Vierter Auftritt

[21] IPHIGENIE allein.

Du hast Wolken, gnädige Retterin,

Einzuhüllen unschuldig Verfolgte,

Und auf Winden dem ehrnen Geschick sie

Aus den Armen, über das Meer,

Über der Erde weiteste Strecken,[21]

Und wohin es dir gutdünkt, zu tragen.

Weise bist du und siehest das Künftige;

Nicht vorüber ist dir das Vergangne,

Und dein Blick ruht über den Deinen,

Wie dein Licht, das Leben der Nächte,

Über der Erde ruhet und waltet.

O, enthalte vom Blut meine Hände!

Nimmer bringt es Segen und Ruhe;

Und die Gestalt des zufällig Ermordeten

Wird auf des traurig-unwilligen Mörders

Böse Stunden lauern und schrecken.

Denn die Unsterblichen lieben der Menschen

Weit verbreitete gute Geschlechter,

Und sie fristen das flüchtige Leben

Gerne dem Sterblichen, wollen ihm gerne

Ihres eigenen, ewigen Himmels

Mitgenießendes fröhliches Anschaun

Eine Weile gönnen und lassen.

Quelle:
Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Band 5, Hamburg 1948 ff, S. 21-22.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Iphigenie auf Tauris
Lektürehilfen Johann Wolfgang von Goethe
Iphigenie auf Tauris.
Iphigenie auf Tauris: Reclam XL - Text und Kontext
Klassische Schullektüre, Iphigenie auf Tauris
Iphigenie auf Tauris: Ein Schauspiel. Leipzig 1787 (Suhrkamp BasisBibliothek)