Das Andenken merkwürdiger Menschen, so wie die Gegenwart bedeutender Kunstwerke, regt von Zeit zu Zeit den Geist der Betrachtung auf. Beide stehen da als Vermächtnisse für jede Generation, in Taten und Nachruhm jene, diese wirklich erhalten als unaussprechliche Wesen. Jeder Einsichtige weiß recht gut, daß nur das Anschaun ihres besonderen Ganzen einen wahren Wert hätte, und doch versucht man immer aufs neue, durch Reflexion und Wort ihnen etwas abzugewinnen.
Hiezu werden wir besonders aufgereizt, wenn etwas Neues entdeckt und bekannt wird, das auf solche Gegenstände Bezug hat; und so wird man unsre erneuerte Betrachtung über Winckelmann, seinen Charakter und sein Geleistetes in dem Augenblicke schicklich finden, da die eben jetzt herausgegebenen Briefe über seine Denkweise und Zustände ein lebhafteres Licht verbreiten.
Wenn die Natur gewöhnlichen Menschen die köstliche Mitgift nicht versagt, ich meine jenen lebhaften Trieb, von Kindheit an die äußere Welt mit Lust zu ergreifen, sie kennenzulernen, sich mit ihr in Verhältnis zu setzen, mit ihr verbunden ein Ganzes zu bilden, so haben vorzügliche Geister öfters die Eigenheit, eine Art von Scheu vor dem wirklichen Leben zu empfinden, sich in sich selbst zurückzuziehen, in sich selbst eine eigene Welt zu erschaffen und auf diese Weise das Vortrefflichste nach innen bezüglich zu leisten.
Findet sich hingegen in besonders begabten Menschen jenes gemeinsame Bedürfnis, eifrig zu allem, was die Natur in sie gelegt hat, auch in der äußeren Welt die antwortenden Gegenbilder zu suchen und dadurch das Innere völlig zum[480] Ganzen und Gewissen zu steigern, so kann man versichert sein, daß auch so ein für Welt und Nachwelt höchst erfreuliches Dasein sich ausbilden werde.
Unser Winckelmann war von dieser Art. In ihn hatte die Natur gelegt, was den Mann macht und ziert. Dagegen verwendete er sein ganzes Leben, ein ihm Gemäßes, Treffliches und Würdiges im Menschen und in der Kunst, die sich vorzüglich mit dem Men schen beschäftigt, aufzusuchen.
Eine niedrige Kindheit, unzulänglicher Unterricht in der Jugend, zerrissene, zerstreute Studien im Jünglingsalter, der Druck eines Schulamtes, und was in einer solchen Laufbahn Ängstliches und Beschwerliches erfahren wird, hatte er mit vielen andern geduldet. Er war dreißig Jahr alt geworden, ohne irgendeine Gunst des Schicksals genossen zu haben; aber in ihm selbst lagen die Keime eines wünschenswerten und möglichen Glücks.
Wir finden schon in diesen seinen traurigen Zeiten die Spur jener Forderung, sich von den Zuständen der Welt mit eigenen Augen zu überzeugen, zwar dunkel und verworren, doch entschieden genug ausgesprochen. Einige nicht genugsam überlegte Versuche, fremde Länder zu sehen, mißglückten ihm. Er träumte sich eine Reise nach Ägypten; er begab sich auf den Weg nach Frankreich; unvorhergesehene Hindernisse wiesen ihn zurück. Besser geleitet von seinem Genius, ergriff er endlich die Idee, sich nach Rom durchzudrängen. Er fühlte, wie sehr ihm ein solcher Aufenthalt gemäß sei. Dies war kein Einfall, kein Gedanke mehr, es war ein entschiedener Plan, dem er mit Klugheit und Festigkeit entgegenging.
Der Mensch vermag gar manches durch zweckmäßigen Gebrauch einzelner Kräfte, er vermag das Außerordentliche durch Verbindung mehrerer Fähigkeiten; aber das[481] Einzige, ganz Unerwartete leistet er nur, wenn sich die sämtlichen Eigenschaften gleichmäßig in ihm vereinigen. Das letzte war das glückliche Los der Alten, besonders der Griechen in ihrer besten Zeit; auf die beiden ersten sind wir Neuern vom Schicksal angewiesen.
Wenn die gesunde Natur des Menschen als ein Ganzes wirkt, wenn er sich in der Welt als in einem großen, schönen, würdigen und werten Ganzen fühlt, wenn das harmonische Behagen ihm ein reines, freies Entzücken gewährt, dann würde das Weltall, wenn es sich selbst empfinden könnte, als an sein Ziel gelangt, aufjauchzen und den Gipfel des eigenen Werdens und Wesens bewundern. Denn wozu dient alle der Aufwand von Sonnen und Planeten und Monden, von Sternen und Milchstraßen, von Kometen und Nebelflecken, von gewordenen und werdenden Welten, wenn sich nicht zuletzt ein glücklicher Mensch unbewußt seines Daseins erfreut?
Wirft sich der Neuere, wie es uns eben jetzt ergangen, fast bei jeder Betrachtung ins Unendliche, um zuletzt, wenn es ihm glückt, auf einen beschränkten Punkt wieder zurückzukehren, so fühlten die Alten, ohne weitern Umweg, sogleich ihre einzige Behaglichkeit innerhalb der lieblichen Grenzen der schönen Welt. Hieher waren sie gesetzt, hiezu berufen, hier fand ihre Tätigkeit Raum, ihre Leidenschaft Gegenstand und Nahrung.
Warum sind ihre Dichter und Geschichtschreiber die Bewunderung des Einsichtigen, die Verzweiflung des Nacheifernden, als weil jene handelnden Personen, die aufgeführt werden, an ihrem eigenen Selbst, an dem engen Kreise ihres Vaterlandes, an der bezeichneten Bahn des eigenen sowohl als des mitbürgerlichen Lebens einen so tiefen Anteil nahmen, mit allem Sinn, aller Neigung, aller Kraft auf die Gegenwart wirkten; daher es einem gleichgesinnten Darsteller nicht schwerfallen konnte, eine solche Gegenwart zu verewigen.
Das, was geschah, hatte für sie den einzigen Wert, so[482] wie für uns nur dasjenige, was gedacht oder empfunden worden, einigen Wert zu gewinnen scheint.
Nach einerlei Weise lebte der Dichter in seiner Einbildungskraft, der Geschichtschreiber in der politischen, der Forscher in der natürlichen Welt. Alle hielten sich am Nächsten, Wahren, Wirklichen fest, und selbst ihre Phantasiebilder haben Knochen und Mark. Der Mensch und das Menschliche wurden am wertesten geachtet und alle seine innern, seine äußern Verhältnisse zur Welt mit so großem Sinne dargestellt als angeschaut. Noch fand sich das Gefühl, die Betrachtung nicht zerstückelt, noch war jene kaum heilbare Trennung in der gesunden Menschenkraft nicht vorgegangen.
Aber nicht allein das Glück zu genießen, sondern auch das Unglück zu ertragen, waren jene Naturen höchlich geschickt: denn wie die gesunde Faser dem Übel widerstrebt und bei jedem krankhaften Anfall sich eilig wiederherstellt, so vermag der jenen eigene gesunde Sinn sich gegen innern und äußern Unfall geschwind und leicht wiederherzustellen. Eine solche antike Natur war, insofern man es nur von einem unsrer Zeitgenossen behaupten kann, in Winckelmann wieder erschienen, die gleich anfangs ihr ungeheures Probestück ablegte, daß sie durch dreißig Jahre Niedrigkeit, Unbehagen und Kummer nicht gebändigt, nicht aus dem Wege gerückt, nicht abgestumpft werden konnte. Sobald er nur zu einer ihm gemäßen Freiheit gelangte, erscheint er ganz und abgeschlossen, völlig im antiken Sinne. Angewiesen auf Tätigkeit, Genuß und Entbehrung, Freude und Leid, Besitz und Verlust, Erhebung und Erniedrigung, und in solchem seltsamen Wechsel immer mit dem schönen Boden zufrieden, auf dem uns ein so veränderliches Schicksal heimsucht.
Hatte er nun im Leben einen wirklich altertümlichen Geist, so blieb ihm derselbe auch in seinen Studien getreu. Doch wenn bei Behandlung der Wissenschaften im großen und breiten die Alten sich schon in einer gewissen peinlichen[483] Lage befanden, indem zu Erfassung der mannigfaltigen außermenschlichen Gegenstände eine Zerteilung der Kräfte und Fähigkeiten, eine Zerstückelung der Einheit fast unerläßlich ist, so hat ein Neuerer im ähnlichen Falle ein noch gewagteres Spiel, indem er bei der einzelnen Ausarbeitung des mannigfaltigen Wißbaren sich zu zerstreuen, in unzusammenhängenden Kenntnissen sich zu verlieren in Gefahr kömmt, ohne, wie es den Alten glückte, das Unzulängliche durch das Vollständige seiner Persönlichkeit zu vergüten.
So vielfach Winckelmann auch in dem Wißbaren und Wissenswerten herumschweifte, teils durch Lust und Liebe, teils durch Notwendigkeit geleitet, so kam er doch früher oder später immer zum Altertum, besonders zum griechischen, zurück, mit dem er sich so nahe verwandt fühlte und mit dem er sich in seinen besten Tagen so glücklich vereinigen sollte.
Jene Schilderung des altertümlichen, auf diese Welt und ihre Güter angewiesenen Sinnes führt uns unmittelbar zur Betrachtung, daß dergleichen Vorzüge nur mit einem heidnischen Sinne vereinbar seien. Jenes Vertrauen auf sich selbst, jenes Wirken in der Gegenwart, die reine Verehrung der Götter als Ahnherren, die Bewunderung derselben gleichsam nur als Kunstwerke, die Ergebenheit in ein übermächtiges Schicksal, die in dem hohen Werte des Nachruhms selbst wieder auf diese Welt angewiesene Zukunft gehören so notwendig zusammen, machen solch ein unzertrennliches Ganze, bilden sich zu einem von der Natur selbst beabsichtigten Zustand des menschlichen Wesens, daß wir in dem höchsten Augenblicke des Genusses, wie in dem tiefsten der Aufopferung, ja des Untergangs, eine unverwüstliche Gesundheit gewahr werden.
Dieser heidnische Sinn leuchtet aus Winckelmanns Handlungen und Schriften hervor und spricht sich besonders[484] in seinen frühern Briefen aus, wo er sich noch im Konflikt mit neuern Religionsgesinnungen abarbeitet. Diese seine Denkweise, diese Entfernung von aller christlichen Sinnesart, ja seinen Widerwillen dagegen muß man im Auge haben, wenn man seine so genannte Religionsveränderung beurteilen will. Diejenigen Parteien, in welche sich die christliche Religion teilt, waren ihm völlig gleichgültig, indem er, seiner Natur nach, niemals zu einer der Kirchen gehörte, welche sich ihr subordinieren.
Waren jedoch die Alten, so wie wir von ihnen rühmen, wahrhaft ganze Menschen, so mußten sie, indem sie sich selbst und die Welt behaglich empfanden, die Verbindungen menschlicher Wesen in ihrem ganzen Umfange kennenlernen, sie durften jenes Entzückens nicht ermangeln, das aus der Verbindung ähnlicher Naturen hervorspringt.
Auch hier zeigt sich ein merkwürdiger Unterschied alter und neuer Zeit. Das Verhältnis zu den Frauen, das bei uns so zart und geistig geworden, erhob sich kaum über die Grenze des gemeinsten Bedürfnisses. Das Verhältnis der Eltern zu den Kindern scheint einigermaßen zarter gewesen zu sein. Statt aller Empfindungen aber galt ihnen die Freundschaft unter Personen männlichen Geschlechtes, obgleich auch Chloris und Thyia noch im Hades als Freundinnen unzertrennlich sind.
Die leidenschaftliche Erfüllung liebevoller Pflichten, die Wonne der Unzertrennlichkeit, die Hingebung eines für den andern, die ausgesprochene Bestimmung für das ganze Leben, die notwendige Begleitung in den Tod setzen uns bei Verbindung zweier Jünglinge in Erstaunen, ja man fühlt sich beschämt, wenn uns Dichter, Geschichtschreiber, Philosophen, Redner mit Fabeln, Ereignissen, Gefühlen, Gesinnungen solchen Inhaltes und Gehaltes überhäufen.[485]
Zu einer Freundschaft dieser Art fühlte Winckelmann sich geboren, derselben nicht allein sich fähig, sondern auch im höchsten Grade bedürftig; er empfand sein eigenes Selbst nur unter der Form der Freundschaft, er erkannte sich nur unter dem Bilde des durch einen Dritten zu vollendenden Ganzen. Frühe schon legte er dieser Idee einen vielleicht unwürdigen Gegenstand unter, er widmete sich ihm, für ihn zu leben und zu leiden; für denselben fand er selbst in seiner Armut Mittel, reich zu sein, zu geben, aufzuopfern, ja er zweifelt nicht, sein Dasein, sein Leben zu verpfänden. Hier ist es, wo sich Winckelmann, selbst mitten in Druck und Not, groß, reich, freigebig und glücklich fühlt, weil er dem etwas leisten kann, den er über alles liebt, ja dem er sogar, als höchste Aufopferung, Undankbarkeit zu verzeihen hat.
Wie auch die Zeiten und Zustände wechseln, so bildet Winckelmann alles Würdige, was ihm naht, nach dieser Urform zu seinem Freund um, und wenn ihm gleich manches von diesen Gebilden leicht und bald vorüberschwindet, so erwirbt ihm doch diese schöne Gesinnung das Herz manches Trefflichen, und er hat das Glück, mit den Besten seines Zeitalters und Kreises in dem schönsten Verhältnisse zu stehen.
Wenn aber jenes tiefe Freundschaftsbedürfnis sich eigentlich seinen Gegenstand erschafft und ausbildet, so würde dem altertümlich Gesinnten dadurch nur ein einseitiges, ein sittliches Wohl zuwachsen, die äußere Welt würde ihm wenig leisten, wenn nicht ein verwandtes, gleiches Bedürfnis und ein befriedigender Gegenstand desselben glücklich hervorträte; wir meinen die Forderung des sinnlich Schönen und das sinnlich Schöne selbst: denn das letzte Produkt der sich immer steigernden Natur ist der schöne Mensch. Zwar kann sie ihn nur selten hervorbringen, weil ihren Ideen gar viele Bedingungen widerstreben, und selbst[486] ihrer Allmacht ist es unmöglich, lange im Vollkommnen zu verweilen und dem hervorgebrachten Schönen eine Dauer zu geben. Denn genau genommen kann man sagen, es sei nur ein Augenblick, in welchem der schöne Mensch schön sei.
Dagegen tritt nun die Kunst ein, denn indem der Mensch auf den Gipfel der Natur gestellt ist, so sieht er sich wieder als eine ganze Natur an, die in sich abermals einen Gipfel hervorzubringen hat. Dazu steigert er sich, indem er sich mit allen Vollkommenheiten und Tugenden durchdringt, Wahl, Ordnung, Harmonie und Bedeutung aufruft und sich endlich bis zur Produktion des Kunstwerkes erhebt, das neben seinen übrigen Taten und Werken einen glänzenden Platz einnimmt. Ist es einmal hervorgebracht, steht es in seiner idealen Wirklichkeit vor der Welt, so bringt es eine dauernde Wirkung, es bringt die höchste hervor: denn indem es aus den gesamten Kräften sich geistig entwickelt, so nimmt es alles Herrliche, Verehrungs- und Liebenswürdige in sich auf und erhebt, indem es die menschliche Gestalt beseelt, den Menschen über sich selbst, schließt seinen Lebens- und Tatenkreis ab und vergöttert ihn für die Gegenwart, in der das Vergangene und Künftige begriffen ist. Von solchen Gefühlen wurden die ergriffen, die den Olympischen Jupiter erblickten, wie wir aus den Beschreibungen, Nachrichten und Zeugnissen der Alten uns entwickeln können. Der Gott war zum Menschen geworden, um den Menschen zum Gott zu erheben. Man erblickte die höchste Würde und ward für die höchste Schönheit begeistert. In diesem Sinne kann man wohl jenen Alten recht geben, welche mit völliger Überzeugung aussprachen: es sei ein Unglück, zu sterben, ohne dieses Werk gesehen zu haben.
Für diese Schönheit war Winckelmann, seiner Natur nach, fähig, er ward sie in den Schriften der Alten zuerst gewahr; aber sie kam ihm aus den Werken der bildenden Kunst persönlich entgegen, aus denen wir sie erst kennenlernen,[487] um sie an den Gebilden der lebendigen Natur gewahr zu werden und zu schätzen.
Finden nun beide Bedürfnisse der Freundschaft und der Schönheit zugleich an einem Gegenstande Nahrung, so scheint das Glück und die Dankbarkeit des Menschen über alle Grenzen hinauszusteigen, und alles, was er besitzt, mag er so gern als schwache Zeugnisse seiner Anhänglichkeit und seiner Verehrung hingeben.
So finden wir Winckelmann oft in Verhältnis mit schönen Jünglingen, und niemals erscheint er belebter und liebenswürdiger als in solchen oft nur flüchtigen Augenblicken.
Mit solchen Gesinnungen, mit solchen Bedürfnissen und Wünschen frönte Winckelmann lange Zeit fremden Zwecken. Nirgend um sich her sah er die mindeste Hoffnung zu Hülfe und Beistand.
Der Graf Bünau, der als Partikulier nur ein bedeutendes Buch weniger hätte kaufen dürfen, um Winckelmann einen Weg nach Rom zu eröffnen, der als Minister Einfluß genug hatte, dem trefflichen Mann aus aller Verlegenheit zu helfen, mochte ihn wahrscheinlich als tätigen Diener nicht gern entbehren oder hatte keinen Sinn für das große Verdienst, der Welt einen tüchtigen Mann zugefördert zu haben. Der Dresdner Hof, woher allenfalls eine hinlänglich Unterstützung zu hoffen war, bekannte sich zur römischen Kirche, und kaum war ein anderer Weg, zu Gunst und Gnade zu gelangen, als durch Beichtväter und andre geistliche Personen.
Das Beispiel des Fürsten wirkt mächtig um sich her und fordert mit heimlicher Gewalt jeden Staatsbürger zu ähnlichen Handlungen auf, die in dem Kreise des Privatmanns irgend zu leisten sind, vorzüglich also zu sittlichen. Die Religion des Fürsten bleibt in gewissem Sinne immer die herrschende, und die römische Religion reißt, gleich einem[488] immer bewegten Strudel, die ruhig vorbeiziehende Welle an sich und in ihren Kreis.
Dabei mußte Winckelmann fühlen, daß man, um in Rom ein Römer zu sein, um sich innig mit dem dortigen Dasein zu verweben, eines zutraulichen Umgangs zu genießen, notwendig zu jener Gemeine sich bekennen, ihren Glauben zugeben, sich nach ihren Gebräuchen bequemen müsse. Und so zeigte der Erfolg, daß er ohne diesen früheren Entschluß seinen Zweck nicht vollständig erreicht hätte, und dieser Entschluß ward ihm dadurch gar sehr erleichtert, daß ihn, als einen gründlich gebornen Heiden, die protestantische Taufe zum Christen einzuweihen nicht vermögend gewesen.
Doch gelang ihm die Veränderung seines Zustandes nicht ohne heftigen Kampf. Wir können nach unserer Überzeugung, nach genugsam abgewogenen Gründen endlich einen Entschluß fassen, der mit unserm Wollen, Wünschen und Bedürfen völlig harmonisch ist, ja zu Erhaltung und Förderung unserer Existenz unausweichlich scheint, so daß wir mit uns völlig zur Einigkeit gelangen. Ein solcher Entschluß aber kann mit der allgemeinen Denkweise, mit der Überzeugung vieler Menschen im Widerspruch stehen; dann beginnt ein neuer Streit, der zwar bei uns keine Ungewißheit, aber eine Unbehaglichkeit erregt, einen ungeduldigen Verdruß, daß wir nach außen hie und da Brüche finden, wo wir nach innen eine ganze Zahl zu sehen glauben.
Und so erscheint auch Winckelmann bei seinem vorgehabten Schritt besorgt, ängstlich, kummervoll und in leidenschaftlicher Bewegung, wenn er sich die Wirkung dieses Unternehmens, besonders auf seinen ersten Gönner, den Grafen, bedenkt. Wie schön, tief und rechtlich sind seine vertraulichen Äußerungen über diesen Punkt!
Denn es bleibt freilich ein jeder, der die Religion verändert, mit einer Art von Makel bespritzt, von der es unmöglich scheint, ihn zu reinigen. Wir sehen daraus, daß die Menschen den beharrenden Willen über alles zu schätzen[489] wissen und um so mehr schätzen, als sie, sämtlich in Parteien geteilt, ihre eigene Sicherheit und Dauer beständig im Auge haben. Hier ist weder von Gefühl noch von Überzeugung die Rede. Ausdauern soll man da, wo uns mehr das Geschick als die Wahl hingestellt. Bei einem Volke, einer Stadt, einem Fürsten, einem Freunde, einem Weibe festhalten, darauf alles beziehen, deshalb alles wirken, alles entbehren und dulden, das wird geschätzt; Abfall dagegen bleibt verhaßt, Wankelmut wird lächerlich.
War dieses nun die eine schroffe, sehr ernste Seite, so läßt sich die Sache auch von einer andern ansehn, von der man sie heiterer und leichter nehmen kann. Gewisse Zustände des Menschen, die wir keinesweges billigen, gewisse sittliche Flecken an dritten Personen haben für unsre Phantasie einen besondern Reiz. Will man uns ein Gleichnis erlauben, so möchten wir sagen, es ist damit, wie mit dem Wildbret, das dem feinen Gaumen mit einer kleinen Andeutung von Fäulnis weit besser als frisch gebraten schmeckt. Eine geschiedene Frau, ein Renegat machen auf uns einen besonders reizenden Eindruck. Personen, die uns sonst vielleicht nur merkwürdig und liebenswürdig vorkämen, erscheinen uns nun als wundersam, und es ist nicht zu leugnen, daß die Religionsveränderung Winckelmanns das Romantische seines Lebens und Wesens vor unserer Einbildungskraft merklich erhöht.
Aber für Winckelmann selbst hatte die katholische Religion nichts Anzügliches. Er sah in ihr bloß das Maskenkleid, das er umnahm, und drückt sich darüber hart genug aus. Auch später scheint er an ihren Gebräuchen nicht genugsam festgehalten, ja vielleicht gar durch lose Reden sich bei eifrigen Bekennern verdächtig gemacht zu haben, wenigstens ist hie und da eine kleine Furcht vor der Inquisition sichtbar.
[490] Von allem Literarischen, ja selbst von dem Höchsten, was sich mit Wort und Sprache beschäftigt, von Poesie und Rhetorik, zu den bildenden Künsten überzugehen, ist schwer, ja fast unmöglich; denn es liegt eine ungeheure Kluft dazwischen, über welche uns nur ein besonders geeignetes Naturell hinüberhebt. Um zu beurteilen, inwiefern dieses Winckelmannen gelungen, liegen der Dokumente nunmehr genugsam vor uns.
Durch die Freude des Genusses ward er zuerst zu den Kunstschätzen hingezogen; allein zu Benutzung, zu Beurteilung derselben bedurfte er noch der Künstler als Mittelspersonen, deren mehr oder weniger gültige Meinungen er aufzufassen, zu redigieren und aufzustellen wußte, woraus denn seine noch in Dresden herausgegebene Schrift »Über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst«, nebst zwei Anhängen, entstanden ist.
So sehr Winckelmann schon hier auf dem rechten Wege erscheint, so köstliche Grundstellen diese Schriften auch enthalten, so richtig das letzte Ziel der Kunst darin schon aufgesteckt ist, so sind sie doch, sowohl dem Stoff als der Form nach, dergestalt barock und wunderlich, daß man ihnen wohl vergebens durchaus einen Sinn abzugewinnen suchen möchte, wenn man nicht von der Persönlichkeit der damals in Sachsen versammelten Kenner und Kunstrichter, von ihren Fähigkeiten, Meinungen, Neigungen und Grillen näher unterrichtet ist; weshalb diese Schriften für die Nachkommenden ein verschlossenes Buch bleiben werden, wenn sich nicht unterrichtete Liebhaber der Kunst die jenen Zeiten näher gelebt haben, bald entschließen sollten, eine Schilderung der damaligen Zustände, insofern es noch möglich ist, zu geben oder zu veranlassen.
Lippert, Hagedorn, Oeser, Dietrich, Heinecken, Oesterreich liebten, trieben, beförderten die Kunst, jeder auf seine[491] Weise. Ihre Zwecke waren beschränkt, ihre Maximen einseitig, ja öfters wunderlich. Geschichten und Anekdoten kursierten, deren mannigfaltige Anwendung nicht allein die Gesellschaft unterhalten, sondern auch belehren sollte. Aus solchen Elementen entstanden jene Schriften Winckelmanns, der diese Arbeiten gar bald selbst unzulänglich fand, wie er es denn auch seinen Freunden nicht verhehlte.
Doch trat er endlich, wo nicht genugsam vorbereitet, doch einigermaßen vorgeübt, seinen Weg an und gelangte nach jenem Lande, wo für jeden Empfänglichen die eigenste Bildungsepoche beginnt, welche sich über dessen ganzes Wesen verbreitet und solche Wirkungen äußert, die ebenso reell als harmonisch sein müssen, weil sie sich in der Folge als ein festes Band zwischen höchst verschiedenen Menschen kräftig erweisen.
Winckelmann war nun in Rom, und wer konnte würdiger sein, die Wirkung zu fühlen, die jener große Zustand auf eine wahrhaft empfängliche Natur hervorzubringen imstande ist. Er sieht seine Wünsche erfüllt, sein Glück begründet, seine Hoffnungen überbefriedigt. Verkörpert stehn seine Ideen um ihn her, mit Staunen wandert er durch die Reste eines Riesenzeitalters, das Herrlichste, was die Kunst hervorgebracht hat, steht unter freiem Himmel; ohnentgeltlich, wie zu den Sternen des Firmaments, wendet er seine Augen zu solchen Wunderwerken empor, und jeder verschlossene Schatz öffnet sich für eine kleine Gabe. Der Ankömmling schleicht wie ein Pilgrim unbemerkt umher, dem Herrlichsten und Heiligsten naht er sich in unscheinbarem Gewand; noch läßt er nichts Einzelnes auf sich eindringen, das Ganze wirkt auf ihn unendlich mannigfaltig, und schon fühlt er die Harmonie voraus die aus diesen vielen, oft feindselig scheinenden Elementen zuletzt für ihn entstehen muß. Er beschaut, er betrachtet alles und wird, auf daß ja sein Behagen vollkommener[492] werde, für einen Künstler gehalten, für den man denn doch am Ende so gerne gelten mag.
Wie uns ein Freund die mächtige Wirkung, welche jener Zustand ausübt, geistvoll entwickelte, teilen wir unsern Lesern statt aller weitern Betrachtungen mit.
»Rom ist der Ort, in dem sich für unsere Ansicht das ganze Altertum in eins zusammenzieht, und was wir also bei den alten Dichtern, bei den alten Staatsverfassungen empfinden, glauben wir in Rom mehr noch als zu empfinden, selbst anzuschauen. Wie Homer sich nicht mit andern Dichtern, so läßt sich Rom mit keiner andern Stadt, römische Gegend mit keiner andern vergleichen. Es gehört allerdings das meiste von diesem Eindruck uns und nicht dem Gegenstande; aber es ist nicht bloß der empfindelnde Gedanke, zu stehen, wo dieser oder jener große Mann stand, es ist ein gewaltsames Hinreißen in eine von uns nun einmal, sei es auch durch eine notwendige Täuschung, als edler und erhabener angesehene Vergangenheit; eine Gewalt, der selbst, wer wollte, nicht widerstehen kann, weil die Öde, in der die jetzigen Bewohner das Land lassen, und die unglaubliche Masse von Trümmern selbst das Auge dahin führen. Und da nun diese Vergangenheit dem innern Sinne in einer Größe erscheint, die allen Neid ausschließt, an der man sich überglücklich fühlt, nur mit der Phantasie teilzunehmen, ja an der keine andre Teilnahme nur denkbar ist, und dann den äußern Sinn zugleich die Lieblichkeit der Formen, die Größe und Einfachheit der Gestalten, der Reichtum der Vegetation, die doch wieder nicht üppig ist wie in noch südlichern Gegenden, die Bestimmtheit der Umrisse in dem klaren Medium und die Schönheit der Farben in durchgängige Klarheit versetzt, so ist hier der Naturgenuß reiner, von aller Bedürftigkeit entfernter Kunstgenuß. Überall sonst reihen sich Ideen des Kontrastes daran, und er wird elegisch oder satirisch. Freilich indes ist es auch nur für uns so. Horaz empfand Tibur[493] moderner als wir Tivoli. Das beweist sein ›Beatus ille, qui procul negotiis‹. Aber es ist auch nur eine Täuschung, wenn wir selbst Bewohner Athens und Roms zu sein wünschten. Nur aus der Ferne, nur von allem Gemeinen getrennt, nur als vergangen muß das Altertum uns erscheinen. Es geht damit, wie wenigstens mir und einem Freunde mit den Ruinen. Wir haben immer einen Ärger, wenn man eine halb versunkene ausgräbt; es kann höchstens ein Gewinn für die Gelehrsamkeit auf Kosten der Phantasie sein. Ich kenne für mich nur noch zwei gleich schreckliche Dinge: wenn man die Campagna di Roma anbauen und Rom zu einer polizierten Stadt machen wollte, in der kein Mensch mehr Messer trüge. Kommt je ein so ordentlicher Papst, was denn die 72 Kardinäle verhüten mögen, so ziehe ich aus. Nur wenn in Rom eine so göttliche Anarchie und um Rom eine so himmlische Wüstenei ist, bleibt für die Schatten Platz, deren einer mehr wert ist als dies ganze Geschlecht.«
Aber Winckelmann hätte lange Zeit in den weiten Kreisen altertümlicher Überbleibsel nach den wertesten, seiner Betrachtung würdigsten Gegenständen umhergetastet, hätte das Glück ihn nicht sogleich mit Mengs zusammengebracht. Dieser, dessen eigenes großes Talent auf die alten und besonders die schönen Kunstwerke gerichtet war, machte seinen Freund sogleich mit dem Vorzüglichsten bekannt, was unserer Aufmerksamkeit wert ist. Hier lernte dieser die Schönheit der Formen und ihrer Behandlung kennen und sah sich sogleich aufgeregt, eine Schrift »Vom Geschmack der griechischen Künstler« zu unternehmen.
Wie man aber nicht lange mit Kunstwerken aufmerksam umgehen kann, ohne zu finden, daß sie nicht allein von verschiedenen Künstlern, sondern auch aus verschiedenen Zeiten herrühren und daß sämtliche Betrachtungen des Ortes, des Zeitalters, des individuellen Verdienstes zugleich[494] angestellt werden müssen, also fand auch Winckelmann mit seinem Geradsinne, daß hier die Achse der ganzen Kunstkenntnis befestigt sei. Er hielt sich zuerst an das Höchste, das er in einer Abhandlung »Von dem Stile der Bildhauerei in den Zeiten des Phidias« darzustellen gedachte. Doch bald erhob er sich über die Einzelheiten zu der Idee einer Geschichte der Kunst und entdeckte, als ein neuer Kolumbus, ein lange geahndetes, gedeutetes und besprochenes, ja man kann sagen, ein früher schon gekanntes und wieder verlornes Land.
Traurig ist immer die Betrachtung, wie erst durch die Römer, nachher durch das Eindrängen nordischer Völker und durch die daraus entstandene Verwirrung das Menschengeschlecht in eine solche Lage gekommen, daß alle wahre, reine Bildung in ihren Fortschritten für lange Zeit gehindert, ja beinahe für alle Zukunft unmöglich gemacht worden.
Man mag in eine Kunst oder Wissenschaft hineinblicken, in welche man will, so hatte der gerade, richtige Sinn dem alten Beobachter schon manches entdeckt, was durch die folgende Barbarei und durch die barbarische Art, sich aus der Barbarei zu retten, ein Geheimnis ward, blieb und für die Menge noch lange ein Geheimnis bleiben wird, da die höhere Kultur der neuern Zeit nur langsam ins Allgemeine wirken kann.
Vom Technischen ist hier die Rede nicht, dessen sich glücklicherweise das Menschengeschlecht bedient, ohne zu fragen, woher es komme und wohin es führe.
Zu diesen Betrachtungen werden wir durch einige Stellen alter Autoren veranlaßt, wo sich schon Ahndungen, ja sogar Andeutungen einer möglichen und notwendigen Kunstgeschichte finden.
Vellejus Paterculus bemerkt mit großem Anteil das ähnliche Steigen und Fallen aller Künste. Ihn als Weltmann beschäftigte besonders die Betrachtung, daß sie sich nur kurze Zeit auf dem höchsten Punkte, den sie erreichen[495] können, zu erhalten wissen. Auf seinem Standorte war es ihm nicht gegeben, die ganze Kunst als ein Lebendiges (Ζωον) anzusehen, das einen unmerklichen Ursprung, einen langsamen Wachstum, einen glänzenden Augenblick seiner Vollendung, eine stufenfällige Abnahme, wie jedes andre organische Wesen, nur in mehreren Individuen not wendig darstellen muß. Er gibt daher nur sittliche Ursachen an, die freilich als mitwirkend nicht ausgeschlossen werden können, seinem großen Scharfsinn aber nicht genugtun, weil er wohl fühlt, daß eine Notwendigkeit hier im Spiel ist, die sich aus freien Elementen nicht zusammensetzen läßt.
»Daß wie den Rednern es auch den Grammatikern, Malern und Bildhauern gegangen, wird jeder finden, der die Zeugnisse der Zeiten verfolgt; durchaus wird die Vortrefflichkeit der Kunst von dem engsten Zeitraume umschlossen. Warum nun mehrere, ähnliche, fähige Menschen sich in einem gewissen Jahreskreis zusammenziehen und sich zu gleicher Kunst und deren Beförderung versammeln, bedenke ich immer, ohne die Ursachen zu entdecken, die ich als wahr angeben möchte. Unter den wahrscheinlichen sind mir folgende die wichtigsten. Nacheiferung nährt die Talente, bald reizt der Neid, bald die Bewunderung zur Nachahmung, und schnell erhebt sich das mit so großem Fleiß Geförderte auf die höchste Stelle. Schwer verweilt sich's im Vollkommenen, und was nicht vorwärts gehen kann, schreitet zurück. Und so sind wir anfangs unsern Vordermännern nachzukommen bemüht dann aber, wenn wir sie zu übertreffen oder zu erreichen verzweifeln, veraltet der Fleiß mit der Hoffnung, und was man nicht erlangen kann, verfolgt man nicht mehr, man strebt nicht mehr nach dem Besitz, den andre schon ergriffen, man späht nach etwas Neuem, und so lassen wir das, worin wir nicht glänzen könnten, fahren und suchen für unser Streben ein ander Ziel. Aus dieser Unbeständigkeit,[496] wie mich dünkt, entsteht das größte Hindernis, vollkommene Werke hervorzubringen.«
Auch eine Stelle Quintilians, die einen bündigen Entwurf der alten Kunstgeschichte enthält, verdient als ein wichtiges Denkmal in diesem Fache ausgezeichnet zu werden.
Quintilian mag gleichfalls, bei Unterhaltung mit römischen Kunstliebhabern, eine auffallende Ähnlichkeit zwischen dem Charakter der griechischen bildenden Künstler mit dem der römischen Redner gefunden und sich bei Kennern und Kunstfreunden deshalb näher unterrichtet haben, so daß er bei seiner gleichnisweisen Aufstellung, da jedesmal der Kunstcharakter mit dem Zeitcharakter zusammenfällt, ohne es zu wissen oder zu wollen, eine Kunstgeschichte selbst darzustellen genötigt ist.
»Man sagt, die ersten berühmten Maler, deren Werke man nicht bloß des Altertums wegen besucht, seien Polygnot und Aglaophon. Ihr einfaches Kolorit findet noch eifrige Liebhaber, welche dergleichen rohe Arbeiten und Anfänge einer sich entwickelnden Kunst den größten Meistern der folgenden Zeit vorziehen, wie mich dünkt, nach einer eigenen Sinnesweise.
Nachher haben Zeuxis und Parrhasius, die nicht weit auseinander lebten, beide ungefähr um die Zeit des Peloponnesischen Kriegs, die Kunst sehr befördert. Der erste soll die Gesetze des Lichtes und Schattens erfunden, der andre aber sich auf genaue Untersuchung der Linien eingelassen haben. Ferner gab Zeuxis den Gliedern mehr Inhalt und machte sie völliger und ansehnlicher. Er folgte hierin, wie man glaubt, dem Homer, welchem die gewaltigste Form auch an den Weibern gefällt. Parrhasius aber bestimmte alles dergestalt, daß sie ihn den Gesetzgeber nennen, weil die Vorbilder von Göttern und Helden, wie er sie überliefert hat, von andern als nötigend befolgt und beibehalten werden.[497]
So blühte die Malerei um die Zeit des Philippus bis zu den Nachfolgern Alexanders, aber in verschiedenen Talenten. Denn an Sorgfalt ist Protogenes, an Überlegung Pamphilus und Melanthius, an Leichtigkeit Antiphilus, an Erfindung seltsamer Erscheinungen, die man Phantasien nennt, Theon der Samier, an Geist und Anmut Apelles von niemanden übertroffen worden. Euphranorn bewundert man, daß er in Rücksicht der Kunsterfordernisse überhaupt unter die Besten gerechnet werden muß und zugleich in der Maler- und Bildhauerkunst vortrefflich war.
Denselben Unterschied findet man auch bei der Plastik. Denn Kalon und Hegesias haben härter und den Toskanern ähnlich gearbeitet, Kalamis weniger streng, noch weicher Myron.
Fleiß und Zierlichkeit besitzt Polyklet vor allen. Ihm wird von vielen der Preis zuerkannt; doch damit ihm etwas abgehe, meint man, ihm fehle das Gewicht. Denn wie er die menschliche Form zierlicher gemacht, als die Natur sie zeigt, so scheint er die Würde der Götter nicht völlig auszufüllen, ja er soll sogar das ernstere Alter vermieden und sich über glatte Wangen nicht hinausgewagt haben.
Was aber dem Polyklet abgeht, wird dem Phidias und Alkamenes zugestanden. Phidias soll Götter und Menschen am vollkommensten gebildet, besonders in Elfenbein seinen Nebenbuhler weit übertroffen haben. Also würde man urteilen, wenn er auch nichts als die Minerva zu Athen oder den Olympischen Jupiter in Elis gemacht hätte, dessen Schönheit der angenommenen Religion, wie man sagt, zustatten kam, so sehr hat die Majestät des Werks dem Gotte sich gleichgestellt.
Lysippus und Praxiteles sollen nach der allgemeinen Meinung sich der Wahrheit am besten genähert haben; Demetrius aber wird getadelt, daß er hierin zuviel getan; er hat die Ähnlichkeit der Schönheit vorgezogen.«
[498] Nicht leicht ist ein Mensch glücklich genug, für seine höhere Ausbildung von ganz uneigennützigen Gönnern die Hülfsmittel zu erlangen. Selbst wer das Beste zu wollen glaubt, kann nur das befördern, was er liebt und kennt, oder noch eher, was ihm nutzt. Und so war auch die literarisch-bibliographische Bildung dasjenige Verdienst, das Winckelmannen früher dem Grafen Bünau und später dem Kardinal Passionei empfahl.
Ein Bücherkenner ist überall willkommen, und er war es in jener Zeit noch mehr, als die Lust, merkwürdige und rare Bücher zu sammeln, lebendiger, das bibliothekarische Geschäft noch mehr in sich selbst beschränkt war. Eine große deutsche Bibliothek sah einer großen römischen ähnlich. Sie konnten miteinander im Besitz der Bücher wetteifern. Der Bibliothekar eines deutschen Grafen war für einen Kardinal ein erwünschter Hausgenosse und konnte sich auch da gleich wieder als zu Hause finden. Die Bibliotheken waren wirkliche Schatzkammern, anstatt daß man sie jetzt bei dem schnellen Fortschreiten der Wissenschaften, bei dem zweckmäßigen und zwecklosen Anhäufen der Druckschriften mehr als nützliche Vorratskammern und zugleich als unnütze Gerümpelkammern anzusehen hat, so daß ein Bibliothekar weit mehr als sonst sich von dem Gange der Wissenschaft, von dem Wert und Unwert der Schriften zu unterrichten Ursache hat und ein deutscher Bibliothekar Kenntnisse besitzen muß, die fürs Ausland verloren wären.
Aber nur kurze Zeit und nur so lange, als es nötig war, um sich einen mäßigen Lebensunterhalt zu verschaffen, blieb Winckelmann seiner eigentlichen literarischen Beschäftigung getreu, so wie er auch bald das Interesse an dem, was sich auf kritische Untersuchungen bezog, verlor, weder Handschriften vergleichen noch deutschen Gelehrten, die ihn über manches befragten, zur Rede stehen wollte.[499]
Doch hatten ihm seine Kenntnisse schon früher zu einer vorteilhaften Einleitung gedient. Das Privatleben der Italiener überhaupt, besonders aber der Römer, hat aus mancherlei Ursachen etwas Geheimnisvolles. Dieses Geheimnis, diese Absonderung, wenn man will, erstreckte sich auch über die Literatur. Gar mancher Gelehrter widmete sein Leben im stillen einem bedeutenden Werke, ohne jemals damit erscheinen zu wollen oder zu können. Auch fanden sich häufiger als in irgendeinem Lande Männer, welche, bei mannigfaltigen Kenntnissen und Einsichten, sich schriftlich oder gar gedruckt mitzuteilen nicht zu bewegen waren. Zu solchen fand Winckelmann den Eintritt gar bald eröffnet. Er nennt unter ihnen vorzüglich Giacomelli und Baldani und erwähnt seiner zunehmenden Bekanntschaften, seines wachsenden Einflusses mit Vergnügen.
Über alles förderte ihn das Glück, ein Hausgenosse des Kardinal Albani geworden zu sein. Dieser, der bei einem großen Vermögen und bedeutendem Einfluß von Jugend auf eine entschiedene Kunstliebhaberei, die beste Gelegenheit, sie zu befriedigen, und ein bis ans Wunderbare grenzendes Sammlerglück gehabt hatte, fand in späteren Jahren in dem Geschäft, diese Sammlung würdig aufzustellen und so mit jenen römischen Familien zu wetteifern, die früher auf den Wert solcher Schätze aufmerksam gewesen, sein höchstes Vergnügen, ja den dazu bestimmten Raum nach Art der Alten zu überfüllen, war sein Geschmack und seine Lust. Gebäude drängten sich an Gebäude, Saal an Saal, Halle zu Halle; Brunnen und Obelisken, Karyatiden und Basreliefe, Statuen und Gefäße fehlten weder im Hofnoch Gartenraum, indes große und kleinere Zimmer, Galerien und Kabinette die merkwürdigsten Monumente aller Zeiten enthielten.
Im Vorbeigehen gedachten wir, daß die Alten ihre Anlagen[500] durchaus gleicherweise gefüllt. So überhäuften die Römer ihr Kapitol, daß es unmöglich scheint, alles habe darauf Platz gehabt. So war die Via sacra, das Forum, der Palatin überdrängt mit Gebäuden und Denkmälern, so daß die Einbildungskraft kaum noch eine Menschenmasse in diesen Räumen unterbringen könnte, wenn ihr nicht die Wirklichkeit ausgegrabener Städte zu Hülfe käme, wenn man nicht mit Augen sehen könnte, wie eng, wie klein, wie gleichsam nur als Modell zu Gebäuden ihre Gebäude angelegt sind. Diese Bemerkung gilt sogar von der Villa des Hadrian, bei deren Anlage Raum und Vermögen genug zum Großen vorhanden war.
In einem solchen überfüllten Zustande verließ Winckelmann die Villa seines Herrn und Freundes, den Ort seiner höhern und erfreulichsten Bildung. So stand sie auch lange noch nach dem Tode des Kardinals, zur Freude und Bewunderung der Welt, bis sie in der alles bewegenden und zerstreuenden Zeit ihres sämtlichen Schmuckes beraubt wurde. Die Statuen waren aus ihren Nischen und von ihren Stellen gehoben, die Basreliefe aus den Mauern herausgerissen und der ungeheure Vorrat zum Transport eingepackt. Durch den sonderbarsten Wechsel der Dinge führte man diese Schätze nur bis an die Tiber. In kurzer Zeit gab man sie dem Besitzer zurück, und der größte Teil, bis auf wenige Juwelen, befindet sich wieder an der alten Stelle. Jenes erste traurige Schicksal dieses Kunstelysiums und dessen Wiederherstellung durch eine abenteuerliche Wendung der Dinge hätte Winckelmann erleben können. Doch wohl ihm, daß er dem irdischen Leid sowie der zum Ersatz nicht immer hinreichenden Freude schon entwachsen war.
Aber auch manches äußere Glück begegnete ihm auf seinem Wege, nicht allein, daß in Rom das Aufgraben der Altertümer lebhaft und glücklich vonstatten ging, sondern[501] es waren auch die Herkulanischen und Pompejischen Entdeckungen teils neu, teils durch Neid, Verheimlichung und Langsamkeit unbekannt geblieben, und so kam er in eine Ernte, die seinem Geiste und seiner Tätigkeit genugsam zu schaffen gab.
Traurig ist es, wenn man das Vorhandne als fertig und abgeschlossen ansehen muß. Rüstkammern, Galerien und Museen, zu denen nichts hinzugefügt wird, haben etwas Grab- und Gespensterartiges; man beschränkt seinen Sinn in einem so beschränkten Kunstkreis, man gewöhnt sich, solche Sammlungen als ein Ganzes anzusehen, anstatt daß man durch immer neuen Zuwachs erinnert werden sollte, daß in der Kunst, wie im Leben, kein Abgeschlossenes beharre, sondern ein Unendliches in Bewegung sei.
In einer so glücklichen Lage befand sich Winckelmann. Die Erde gab ihre Schätze her, und durch den immerfort regen Kunsthandel bewegten sich manche alte Besitzungen ans Tageslicht, gingen vor seinen Augen vorbei, ermunterten seine Neigung, erregten sein Urteil und vermehrten seine Kenntnisse.
Kein geringer Vorteil für ihn war sein Verhältnis zu dem Erben der großen Stoschischen Besitzungen. Erst nach dem Tode des Sammlers lernte er diese kleine Kunstwelt kennen und herrschte darin nach seiner Einsicht und Überzeugung. Freilich ging man nicht mit allen Teilen dieser äußerst schätzbaren Sammlung gleich vorsichtig um, wiewohl das Ganze einen Katalog, zur Freude und zum Nutzen nachfolgender Liebhaber und Sammler, verdient hätte. Manches ward verschleudert; doch um die treffliche Gemmensammlung bekannter und verkäuflicher zu machen, unternahm Winckelmann mit dem Erben Stosch die Fertigung eines Katalogs, von welchem Geschäft und dessen übereilter und doch immer geistreicher Behandlung uns die überbliebene Korrespondenz ein merkwürdiges Zeugnis ablegt.
Bei diesem auseinanderfallenden Kunstkörper, wie bei[502] der sich immer vergrößernden und mehr vereinigenden Albanischen Sammlung, zeigte sich unser Freund geschäftig, und alles, was zum Sammeln oder Zerstreuen durch seine Hände ging, vermehrte den Schatz, den er in seinem Geiste angefangen hatte aufzustellen.
Schon als Winckelmann zuerst in Dresden der Kunst und den Künstlern sich näherte und in diesem Fach als Anfänger erschien, war er als Literator ein gemachter Mann. Er übersah die Vorzeit sowie die Wissenschaften in manchem Sinne. Er fühlte und kannte das Altertum sowie das Würdige der Gegenwart, des Lebens und des Charakters, selbst in seinem tiefgedrückten Zustande. Er hatte sich einen Stil gebildet. In der neuen Schule, die er betrat, horchte er nicht nur als ein gelehriger, sondern als ein gelehrter Jünger seinen Meistern zu, er horchte ihnen ihre bestimmten Kenntnisse leicht ab und fing sogleich an, alles zu nutzen und zu verbrauchen.
Auf einem höhern Schauplatze als zu Dresden, in einem höhern Sinne, der sich ihm geöffnet hatte, blieb er derselbige. Was er von Mengs vernahm, was die Umgebung ihm zurief, bewahrte er nicht etwa lange bei sich, ließ den frischen Most nicht etwa gären und klar werden, sondern, wie man sagt, daß man durch Lehren lerne, so lernte er im Entwerfen und Schreiben. Wie manchen Titel hat er uns hinterlassen, wie manche Gegenstände benannt, über die ein Werk erfolgen sollte, und diesem Anfang glich seine ganze antiquarische Laufbahn. Wir finden ihn immer in Tätigkeit, mit dem Augenblick beschäftigt, ihn dergestalt ergreifend und festhaltend, als wenn der Augenblick vollständig und befriedigend sein könnte, und ebenso ließ er sich wieder vom nächsten Augenblicke belehren. Diese Ansicht dient zu Würdigung seiner Werke.
Daß sie so, wie sie daliegen, erst als Manuskript auf das[503] Papier gekommen und sodann später im Druck für die Folgezeit fixiert worden, hing von unendlich mannigfaltigen kleinen Umständen ab. Nur einen Monat später, so hätten wir ein anderes Werk, richtiger an Gehalt, bestimmter in der Form, vielleicht etwas ganz anderes. Und eben darum bedauern wir höchlich seinen frühzeitigen Tod, weil er sich immer wieder umgeschrieben und immer sein ferneres und neustes Leben in seine Schriften eingearbeitet hätte.
Und so ist alles, was er uns hinterlassen, als ein Lebendiges für die Lebendigen, nicht für die im Buchstaben Toten geschrieben. Seine Werke, verbunden mit seinen Briefen, sind eine Lebensdarstellung, sind ein Leben selbst. Sie sehen, wie das Leben der meisten Menschen, nur einer Vorbereitung, nicht einem Werke gleich. Sie veranlassen zu Hoffnungen, zu Wünschen, zu Ahndungen; wie man daran bessern will, so sieht man, daß man sich selbst zu bessern hätte; wie man sie tadeln will, so sieht man, daß man demselbigen Tadel, vielleicht auf einer höhern Stufe der Erkenntnis, selbst ausgesetzt sein möchte: denn Beschränkung ist überall unser Los.
Da bei dem Fortrücken der Kultur nicht alle Teile des menschlichen Wirkens und Umtreibens, an denen sich die Bildung offenbaret, in gleichem Wachstum gedeihen, vielmehr, nach günstiger Beschaffenheit der Personen und Umstände, einer dem andern voreilen und ein allgemeineres Interesse erregen muß, so entsteht daraus ein gewisses eifersüchtiges Mißvergnügen bei den Gliedern der so mannigfaltig verzweigten großen Familie, die sich oft um desto weniger vertragen, je näher sie verwandt sind.
Zwar ist es meistens eine leere Klage, wenn sich bald diese oder jene Kunst- und Wissenschaftsbeflissene beschweren, daß gerade ihr Fach von den Mitlebenden vernachlässigt[504] werde: denn es darf nur ein tüchtiger Meister sich zeigen, so wird er die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Raffael möchte nur immer heute wieder hervortreten, und wir wollten ihm ein Übermaß von Ehre und Reichtum zusichern. Ein tüchtiger Meister weckt brave Schüler, und ihre Tätigkeit ästet wieder ins unendliche.
Doch haben freilich von jeher die Philosophen besonders den Haß nicht allein ihrer Wissenschaftsverwandten, sondern auch der Welt- und Lebensmenschen auf sich gezogen, und vielleicht mehr durch ihre Lage als durch eigene Schuld. Denn da die Philosophie ihrer Natur nach an das Allgemeinste, an das Höchste Anfoderung macht, so muß sie die weltlichen Dinge als in ihr begriffen, als ihr untergeordnet ansehen und behandeln.
Auch verleugnet man ihr diese anmaßlichen Forderungen nicht ausdrücklich, vielmehr glaubt jeder ein Recht zu haben, an ihren Entdeckungen teilzunehmen, ihre Maximen zu nutzen und, was sie sonst reichen mag, zu verbrauchen. Da sie aber, um allgemein zu werden, sich eigener Worte, fremdartiger Kombinationen und seltsamer Einleitungen bedienen muß, die mit den besondern Zuständen der Weltbürger und mit ihren augenblicklichen Bedürfnissen nicht eben zusammenfallen, so wird sie von denen geschmäht, die nicht gerade die Handhabe finden können, wobei sie allenfalls noch anzufassen wäre.
Wollte man aber dagegen die Philosophen beschuldigen, daß sie selbst den Übergang zum Leben nicht sicher zu finden wissen, daß sie gerade da, wo sie ihre Überzeugung in Tat und Wirkung verwandeln wollen, die meisten Fehlgriffe tun und dadurch ihren Kredit vor der Welt selbst schmälern, so würde es hiezu an mancherlei Beispielen nicht fehlen.
Winckelmann beklagt sich bitter über die Philosophen seiner Zeit und über ihren ausgebreiteten Einfluß; aber mich dünkt, man kann einem jeden Einfluß aus dem Wege gehen, indem man sich in sein eigenes Fach zurückzieht.[505]
Sonderbar ist es, daß Winckelmann die Leipziger Akademie nicht bezog, wo er unter Christs Anleitung, und ohne sich um einen Philosophen in der Welt zu bekümmern, sich in seinem Hauptstudium bequemer hätte ausbilden können.
Doch steht, indem uns die Ereignisse der neuern Zeit vorschweben, eine Bemerkung hier wohl am rechten Platze, die wir auf unserm Lebenswege machen können, daß kein Gelehrter ungestraft jene große philosophische Bewegung, die durch Kant begonnen, von sich abgewiesen, sich ihr widersetzt, sie verachtet habe, außer etwa die echten Altertumsforscher, welche durch die Eigenheit ihres Studiums vor allen andern Menschen vorzüglich begünstigt zu sein scheinen.
Denn indem sie sich nur mit dem Besten, was die Welt hervorgebracht hat, beschäftigen und das Geringe, ja das Schlechtere nur im Bezug auf jenes Vortreffliche betrachten, so erlangen ihre Kenntnisse eine solche Fülle, ihre Urteile eine solche Sicherheit, ihr Geschmack eine solche Konsistenz, daß sie innerhalb ihres eigenen Kreises bis zur Verwunderung, ja bis zum Erstaunen ausgebildet erscheinen.
Auch Winckelmann gelang dieses Glück, wobei ihm freilich die bildende Kunst und das Leben kräftig einwirkend zu Hülfe kamen.
So sehr Winckelmann bei Lesung der alten Schriftsteller auch auf die Dichter Rücksicht genommen, so finden wir doch, bei genauer Betrachtung seiner Studien und seines Lebensganges, keine eigentliche Neigung zur Poesie, ja man könnte eher sagen, daß hie und da eine Abneigung hervorblicke; wie denn seine Vorliebe für alte gewohnte Luthersche Kirchenlieder und sein Verlangen, ein solches unverfälschtes Gesangbuch selbst in Rom zu besitzen, wohl von einem tüchtigen, wackern Deutschen, aber nicht eben von einem Freunde der Dichtkunst zeuget.[506]
Die Poeten der Vorzeit schienen ihn früher als Dokumente der alten Sprachen und Literaturen, später als Zeugnisse für bildende Kunst interessiert zu haben. Desto wunderbarer und erfreulicher ist es, wenn er selbst als Poet auftritt, und zwar als ein tüchtiger, unverkennbarer in seinen Beschreibungen der Statuen, ja beinahe durchaus in seinen spätern Schriften. Er sieht mit den Augen, er faßt mit dem Sinn unaussprechliche Werke, und doch fühlt er den unwiderstehlichen Drang, mit Worten und Buchstaben ihnen beizukommen. Das vollendete Herrliche, die Idee, woraus diese Gestalt entsprang, das Gefühl, das in ihm beim Schauen erregt ward, soll dem Hörer, dem Leser mitgeteilt werden, und indem er nun die ganze Rüstkammer seiner Fähigkeiten mustert, sieht er sich genötigt, nach dem Kräftigsten und Würdigsten zu greifen, was ihm zu Gebote steht. Er muß Poet sein, er mag daran denken, er mag wollen oder nicht.
So sehr Winckelmann überhaupt auf ein gewisses Ansehn vor der Welt achtete, so sehr er sich einen literarischen Ruhm wünschte, so gut er seine Werke auszustatten und sie durch einen gewissen feierlichen Stil zu erheben suchte, so war er doch keinesweges blind gegen ihre Mängel, die er vielmehr auf das schnellste bemerkte, wie sich's bei seiner fortschreitenden, immer neue Gegenstände fassenden und bearbeitenden Natur notwendig ereignen mußte. Je mehr er nun in irgendeinem Aufsatze dogmatisch und didaktisch zu Werke gegangen war, diese oder jene Erklärung eines Monuments, diese oder jene Auslegung und Anwendung einer Stelle behauptet und festgesetzt hatte, desto auffallender war ihm der Irrtum, sobald er durch neue Data sich davon überzeugt hielt, desto schneller war er geneigt, ihn auf irgendeine Weise zu verbessern.
Hatte er das Manuskript noch in der Hand, so ward es[507] umgeschrieben; war es zum Druck abgesendet, so wurden Verbesserungen und Nachträge hinterdrein geschickt, und von allen diesen Reuschritten machte er seinen Freunden kein Geheimnis: denn auf Wahrheit, Geradheit, Derbheit und Redlichkeit stand sein ganzes Wesen gegründet.
Ein glücklicher Gedanke ward ihm, zwar auch nicht auf einmal, sondern nur durch die Tat selbst klar, das Unternehmen seiner »Monumenti inediti«.
Man sieht wohl, daß jene Lust, neue Gegenstände bekanntzumachen, sie auf eine glückliche Weise zu erklären, die Altertumskunde in so großem Maße zu erweitern, ihn zuerst angelockt habe; dann tritt das Interesse hinzu, die von ihm in der Kunstgeschichte einmal aufgestellte Methode auch hier an Gegenständen, die er dem Leser vor Augen legt, zu prüfen, da denn zuletzt der glückliche Vorsatz sich entwickelte, in der vorausgeschickten Abhandlung das Werk über die Kunstgeschichte, das ihm schon im Rücken lag, stillschweigend zu verbessern, zu reinigen, zusammenzudrängen und vielleicht sogar teilweise aufzuheben.
Im Bewußtsein früherer Mißgriffe, über die ihn der Nicht-Römer kaum zurechtweisen durfte, schrieb er ein Werk in italienischer Sprache, das auch in Rom gelten sollte. Nicht allein befleißigt er sich dabei der größten Aufmerksamkeit, sondern wählt sich auch freundschaftliche Kenner, mit denen er die Arbeit genau durchgeht, sich ihrer Einsicht, ihres Urteils auf das klügste bedient und so ein Werk zustande bringt, das als Vermächtnis auf alle Zeiten übergehen wird. Und er schreibt es nicht allein, er besorgt es, unternimmt es und leistet als ein armer Privatmann das, was einem wohlgegründeten Verleger, was akademischen Kräften Ehre machen würde.
[508] Sollte man so viel von Rom sprechen, ohne des Papstes zu gedenken, der doch Winckelmannen wenigstens mittelbar manches Gute zufließen lassen!
Winckelmanns Aufenthalt in Rom fiel zum größten Teil unter die Regierung Benedikt des XIV. Lambertini, der als ein heiterer, behaglicher Mann lieber regieren ließ als regierte; und so mögen auch die verschiedenen Stellen, welche Winckelmann bekleidete, ihm durch die Gunst seiner hohen Freunde mehr als durch die Einsicht des Papstes in seine Verdienste geworden sein.
Doch finden wir ihn einmal auf eine bedeutende Weise in der Gegenwart des Hauptes der Kirche; ihm wird die besondre Auszeichnung, dem Papste aus den »Monumenti inediti« einige Stellen vorlesen zu dürfen, und er gelangt auch von dieser Seite zur höchsten Ehre, die einem Schriftsteller werden kann.
Wenn bei sehr vielen Menschen, besonders aber bei Gelehrten, dasjenige, was sie leisten, als die Hauptsache erscheint und der Charakter sich dabei wenig äußert, so tritt im Gegenteil bei Winckelmann der Fall ein, daß alles dasjenige, was er hervorbringt, hauptsächlich deswegen merkwürdig und schätzenswert ist, weil sein Charakter sich immer dabei offenbart. Haben wir schon unter der Aufschrift vom Antiken und Heidnischen, vom Schönheits- und Freundschaftssinne einiges Allgemeine zum Anfang ausgesprochen, so wird das mehr Besondere hier gegen das Ende wohl seinen Platz verdienen.
Winckelmann war durchaus eine Natur, die es redlich mit sich selbst und mit andern meinte; seine angeborne Wahrheitsliebe entfaltete sich immer mehr und mehr, je selbständiger und unabhängiger er sich fühlte, so daß er sich zuletzt die höfliche Nachsicht gegen Irrtümer, die im[509] Leben und in der Literatur so sehr hergebracht ist, zum Verbrechen machte.
Eine solche Natur konnte wohl mit Behaglichkeit in sich selbst zurückkehren, doch finden wir auch hier jene altertümliche Eigenheit, daß er sich immer mit sich selbst beschäftigte, ohne sich eigentlich zu beobachten. Er denkt nur an sich, nicht über sich, ihm liegt im Sinne, was er vorhat, er interessiert sich für sein ganzes Wesen, für den ganzen Umfang seines Wesens, und hat das Zutrauen, daß seine Freunde sich auch dafür interessieren werden. Wir finden daher in seinen Briefen vom höchsten moralischen bis zum gemeinsten physischen Bedürfnis alles erwähnt, ja er spricht es aus, daß er sich von persönlichen Kleinigkeiten lieber als von wichtigen Dingen unterhalte. Dabei bleibt er sich durchaus ein Rätsel und erstaunt manchmal über seine eigene Erscheinung, besonders in Betrachtung dessen, was er war und was er geworden ist. Doch so kann man überhaupt jeden Menschen als eine vielsilbige Scharade ansehen, wovon er selbst nur wenige Silben zusammenbuchstabiert, indessen andre leicht das ganze Wort entziffern.
Auch finden wir bei ihm keine ausgesprochenen Grundsätze; sein richtiges Gefühl, sein gebildeter Geist dienen ihm im Sittlichen wie im Ästhetischen zum Leitfaden. Ihm schwebt eine Art natürlicher Religion vor, wobei jedoch Gott als Urquell des Schönen und kaum als ein auf den Menschen sonst bezügliches Wesen erscheint. Sehr schön beträgt sich Winckelmann innerhalb der Grenzen der Pflicht und Dankbarkeit.
Seine Vorsorge für sich selbst ist mäßig, ja nicht durch alle Zeiten gleich. Indessen arbeitet er aufs fleißigste, sich eine Existenz aufs Alter zu sichern. Seine Mittel sind edel; er zeigt sich selbst auf dem Wege zu jedem Zweck redlich, gerade, sogar trotzig und dabei klug und beharrlich. Er arbeitet nie planmäßig, immer aus Instinkt und mit Leidenschaft. Seine Freude an jedem Gefundenen ist heftig, daher Irrtümer unvermeidlich, die er jedoch bei lebhaftem Vorschreiten[510] ebenso geschwind zurücknimmt als einsieht. Auch hier bewährt sich durchaus jene antike Anlage, die Sicherheit des Punktes, von dem man ausgeht, die Unsicherheit des Zieles, wohin man gelangen will, sowie die Unvollständigkeit und Unvollkommenheit der Behandlung, sobald sie eine ansehnliche Breite gewinnt.
Wenn er sich, durch seine frühere Lebensart wenig vorbereitet, in der Gesellschaft anfangs nicht ganz bequem befand, so trat ein Gefühl von Würde bald an die Stelle der Erziehung und Gewohnheit, und er lernte sehr schnell sich den Umständen gemäß betragen. Die Lust am Umgang mit vornehmen, reichen und berühmten Leuten, die Freude, von ihnen geschätzt zu werden, dringt überall durch, und in Absicht auf die Leichtigkeit des Umgangs hätte er sich in keinem bessern Elemente als in dem römischen befinden können.
Er bemerkt selbst, daß die dortigen, besonders geistlichen Großen, so zeremoniös sie nach außen erscheinen, doch nach innen gegen ihre Hausgenossen bequem und vertraulich leben; allein er bemerkte nicht, daß hinter dieser Vertraulichkeit sich doch das orientalische Verhältnis des Herrn zum Knechte verbirgt. Alle südlichen Nationen würden eine unendliche Langeweile finden, wenn sie gegen die Ihrigen sich in der fortdauernden wechselseitigen Spannung erhalten sollten, wie es die Nordländer gewohnt sind. Reisende haben bemerkt, daß die Sklaven sich gegen ihre türkischen Herren mit weit mehr Aisance betragen, als nordische Hofleute gegen ihre Fürsten, und bei uns Untergebene gegen ihre Vorgesetzten; allein wenn man es genau betrachtet, so sind diese Achtungsbezeigungen eigentlich zugunsten der Untergebenen eingeführt, die dadurch ihren Obern immer erinnern, was er ihnen schuldig ist.[511]
Der Südländer aber will Zeiten haben, wo er sich gehn läßt, und diese kommen seiner Umgebung zugut. Dergleichen Szenen schildert Winckelmann mit großem Behagen, sie erleichtern ihm seine übrige Abhängigkeit und nähren seinen Freiheitssinn, der mit Scheu auf jede Fessel hinsieht, die ihn allenfalls bedrohen könnte.
Wenn Winckelmann durch den Umgang mit Einheimischen sehr glücklich ward, so erlebte er desto mehr Pein und Not von Fremden. Es ist wahr, nichts kann schrecklicher sein als der gewöhnliche Fremde in Rom. An jedem andern Orte kann sich der Reisende eher selbst suchen und auch etwas ihm Gemäßes finden; wer sich aber nicht nach Rom bequemt, ist den wahrhaft römisch Gesinnten ein Greuel.
Man wirft den Engländern vor, daß sie ihren Teekessel überall mitführen und sogar bis auf den Ätna hinaufschleppen; aber hat nicht jede Nation ihren Teekessel, worin sie, selbst auf Reisen, ihre von Hause mitgebrachten getrockneten Kräuterbündel aufbraut?
Solche nach ihrem engen Maßstab urteilende, nicht um sich her sehende, vorübereilende, anmaßliche Fremde verwünscht Winckelmann mehr als einmal, verschwört, sie nicht mehr herumzuführen, und läßt sich zuletzt doch wieder bewegen. Er scherzt über seine Neigung zum Schulmeistern, zu unterrichten, zu überzeugen, da ihm denn auch wieder in der Gegenwart durch Stand und Verdienste bedeutender Personen gar manches Gute zuwächst. Wir nennen hier nur den Fürsten von Dessau, die Erbprinzen von Mecklenburg-Strelitz und Braunschweig sowie den Baron von Riedesel, einen Mann, der sich in der Sinnesart gegen Kunst und Altertum ganz unseres Freundes würdig erzeigte.
[512] Wir finden bei Winckelmann das unnachlassende Streben nach Ästimation und Konsideration; aber er wünscht sie durch etwas Reelles zu erlangen. Durchaus dringt er auf das Reale der Gegenstände, der Mittel und der Behandlung; daher hat er eine so große Feindschaft gegen den französischen Schein.
So wie er in Rom Gelegenheit gefunden hatte, mit Fremden aller Nationen umzugehen, so erhielt er auch solche Konnexionen auf eine geschickte und tätige Weise. Die Ehrenbezeigungen von Akademien und gelehrten Gesellschaften waren ihm angenehm, ja er bemühte sich darum.
Am meisten aber förderte ihn das im stillen mit großem Fleiß ausgearbeitete Dokument seines Verdienstes, ich meine die »Geschichte der Kunst«. Sie ward sogleich ins Französische übersetzt und er dadurch weit und breit bekannt.
Das, was ein solches Werk leistet, wird vielleicht am besten in den ersten Augenblicken anerkannt, das Wirksame desselben wird empfunden, das Neue lebhaft aufgenommen, die Menschen erstaunen, wie sie auf einmal gefördert werden; dahingegen eine kältere Nachkommenschaft mit eklem Zahn an den Werken ihrer Meister und Lehrer herumkostet und Forderungen aufstellt, die ihr gar nicht eingefallen wären, hätten jene nicht so viel geleistet, von denen man nun noch mehr fordert.
Und so war Winckelmann den gebildeten Nationen Europens bekannt geworden, in einem Augenblicke, da man ihm in Rom genugsam vertraute, um ihn mit der nicht unbedeutenden Stelle eines Präsidenten der Altertümer zu beehren.
[513] Ungeachtet jener anerkannten und von ihm selbst öfters gerühmten Glückseligkeit war er doch immer von einer Unruhe gepeinigt, die, indem sie tief in seinem Charakter lag, gar mancherlei Gestalten annahm.
Er hatte sich früher kümmerlich beholfen, später von der Gnade des Hofs, von der Gunst manches Wohlwollenden gelebt, wobei er sich immer auf das geringste Bedürfnis einschränkte, um nicht abhängig oder abhängiger zu werden. Indessen war er auch auf das tüchtigste bemüht, sich für die Gegenwart, für die Zukunft aus eigenen Kräften einen Unterhalt zu verschaffen, wozu ihm endlich die gelungene Ausgabe seines Kupferwerks die schönste Hoffnung gab.
Allein jener ungewisse Zustand hatte ihn gewöhnt, wegen seiner Subsistenz bald hierhin, bald dorthin zu sehen, bald sich mit geringen Vorteilen im Hause eines Kardinals, in der Vaticana und sonst unterzutun, bald aber, wenn er wieder eine andre Aussicht vor sich sah, großmütig seinen Platz aufzugeben, indessen sich doch wieder nach andern Stellen umzusehen und manchen Anträgen ein Gehör zu leihen.
Sodann ist einer, der in Rom wohnt, der Reiselust nach allen Weltgegenden ausgesetzt. Er sieht sich im Mittelpunkt der Alten Welt und die für den Altertumsforscher interessantesten Länder nah um sich her, Großgriechenland und Sizilien, Dalmatien, der Peloponnes, Ionien und Ägypten, alles wird den Bewohnern Roms gleichsam angeboten und erregt in einem, der wie Winckelmann mit Begierde des Schauens geboren ist, von Zeit zu Zeit ein unsägliches Verlangen, welches durch so viele Fremde noch vermehrt wird, die auf ihren Durchzügen bald vernünftig, bald zwecklos jene Länder zu bereisen Anstalt machen, bald, indem sie zurückkehren, von den Wundern der Ferne zu erzählen und aufzuzeigen nicht müde werden.[514]
So will denn unser Winckelmann auch überall hin, teils aus eigenen Kräften, teils in Gesellschaft solcher wohlhabender Reisenden, die den Wert eines unterrichteten, talentvollen Gefährten mehr oder weniger zu schätzen wissen.
Noch eine Ursache dieser innern Unruhe und Unbehaglichkeit macht seinem Herzen Ehre, es ist das unwiderstehliche Verlangen nach abwesenden Freunden. Hier scheint sich die Sehnsucht des Mannes, der sonst so sehr von der Gegenwart lebte, ganz eigentlich konzentriert zu haben. Er sieht sie vor sich, er unterhält sich mit ihnen durch Briefe, er sehnt sich nach ihrer Umarmung und wünscht die früher zusammen verlebten Tage zu wiederholen.
Diese besonders nach Norden gerichteten Wünsche hatte der Friede aufs neue belebt. Sich dem großen König darzustellen, der ihn schon früher eines Antrags seiner Dienste gewürdigt, war sein Stolz; den Fürsten von Dessau wiederzusehen, dessen hohe, ruhige Natur er als von Gott auf die Erde gesandt betrachtete, den Herzog von Braunschweig, dessen große Eigenschaften er zu würdigen wußte, zu verehren, den Minister von Münchhausen, der so viel für die Wissenschaften tat, persönlich zu preisen, dessen unsterbliche Schöpfung in Göttingen zu bewundern, sich mit seinen Schweizer Freunden wieder einmal lebhaft und vertraulich zu freuen, solche Lockungen tönten in seinem Herzen, in seiner Einbildungskraft wider, mit solchen Bildern hatte er sich lange beschäftigt, lange gespielt, bis er zuletzt unglücklicherweise diesem Trieb gelegentlich folgt und so in seinen Tod geht.
Schon war er mit Leib und Seele dem italienischen Zustand gewidmet, jeder andere schien ihm unerträglich, und wenn ihn der frühere Hineinweg durch das bergichte und felsichte Tirol interessiert, ja entzückt hatte, so fühlte er sich auf dem Rückwege in sein Vaterland wie durch eine kimmerische Pforte hindurchgeschleppt, beängstet und mit der Unmöglichkeit, seinen Weg fortzusetzen, behaftet.
[515] So war er denn auf der höchsten Stufe des Glücks, das er sich nur hätte wünschen dürfen, der Welt verschwunden. Ihn erwartete sein Vaterland, ihm streckten seine Freunde die Arme entgegen, alle Äußerungen der Liebe, deren er so sehr bedurfte, alle Zeugnisse der öffentlichen Achtung, auf die er so viel Wert legte, warteten seiner Erscheinung, um ihn zu überhäufen. Und in diesem Sinne dürfen wir ihn wohl glücklich preisen, daß er von dem Gipfel des menschlichen Daseins zu den Seligen emporgestiegen, daß ein kurzer Schrecken, ein schneller Schmerz ihn von den Lebendigen hinweggenommen. Die Gebrechen des Alters, die Abnahme der Geisteskräfte hat er nicht empfunden, die Zerstreuung der Kunstschätze, die er, obgleich in einem andern Sinne, vorausgesagt, ist nicht vor seinen Augen geschehen, er hat als Mann gelebt und ist als ein vollständiger Mann von hinnen gegangen. Nun genießt er im Andenken der Nachwelt den Vorteil, als ein ewig Tüchtiger und Kräftiger zu erscheinen: denn in der Gestalt, wie der Mensch die Erde verläßt, wandelt er unter den Schatten, und so bleibt uns Achill als ewig strebender Jüngling gegenwärtig. Daß Winckelmann früh hinwegschied, kommt auch uns zugute. Von seinem Grabe her stärkt uns der Anhauch seiner Kraft und erregt in uns den lebhaftesten Drang, das, was er begonnen, mit Eifer und Liebe fort- und immer fortzusetzen.[516]
Buchempfehlung
Der Waldbrunnen »Ich habe zu zwei verschiedenen Malen ein Menschenbild gesehen, von dem ich jedes Mal glaubte, es sei das schönste, was es auf Erden gibt«, beginnt der Erzähler. Das erste Male war es seine Frau, beim zweiten Mal ein hübsches 17-jähriges Romamädchen auf einer Reise. Dann kommt aber alles ganz anders. Der Kuß von Sentze Rupert empfindet die ihm von seinem Vater als Frau vorgeschlagene Hiltiburg als kalt und hochmütig und verweigert die Eheschließung. Am Vorabend seines darauffolgenden Abschieds in den Krieg küsst ihn in der Dunkelheit eine Unbekannte, die er nicht vergessen kann. Wer ist die Schöne? Wird er sie wiedersehen?
58 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro