vnd Waaffen, Pfeil vnd Bogen,

Mit großer macht durchs Trientisch Gbürg,

Auff das er seinen Feind erwürg.

Nam ein die Statt, die weit bekannt,

So Dietterichs Bern wirt jetz genannt,[48]

Dem ist begegnet Berengar,

Mit seiner Macht vnd Heeresschar.

Hat diese Statt erobert wider,

Den König hielt er nit für Bider,

Stach jhm darauff beid augen auß,

Vnd schickt jhn widerumb zu Hauß.

Daß kan ich bey der Warheit jehen,

VLRICH.

Fürwar es ist jhm recht geschehen.

Warumb hielt er nit Trew vnd Eyd,

Er wer nit kommen in das Leyd.

Dann wer sein Eyd nit redlich helt,

Vnd seinen Feind so hinderstelt,

Begegnet jhm ein solche Schmach,

So ist es warlich Gottes Rach.

Drumb bleib ein jeder bey seim Eyd,

ADELHARD.

Nu glaub ich doch es werd jhm leyd,

Das er König Ludwig also grochen,

Vnd jhm sein beyde augen außgstochen.

Dann wie mir Zeittung ist zukommen,

Vnd ich von vielen hab vernommen,

So hat König Rudolff in Burgund,

Der jetzt regiert zu dieser stund,

Von Adelbert vnd Giselbert,

Zween Welschen Fürsten thewer vnd wert,

Empfangen nun die ander Bottschafft,

Das er hinkom mit Heereskrafft,

Nem eyn das Welsche Keyserthumb,

Vnd bring den Keyser Berengar umb.

Was gschehen werd, das bringt die Zeit,

VLRICH.

GOTT hat in seiner Hand Land vnd Leut.

Er setzt ein Keyser wenn Er will,

Gfelt er Ihm nicht, macht Er jhn still.

Wie geht es sonst in Sachssenland,

Mein Wendelgart, ists euch bekant?

So wöllend mir dasselbig sagen,[49]

WENDELGARD.

Es habend sich vor wenig tagen,

Zween gwaltig Heurat tragen zu,

Mit meinen lieben Schwestern zwo.

Dann Adelheit Graff Hugen hat,

Ein großen Herrn, Pariß der Statt.

So hat Gerburg, wie ich vernommen,

Den König Ludwig vberkommen,

Ein König vber gantz Franckreich,

Dem hat sie auch geboren gleich,

Zween schöner Söne, der ein Luthar,

Der ander Carlin gnennet war.

So hat jhrm Herrn Fraw Adelheid,

Geboren auch, als ich euch bscheid,

Ein jungen Son, Hug Schapler gnannt,

Das ist mir worden schrifftlich bkannt,

Vnd von eim glaubwirdigen Mund,

VLRICH.

Deß frew ich mich von hertzen grund.

WENDELGARD.

Doch ist in dieser Welt kein Frewd,

Darunder sich nit mischt ein Leyd,

Wie solchs geschieht zu jeder frist,

Dann seither auch gestorben ist,

Mein Anherr selig Hertzog Ott,

In Saxen abgangen durch GOTT,

VLRICH.

Gott hab sein liebe Seel, wünsch ich,

Eins wöllend noch berichten mich,

Wie lebt nu vnser lieber Schwehr,

Hertzog Henrich, der gwaltig Herr?

Ist er wol auff, ich möchts gern hörn?

ADELHARD.

Da hab ich jetzund gute Mährn,

Dann mir Graff Adolff Herr zu Bergen,

Ein Brieff her gsand durch einen Vergen.

Vnd schreibt, wie Keyser Conrad schwach,

Ihn zu eim Römischen Keyser mach,[50]

Hab jhm gschickt die Römisch Kron,

Den Apffel, Scepter, vnd wöll jhn hon,

Zu eim Nachkömling in dem Reich,

VLRICH.

GOTT wöll es gschehe diß zu gleich.

Wiewol ich jhm von hertzen gund,

Ein langes Leben, frisch vnd gsund.

Doch müßen wir auch forthin gohn,

WENDELGARD.

Dort sich ich d Statt S. Gallen schon,

Mir ist die Reiß so leicht vnd klein,

Ich wolt darfür nicht gfahren sein.

VLRICH.

Daß macht allein das gut gespräch,

So wir getriben allgemach.

Nun wölln wir wider auff den Wagen,

Zusammen sitzen, vnd mehr sagen,

Von manchen Gschichten Alt vnd New,

ADELHART.

Mein Hengst der ist ein wenig schew.

Ich wolt sonst nebem Wagen reitten,

Wanns euch gfiel, wolt ich bey zeitten,

Voran ins Kloster zu dem Abt,

Dann er sich sonsten vbel ghabt,

So jhm ankommen frembde Gest,

Gar vnuersehn, es wer das best,

Man zeigt jhm diß zuforderst an,

VLRICH.

Mir gfelt die Sach, sey auff der Bahn,

WENDELGARD.

Wir wöllen gar bald nach hin kommen,

Mit meinem Herrn dem thewrn vnd frommen.

Der Fuhrman sol sich nirgend saumen.

Quelle:
Nicodemus Frischlin: Fraw Wendelgard. Stuttgart 1908, S. 45-51.
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