Zweiter Auftritt


[119] Die Vorigen. Der Edelmann.


EDELMANN. Brav, ihr Kinder! Brav! an euch merkt man nicht, daß die Zeit vergeht.

GÖRGE. Wir merken's auch nicht, gnädiger Herr.[119]

RÖSE bedeutend. Sie werden's auch bald nicht mehr merken.

EDELMANN. Wieso?

RÖSE. Machen Sie nur kein Geheimnis daraus! – Sie ist ja so hübsch.

EDELMANN lächelnd. Wer?

GÖRGE. Hm! Röse, du hast recht. Jawohl, recht hübsch.

RÖSE. Und Sie sind auch so ein schöner junger Herr.

EDELMANN. Görge! Darf sie das sagen?

GÖRGE. Jetzt eher als sonst. Denn ich will's nur gestehen, ich bin oft eifersüchtig auf Sie gewesen.

EDELMANN. Du hast's auch Ursache gehabt. Röse gefiel mir immer.

RÖSE. Sie scherzen, gnädiger Herr.

GÖRGE. Es ist mir nur immer gar zu ernstlich vorgekommen.

RÖSE. Er hat mich oft genug gequält.

GÖRGE. Und sie mich auch.

EDELMANN. Und jetzt?

GÖRGE. Jetzt ist Röse meine Frau und, ich denke, eine recht brave Frau.

EDELMANN. Das ist gewiß.

RÖSE bedeutend. Und Sie? –

EDELMANN. Nun?

GÖRGE mit Bücklingen. Darf man gratulieren?

EDELMANN. Wozu?

RÖSE sich neigend. Wenn Sie's nicht ungnädig nehmen wollen.

GÖRGE. Sie werden bald auch ein allerliebstes Weibchen haben.

EDELMANN. Daß ich nicht wüßte.

RÖSE. In wenig Tagen leugnen Sie es nicht mehr.

GÖRGE. Und sie ist so liebenswürdig.

EDELMANN. Wer denn?

RÖSE. Fräulein Karoline, die neulich mit der alten Tante hier zum Besuche war.

EDELMANN. Daher habt ihr euren Argwohn? Wie ihr fein seid!

GÖRGE. Ich dächte doch, so etwas ließe sich einsehen.[120]

RÖSE. Es ist recht schön, daß Sie sich auch verheiraten.

GÖRGE. Man wird ein ganz anderer Mensch. Sie werden's sehen.

RÖSE. Jetzt gefällt mir's erst zu Hause.

GÖRGE. Und ich meine, ich wäre da drin im Hause geboren.

RÖSE. Und wenn der Vater die Zeitungen liest und sich um die Welthändel bekümmert, da drücken wir einander die Hände.

GÖRGE. Und wenn der Alte sich betrübt, daß es draußen so wild zugeht, dann rücken wir näher zusammen und freuen uns, daß es bei uns so friedlich und ruhig ist.

EDELMANN. Das Beste, was ihr tun könnt.

RÖSE. Und wenn der Vater gar nicht begreifen kann, wie er die französische Nation aus den Schulden retten will, da sag ich: »Görge, wir wollen uns nur hüten, daß wir keine Schulden machen.«

GÖRGE. Und wenn er außer sich ist, daß man allen Leuten dort ihre Güter und ihr Vermögen nimmt, da überlegen wir zusammen, wie wir das Gütchen verbessern wollen, das wir von dem Lottogelde zu kaufen gedenken.

EDELMANN. Ihr seid gescheite junge Leute.

RÖSE. Und glücklich.

EDELMANN. Das hör ich gern.

GÖRGE. Sie werden's auch bald erfahren.

RÖSE. Das wird wieder eine Lust auf dem Schlosse werden!

GÖRGE. Als wie zu Lebzeiten Ihrer seligen Frau Mama.

RÖSE. Zu der man immer lief, wenn jemand krank war.

GÖRGE. Die einem so guten Spiritus auflegte, wenn man sich eine Beule gestoßen hatte.

RÖSE. Die so gute Salben wußte, wenn man sich verbrannt hatte.

EDELMANN. Wenn ich heirate, will ich mich nach einem Frauenzimmer umsehen, die ihr ähnlich ist.

GÖRGE. Die ist schon gefunden.

RÖSE. Ich denk's. Sein Sie nicht böse, gnädiger Herr, daß wir so vorlaut sind.[121]

GÖRGE. Wir können's aber nicht abwarten –

RÖSE. Sie so glücklich zu sehen als uns.

GÖRGE. Sie müssen nicht länger zögern.

RÖSE. Es ist verlorne Zeit.

GÖRGE. Und wir haben schon den Vorsprung.

EDELMANN. Wir wollen sehen.

GÖRGE. Es tut freilich nichts, wenn unser Junge ein bißchen älter ist als der Ihrige; da kann er desto besser auf den Junker achthaben.

RÖSE. Das wird hübsch sein, wenn sie zusammen spielen. Sie dürfen doch?

EDELMANN. Wenn sie nur schon da wären. Ja! – meine Kinder sollen mit den eurigen aufwachsen, wie ich mit euch.

RÖSE. Das wird eine Lust sein!

GÖRGE. Ich sehe sie schon.


Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Berlin 1960 ff, S. 119-122.
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