Johann Wolfgang Goethe

[Für die Mißwollenden. Vorschlag]

Man hat einen Oktavband herausgegeben: »Goethe in den wohlwollenden Zeugnissen der Mitlebenden«. Nun würde ich raten, ein Gegenstück zu besorgen: »Goethe in den mißwollenden Zeugnissen der Mitlebenden«. Die dabei zu übernehmende Arbeit würde den Gegnern leicht werden und zur Unterhaltung dienen, einem Verleger, dem Gewinn von allen Seiten her guten Geruch bringt, sichern Vorteil gewähren.

Zu diesem Vorschlag bewegt mich die Betrachtung, daß, da man mich aus der allgemeinen Literatur und der besondern deutschen jetzt und künftig, wie es scheint, nicht loswerden wird, es jedem Geschichtsfreunde gewiß nicht unangenehm sein muß, auf eine bequeme Weise zu erfahren, wie es in unsern Tagen ausgesehen und welche Geister darinnen gewaltet.

Mir selbst würde es bei dem Rückblick auf mein eigenes[629] Leben höchst interessant sein; denn wann sollt ich mir leugnen, daß ich vielen Menschen widerwärtig und verhaßt geworden und daß diese mich auf ihre Weise dem Publikum vorzubilden gesucht. Ich bin mir wohl bewußt, daß ich niemals unmittelbar dagegen gewirkt, daß ich mich in ununterbrochener Tätigkeit erhalten und sie bis jetzt, wiewohl angefochten, bis gegen das Ende durchgeführt.[630]

Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Kunsttheoretische Schriften und Übersetzungen [Band 17–22], Band 17, Berlin 1960 ff.
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