Erster Auftritt


[118] Der Schauplatz ist vor Märtens Hause, wie in den vorigen Stücken.

Röse. Görge.


GÖRGE der zum Hause mit einem Rechen herauskommt, spricht zurück. Hörst du, liebe Röse?

RÖSE die unter die Türe tritt. Recht wohl, lieber Görge!

GÖRGE. Ich gehe auf die Wiese und ziehe Maulwurfshaufen auseinander.

RÖSE. Gut.

GÖRGE. Hernach seh ich, wie es auf dem Acker aussieht.

RÖSE. Schön! Und dann kommst du aufs Krautland und gräbst, und findest mich da mit dem Frühstück.

GÖRGE. Und da setzen wir uns zusammen und lassen es uns schmecken.

RÖSE. Du sollst eine gute Suppe haben.

GÖRGE. Wenn sie noch so gut wäre! Du mußt mitessen, sonst schmeckt sie mir nicht.[118]

RÖSE. Mir geht's ebenso.

GÖRGE. Nun leb wohl, Röse!

RÖSE. Leb wohl, Görge!

GÖRGE geht, bleibt stehen, sieht sich um; sie werfen sich Kußhände zu, er kehrt zurück. Höre, Röse! – die Leute reden kein wahr Wort.

RÖSE. Selten wenigstens. Wieso?

GÖRGE. Sie sagen: als Mann und Frau hätte man sich nicht mehr so lieb wie vorher. Es ist nicht wahr, Röse. Wie lange haben wir uns schon? Wart!

RÖSE. Zwölf Wochen.

GÖRGE. Wahrhaftig! Und da ist immer noch Görge und Röschen, und Röschen und Görge wie vorher. Nun leb wohl!

RÖSE. Leb wohl. Wie oft haben wir das nicht schon gesagt!

GÖRGE entfernt sich. Und wie oft werden wir es noch sagen!

RÖSE. Und uns immer wieder suchen und finden.

GÖRGE stille stehend. Das ist eine Lust!

RÖSE. Ich komme gleich nach. Leb wohl!

GÖRGE gehend. Leb wohl!

RÖSE unter der Türe. Görge!

GÖRGE zurückkommend. Was gibt's?

RÖSE. Du hast was vergessen.

GÖRGE sich ansehend. Was denn?

RÖSE ihm entgegenspringend. Noch einen Kuß!

GÖRGE. Liebe Röse!

RÖSE. Lieber Görge! Küssend.


Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Berlin 1960 ff, S. 118-119.
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