Erster Auftritt


[7] Amine und Egle sitzen an der einen Seite des Theaters und winden Kränze.

Lamon kommt dazu und bringt ein Körbchen mit Blumen.


LAMON indem er das Körbchen niedersetzt.

Hier sind noch Blumen.

EGLE.

Gut!

LAMON.

Seht doch, wie schön sie sind!

Die Nelke brach ich dir.

EGLE.

Die Rose! –

LAMON.

Nein, mein Kind!

Aminen reich ich heut das Seltene vom Jahr;

Die Rose seh ich gern in einem schwarzen Haar.

EGLE.

Und das soll ich wohl gar verbindlich, artig nennen?

LAMON.

Wie lange liebst du mich schon, ohne mich zu kennen?

Ich weiß es ganz gewiß, du liebst nur mich allein,

Und dieses muntre Herz ist auch auf ewig dein,

Du weißt es. Doch verlangst du mich noch mehr zu binden?

Ist es wohl scheltenswert, auch andre schön zu finden?

Ich wehre dir ja nicht, zu sagen: der ist schön,[7]

Der artig, scherzhaft der – ich will es eingestehn.

Nicht böse sein.

EGLE.

Sei's nicht, ich will es auch nicht werden.

Wir fehlen beide gleich. Mit freundlichen Gebärden

Hör ich gar manchen an, und mancher Schäferin

Sagst du was Süßes vor, wenn ich nicht bei dir bin.

Dem Herzen läßt sich wohl, dem Scherze nicht gebieten;

Vor Unbeständigkeit muß uns der Leichtsinn hüten.

Mich kleidet Eifersucht noch weniger als dich.


Zu Aminen.


Du lächelst über uns! Was denkst du, Liebe? sprich!

AMINE.

Nicht viel.

EGLE.

Genug, mein Glück und deine Qual zu fühlen.

AMINE.

Wieso?

EGLE.

Wieso! Anstatt daß wir zusammen spielen,

Daß Amors Schläfrigkeit bei unserm Lachen flieht,

Beginnet deine Qual, wenn dich dein Liebster sieht.

Nie war der Eigensinn bei einem Menschen größer.

Du denkst, er liebe dich. O nein, ich kenn ihn besser;

Er sieht, daß du gehorchst, drum liebt dich der Tyrann,

Damit er jemand hat, dem er befehlen kann.

AMINE.

Ach, er gehorcht mir oft.

EGLE.

Um wieder zu befehlen.

Mußt du nicht jeden Blick von seinen Augen stehlen?

Die Macht, von der Natur in unsern Blick gelegt,

Daß er den Mann entzückt, daß er ihn niederschlägt,

Hast du an ihn geschenkt und mußt dich glücklich halten,

Wenn er nur freundlich sieht. Die Stirne voller Falten,

Die Augenbraunen tief, die Augen düster, wild,

Die Lippen aufgedrückt, ein liebenswürdig Bild,

Wie er sich täglich zeigt, bis Bitten, Küsse, Klagen

Den rauhen Winterzug von seiner Stirne jagen.

AMINE.

Du kennst ihn nicht genug, du hast ihn nicht geliebt.

Es ist nicht Eigensinn, der seine Stirne trübt;

Ein launischer Verdruß ist seines Herzens Plage[8]

Und trübet mir und ihm die besten Sommertage;

Und doch vergnüg ich mich, da, wenn er mich nur sieht,

Wenn er mein Schmeicheln hört, bald seine Laune flieht.

EGLE.

Fürwahr ein großes Glück, das man entbehren könnte.

Doch nenne mir die Lust, die er dir je vergönnte?

Wie pochte deine Brust, wenn man vom Tanze sprach;

Dein Liebster flieht den Tanz und zieht dich Arme nach.

Kein Wunder, daß er dich bei keinem Feste leitet,

Da er der Wiese Gras um deine Tritte neidet,

Den Vogel, den du liebst, als Nebenbuhler haßt;

Wie könnt er ruhig sein, wenn dich ein andrer faßt

Und gar, indem er sich mit dir im Reihen kräuselt,

Dich zärtlich an sich drückt und Liebesworte säuselt.

AMINE.

Sei auch nicht ungerecht, da er mich dieses Fest,

Weil ich ihn darum bat, mit euch begehen läßt.

EGLE.

Das wirst du fühlen.

AMINE.

Wie?

EGLE.

Warum bleibt er zurücke?

AMINE.

Er liebt den Tanz nicht sehr.

EGLE.

Nein, es ist eine Tücke.

Kommst tu vergnügt zurück, fängt er halb spöttisch an:

Ihr wart wohl sehr vergnügt? – Sehr. – Das war wohlgetan.

Ihr spieltet? – Pfänder. – So! Damöt war auch zugegen?

Und tanztet? – Um den Baum. – Ich hätt euch sehen mögen.

Er tanzte wohl recht schön? Was gabst du ihm zum Lohn?

AMINE lächelnd.

Ja.

EGLE.

Lachst du?

AMINE.

Freundin, ja, das ist sein ganzer Ton. –

Noch Blumen!

LAMON.

Hier! das sind die besten.

AMINE.

Doch mit Freuden

Seh ich ihn meinen Blick der ganzen Welt beneiden;[9]

Ich seh an diesem Neid, wie mich mein Liebster schätzt,

Und meinem kleinen Stolz wird alle Qual ersetzt.

EGLE.

Kind, ich bedaure dich, du bist nicht mehr zu retten,

Da du dein Elend liebst; du klirrst mit deinen Ketten

Und überredest dich, es sei Musik.

AMINE.

Ein Band

Zur Schleife fehlt mir noch.

EGLE zu Lamon.

Du hast mir eins entwandt,

Das ich vom Maienkranz beim Frühlingsfest bekommen.

LAMON.

Ich will es holen.

EGLE.

Doch du mußt bald wiederkommen.


Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 5, Berlin 1960 ff, S. 7-10.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Laune des Verliebten
Die Laune Des Verliebten (Dodo Press)
Werke in sechs Einzelbänden: Werke, Bd.2, Dramen: Faust I und II. Die Laune des Verliebten. Götz von Berlichingen. Clavigo. Stella. Egmont. ... Pandora. Des Epimenides Erwachen: nur Bd. 2
Die Laune des Verliebten

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Das neue Lied und andere Erzählungen 1905-1909

Das neue Lied und andere Erzählungen 1905-1909

Die Sängerin Marie Ladenbauer erblindet nach einer Krankheit. Ihr Freund Karl Breiteneder scheitert mit dem Versuch einer Wiederannäherung nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit der Erblindung. »Das neue Lied« und vier weitere Erzählungen aus den Jahren 1905 bis 1911. »Geschichte eines Genies«, »Der Tod des Junggesellen«, »Der tote Gabriel«, und »Das Tagebuch der Redegonda«.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon