[244] Eugenie. Hofmeisterin. Bediente, die einen prächtigen Putzkasten tragen.
HOFMEISTERIN.
Wenn ich dich störte, führ' ich gleich mit mir,
Was mich gewiß entschuld'gen soll, herbei.
EUGENIE.
Von meinem Vater? dieser prächt'ge Schrein!
Auf welchen Inhalt deutet solch Gefäß?
Zu den Bedienten.
Verweilt!
Sie reicht ihnen einen Beutel hin.
Zum Vorschmack eures Botenlohns
Nehmt diese Kleinigkeit, das Beßre folgt.
Bediente gehen.
Und ohne Brief und ohne Schlüssel! Steht
Mir solch ein Schatz verborgen, in der Nähe?
O Neugier! O Verlangen! Ahnest du,
Was diese Gabe mir bedeuten kann?
HOFMEISTERIN.
Ich zweifle nicht, du hast es selbst erraten.
Auf nächste Hoheit deutet sie gewiß.
Den Schmuck der Fürstentochter bringt man dir,
Weil dich der König bald berufen wird.
EUGENIE.
Wie kannst du das vermuten?
HOFMEISTERIN.
Weiß ich's doch!
Geheimnisse der Großen sind belauscht.
EUGENIE.
Und wenn du's weißt, was soll ich dir's verbergen?
Soll ich die Neugier, dies Geschenk zu sehn,[244]
Vor dir umsonst bezähmen! – Hab' ich doch
Den Schlüssel hier! – Der Vater zwar verbot's.
Doch was verbot er? Das Geheimnis nicht
Unzeitig zu entdecken; doch dir ist
Es schon entdeckt. Du kannst nicht mehr erfahren,
Als du schon weißt, und schweigst nun, mir zu Liebe.
Was zaudern wir? Komm, laß uns öffnen! komm,
Daß uns der Gaben hoher Glanz entzücke.
HOFMEISTERIN.
Halt ein! Gedenke des Verbots! Wer weiß,
Warum der Herzog weislich so befohlen?
EUGENIE.
Mit Sinn befahl er, zum bestimmten Zweck;
Der ist vereitelt: alles weißt du schon.
Du liebst mich, bist verschwiegen, zuverlässig.
Laß uns das Zimmer schließen! das Geheime
Laß uns sogleich vertraulich untersuchen.
Sie schließt die Zimmertüre und eilt gegen den Schrank.
HOFMEISTERIN sie abhaltend.
Der prächt'gen Stoffe Gold und Farben Glanz,
Der Perlen Milde, der Juwelen Strahl
Bleib' im Verborgnen! Ach, sie reizen dich
Zu jenem Ziel unwiderstehlich auf.
EUGENIE.
Was sie bedeuten, ist das Reizende.
Sie öffnet den Schrank, an der Türe zeigen sich Spiegel.
Welch köstliches Gewand entwickelt sich,
Indem ich's nur berühre, meinem Blick.
Und diese Spiegel! fordern sie nicht gleich,
Das Mädchen und den Schmuck vereint zu schildern?
HOFMEISTERIN.
Kreusas tödliches Gewand entfaltet,
So scheint es mir, sich unter meiner Hand.
EUGENIE.
Wie schwebt ein solcher Trübsinn dir ums Haupt?
Denk' an beglückter Bräute frohes Fest.
Komm! Reiche mir die Teile, nach und nach.
Das Unterkleid! wie reich und süß durchflimmert
Sich rein des Silbers und der Farben Blitz.
HOFMEISTERIN indem sie Eugenien das Gewand umlegt.
Verbirgt sich je der Gnade Sonnenblick,
Sogleich ermattet solch ein Widerglanz.
EUGENIE.
Ein treues Herz verdient sich diesen Blick,[245]
Und wenn er weichen wollte, zieht's ihn an. –
Das Oberkleid, das goldne, schlage drüber,
Die Schleppe ziehe, weit verbreitet, nach.
Auch diesem Gold ist, mit Geschmack und Wahl,
Der Blumen Schmelz metallisch aufgebrämt.
Und tret' ich so nicht schön umgeben auf?
HOFMEISTERIN.
Doch wird von Kennern mehr die Schönheit selbst
In ihrer eignen Herrlichkeit verehrt.
EUGENIE.
Das einfach Schöne soll der Kenner schätzen
Verziertes aber spricht der Menge zu. –
Nun leihe mir der Perlen sanftes Licht,
Auch der Juwelen leuchtende Gewalt.
HOFMEISTERIN.
Doch deinem Herzen, deinem Geist genügt
Nur eigner, innrer Wert und nicht der Schein.
EUGENIE.
Der Schein, was ist er, dem das Wesen fehlt?
Das Wesen, wär' es, wenn es nicht erschiene?
HOFMEISTERIN.
Und hast du nicht in diesen Mauern selbst
Der Jugend ungetrübte Zeit verlebt?
Am Busen deiner Liebenden, entzückt,
Verborgner Wonne Seligkeit erfahren?
EUGENIE.
Gefaltet kann die Knospe sich genügen
Solange sie des Winters Frost umgibt;
Nun schwillt vom Frühlingshauche Lebenskraft,
In Blüten bricht sie auf, an Licht und Lüfte.
HOFMEISTERIN.
Aus Mäßigkeit entspringt ein reines Glück.
EUGENIE.
Wenn du ein mäßig Ziel dir vorgesteckt.
HOFMEISTERIN.
Beschränktheit sucht sich der Genießende.
EUGENIE.
Du überredest die Geschmückte nicht.
O daß sich dieser Saal erweiterte
Zum Raum des Glanzes, wo der König thront!
Daß reicher Teppich unten, oben sich
Der goldnen Decke Wölbung breitete!
Daß hier im Kreise, vor der Majestät,
Demütig stolz, die Großen, angelacht
Von dieser Sonne, herrlich leuchteten!
Ich unter diesen Ausgezeichneten
Am schönsten Fest die Ausgezeichnete![246]
O laß mir dieser Wonne Vorgefühl,
Wenn aller Augen mich zum Ziel erlesen.
HOFMEISTERIN.
Zum Ziele der Bewundrung nicht allein,
Zum Ziel des Neides und des Hasses mehr.
EUGENIE.
Der Neider steht als Folie des Glücks,
Der Hasser lehrt uns immer wehrhaft bleiben.
HOFMEISTERIN.
Demütigung beschleicht die Stolzen oft.
EUGENIE.
Ich setz' ihr Geistesgegenwart entgegen.
Zum Schranke gewendet.
Noch haben wir nicht alles durchgesehn;
Nicht mich allein bedenk' ich diese Tage:
Für andre hoff' ich manche Kostbarkeit.
HOFMEISTERIN ein Kästchen hervornehmend.
Hier aufgeschrieben steht es: »Zu Geschenken«.
EUGENIE.
So nimm voraus, was dich vergnügen kann,
Von diesen Uhren, diesen Dosen. Wähle! –
Nein, überlege noch! Vielleicht verbirgt
Sich Wünschenswerteres im reichen Schrein.
HOFMEISTERIN.
O fände sich ein kräft'ger Talisman,
Des trüben Bruders Neigung zu gewinnen!
EUGENIE.
Den Widerwillen tilge nach und nach
Des unbefangnen Herzens reines Wirken.
HOFMEISTERIN.
Doch die Partei, die seinen Groll bestärkt,
Auf ewig steht sie deinem Wunsch entgegen.
EUGENIE.
Wenn sie bisher mein Glück zu hindern suchte,
Tritt nun Entscheidung unaufhaltsam ein,
Und ins Geschehne fügt sich jedermann.
HOFMEISTERIN.
Das, was du hoffest, noch ist's nicht geschehn.
EUGENIE.
Doch als vollendet kann ich's wohl betrachten.
Nach dem Schrank gekehrt.
Was liegt im langen Kästchen, oben an?
HOFMEISTERIN die es herausnimmt.
Die schönsten Bänder, frisch und neu gewählt –
Zerstreue nicht durch eitlen Flitterwesens
Neugierige Betrachtung deinen Geist.
O wär' es möglich, daß du meinem Wort
Gehör verliehest, einen Augenblick!
Aus stillem Kreise trittst du nun heraus[247]
In weite Räume, wo dich Sorgendrang,
Vielfach geknüpfte Netze, Tod vielleicht
Von meuchelmörderischer Hand erwartet.
EUGENIE.
Du scheinst mir krank! wie könnte sonst mein Glück
Dir fürchterlich, als ein Gespenst, erscheinen.
In das Kästchen blickend.
Was seh' ich? Diese Rolle! Ganz gewiß
Das Ordensband der ersten Fürstentöchter!
Auch dieses werd' ich tragen! Nur geschwind!
Laß sehen, wie es kleidet! Es gehört
Zum ganzen Prunk; so sei auch das versucht!
Das Band wird umgelegt.
Nun sprich vom Tode nur! sprich von Gefahr!
Was zieret mehr den Mann, als wenn er sich
Im Heldenschmuck zu seinem Könige,
Sich unter seinesgleichen stellen kann?
Was reizt das Auge mehr als jenes Kleid,
Das kriegerische lange Reihen zeichnet?
Und dieses Kleid und seine Farben, sind
Sie nicht ein Sinnbild ewiger Gefahr?
Die Schärpe deutet Krieg, womit sich, stolz
Auf seine Kraft, ein edler Mann umgürtet.
O meine Liebe! Was bedeutend schmückt,
Es ist durchaus gefährlich. Laß auch mir
Das Mutgefühl, was mir begegnen kann,
So prächtig ausgerüstet, zu erwarten.
Unwiderruflich, Freundin, bleibt mein Glück.
HOFMEISTERIN beiseite.
Das Schicksal, das dich trifft, unwiderruflich.[248]
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