DIE RETTUNG

[103] Neue lust und neues leben

Wurden in dem prinzen wach

Musste auch das lange scheiden

Von dem freund ihm schmerz bereiten.


Dessen würdig sich zu machen

War sein eifrigstes bemühn

Und an seine kurzen lehren

Aufs genauste sich zu kehren.


Weite uferbauten lagen

Einst begonnen von dem ahn

Zu des ganzen volks bedauern

Stets noch in den ersten mauern.


Junge kräfte waren nötig

Und zum wagnis frischer geist

Um mit vielen tätigen händen

Dieses bauwerk zu vollenden.[104]


Dies nun ward des prinzen vorsatz:

In geschäftiger eile liess

Er vor seines thrones stufen

Künstler viel und werker rufen ·


Unterredete mit ihnen

Gab auch selber rat und plan ...

Bald verschwand das schlimme wanken

Und die quälenden gedanken.


Der Apsara wüstem locken

Leistete er widerstand.

Was unmöglich ihm geschienen

War jezt leicht ihm zu verdienen.


Und was einst ihn im genusse

Und was ihn nach seinem fall

Mit des zweifels nacht umzogen

War wie leicht gewölk verflogen.


Klar ward ihm jezt was die Veda

Von der menschen streben sagt:

Jeder zu erreichen suchend

SEINES standes höchste tugend[105]


Ihren vollen sinn erfasse ·

Jezt ward ihm erst offenbar

Jener spruch aus büssers munde

Mit dem freund zur rechten stunde.


Als der zehnte mond gekommen

Eilt der prinz zum palmenwald

Dass er den Ersehnten finde

Seinen heissen dank ihm künde.


Der war eben heimgekehret

Und erstaunte nicht gering

Wie ein fürstliches geleite

Hier nach seiner hütte schreite.


Eilig trat er vor die türe

Blickte aus und ganz bestürzt

Sank er zu des prinzen füssen

Um ihn ehrfurchtsvoll zu grüssen.


Doch der hob ihn auf vom boden

Drückte ihn an seine brust:

Der du halfst mein glück begründen

Willst die freundschaft auf nun künden[106]


Dem erfreuten · dem entzückten

Die dem armen du gelobt!

Heissen dank muss ich dir bringen

Denn du liessest mir gelingen


Was mir unerreichbar deuchte

Du mit deiner guten lehr!

Komm mein retter · mein berater ·

Eilen wir zu meinem vater


Er soll freudig dich umarmen

Seinen zweiten teuren sohn

Der den ersten · schon verloren ·

Neu belebt und neu geboren.


Komm und schaue meine werke

Schau mich ganz in meinem glück!

Steh du immer mir zu seiten

Als ein freund für alle zeiten ·


Und du hoher geist der welten

Helfer mir durch diesen freund

Lenk uns stets auf rechten wegen

Und verleih uns deinen segen.

Quelle:
George, Stefan: Schlussband, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 18, Berlin 1934, S. 103-107.
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