Fünfte Szene.

[40] TEUT.

Moloch, Moloch!

HIRAM.

Wer stöhnt? Wer klagt?

TEUT stürzt, wie von Entsetzen gepeitscht, herein.

Moloch, Moloch!

HIRAM.

Was ist? Teut!

TEUT.

In meinem Nacken sitzt der Tod –


Er schüttelt wild das Haupt.


Entsetzen peitscht mich! – Fort, hinweg!


Hiram legt seine Hand auf Teuts Schulter; Teut stößt ihn zurück.


Grabt, Nägel, euch in diese Brust,

Wühlt euch ins Fleisch, reißt auf das Herz!

HIRAM.

Was gab's?


Teut faßt Hiram bei den Schultern und starrt ihn an.


TEUT.

Will das dein grimmer Gott?

Muß, was zur Wonn' uns lebt, ihm sterben?

Ist töten Gottes erste Tat?

HIRAM.

Was soll's?

TEUT.

Wann sahst du je ein Weib

Vom Felsen in das Meer sich stürzen?

Die Mutter tat's! Und ich steh' hier!

Hörst du? Ich stürzte ihr nicht nach![40]

Des Vaters Schwert sieht sie mich bringen,

Und »Moloch, Moloch«, schreit sie auf,

Stürzt sich hinab – ah –


Er starrt vor sich hin als ob er das Bild der Mutter sähe; dann schreit er auf:


Moloch! Moloch!

HIRAM mit zwingender Kraft.

Gelöst bist du von allen Banden,

Die sich um deine Seele wanden!

Wir alle müssen Moloch opfern,

Hätt' ich ein Kind, ich gäb' es hin –

TEUT schreit wie in Verzweiflung.

Moloch! Moloch!


Man hört von außen das Volk fanatisch


»Moloch, Moloch«


rufen. Hiram faßt Teut wild am Herzen und zieht den Taumelnden in den Vordergrund.


HIRAM.

Werd kalt und hart in Not und Graus!

Das Herz ist ein Geschwür vom Weib her –

TEUT stöhnt auf.

Moloch!


Man hört die »Moloch«-Rufe des Volkes näher.


HIRAM.

Moloch – brenn es aus!

TEUT indem er zu Hirams Füßen sinkt.

Moloch – Moloch – brenn es aus!


Das Volk stürzt fanatisch herein. Hiram weist gebieterisch auf die Eibe. Die Männer beginnen unter Tumult und wilden Rufen den Stamm zu fällen. [41]

Quelle:
Max von Schillings: Der Moloch. Dichtung frei nach Fr. Hebbels »Moloch-Fragment« von Emil Gerhäuser, Berlin [1906], S. 40-42.
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