1786

(nach dem Beginn

der Italienischen Reise)

8/2490.


An Carl Ludwig von Knebel

Ich schreibe dir nur einen Grus, denn was von mir und unserm hiesigen Wesen zu sagen ist, wird Frau von Stein weit besser erzählen.

Ich bin wohl und werde nach dem Bade noch eine Zeitlang der freyen Lufft und Welt geniessen, mich geistlich und leiblich zu stärcken.

Von Dresden aus habe ich die Erlaubniß, in Schneeberg an zu fahren, welches mich sehr freut und eine ganz besondere Gunst zeigt. Da werde ich denn also die Kobolde in ihrem eigensten Hause sehen und das innere eines Gebürgs das mir höchst interessant ist. Bisher kann ich fast sagen: ich habe keinen Stein angerührt, wenigstens habe ich keinen gekauft. Von Opalen war nichts zu spüren.

Fr. v. Stein erzähle dir von Herrn v. Racknitz und Professor Titius aus Dresden, zwey werthen neuen Bekanntschafften.

Lebe dein Leben wohl. Wills Gott komme ich nicht zurück als mit gutem Gewinnst. Lebe wohl.

[Carlsbad] d. 13. Aug. 86.[1]


8/2491.


An Philipp Seidel

Ich habe die Auszüge, deinen Naturhistorischen Brief, und das letzte Packet durch Hrn. v. Imhof erhalten.

Noch hat sich nichts zugetragen, das mich an Ausführung meines Plans hindern könnte. Gegen Ende des Monats werde ich die Reise antreten. Mit der Post welche Freytag den 18. von Weimar abgeht schicke mir das letzte von Briefen oder Auszügen, alsdann sammle und schicke nicht eher bis du von mir hörst. Ehe ich hier weggehe, schreibe ich dir noch die Nahmen, wo mich im Nothfall ein Brief aufsuchen müßte. – Hast du Paulsen das Geld ausgezahlt?

Bitte Hrn. Professor Sömmring, in meinem Nahmen, daß er die Unterkinnlade, die zu dem Ochsenschädel gehört, wieder zurückschicke.

Wenn eine Partitur, La grotta di Trofonio, von Wien ankommt; so schicke sie gleich an Kaysern nach Zürch, durch seinen Vater Organisten in Franckfurt.

Der Steg über die Mühllache kommt oberhalb des Gartens, das heist: zwischen den Garten und den Eisrechen, an den schicklichsten Ort.

Deine Münzschrifft mögt ich noch im Manuscript finden, man druckt nie zu spät, wohl aber leicht zu früh.

In das Feld der Naturgeschichte würde ich dir zu treten nicht gerathen haben, es ist zu weit und fordert[2] daß man ihm viel Zeit widmen könne. Wenn du weiter vorwärts darinn kommst, wirst du anders von Liné dencken und seine unsterblichen Verdienste kennen lernen. Selbst das was ein auserordentlicher Mensch thut, kann als unzulänglich angesehen, und von gewissen Seiten ungünstig beurtheilt werden.

Auf innliegendes Schreiben antworte: daß gegenwärtig von einer solchen Anstalt nicht die Rede sey.

Ich bin wohl und wünsche dir wohl zu leben; wenn du schreibst, schreibe auch von Fritzen.

Carlsb. d. 13. Aug. 86.

G.


8/2492.


An Friedrich Constantin von Stein

Oft verlang' ich nach dir, und wünsche dich bei mir zu haben; doch hoffe ich, daß es dir zu Hause wohl gehen, und du in meiner Stube glücklich residiren wirst.

Das Wasser schlägt mir recht gut an, und ich bin wohl. Laß dir deine Mutter Vieles erzählen, ich begleite sie morgen bis Schneeberg, das zwölf Stunden von hier liegt und wo ich die Bergwerke besehen werde. Sie bringt dir einige schöne Steine mit. Lebe wohl und grüße deinen Vater und Ernsten. Mit der Freitagpost kannst du mir noch einmal schreiben.

Sey fleißig und ordentlich und liebe mich.

Carlsbad, den 13. August 1786.

G.[3]


8/2492a.


An Johann Christoph Schmidt

Ew. Hochwohlgeb.

schreibe schuldiger und versprochnermaßen einige Worte aus dem Carlsbade, obgleich das warme Wasser und die Zerstreuung schlechte Correspondenten bilden.

Die Ankunft Serenissimi hat uns alle überrascht und erfreut, der gnädigste Herr befindet sich wohl und ich bin überzeugt daß ihm das Bad viel Vortheile verschaffen und ihn von manchen Übeln befreyen wird. Er giebt durch seine Gegenwart der abnehmenden Gesellschaft neues Leben und unterhält andre gar wohl durch sein muntres und gefälliges Wesen, indem sich selbst wohl amüsirt.

In einigen Tagen erwarten wir die Prinzess Mariane von Sachsen.

Morgen werde ich eine Exkursion nach Schneeberg machen. Ich habe, von Dresden aus, die Erlaubniß erhalten die dortigen Koboldgruben zu befahren,[39] welches eine auserordentliche Vergünstigung ist, indem sowohl Fremde als Einheimische auf das strengste davon entfernt gehalten werden.

Die Kur schlägt mir wohl an, nur wünschten wir sämtlich besser Wetter, es wechselt mit Sonnenschein und Regen gar zu offt ab.

Leben Sie recht wohl theuerster Herr Collega, und bleiben mir gewogen; nach geendigter Badecur werde ich von Serenissimo noch um Verlängerung meines Urlaubs bitten; behalten Sie mich lieb und zweifeln nicht an meiner Treue und Ergebenheit

Ew. Hochwohlgeb.

ganz gehorsamster

Diener

Carlsbad d. 13 Aug. 86.

Goethe.[40]


8/2493.


An Charlotte von Stein

Ich muß für meine Geliebte einen Brief in Schneeberg lassen, denn sie wird ihn früher erhalten als wenn ich von Carlsbad schriebe. Hier habe ich viel interessantes gesehen, nur zuviel für die zwey Tage, und doch mag und will ich nicht länger, ich will von meinem Vorsatze nicht abgeleitet seyn.

Heute früh lies ich beym Einfahren in die Grube deinen Ring vom Finger, es fehlte mir immer etwas, so ist mir's auch da mir deine Gesellschafft fehlt und ich dir immer etwas zu sagen habe. In der Mineralogie kann ich ohne Chymie nicht einen Schritt weiter das weis ich lange und habe sie auch darum Beyseite gelegt, werde aber immer wieder hineingezogen und gerissen. Es ist mir recht bunt im Kopfe von den vielen Ideen der zwey Tage.

Du bist nun zu Hause und es regnet wie ausgiesend. Wenn die Geister nicht besondere Anstalten machen, kann ich morgen den Felsen von Neideck nicht zeichnen, worüber ich in sehr üblen Humor gerathen werde.

Nun lebe wohl und liebe mich, eh ich von Carlsbad gehe schreib ich dir, ich bin dir herzlich nah. Du solltest immer mit mir seyn wir wollten gut leben.

Schneeberg d. 16. Aug. 86.

G.[4]


8/2494.


An Charlotte von Stein

Sonntags d. 20. früh.

Nur wenig Worte denn die Post geht und ich bin im dicktiren begriffen. Von Schneeberg, ob ich gleich halb sechs ausfuhr bin ich doch erst nach eilfen hier angelangt und habe den Weeg ganz abscheulich gefunden. Es regnete den ganzen Tag und den Turnfels habe ich ohne beyhülfe der Geister aus einer gegenüber stehenden Scheune gezeichnet. Ich habe viel Freude daß ich ihn dir schicken kann. Unglücklicher Weise war mein Papier zu klein und es geht also ein Rief durch die Zeichnung die dich aber doch freuen soll. Es ist ein recht interessanter Gegenstand. Nun hoffe ich sollen mehr folgen. Ich lasse mir ein grösser Portefeuille machen, das kleine ist zu sehr ausser meinem Format.

Die Freude die ich hatte mit dir zu seyn und deine Liebe zu fühlen drucke ich nicht aus. Lebe wohl du erhälst noch bald Briefe von mir.

Die Prinzess ist angekommen, und der Obermarschall Studnitz von Gotha. Sonst ist alles im Alten. Lebe wohl. Liebe mich damit ich mich des Lebens freue. Mit Werthern geths vorwärts.

G.[5]


8/2495.


An Charlotte von Stein

Dienstag d. 22. Aug. 86.

Nun muß ich auch meiner Liebsten schreiben, nachdem ich mein schweerstes Pensum geendigt habe. Die Erzählung am Schlusse Werthers ist verändert, gebe Gott daß sie gut gerathen sey, noch weis niemand nichts davon, Herder hat sie noch nicht gesehn. Kaum ist's physisch möglich daß ich vor meinem Geburtstag fertig werde, doch hoff ich noch, geht es; so erleb ich diesen Tag nicht hier.

Nun freu ich mich wenn du das alles gedruckt sehn wirst, ich dencke immer an dich bey allem was ich mache.

Hier siehts recht gut aus. Die Prinzess sieht niemand bey sich und stört niemanden. Der Herzog ist lustig und thut der Gesellschafft wohl; wäre er nicht manchmal roh gegen die Frauen, er wäre ganz unbezahlbar.

Ich lese alle Abende vor, und es ist ein recht schönes Publikum geblieben. Gestern haben die Vögel ein unsägliches Glück gemacht. Heute les' ich Iphigenien wieder, morgen noch etwas und übermorgen gehn Harrachs fort. Graf Carl ist hier, ein sehr braves Wesen.

Imhof hat den famosen Juden sehr, die schöne Gräfinn weniger glücklich gemahlt, ich freue mich noch über den Felsen und Thurm den du erhalten wirst.

[6] Heute hofft ich auf Briefe von dir, sie kommen erst Freytags. Stein hat der Waldner närrisch geschrieben.

Die arme Waldner leidet, die Herder ist auch nicht ganz recht; aber das Menschenvolck ist auch darnach, sie wissen alle nicht was ihnen frommt.

Herders sind gar gut.

d. 23. Aug.

Gestern Abend ward Iphigenie gelesen und gut sentirt. Dem Herzog wards wunderlich dabey zu Muthe. Jetzt da sie in Verse geschnitten ist macht sie mir neue Freude, man sieht auch eher was noch Verbesserung bedarf. Ich arbeite dran und dencke morgen fertig zu werden. Auf alle Fälle muß ich noch eine Woche bleiben, dann wird aber auch alles so sanfte endigen und die Früchte reif abfallen.

Und dann werde ich in der freyen Welt mit dir leben, und in glücklicher Einsamkeit, ohne Nahmen und Stand, der Erde näher kommen aus der wir genommen sind.

Lebe wohl. Freytags hoff ich einen Brief von dir. Grüse Fritzen und Stein, Ernst und die Imhof. Ich habe dich herzlich lieb und das Leben wird mir erst werth durch dich.

Der alte König soll todt seyn. Das müßt ihr nun schon gewiß wissen wenns wahr ist. Adieu.

G.[7]


8/2496.


An Johann Gottfried Herder

[Ende August.]

Ich bin in grose Noth gerathen, die ich dir sogleich anzeigen und klagen muß. Nach deinem Abschied laß ich noch in der Elecktra des Sophokles. Die langen Jamben ohne Abschnitt und das sonderbare Wälzen und Rollen des Periods, haben sich mir so eingeprägt daß mir nun die kurzen Zeilen der Iphigenie ganz höckerig, übelklingend und unlesbar werden. Ich habe gleich angefangen die erste Scene umzuändern. Damit ich aber nicht zu weit gehe und Maas und Ziel festgesetzt werde, bitt ich dich etwa um 5 Uhr um eine Lecktion. Ich will zu dir kommen!

G.


8/2497.


An Charlotte von Stein

Meiner lieben schicke ich durch Wagnern den Umriß und die kleine Zeichnung an der ich weiter nichts gemacht habe. Mehr soll folgen und noch mehr, sobald ich meine vier Bände eingesiegelt habe. Morgen geht der Herzog über Töplitz und so weiter, ich dencke die Tour wird länger als er sich sie vorsetzt. Wenns ihm nur wohl dabey ist, er war zuletzt noch recht vergnügt.

Ich bleibe noch acht Tage und solang hab ich noch[8] zu thun; Herder hilft mir treulich, noch wird an Iphigenien viel gethan. Es macht sich und ich hoffe es soll leidlich werden.

Liebe mich und grüse die deinigen. Deinen Brief habe ich nach acht Tagen erhalten. Ich dancke dir. Brauchen sie Ernsten den Magensafft? bestehe doch drauf, und laß einmal wo möglich ein Conseil mit Lodern halten. Grüse Fritzen ich dancke ihm seinen Brief. Eh ich von hier weg gehe schreib ich dir noch und hoffentlich mit freyer Seele, daß alles abgethan ist. Adieu.

d. 27. Aug. 86

G.


8/2498.


An Charlotte von Stein

d. 30. Aug.

Nun geht es mit mir zu Ende meine Liebste, Sonntag d. 3ten Sept. denck ich von hier wegzugehn. Die übrige Gesellschafft bleibt wohl noch bis d. 11ten und dann geht alles miteinander. Sie haben meinen Geburtstag gefeyert, die Waldner soll dir alles erzählen wie es war und die Gedichte und Geschencke mitbringen; du hebst mir sie auf bis ich wiederkomme. Die Asseburg hat im Nahmen der Vögel, als Papagey, eine recht artige Gratulation gemacht, die einen guten Ton hat und überhaupt wohl gerathen ist.

Sonst sind wir fleisig, Herder hilft treulich und bis den Sonnabend ist alles fertig; mir wird recht[9] wohl seyn wenn ich im Wagen sitze. Zuletzt wards zu toll, das Pensum war zu gros. An der Iphigenie ist viel geändert worden. Sie wird noch einmal abgeschrieben. Ich bin recht wohl, die andern meist auch. Die Waldner hat bessere Hoffnung.

Wann werd ich nun wieder von dir hören. Ich bin mit ganzem Gemüthe dein und freue mich des Lebens nur in dir. Von hieraus schreib ich dir noch einmal. Grüse Fritzen und die deinen.

G.


8/2499.


An Charlotte von Stein

Nun noch ein Lebewohl von Carlsbad aus, die Waldner soll dir dieses mitbringen; von allem was sie erzählen kann sag ich nichts; das wiederhohl ich dir aber daß ich dich herzlich liebe, daß unsre letzte Fahrt nach Schneeberg mich recht glücklich gemacht hat und daß deine Versichrung: daß dir wieder Freude zu meiner Liebe aufgeht, mir ganz allein Freude ins Leben bringen kann. Ich habe bisher im Stillen gar mancherley getragen, und nichts so sehnlich gewünscht als daß unser Verhältniß sich so herstellen möge, daß keine Gewalt ihm was anhaben könne. Sonst mag ich nicht in deiner Nähe wohnen und ich will lieber in der Einsamkeit der Welt bleiben, in die ich ietzt hinaus gehe. Wenn meine Rechnung nicht trügt; kannst du Ende September ein Röllgen Zeichnungen[10] von mir haben, die du aber niemanden auf der Welt zeigen mußt. Du sollst alsdann erfahren wohin du mir schreiben kannst. Lebe wohl! Gieb Fritzen inliegendes. Grüse Ernsten, Steinen, die Schwester und laß niemand mercken daß ich länger aussenbleibe. Liebe mich, und sage mirs damit ich mich des Lebens freuen könne. d. 1. Sept. 86.

G.


Die vier ersten Bände recht auszuputzen hat noch viele Mühe gemacht; sogar Iphigenien nehm ich noch auf die Reise mit. Herder hat sehr treulich geholfen, und über das Ende Werthers ist die Sache auch entschieden. Nachdem es Herder einige Tage mit sich herumgetragen hatte, ward dem Neuender Vorzug eingeräumt. Ich wünsche daß dir die Verändrung gefallen und das Publicum mich nicht schelten möge. Liebe mich herzlich und mit Freude mein ganz Gemüth ist dein. Du hörst bald von mir, Adieu.


8/2500.


An den Herzog Carl August

Verzeihen Sie daß ich beym Abschiede von meinem Reisen und Außenbleiben nur unbestimmt sprach, selbst ietzt weiß ich noch nicht was aus mir werden soll.

Sie sind glücklich, Sie gehen einer gewünschten und gewählten Bestimmung entgegen, Ihre häusliche Angelegenheiten sind in guter Ordnung, auf gutem[11] Weege, und ich weis Sie erlauben mir auch daß ich nun an mich dencke, ja Sie haben mich selbst oft dazu aufgefodert. Im Allgemeinen bin ich in diesem Augenblicke gewiß entbehrlich, und was die besondern Geschäffte betrifft die mir aufgetragen sind, diese hab ich so gestellt, daß sie eine Zeitlang bequem ohne mich fortgehen können; ja ich dürfte sterben und es würde keinen Ruck thun. Noch viele Zusammenstimmungen dieser Constellation übergehe ich, und bitte Sie nur um einen unbestimmten Urlaub. Durch den zweyjährigen Gebrauch des Bades hat meine Gesundheit viel gewonnen und ich hoffe auch für die Elasticität meines Geistes das Beste, wenn er eine Zeitlang, sich selbst gelassen, der freyen Welt genießen kann.

Die vier ersten Bände sind endlich in Ordnung, Herder hat mir unermüdlich treu beygestanden, zu den vier letzten bedarf ich Muse und Stimmung, ich habe die Sache zu leicht genommen und sehe jetzt erst was zu thun ist, wenn es keine Sudeley werden soll. Dieses alles und noch viele zusammentreffende Umstände dringen und zwingen mich in Gegenden der Welt mich zu verlieren, wo ich ganz unbekannt bin, ich gehe ganz allein unter einem fremden Nahmen und hoffe von dieser etwas sonderbaar scheinenden Unternehmung das beste. Nur bitt ich lassen Sie niemanden nichts mercken, daß ich außenbleibe. Alle die mir mit und untergeordnet sind, oder sonst mit mir in Verhältniß stehen, erwarten mich von Woche zu Woche,[12] und es ist gut daß das also bleibe und ich auch abwesend, als ein immer erwarteter, würcke.

Hier schick ich Riedels Brief, wenn es Ihnen um ihn Ernst ist; so lassen Sie etwa durch Schmidten mit ihm handeln. Das beste wäre, dünckt mich, da er ohnedies den Grafen verlassen will, Sie ließen ihn kommen, bezahlten ihm die Reise, ließen ihn ein wenig prüfen, durch Herdern und sonst, und sähen wie Sie alsdann mit ihm einig würden.

Imhofs Jahr geht auch zu Ende, ich habe auf alle Fälle dem Rath Götze gesagt er solle 300 rh. bey Seite legen, vielleicht würden sie Ew. Durchl. gegen eigenhändige Quittung abholen lassen. Sonst fällt mir nichts ein was ich zu erinnern hätte.

Leben Sie wohl das wünsch ich herzlich, behalten Sie mich lieb und glauben Sie: daß, wenn ich wünsche meine Existenz ganzer zu machen, ich dabey nur hoffe sie mit Ihnen und in dem Ihrigen, besser als bisher, zu genießen.

Mögten Sie in allem was Sie unternehmen Glück haben und Sich eines guten Ausganges erfreuen. Wenn ich meiner Feder den Lauf ließe mögte sie wohl noch viel sagen, nur noch ein Lebe wohl und eine Bitte mich Ihrer Frau Gemahlinn angelegentlich zu empfehlen.

Carlsbad d. 2. Sept. 86.

G.


Noch ein Wort! Ich habe den Geheimen Assistenz[13] Rath Schmidt bey meiner Abreise wie gewöhnlich gebeten sich der Kriegskommissions Sachen anzunehmen, er pflegt aber alsdann nur pressante Sachen abzuthun und läßt die übrigen liegen. Wollten Sie ihn wohl veranlassen daß er die kurrenten wie sie einkommen sämtlich expedirt, ich habe ihm ohnedies geschrieben daß ich Sie um verlängerten Urlaub gebeten. Seeger ist von allem genau unterrichtet und Schmidt thut es gerne.


8/2501.


An Georg Joachim Göschen

Carlsbad d. 2. Sept. 86.

Es thut mir leid, daß ich nicht mehr das Vergnügen gehabt habe Sie in Carlsbad zu sehen, besonders, da ich den Morgen, da Sie abreißten, Ihnen unbewußt, schon angekommen war, und ich schreibe gegenwärtiges vor meiner Abreise aus dem Carlsbade um Sie von der Lage unsers Negotii völlig zu unterrichten.

Da ich noch eine kleine Reise vorhabe und nicht bestimmt weiß, wann ich nach Hause zurückkehre, so habe ich den Cammer-Calculator Seidel in Weimar, der Ihnen auch diesen Brief übermachen wird, völlig unterrichtet und ihm deshalb die nöthigen Aufträge gegeben. Es hat derselbe den ersten und zweyten Band in zugesiegelten Packeten schon in Händen, und wird Ihnen selbigen gegen Erlegung des vierten Theils des[14] honorarii aushändigen. Am ersten Bande fehlt nur noch die Zueignung ans Publikum, die aber höchstens einen Bogen starck und ganz zuletzt mit dem Titel gedruckt werden kann, auch können die Seiten-Zahlen mit römischen Zahlen bezeichnet oder auch ganz und gar weggelassen werden. Die zwey folgenden Bände können um Michaelis, wenigstens bald nach Michaelis abgeliefert werden und Sie möchten solche alsdenn vielleicht noch nicht einmal brauchen. Wegen der vier leztern haben wir bis Ostern Zeit, und es wird sich davon reden laßen. Gegen Neujahr werd ich schon sagen können wie es damit werden kann. Ich habe keine sonderliche Lust die Stücke wie sie angezeigt sind, unvollendet hinzugeben, weil man denn doch am Ende wenig Dank davon zu erwarten hat. Genug, was an mir liegt, um auch die vier lezten Bände interessant zu machen, soll gewiß nicht fehlen.

Ich lege verschiedene Bemerckungen hier bey, die Bezug auf den Druck haben, machen Sie davon beliebigen Gebrauch, ein kluger Korrektor muß am Ende doch das beste thun.

Käme ja ein Fall vor, über den man sich nicht zu entscheiden wüßte, so ersuch ich Sie deshalb, direckt bey dem Herrn Generalsuperintendent Herder in Weimar anzufragen. Da ich nicht immer zu Haus' bin, so möcht' es einen Aufenthalt machen, er wird entweder mit mir über die Sache reden, oder sie selbst entscheiden, welches ich zum voraus alles genehmige.

[15] Eben so bitt ich auch, die Proben des Drucks, und in der Folge die Aushängebogen an Hrn. Generalsuperintendent zu überschicken.

Es liegt auch hier eine Abschrifft des Contracktes bey welche Sie gefällig unterschreiben und gegen ein ander Exemplar welches von meiner Hand unterschrieben in des Cammerkalculator Seidels handen ist auswechseln werden.


8/2502.


An Philipp Seidel

[2. September.]

An den Cammer Calculator Seidel die Ausgabe meiner Schriften betreffend.

1. Erhältst du hier einen Brief an Hrn. Göschen, welchen du ihm sogleich nach Leipzig zu schicken hast und ihm dabey schreibst, daß er sich wegen dieser Angelegenheit bis zu meiner Rückkunst an dich wenden möge, damit du wissest was in dem Packet enthalten; so liegt sub Nro 1. das Concept des Briefes hier bey ingleichen sub Nro 2. verschiedene Bemerkungen über die Manuscripte. Mache dir sogleich ein Fascicul Acten und hefte alles was diese Sache betrift, ein.

2. Zugleich erhältst du ein Exemplar des von mir unterschriebenen Contracktes, (NB auch das Concept des Contracktes sub Nro 3 liegt bey) wenn er dir ein gleichlautendes von ihm unterschriebenes Exemplar einhändigt, so kannst du ihm alsdenn das[16] von mir unterzeichnete überliefern und zugleich mit selbigem die gleichfalls beyliegende von ihm unterzeichnete Puncktation, den von ihm unterschriebenen Contrackt verwahrest du bis zu meiner Rückkehr wohl.

3. Bringt dir Vogel 4 versiegelte Packete mit, worinn die vier ersten Bände meiner Schriften bis auf einige Ausnahmen enthalten sind, die zwey ersten Bände giebst du an Göschen sobald er sie verlangt gegen die ersten 100 Louisd'or hin, wäre noch etwas weiter zu bemercken, so wird Vogel dieses mündlich sagen.

4. Überhaupt in dieser ganzen Sache besprich dich mit dem Herrn General-Superintendent Herder, der meine ganze Absicht kennt und weiß.

Sollte mir sonst noch was einfallen, so schreib ich dir es noch.


8/2503.


An Philipp Seidel

Dein Brief und auch die Briefe von meinen beyden Hrn. Collegen sind mir geworden; gehe zu Hrn. Geh. Rath Schnauß und Schmidt, dancke für ihr Andencken, und empfiel mich ihnen aufs beste; auch ersuche Seegern, mich an Hrn. Geh. Rath v. Fritsch der noch nicht zurück seyn wird zu empfehlen.

Fahre nur in deinen Studien fort, wenn ich wiederkomme wird sich darüber allerley reden lassen.

Hrn. v. Hendrich sage: es möchten keine Weiden[17] weggeben werden; sie seyen zum Wasserbau höchst nötig.

Grüse Hrn. Hofr. Voigt auf das beste. Ich dencke zu Ende Septembers sollst du Nachricht von mir haben.

Sage Sutorn, er soll Fritzgen Holz geben wenn er im Camin oder sonst Feuer anmachen will.

Wenn jemand nach mir fragt: so sag ich käme bald.

Der Graf Harrach wird von Wien eine neue Oper la Grotta di Trofonio in Partitur an mich schicken, der Herzog hat das Büchelchen dazu, das mein gehört. Wenn die Partitur ankommt; so bitte dir in meinem Nahmen das Büchelchen beym Herzog aus und schicke beydes an Kaysern nach Zürch. Du kannsts nach Franckfurt an seinen Vater den Organisten adressiren.

Wenn ich alles überlege, so kann ich dir keine frühere Adresse als nach Rom geben und zwar:

A Monsieur Monsieur Ioseph Cioja pour remettre

a Mr Jean Philippe Möller a Rome

du schreibst mir aber nicht dorthin als bis du wieder einen Brief von mir hast, es müsste denn ein Nothfall sein.

Verwahre diesen Brief wohl, und läugne übrigens alles gegen alle; aus meinem Munde weis niemand ein Wort.

Was du wegen meinen Schrifften zu besorgen hast, sagt dir ein besonder Blat, auch hat Vogel[18] einige Packete an dich die du bis zu meiner Rückkunft aufbewahrst.

NB. Die vier ersten Bände meiner Schrifften bringt auch Vogel mit.

Carlsb. d. 2. Sept. 86.

G.


Noch einige Aufträge


Zuvörderst hefte meine Briefe, die ich dir schreibe, zusammen, damit wenn ich wiederkomme, wir ein anhaltendes haben, und ich mich erinnere, was ich dir aufgetragen.

1.) Vogel bringt einen Kasten Steine mit, diese müssen sogleich an den Berg Secretair übergeben werden, um sie ein zu rangiren, in der Tiefe des Kastens ist eine Abtheilung, worunter das Microscop eingepackt ist, es muß sogleich ausgepackt, und wenn es ja feucht geworden wäre von einem Kunstverständigen, etwa von Böbern gepuzt werden, damit der Stahl nicht anlaufe.

a) Ferner bringt Vogel ein Paket, an meine Mutter addreßirt, mit, das du, in Wachstuch eingenäht, sogleich abschicken mußt.

Dem Hrn. v. Imhoff bezahlst du die Summe von 40 f. hiesig Geld oder 20 Conventionsthaler ingleichen was er für Vogeln auf der Reise auslegt. Das heist an Postgeld, denn Diäten hat Vogel schon.[19]


8/2504.


An Johann Gottfried und Caroline Herder

Ich lasse Euch meinen besten Danck, Wunsch und Segen zurück indem ich im stillen scheide. Ich muß enden und eilen um der Witterung und anderer Umstände willen. Wohin ich auch gehe werdet Ihr mich begleiten und das Andencken Eurer Liebe und Treue. Lebet recht wohl! ich freue mich Euch wieder zu sehn. Grüßet und küsset den guten Gustel und kommt glücklich nach Hause. Saget den Überbleibenden viel Schönes und wo möglich etwas Vernünftiges in meinem Nahmen, damit sie mir den heimlichen Abschied verzeihen.

Nun mag ich noch ein kurzes Wort von dem hamburger Ruf sagen. Das Pro und Contra erwähn' ich nicht, das kennen wir beyde. Nur Eine Betrachtung sag ich: Die zehen Weimarische Jahre sind dir nicht verlohren wenn du bleibst, wohl wenn du änderst, denn du mußt am neuen Ort doch wieder von vorne anfangen und wieder würcken und leiden bis du dir einen Würckungskreis bildest; ich weis daß bey uns viel, wie überhaupt, auch dir unangenehm ist, indessen hast du doch einen gewissen Fus und Standort den du kennst u. s. w. Es kommt doch am Ende darauf an daß man aushält und die andern ausdauert. Wieviel Fälle sind nicht möglich, da sich das Gesicht unsrer Existenz in's Beßre verändern kann.

Genug das ist heut und immer meine Meynung[20] wenn von meiner Meinung die Rede ist. Ein andres wäre wenn du dich sicher sehr verbessertest und ein ruhigeres, freyeres, deinen Gesinnungen angemesseneres Leben vor dir sähst.

Die Sache werden zu lassen halt ich für gut, damit nur einige Bewegung in die Schicksale komme, dem Ruf zu folgen aber kann ich nie rathen. Dies noch zum Abschied. Das übrig möge Euch Euer Geist sagen.

Lebt noch und nochmals wohl und behaltet mich lieb. Bald hört Ihr wieder von mir.

d. 2. Sept. 86.

G.


8/2505.


An Friedrich Constantin von Stein

Eh' ich aus Carlsbad gehe, muß ich dir noch ein Wort schreiben. Ich habe dich sehr vermißt, und wollte, ich hätte dich bei mir, auch jetzt, da ich noch meinen Weg weiter mache. Ich bin recht wohl und hoffe, du sollst es seyn und bleiben. Ich bin auch sehr fleißig gewesen, und die vier ersten Bände meiner Schriften sind in Ordnung. Der August soll dir viel erzählen; gehe manchmal zu Herders und mit Augusten spazieren, er ist ein gar gutes Kind. Du sollst Holz haben, wenn deines noch nicht angekommen ist, gedenke meiner am Camin. Lebe wohl, wenn ich zurückkomme, erzähle ich dir viel.

Carlsbad, den 2. September 1786.

G.[21]


8/2506.


An Charlotte von Stein

Morgen Sonntags d. 3ten Sept. geh ich von hier ab, niemand weiß es noch, niemand vermuthet meine Abreise so nah.

Ich muß machen daß ich fortkomme, es wird sonst zu spät im Jahr.

Die Gesellschafft ist noch recht artig hier, die Lanthieri gar gut und brav. Sonst geh ich nicht aus, und habe mich der Prinzess nur Einmal präsentirt.

Der Herdern hab ich die Philinen Silhouette recht ernstlich gezeigt und sie sehr neugierig gemacht. Verrathe es ja nicht.

Wenn du ein Packet oder eine Rolle von mir erhälst; so mache sie nicht in Gegenwart andrer auf, sondern verschließ dich in dein Kämmerlein. Vogel bringt dir noch ein Päckgen mit, von dem gilt es noch nicht.


Nachts eilfe

Endlich, endlich bin ich fertig und doch nicht fertig denn eigentlich hätte ich noch acht Tage hier zu thun, aber ich will fort und sage auch dir noch einmal Adieu! Lebe wohl du süses Herz! ich bin dein.

d. 2. Sept. 86.

G.[22]


8/2506a.


An Philipp Christoph Kayser

Zum Abschied aus Carlsbad auch Ihnen einige Worte. Ihr Brief hat mir herzliche Freude gemacht und die Beschreibung wie Sie den Anfang des vierten[130] Ackts tracktiren, macht mein Ohr recht lüstern. Heben Sie mir es auf und sobald ich zu Hause bin schreib ich Ihnen.

Daß ich Ihnen nichts weiter über die vorigen Arbeit sagen will, dahinter hab ich nichts, als daß ich aus Erfahrung weis, daß sich schriftlich über solche Dinge beynache nicht zu expliciren ist. Steh ich einmal hinter Ihnen am Klavir, oder sind wir bey einer Aufführung gegenwärtig, dann sag ich gern alles, weil man sich wechselsweise gleich versteht und modifizirt.

So haben mir Ihre Accompagnements immer viel Freude gemacht, immer sehr glücklich und empfunden geschienen, und doch finden Sie selbst vielleicht hie und da etwas zu ändern. Ich weis das an meinen Dichtungen. Wer nicht das mechanische vom Handwerck kennt, kann nicht urtheilen, den Meister kann niemand, oder höchstens das gesammte Handwerck, und den Gesellen nur der Meister meistern.

Auf den Ré Teodor ist die Grotta di Trofonio gefolgt. Ich erhalte sie von Wien und sie soll gleich zu Ihnen. Die Worte sind wieder von Casti, die Musick von Salieri. Leben Sie wohl. Von der Ausgabe meiner Schrifften hat Ihnen die Buchhändler Fama wohl schon etwas zugetragen. Leben Sie recht wohl.

[Carlsbad] d. 3 Sept. 86

G.[131]


8/2507.


An Charlotte von Stein

Auf einem ganz kleinen Blätchen geb ich meiner Geliebten ein Lebenszeichen, ohne ihr doch noch zu sagen wo ich sey. Ich bin wohl und wünschte nur das Gute was ich genieße mit dir zu theilen, ein Wunsch der mich offt mit Sehnsucht überfällt.

Ich habe ein treues Tagbuch geführt und das Vornehmste was ich gesehn was ich gedacht aufgeschrieben und nach meiner Rechnung kannst du es in der Mitte Oktbr. haben. Du wirst dich dessen gewiß freuen, und diese Entfernung wird dir mehr geben als oft meine Gegenwart. Auch wirst du einige Zeichnungen dabey finden. In der Folge mehr. Sag aber niemanden etwas von dem was du erhältst. Es ist vorerst ganz allein für dich. An der Iphigenie wird starck gearbeitet und ich hoffe auch denen zu Danck die das Alte liebten. Ich habe soviel zu erzählen und darf nichts sagen, damit ich mich nicht verrathe, noch bekenne. Du bist in Kochberg und dort besuchen dich meine Gedancken. Grüße mir Fritzen! Es betrübt mich offt daß er nicht mit mir ist, hätt ich gewußt was ich jetzt weiß, ich hätt ihn doch mitgenommen. Ich bin auf gutem Wege und diese Reise bringt mir[23] auf einmal grose Vortheile. Lebe wohl, ich freue mich herzlich dich wiederzusehen, und dir zu erzählen.

Denn was der Studente sagte: was wäre das Haus wenn ich's nicht sähe; das kann ich besser anwenden, wenn ich sage: wozu säh ich das alles wenn ich dir es nicht mittheilen könnte. Lebe Tausendmal wohl grüse Stein, die Imhof und die Kleine. Den Ernst nicht zu vergessen an den ich oft dencke.

18. Sept. 86.

G.


8/2508.


An Johann Gottfried und Caroline Herder

[18. September.]

Ein kleines Blätchen soll zu Euch kommen, und sagen daß ich wohl bin. Wo ich auch sey gedenck ich Eurer, und ietzo da mir es gut geht möcht ich nicht so allein seyn als ich bin. An der Iphigenie wird gearbeitet, nach meiner Rechnung soll sie Ende Oktbr. aufwarten, ich wünsche nur daß die Musterbilder von Versen viele ihres Gleichen mögen hervorgebracht haben. Nachdem mir das lang muthwillig verschloßne Ohr endlich aufgegangen, so verjagt nun eine Harmonische Stelle die nächste unharmonische und so wird hoffentlich das ganze Stück rein. Du wirst es von meiner Hand geschrieben erhalten. Grüset mir Gusteln, manchmal mach ich mir bey Gegenständen den Spas, mir vorzusagen was er dabey sagen würde. Wenn alles gut geht wünsch ich ihn wohl auf eine Stunde zu mir.

[24] Ich halte mir den Mund zu um nichts weiter zu sagen. Bey dem Besten was mir wiederfährt hoff ich auf eine glückliche Wiederkehr zu Euch und hoffe wiedergebohren zurückzukommen.

Gedenckt an mich recht fleisig. Ich habe Göschen geschrieben wenn beym Druck etwas zweifelhaftes vorkäme solle er dich fragen, auch dir die Aushängebogen zuschicken, du verzeihst und vollendest deine Wohlthat. Grüßt die Kinder.

G.


8/2509.


An den Herzog Carl August

[18. September.]

Aus der Einsamkeit und Entfernung einen Grus und gutes Wort! Ich bin wohl und wünsche daß Sie glücklich mögen in dem Ihrigen angelangt seyn.

Ich bin fleißig, und arbeite die Iphigenie durch, sie quillt auf, das stockende Sylbenmaas wird in fortgehende Harmonie verwandelt. Herder hat mir dazu mit wunderbarer Geduld die Ohren geräumt. Ich hoffe glücklich zu seyn.

Alsdann gehts an die Zueignung und ich weis selbst noch nicht was ich denen Avibus sagen werde. Und dann soll es immer so weiter gehn.

Wo ich bin verschweig ich noch eine kleine Zeit. Es geht mir so gut daß mich es nur offt betrübt das Gute nicht theilen zu können.

[25] Schon fühl ich in meinem Gemüth, in meiner Vorstellungsart gar mercklichen Unterschied und ich habe Hofnung einen wohl ausgewaschnen, wohl ausstaffirten Menschen wieder zurück zu bringen.

Manchmal wünscht ich denn doch zu wissen wie es in Berlin geht und wie der neue Herr sich beträgt? was Sie für Nachricht haben? Was Sie für Theil daran nehmen? Leben Sie wohl und empfehlen mich Ihrer Frau Gemahlinn, die ich mir mit dem Kleinen gerne wohl dencke, aufs beste. Es wäre möglich daß der Fall käme da ich Sie unter fremdem Nahmen etwas zu bitten hätte. Erhalten Sie einen Brief von meiner Hand, auch mit fremder Unterschrifft; so gewähren Sie die Bitte die er enthält.


8/2510.


An Christian Gottlob Voigt

[18. September.]

Daß ich Ihrer und unsrer gemeinsamen Geschäffte auch in der Entfernung nicht vergeße, glauben Sie mir ohne Betheurung. Dieses Blätgen erneure mein Andencken auch bey Ihnen und sey wenigstens ein Lebenszeichen. Da wir in dem was uns gemeinschaftlich obliegt ganz Eines Sinnes sind, und nach einerley Grundsätzen handeln, da mir Ihre Thätigkeit so bekannt ist, kann es nie Sorge werden, wenn ich nach Hause dencke und mich dieser Gegenstände erinnre.

[26] Es ist mehr Neugierde und ehstens werde ich anzeigen wo ein Briefchen von Ihnen mich finden kann, dessen Empfang mir recht erfreulich seyn soll.

Das üble Wetter dieses Sommers hat, fürcht ich, die Ilmenauer Messung manchmal gestört, vielleicht ist der Herbst günstiger, der überhaupt in der Nördlichen Gegend zu aller Arbeit im Freyen vortheilhafter scheint.

Indessen ist ein Anfang und manche Erfahrung gemacht, man wird die Zeit, in der das Ganze beendigt werden kann, und die Kosten eher überschlagen können. Die Ordnung bey der Casse dauert fort, und wir sehn zwar einer langsamen doch gewißen Geneßung entgegen.

Von unserm Bergwercke raunt mir ein böser Geist in's Ohr: daß das Wasser noch nicht herbeygebracht sey. Zwar von der Treibe bis zum Treibhaus sey der Graben in Ordnung; aber beym Kohlenwercke mache das Gefluder zu schaffen, wie an andern Orten der Graben auch noch Wasser durchlaße pp. Übrigens gehe das Abteufen des Schachtes in seiner Ordnung und Maas fort pp.

Von allem diesem werden Sie die Güte haben mir eine kurze Nachricht zu geben und meine Vermuthungen zu recktificiren.

Es kommt dann auch auf die 2te Nachricht ans Publicum an. Sie werden mir zu erkennen geben: ob sie gefertigt und publicirt werden kann, auch wie[27] die Resultate ausfallen mögten, das übrige überlaße ich Ihnen gänzlich.

Was die Bestellung der Bevollmächtigten betrifft, wünscht ich doch auch, nach unsrer letzten Abrede, dieses Geschäffte in Ordnung und Sicherheit für die Zukunft; wir waren auch da über die Grundsätze einig und es wird nur darauf ankommen einige ansehnliche Gewercken zur Annahme des Auftrags zu vermögen; da sie nach unsrer Meynung wieder andre substituiren können; so wird kein Bedencken seyn. Bertuch, Pflanz in Gera, Schlözer p, Wieland p, verstehn sich wohl dazu.

Ob übrigens sich neue Gewercken gefunden haben? wie es mit der Casse aussieht? ob die Rechnung des vorigen Jahrs nun völlig berichtigt? u. s. w. Was mir zu wissen wünschenswerth, werden Sie die Güte haben, mir auf mein nächstes gefällig zu melden.

Eben so verlangend bin ich zu wissen wie Sie und die Ihrigen Sich befinden und ob sonst nichts vorgekommen? Daß ich Tag' und Stunden sorgfältig nutze um den größten Vorteil von der kürzesten Zeit zu gewinnen, können Sie leicht dencken. Gewiß werd ich auch von sehr interessanten Gegenständen der Natur und Kunst, bey meiner Rückkunft, Rechenschaft geben können. Ich wünsche sehnlich Sie recht wohl anzutreffen und versichre daß ich noch nichts unterweges angetroffen habe, das mein Verlangen, bald nach Weimar zurück zu kehren, hätte vermindern können. Leben Sie recht wohl.[28]


8/2511.


An Philipp Seidel

Du erhältst Gegenwärtiges aus Verona von wo ich heute abgehen werde. Es ist mir alles nach Wunsch geglückt, und wenn die Reise durchaus so fortgeht; so erreiche ich meinen Zweck vollkommen. Vorbereitet wie ich zu allem bin kann ich gar viel in kurzer Zeit sehn.

Von Venedig erhälst du wieder einen Brief, auch werd ich von dort die Iphigenia abschicken; sie kann vor Ende Oktbr. bequem in Weimar sehn. Auch noch eine Stelle in der Stella zu ändern.

In beyliegenden Briefen ist kein Ort angegeben, auch durch nichts angedeutet wo ich sey, laß dich auch indem du sie bestellst weiter nicht heraus.

Du schickst mir nichts nach, es wäre denn höchst nötig, denn ich will Rom ohne Erwartung nordischer Nachrichten betreten. Von Rom schreib ich gleich und dann ist es Zeit.

Diese Reise ist würcklich wie ein reifer Apfel der vom Baum fällt, ich hätte sie mir ein halb Jahr früher nicht wünschen mögen.

Lebe wohl! Ich bin fleisig im Aufschreiben und notiren.

Es ist mir eine gute Übung allein zu seyn, da ich für mich selbst sorgen, alles selbst thun muß, nachdem ich mich solange habe gängeln und bedienen lassen.

Leb wohl. d. 18. Sept. 86.

G.[29]


8/2512.


An Charlotte von Stein

[14. October.]

Wieder ein kleines Lebenszeichen von deinem Liebenden und ich hoffe und weiß Geliebten. Mein erstes auf einem ähnlichen Blättchen wirst du erhalten haben. Ich bin wohl, habe das schönste Wetter und geht mir alles glücklich. Mein Tagebuch ist zum erstenmal geschloßen, du erhälst ehstens die genaue Geschichte jedes Tags seitdem ich dich verließ, alles was ich gethan gedacht und empfunden habe. Behalt es aber für dich, wie es nur für dich geschrieben ist, wir wollen bey meiner Rückkunft, jedem daraus das seinige mittheilen. Bald meld ich auch wohin du mir schreiben kannst, und wie freu ich mich von dir zu hören und deine Hand wieder zu sehen. Fritzen wünsch ich hundertmal zu mir. Ich habe das schönste Wetter. Ich fürchte nur aus allerley Symptomen und Nachrichten daß es euch übel geht.

Ich habe dir zeither soviel gesagt, dir so alles aufs Papier gesetzt, daß ich dir nichts hinzuzuthun weiß. Du mußt nur noch vom Empfang dieses Briefs etwa 14 Tage Geduld haben; so hast du alles.

Anfangs gedacht ich mein Tagebuch allgemein zu schreiben, dann es an dich zu richten und das Sie[30] zu brauchen damit es kommunikabel wäre, es ging aber nicht es ist allein für dich. Nun will ich dir einen Vorschlag thun.

Wenn du es nach und nach abschriebst, in Quart, aber gebrochene Blätter, verwandeltest das Du in Sie und liesest was dich allein angeht, oder du sonst denckst weg; so fänd ich wenn ich wiederkomme gleich ein Exemplar in das ich hinein korrigiren und das Ganze in Ordnung bringen könnte.

Du müßtest aber doch daraus nicht vorleßen, noch kommuniciren, denn sonst hab ich nichts zu erzählen wenn ich zurückkomme. Auch sagst du nicht daß du es hast, denn es soll noch niemand wißen, wo ich sey und wie es mit mir sey.

Lebe wohl. Behalte mich lieb. Meine Hoffnung ist dich wieder zu sehn. Ich verliere keine Stunde und bleibe nicht länger aus als nötig ist. Lebe wohl. Grüße Fritzen ich kann ihm heute nicht schreiben. Ich freue mich seiner in Hoffnung.

G.


8/2513.


An Johann Gottfried Herder

[14. Oktober.]

Ê polla brotois estin idousi

gnônai prin idein d', oudeis mantis

tôn mellontôn ho, ti praxei.

Über diesen Text mein Bester mögt ich viel verhandeln, aber es ist noch zu früh, und ich sende nur[31] ein Blätchen wieder zum Lebenszeichen und zur Versichrung daß mirs wohl und nach Wünschen geht. Ich verlange nicht daß alles Genuß sey, ich suche nur alles zu nützen und das geräth mir. An der Iphigenie hab ich noch zu thun. Sie neigt sich auch zur völligen Crystallisation. Der vierte Ackt wird fast ganz neu. Die Stellen die am fertigsten waren plagen mich am meisten. ich mögte ihr zartes Haupt unter daß Joch des Verses beugen ohne ihnen das Gnick zu brechen. Doch ists sonderbar daß mit dem Sylbenmas sich auch meist ein beßerer Ausdruck verbindet.

Die Stunden des Wegs, des Wartens bring ich mit dieser Arbeit angenehm zu. Sonst hab ich viel zu sehn und zu lernen. Gott sey Danck vorbereitet bin ich genug- und möcht es doch noch mehr seyn. In wieviel Dinge man doch recht kindisch pfuscht, ohne einen Begriff davon zu haben.

So lange hab ich nun von niemand ein Wort gehört der mir lieb wäre. Ich übe meinen Rathegeist wie es euch gehn mögte.

Die Frau ist recht herzlich von mir gegrüßt, und die Kinder. Wenn man nur seine Leute zur rechten Stunde immer herbeyhohlen könnte, ich hätte manches zu theilen, manchmal verdrießts mich daß ich so allein bin und manchmal seh ich denn doch daß es nothwendig war.

Dabey lern ich denn auch, alles wohl berechnet, daß es nicht gut ist daß der Mensch allein sey, und[32] sehne mich recht herzlich zu den meinigen. Die Fremde hat ein fremdes Leben und wir können es uns nicht zu eigen machen, wenn es uns gleich als Gästen gefällt.

Lebt wohl und bleibt mir. Bald laß ich wieder von mir hören. Grüßt Gusteln.

Ich habe das schönste Wetter, ich fürchte ihr habt es nicht. Die Zeitungen sagen mir in Böhmen hab es geschneit. Was wirds bey euch seyn. Lebt wohl.


8/2514.


An den Herzog Carl August

[14. October.]

Noch ein freundliches, frohes Wort aus der Ferne, ohne Ort und Zeit. Bald darf ich den Mund öffnen und sagen wie wohl mir's geht. Ich bin gesund und hoffe von Ihnen und den Ihrigen das Beste, wie wird mich's freuen auch wieder ein Wort von Ihnen zu sehen.

Wie sonderbar unser Zusammenseyn im Carlsbad mir vorschwebt, kann ich nicht sagen. Daß ich in Ihrer Gegenwart gleichsam Rechenschafft von einem großen Theil meines vergangnen Lebens ablegen mußte, und was sich alles anknüpfte. Und daß ich meine Hegire just von Ihrem Geburtstag datire. Alles dieses läßt mich abergläubischen Menschen die wunderlichsten Erscheinungen sehn. Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.

[33] Die Zeitungen lehren mich etwas spät, wie es in der Welt bunt zugeht. Görz im Haag, der Statthalter und die Patrioten in Waffen, der neue König für Oranien erklärt! Was wird das werden? an allen Ecken und Enden saußt das Menschengeschlecht wieder einmal. Und ich indeß, mitten in dem was der Krieg erwarb (Fleiß und Klugheit nicht ausgeschloßen) genieße der schönsten Gaben des Friedens. Wie oft wünsch ich Sie zu mir um Sie manches Guten theilhaftig zu sehn.

Leben Sie recht wohl, bleiben Sie mir, empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn. Ehstens mehr und, wie man zu sagen pflegt, ein vernünftig Wort.

Leben Sie recht wohl. Es versteht sich daß man glaubt Sie wißen wo ich sey.


8/2515.


An Philipp Seidel

[14. Oktober.]

Hier wieder Briefe die das nötige enthalten. Was Dich betrifft du thust vor wie nach als wüßtest du nicht wo ich sei.

Heute d. 14. Oktbr. geh ich von Venedig. Ich habe diese wundervolle Stadt recht wohl gesehn. Du erhälst mit der Fahrenden ein Packet das du der Fr. v. Stein zustellst und eine Kiste, die du eröffnest und die darinn enthaltnen Sachen nach der dabey befindlichen Anweisung austheilst. Die Kiste wird später kommen.

[34] Ich bin wohl und sehe auf diese Art fast mehr, als wenn ich mit mehreren Umständen und Empfehlungen reiste. Mit Lohnbedienten besonders hier bin ich sehr glücklich.

Von Florenz aus schreib ich mehr und dann auch wohin du mir schreiben und schicken sollst.

In der Stella ist noch etwas zu verändern wenn es nicht schon Herder bemerckt hat. Auch diese Veränderung soll mit der Iphigenie kommen, die ich hier nicht habe beendigen können. Es kommt auf einige glückliche Tage an; so ist sie fertig. Auch hat es gewiß keine Eile; denn an Werther und Götz von Berlichingen p haben sie eine Weile zu drucken. Lebe wohl. Genieße und gebrauche der Zeit. Meine Einsamkeit bekommt mir wohl, doch freu ich mich nach so langem Fasten, des guten Tischbeins in Rom.

Ich habe die Briefe nur sauber geleimet und nicht gesiegelt, sieh zu daß du etwa eine saubre Antike findest und siegle jeden hübsch in die Mitte des breitsten Überschlags und sende sie an die Behörden.

NB das Packet was mit der Fahrenden ankommen sollte kommt auch erst mit der Kiste und zwar ist es nicht drinnen, sondern in der Emballage, in Wachstuch eingewickelt, versiegelt, und mit meiner Adresse versehn. Wenn du also das äussere Tuch abnimmst wirst du es unter dem Stroh finden.

Die Sachen in der Kiste sind alle beschrieben und du wirst sie darnach austheilen und ausheben.

[35] Sage der Frau von Stein: das versprochene Tagebuch würde später kommen, weil es nicht mit der Post, sondern mit Fuhrleuten ginge.

Hrn. Commercien Rath Paulsen kannst du melden Hr. Möller habe in Venedig von Reck und Lamnit 167 französische Livres und 14 Scudi erhalten.

Lebe wohl. Grüße Fritzen und sag ihm er solle nun auch ehstens ein Briefchen von mir erhalten.

Meinen Brief von Verona vom 18. Sept. (glaube ich) mit den Einschlüßen wirst du erhalten haben.

Schreibe mir alles hübsch sorgfältig zu seiner Zeit.

An natürlichen Gegenständen so wie der Kunst halt ich reiche Erndte. Lebe wohl.[36]


8/2516.


An den Freundeskreis in Weimar

Rom d. 1. Nov. 1786.

Endlich bin ich in dieser Hauptstadt der alten Welt angelangt! Wenn ich sie in guter Begleitung, angeführt von einem recht verständigen Manne, vor funfzehn Jahren gesehn hätte, wollte ich mich glücklich preisen. Sollte ich sie aber allein, mit eignen Augen sehen und besuchen; so ist es gut daß mir diese Freude so spät zu Theil ward.

Über das Tyroler Gebirg bin ich gleichsam weggeflogen, Verona, Vicenz, Padua, Venedig habe ich gut, Ferrara, Cento, Bologna flüchtig und Florenz kaum gesehn. Die Begierde nach Rom zu kommen war so groß, wuchs so sehr mit jedem Augenblicke, daß kein Bleibens mehr war, und ich mich nur drey Stunden in Florenz aufhielt.

Nun bin ich hier und ruhig und wie es scheint auf mein ganzes Leben beruhigt.

Denn es geht, man darf wohl sagen, ein neues Leben an, wenn man das Ganze mit Augen sieht, das man Theilweise in und auswendig kennt. Alle Träume meiner Jugend seh ich nun lebendig, die ersten Kupferbilder deren ich mich erinnre (mein Vater hatte die Prospeckte von Rom auf einem Vorsaale aufgehängt)[37] seh ich nun in Wahrheit, und alles was ich in Gemählden und Zeichnungen, Kupfern und Holzschnitten in Gyps und Korck schon lange gekannt steht nun beysammen vor mir, wohin ich gehe sind ich eine Bekanntschaft in einer neuen Welt, es ist alles wie ich mir's dachte und alles neu.

Eben so kann ich von meinen Beobachtungen von meinen Ideen sagen. Ich habe keinen ganz neuen Gedancken gehabt, nichts ganz fremd gefunden, aber die alten sind so bestimmt, so lebendig, so zusammenhängend geworden, daß sie für neu gelten können.

Da Pygmalions Elise, die er sich ganz nach seinen Wünschen geformt, und ihr soviel Wahrheit und Daseyn gegeben hatte, als der Künstler vermag, endlich auf ihn zukam und sagte: ich bins! wie anders war die Lebendige, als der gebildete Stein.

Wie moralisch heilsam ist mir es dann auch, unter einem ganz sinnlichen Volcke zu leben, über das so viel Redens und Schreibens ist, das jeder Fremde nach dem Maasstabe beurtheilt den er mitbringt. Ich verzeihe jedem der sie tadelt und schilt, sie stehen zu weit von uns ab und als Fremder mit ihnen zu verkehren ist beschwerlich und kostspielig.

Für mich ist es ein Glück daß Tischbein ein schönes Quartier hat, wo er mit noch einigen Mahlern lebt. Ich wohne bey ihm und bin in ihre eingerichtete Haushaltung mit eingetreten, wodurch ich Ruh und Häuslichen Frieden in einem fremden Lande genieße.

[38] Die Hausleute sind ein redliches altes Paar, die alles selbst machen und für uns wie für Kinder sorgen. Sie waren gestern untröstlich als ich von der Zwiebel Suppe nicht aß, wollten gleich eine andre machen u. s. w. Wie wohl mir dies aufs Italiänische Wirthshausleben thut, fühlt nur der der es versucht hat. Das Haus liegt im Corso, keine 300 Schritte von der Porta del Popolo.

Die merckwürdigsten Ruinen des alten Roms, St. Peter, die Plätze, den Papst und die Kardinäle in der Pauls Capelle am heutigen Feste, die Villa Borghese habe ich gesehen und nun soll täglich etwas neues vorgenommen werden. Ich bin wohl und empfehle mich durch diesen eilig und vorläufig geschriebnen Brief. Durchl. dem Herzoge, Durchl. der reg. Herzoginn, Durchl. der Herzoginn Mutter, Durchl. Prinzen August, Hrn. und Fr. v. Stein, Hrn. und Fr. General Superintendent Herder, Hrn. v. Knebel mit Bitte, mir ein gnädiges und freundschafftliches Andencken zu erhalten und vorerst den Ort meines Aufenthaltes niemanden zu entdecken.

G.


8/2517.


An den Herzog Carl August

Rom. d. 3. Nov.

Endlich kann ich den Mund aufthun und Sie mit Freuden begrüßen, verzeihen Sie das Geheimniß[39] und die gleichsam unterirdische Reise hierher. Kaum wagte ich mir selbst zu sagen wohin ich ging, selbst unterwegs fürchtete ich noch und nur unter der Porta del Popolo war ich mir gewiß Rom zu haben.

Und laßen Sie mich nun auch sagen daß ich tausendmal, ja beständig an Sie dencke, in der Nähe der Gegenstände, die ich ohne Sie zu sehen niemals glaubte. Nur da ich Sie mit Leib und Seele in Norden gefesselt, alle Anmuthung nach diesen Gegenden verschwunden sah, konnte ich mich entschließen einen langen einsamen Weg zu machen und die Gegenstände zu suchen, nach denen mich ein unwiderstehliches Bedürfniß hinzog. Ja die letzten Jahre wurd es eine Art von Kranckheit, von der mich nur der Anblick und die Gegenwart heilen konnte. Jetzt darf ich es gestehen Zuletzt durft ich kein Lateinisch Buch mehr ansehn, keine Zeichnung einer italiänischen Gegend. Die Begierde dieses Land zu sehn war überreif, da sie befriedigt ist, werden mir Freunde und Vaterland erst wieder recht aus dem Grunde lieb, und die Rückkehr wünschenswerth. Wird es dann in der Folge-Zeit möglich, es auch mit Ihnen zu sehen und Ihnen durch die Kenntniße die ich jetzt erwerbe, hier, und indeß zu Hause, nützlich zu werden; so bleibt mir fast kein Wunsch übrig.

Die Dauer meines gegenwärtigen Aufenthalts wird von Ihren Wincken, von den Nachrichten von Hause abhängen, bin ich einige Zeit entbehrlich; so laßen[40] Sie mich das gut vollenden was gut angefangen ist und was jetzt mit Einstimmung des Himmels gethan scheint.

Aber zugleich bitte ich: schreiben Sie mir sobald als möglich, von Sich, den Ihrigen und was vorgeht und wie es in Norden aussieht. Seit dem Halben October bin ich zurück, hier hab ich noch an keine Zeitung dencken können. Denn auch auf der Reise hab ich fast zuviel aufgepackt, zuviel angegriffen, daß es mir zuletzt lästig ward.

In Vicenz hab ich mich an den Gebäuden des Palladio höchlich geweidet und mein Auge geübt. Seine Vier Bücher der Baukunst, ein köstliches Werck, und den Vitruv des Galiani hab ich mir angeschafft und schon fleißig studirt, hier werd ich in Gesellschafft eines guten Architeckten, die Reste der alten, die Gebäude der neuen Zeit besehen und nicht allein meinen Geschmack bilden, sondern auch im Mechanischen mir Kenntniße erwerben, denn eins kann ohne das andre nicht bestehen. Haben Sie die Güte mir zu schreiben: wieviel Bände sie von denen in Vicenz herausgekommnen Gebäuden des Palladio besitzen? ich glaube zwey; Es sind ihrer aber jetzt fünfe die man alle haben muß. Wenn ich weiß was fehlt will ich die andern zu kaufen suchen, sie sind jetzt schon rar geworden.

Gemälde und Statuen zu sehen hilft mir des Hofrath Reifenstein lange Pracktick und Tischbeins Künstler Auge. und ich sehe denn nur so hin.

[41] Überhaupt bleibt nun meinen Wünschen nichts übrig als daß Sie mir Ihre Liebe erhalten, damit ich zurückkehrend eines neuen Lebens, das ich in der Fremde erst schätzen lerne, mit Ihnen genießen möge. Leben Sie recht wohl. Aus Mangel der Zeit und damit der Posttag nicht vorbeygehe hab ich beyliegendes Cirkularschreiben verfaßt und bitte es denen am Ende benannten Personen mitzutheilen.

G.


8/2518.


An Philipp Seidel

Rom d. 4. Nov.

Ich bin hier glücklich angelangt, schicke mir nun alles, was du gesammelt hast. Du machst über den Brief an mich, den du nur mit Oblaten siegelst, oder leimst, noch ein Couvert mit der Addresse: Al Sgr. Tischbein, Pittore Tedesco, al Corso, incontro del Palazzo Rondanini. Roma.

Heute schreib ich nur dies; nächstens mehr. Laß dir von Hrn. Hofrath Voigt auch ein Briefchen geben und verschweige solang es geht wo ich sey.

schreibe mir auch, wann dieser Brief angekommen; er geht d. 4. Nov. ab. Lebe wohl. Das Gesetz und die Propheten sind nun erfüllt, und ich habe Ruhe vor den Römischen Gespenstern auf Zeitlebens.

Lebe wohl Liebe mich.

G.[42]


8/2518a.


An den Freundeskreis in Weimar

[Rom, Anfang November 1786?]

Ich bitte diejenigen die mich lieben und mir wohl wollen mir ein Wort in die Ferne bald zu sagen, und dem Briefe an mich der nur mit Oblaten gespiegelt werden kann, noch einen Umschlag zu geben mit der Adresse

Al Sgr. Tischbein

Pittore Tedesco

al Corso, incotro del

Palazzo Rondanini

Roma.[40]


8/2519.


An Katharina Elisabeth Goethe

Rom d. 4. Nov. 86.

Vor allem andern muß ich Ihnen sagen liebe Mutter daß ich glücklich und gesund hier angelangt bin. Meine Reise die ich ganz im Stillen unternahm hat mir viel Freude gemacht. Ich bin durch Bayern, Tyrol über Verona, Vicenz, Padua, Venedig, Ferrara, Bologna, und Florenz hier hergekommen, ganz allein und unbekannt, auch hier observire ich eine Art Inkognito.

Wie wohl mir's ist daß sich soviele Träume und Wünsche meines Lebens auflösen, daß ich nun die Gegenstände in der Natur sehe die ich von Jugend auf in Kupfer sah, und von denen ich den Vater so oft erzählen hörte, kann ich Ihnen nicht ausdrücken.

Alle diese Dinge seh ich freylich ein wenig späte, doch mit desto mehr Nutzen und viel in kurzer Zeit.

Wie lang ich bleibe weiß ich noch nicht, es wird darauf ankommen wie es zu Hause aussieht. Auf alle Fälle geh ich über die Schweitz zurück und besuche Sie. Da wollen wir uns was rechts zu Gute thun, doch das bleibt alles unter uns.

Heute hab ich nicht Zeit viel zu sagen, nur wollt ich daß Sie schnell die Freude mit mir theilten. Ich werde als ein neuer Mensch zurückkommen und mir und meinen Freunden zu größerer Freude leben.

[43] Innliegenden Brief schicken Sie an die Bethmänner ohne daß diese eben erfahren daß der Brief durch Sie gegangen ist. Die Bethmänner haben mir ohne es selbst zu wissen unter einem fremden Nahmen Credit gemacht.

Schreiben Sie mir bald und viel wie es Ihnen geht und sonst was Neues, in der Fremde ist alles von Freunden und Lieben interessant.

Auch wann dieser Brief ankommt damit ich mich danach richten kann. Leben Sie wohl und lieben mich.

G.


8/2520.


An den Freundeskreis in Weimar

Rom d. 7. Nov. 86.

Ich bin nun zehen Tage hier und nach und nach thut sich vor mir der allgemeine Begriff dieser Stadt auf. Wir gehen fleißig auf und ab, ich mache mir den Plan des alten und des neuen Roms bekannt, betrachte die Ruinen, die Gebäude, besuche ein und die andre Ville, alsdann nehmen wir die größten Merckwürdigkeiten ganz langsam, ich thue nur die Augen auf und sehe und gehe und komme wieder. Der Menschen wird auch nicht vergeßen und so macht sich's nach und nach. Denn gewiß man kann sich nur in Rom auf Rom bereiten.

Das menschlich interessanteste was ich auf der Reise fand, war die Republick Venedig, nicht mit[44] Augen des Leibs sondern des Geists gesehen. Das größte Werck der innern Großheit nach die Rotonde, das größte dem Maase nach, die Peterskirche (wie denn wohl nun kein größer Gebäude in der Welt steht) und das genialischte, daß man sagen muß es scheint unmöglich, ist der Apoll von Belvedere. Denn so viel ich auch Abgüße gesehen habe, selbst ein gutes Bruststück besitze; so glaubt man doch die Statue nie gesehn zu haben. Des übrigen vielen Guten und Herrlichen nicht zu gedencken.

Die Logen von Raphael und die großen Gemählde der Schule von Athen pp hab ich nur erst einmal gesehn und da ists als wenn man den Homer aus einer zum Theil verloschnen, beschädigten Handschrifft herausstudiren sollte. Das Vergnügen des ersten Eindrucks ist unvollkommen. Nur wenn man nach und nach alles recht durchgesehn und studirt hat wird der Genuß ganz. Am erhaltensten sind die Deckenstücke der Logen, die Biblische Geschichten vorstellen, so frisch wie gestern gemahlt, zwar die wenigsten von Raphaels eigner Hand doch gar trefflich nach seinen Zeichnungen und unter seiner Aufsicht. Tischbein der immer an mich gedacht und für mich gesorgt hat, hat mir ein Paar durch einen jungen geschickten Künstler kopiren laßen, die ich schon hier fand und mir viel Freude machen. Auch hat er die Steine recht gründlich studirt, wobey ihm sein Künstler Auge und die Künstler Lust an sinnlichen Dingen sehr geholfen hat. Ich schrieb[45] ihm einmal darum und das bracht ihn darauf. Ich bin nun auf diesen Theil ziemlich vorbereitet und es vermehrt das Vergnügen, alle die Kostbarkeiten mit Unterscheidung und Kenntniß anzusehn.

Bey Angelika Kaufmann bin ich zweymal gewesen, sie ist gar angenehm und man bleibt gern bey ihr.

Hofrath Reifenstein erzeigt mir viel Gefälligkeit.

An Trippeln hab ich einen sehr braven Künstler kennen lernen.

Und nicht genug kann ich sagen was Tischbein ein guter und natürlich verständiger Mensch ist. Er giebt sich viel Mühe und ist gewiß auf einem guten Wege der Kunst.

Ein saures und trauriges Geschäfte ist es, das alte Rom aus dem neuen heraus zu suchen, und doch muß man es und es giebt die beste Freude. Man trifft Spuren einer Herrlichkeit und einer Zerstörung die beyde über unsre Begriffe gehn. Was die Barbaren stehen ließen, haben die Baumeister des neuen Roms verwüstet.

Zum Schluß nenn ich nur noch das Colisee und die Bäder des Diokletians als Gegenstände der stillen und ernstesten Bewunderung und das neue Museum als ein kostbares schönes Institut. Für diesmal das beste Lebe wohl.

G.[46]


8/2521.


An Charlotte von Stein

Rom d. 7. [- 11.?] Nov. 86.

Laß dich's nicht verdrießen meine Beste daß dein Geliebter in die Ferne gegangen ist, er wird dir beßer und glücklicher wiedergegeben werden. Möge mein Tagebuch das ich biß Venedig schrieb, bald und glücklich ankommen, von Venedig bis hierher ist noch ein Stück geworden das mit der Iphigenie kommen soll, hier wollt ich es fortsetzen allein es ging nicht. Auf der Reise rafft man auf was man kann, jeder Tag bringt etwas und man eilt auch darüber zu dencken und zu urtheilen. Hier kommt man in eine gar große Schule, wo Ein Tag soviel sagt und man doch von dem Tage nichts zu sagen wagt.

Auf dem beyliegenden Blatte hab ich etwas geschrieben, das du auch den Freunden mittheilen kannst, für dich allein behalte die Versicherung daß ich immer an dich dencke und von Herzen dein bin. Ein großes Glück ist mir mit Tischbein zu leben und bey ihm zu wohnen, in treuer Künstlergesellschafft, in einem sichern Hause, denn zuletzt hat ich doch des Wirthshauslebens satt.

Wenn du mit deinem Auge und mit der Freude an Künsten, die Gegenstände hier sehn solltest, du würdest die größte Freude haben, denn man denckt[47] sich denn doch mit aller erhöhenden und verschönernden Immagination das Wahre nicht.

Ich bin recht wohl. Das Wetter ist wie die Römer sagen brutto, es geht ein Mittagwind (Sirocco) der täglich mehr oder weniger Regen bringt. Mir aber ist diese Witterung nicht unangenehm, es ist warm dabey, wie bey uns im Sommer regnichte Tage nicht sind.

Rom ist nur ein zu sonderbarer und verwickelter Gegenstand um in kurzer Zeit gesehen zu werden, man braucht Jahre um sich recht und mit Ernst umzusehn. Hätte ich Tischbein nicht der so lange hier gelebt hat und als ein herzlicher Freund von mir, so lange mit dem Wunsche hier gelebt hat mir Rom zu zeigen; so würde ich auch das weder genießen noch lernen, was mir in der kurzen Zeit bescheert zu seyn scheint; und doch seh ich zum voraus daß ich wünschen werde anzukommen wenn ich weggehe. Was aber das größte ist und was ich erst hier fühle; wer mit Ernst sich hier umsieht und Augen hat zu sehen muß solid werden, er muß einen Begriff von Solidität faßen der ihm nie so lebendig ward. Mir wenigstens ist es so als wenn ich alle Dinge dieser Welt nie so richtig geschätzt hätte als hier. Welche Freude wird mirs seyn dich davon zu unterhalten.

Nun warte ich sehnlich auf einen Brief von dir und werde dir öffters schreiben du nimmst mit wenigem vorlieb, denn Abends ist man müde und[48] erschöpft vom Lauffen und Schauen des Tags. Bemerckungen zeichne ich besonders auf und die sollst du auch zu seiner Zeit erhalten.

Wo man geht und steht ist ein Landschafft Bild, aller Arten und Weisen. Palläste und Ruinen, Gärten und Wildniß, Fernen und Engen, Haüsgen, Ställe, Triumphbögen und Säulen, offt alles zusammen auf Ein Blatt zu bringen. Doch werd ich wenig zeichnen, die Zeit ist zu kostbar, ob ich gleich lernen und manches mitbringen werde.

Leb wohl. Der Herzog wird nun einen Brief von mir haben und du auch, die d. 4ten abgegangen sind.

Leb wohl. Grüße die deinen. Liebe mich. Empfiel mich dem Herzog und der Herzoginn.

Geht ab d. 11. Nov.

G.


8/2522.


An Friedrich Constantin von Stein

[10. November?]

Mein lieber Fritz! Wie sehr es mich verlangt, etwas auch von dir zu wissen, kannst du denken, da du weißt, wie lieb ich dich habe. Oft thut es mir im Herzen weh, daß du nicht bei mir bist, da ich so viele und so merkwürdige Gegenstände täglich betrachte. Laß dir von deiner Mutter sagen, wo ich bin, und laß dir sonst von ihr mittheilen, was ich ihr schreibe.

Ich bin in einem schönen warmen Lande, es fängt[49] jetzt an, zum zweitenmal auf Wiesen und Plätzen grün zu werden. Das Gras und die Kräuter keimen zum zweitenmale, und wenn auch die Blätter von vielen Bäumen fallen, so sind doch viele, die immer grün bleiben. Es geht ein warmer Wind, der zwar oft Regen bringt, doch mir nicht schadet, wie er Andern thut, die länger hier sind.

Lebe wohl! Sey brav und gedenke meiner; laß dir in meinem Zimmer wohl werden. Morgen und Abend macht man doch auch schon hier Caminfeuer.

Ich hätte dir wohl viel zu sagen, es wird sich aber besser erzählen lassen.

G.


8/2523.


An Johann Gottfried und Caroline Herder

d. 10. [und 11.] Nov. Rom.

Vierzehn Tage bin ich hier, und habe mich schon recht umgesehn. Ein Paar Blätter die ich dem Herzog und Fr. v. Stein schickte, werden Euch im allgemeinen mehr sagen, nun auch ein besondres Wort an Euch, meine besten, das zur guten Stunde zu euch kommen möge. Ich habe endlich das Ziel meiner Wünsche erreicht und lebe hier mit einer Klarheit und Ruhe, die Ihr Euch denckt weil ihr mich kennt. Meine Übung alle Dinge wie sie sind zu sehen und zu lesen, meine Treue das Auge Licht seyn zu laßen, meine völlige Entäusserung von aller Prätention, machen[50] mich hier höchst im Stillen glücklich. Alle Tage ein neuer merckwürdiger Gegenstand, täglich neue, grose, seltsame Bilder und ein Ganzes, das man sich lange denckt und träumt, nie mit der Einbildungskrafft erreicht.

Heute war ich bey der Pyramide des Cestius und Abends auf dem Palatin, oben auf den Ruinen der Kayser Palläste, die wie Felsenwände dastehn.

Von allem diesem mag und kann ich nichts sagen, das sey zur Wiederkunft aufgespaart. Was ich aber sagen kann und was mich am tiefsten freut ist die Würckung, die ich schon in meiner Seele fühle: es ist eine innre Solidität mit der der Geist gleichsam gestempelt wird; Ernst ohne Trockenheit und ein gesetztes Wesen mit Freude. Ich dencke die gesegneten Folgen auf mein ganzes Leben zu fühlen.

Wenn man so eine Existenz ansieht die 2000 Jahr und drüber alt ist, durch die Wechsel der Zeiten so manigfaltig und von Grund aus verändert, und doch noch derselbe Boden, derselbe Berg, ia oft, dieselbe Säule und Mauer, und im Volcke noch die Spuren des alten Carackters; so wird man ein Mitgenoße der großen Rathschlüße des Schicksals.

Und dann ist nichts Kleines hier, wenn auch Scheltenswerthes und Abgeschmacktes alles hat Theil an der Grosheit des Ganzen genommen.

Was ich da sage raff ich nur so auf das bessre soll in Gesprächen ausgelegt werden. Ich bin fleißig[51] und bin nicht hier um nur nach meiner Art zu genießen, ich will lernen und mich ausbilden eh ich 40 Jahr alt werde.

Das seltsamste und schwerste in der Betrachtung ist: wie Rom auf Rom folgt und nicht allein das neue aufs alte, sondern die verschiednen Epochen des alten selbst aufeinander. Man müßte Jahre hier bleiben um den Begriff recht lebendig zu haben, ich fühle nur die verborgnen und halbsichtbaren Punckte.

Wie vieles hätt ich zu sagen. Auf der Reise und schon hier hab ich unmäsig aufgepackt.

An der Iphigenie wird immer fort gearbeitet. Ich habe mich mit diesem Stücke selbst betrogen indem ich mir die Arbeit leichter vorgebildet. Was ich gethan habe darf ich nicht sagen du wirst es sehn.

Grüßt mir die Kinder. Wie oft wünsch ich mir Gusteln. besonders neulich auf den Ruinen des Neronischen Pallasts wo man jetzt auf den Artischocken Ländern sich Marmorn, Porphyrn, Graniten immer die Taschen voll steckt, die von der alten Herlichkeit noch unerschöpfliche Zeugen sind. Lebt wohl und schreibt mir bald und verzeiht meiner Eile, schreibt mir nur recht viel und ausführlich und den Brief nur mit Oblaten gesiegelt, schliest in einen Umschlag

a Mr Tischbein, Peintre Allemand al Corso

incontro al Palazzo Rondanini.

Lebt wohl. Liebt mich ich bleibe Euch und sehne mich herzlich euch wiederzusehn.

[52] Da ich das Couvert mache verdrießt michs soviel weiß Papir fortzuschicken und doch ists schon späte. Heut hab ich die Nymphe Egerie besucht, dann die Rennbahn des Caracalla, die zerstörten Grabstäten längst der Via Appia und das Grab der Metella, das einem erst einen Begriff von solidem Mauerwerck giebt. Diese Menschen arbeiteten für die Ewigkeit, es war auf alles kalkulirt, nur auf den Unsinn der Verwüster nicht, dem alles weichen mußte.

Recht sehnlich hab ich dich herzugewünscht. Die Reste der grosen Wasserleitung sind höchst ehrwürdig. Der schöne große Zweck ein Volck zu träncken, durch eine so ungeheure Anstalt.

Abends kamen wir ans Colisee da es schon dämmrig war, wenn man das ansieht, scheint wieder alles andre klein, es ist so gros daß man das Bild nicht in der Seele behalten kann, man erinnert sich dessen nur kleiner wieder und kommt man dahin zurück; kommt es einem aufs neue größer vor. Lebt wohl.

Ich könnte so immer fortschreiben. Das Papier schließt, nicht ich. d. 11. Nov.


8/2524.


An Charlotte von Stein

Fraskati d. 15. [und Rom 17. f.] Nov.

Die Gesellschafft ist zu Bette und ich schreibe dir noch aus der Tusch Muschel aus welcher gezeichnet[53] worden ist. Wir haben ein Paar schöne, regenfreye Tage hier gehabt, warm und freundlichen Sonnenschein daß man den Sommer nicht vermißt. Die Gegend ist sehr angenehm, der Ort liegt auf einem Hügel, vielmehr an einem Berge und jeder Schritt bietet dem Zeichner die herrlichsten Gegenstände. Die Aussicht ist weit, man sieht Rom liegen und weiter die See, an der rechten Seite die Gebirge von Tivoli und so weiter. vielleicht bring ich dir etwas gezeichnetes mit. In dieser lustigen Gegend sind Landhäuser recht zur Lust angelegt und wie die alten Römer schon hier ihre Villen hatten, so haben vor hundert Jahren und mehr, reiche und übermüthige Römer ihre Landhäuser auch auf die schönsten Flecke gepflanzt. Zwey Tage gehn wir schon hier herum und es ist immer etwas neues und reitzendes. Nur macht es mich stille und traurig, da ich gewohnt bin alles Gute in deiner Gesellschaft oder in Beziehung auf dich zu genießen, daß du das Schöne nicht sehen sollst.


Rom d. 17.

Wir sind zurück. Heute Nacht fiel ein entsetzlicher Regenguß mit Donnern und Blitzen, heute regnet es fort und ist immer warm dabey.

Wie gern erzählt ich dir von dem was ich gesehn habe, wenn nur erzählen das mindste eines Bildes hinüber tragen könnte. Frescogemählde von Domenichin in Andrea della Valle, desgleichen von den Carrache in der Gallerie Farnese.

[54] Sieh Volckmann. 2. Th. 443 und 413.

Nun muß ich dir aber noch von einem wunderbar problematischen Bilde schreiben, das ich auf iene sah und was sich auf jene sehn läßt.


d. 18.

Ich bin gestört worden und kann dir heute kaum die Geschichte des wunderbaren Gemäldes schreiben.

Es ist wieder schön Wetter, ein heller, freundlicher, warmer Tag.

Heute haben wir in der Farnesina die Geschichte der Psyche gesehn, die du aus meinen Zimmern kennst.

Dann auf Pietro in Montorio die Verklärung von Rafael. Alles alte Bekannte, wie Freunde die man sich in der Ferne durch Briefwechsel gemacht hat und nun von Angesicht sieht.

Auch finden sich herrliche Sachen, von denen nicht soviel Redens ist, die nicht so offt durch Kupfer und Nachbildungen in die Welt gestreut sind.

Vielleicht bring ich einiges mit, gezeichnet von guten jungen Künstlern.


Nun noch zum Schluß die oben versprochne Geschichte.

Schon vor mehreren Jahren hielt sich hier ein Franzoß auf, der als Liebhaber der Kunst und Sammler bekannt war. Er kommt zum Besitz eines anticken Gemäldes auf Kalck, niemand weiß woher. er läßt das Bild durch Mengs restauriren und hat es als[55] ein geschätztes Werck in seiner Sammlung. Winckelmann spricht irgendwo mit Enthusiasmus davon, es stellt den Ganymed vor, der dem Jupiter eine Schaale Wein reicht und dagegen einen Kuß empfängt. Der Franzoße stirbt und hinterläßt das Bild seiner Wirthinn als antick. Mengs stirbt und sagt auf seinem Todbette: es sey nicht antick, er habe es gemahlt. Und nun streitet alles gegen einander. Der eine Theil behauptet es sey von Mengs, zum Scherz, nur so leicht hingemacht, der andere Theil sagt Mengs habe nie so etwas machen können, ja es sey beynahe für Raphael zu schön. Ich hab es gestern gesehn und muß sagen daß ich auch nichts schöners kenne als die Figur Ganymeds, Kopf und Rücken, das andre ist viel restaurirt. Indessen ist das Bild diskreditirt und die arme Frau will niemand von dem Schatz erlösen. Ich habe eine Hypothese wie das Bild entstanden, davon nächstens. Wäre es auf Holz wie auf Kalck ich sucht es zu kaufen, denn ich erlebe doch noch daß es ums dreyfache verkauft wird, wofür man es ietzt haben kann.

Nirgends ist mir Platz geblieben dir zu sagen wie ich dich liebe. Lebe wohl. Wie wart ich auf einen Brief von dir.[56]


8/2525.


An Carl Ludwig von Knebel

Rom d. 17. Nov.

Auch dich mein lieber muß ich aus Abrahams Schooße besonders begrüßen. Wie vielmal denck ich an dich und wie manches möcht ich dir mittheilen.

Ich bin wie zu Hause. Tischbeins Liebe und Vorsorge erleichtert und befördert mir alles, es ist ein gar guter und kluger Mensch.

Von dem Privat Leben der Alten sind wie bekannt wenig Spuren mehr übrig, desto größer sind die Reste die uns ihre Sorge fürs Volck, fürs allgemeine und ihre wahre weltherrliche Größe zeigen. Schon hab ich das merkwürdigste gesehn und wiedergesehn.

Wasserleitungen, Bäder, Theater, Amphitheater, Rennbahn, Tempel! Und dann die Palläste der Kayser, die Gräber der Großen – Mit diesen Bildern hab ich meinen Geist genährt und gestärckt. Ich leße den Vitruv, daß der Geist der Zeit mich anwehe wo das alles erst aus der Erde stieg, ich habe den Palladio, der zu seiner Zeit noch vieles ganzer sah, maß und mit seinem großen Verstand in Zeichnungen herstellte, und so steigt der alte Phönix Rom wie ein Geist aus seinem Grabe, doch ists Anstrengung statt Genußes und Trauer statt Freude.

Gewiß man muß sich einen eignen Sinn machen[57] Rom zu sehn, alles ist nur Trümmer, und doch, wer diese Trümmer nicht gesehn hat, kann sich von Größe keinen Begriff machen. So sind Musea und Gallerien auch nur Schädelstätten, Gebeinhäuser und Rumpfkammern; aber was für Schädel pp! Alle Kirchen geben uns nur die Begriffe von Martern und Verstümmlung. Alle neue Palläste sind auch nur geraubte und geplünderte Theilgen der Welt – Ich mag meinen Worten keine weitere Ausdehnung geben! Genug man kann alles hier suchen nur keine Einheit keine Übereinstimmung. und das ists was viele Fremde so irre macht. Ich bin nun drey Wochen da und ich sage selbst: wenn es einem Ernst ist kann man ein halb Jahr bleiben, um nur erst gewahr zu werden wo man ist.

Und solch ein Stückwerck ist mein Brief auch, sind alle meine Briefe die ich von hier aus schreibe. Wenn ich wiederkomme soll mein Mund etwas ganzeres bringen.

So spät die Jahrszeit ist, so freut mich doch mein bißchen Botanick erst recht, in diesen Landen, wo eine frohre weniger unterbrochene Vegetation zu Hause ist. Ich habe schon recht artige, in's allgemeine gehende Bemerckungen gemacht, die auch dir in der Folge angenehm seyn werden. Das Steinreich hat hier seinen Trohn, wo von allen Enden der Welt das kostbarste zusammengebracht worden. Wie ein Granit Freund die Obelisken und Säulen ansieht,[58] kannst du dencken. Tischbein, dem ich einmal Färbers Brief über die alten Steinarten in Abschrifft schickte, hat sich mit einem ächten sinnlichen Künstler Sinn auf diese Gegenstände geworfen, hat sich alles bekannt gemacht, und erleichtert mir auch wissenschafftlich das Studium.

Der Vesuv hat vor ohngefähr 14 Tagen eine Eruption gemacht. Die Lava ist starck gefloßen. Auf meinem Tische liegt schon ein ganz frisch gebacknes Stück vor mir das ein Reisender daher brachte.

Wie viel ich auf deinen Spuren durch Tyrol an dich gedacht habe sag ich dir nicht; auf dem Brenner bin ich einige Tage geblieben.

Kobeln in München traf ich nicht zu Hause. Alle diese vorliegenden Gegenden rollt ich nur durch und hatte keine Ruhe als hier, wo ich mich denn auch recht satt weide.

Ich schließe dies Blat ungesiegelt an Frau von Stein. Lebe wohl. Liebe mich und hilf die gute Stäte einer Rückkehr für mich bereiten.

G.


Von dem Bologneser Gypsspat, welcher nach der Calcination leuchtet, hab ich schöne Stücke aus dem Berge selbst genommen. Dieser Stein ist mir besonders wegen seiner auserordentlichen specifischen Schweere gegen den übrigen Gyps merckwürdig.[59]


8/2526.


An Christoph Martin Wieland

Rom d. 17. Nov.

Ich muß dir doch auch ein Wort sagen aus der Stadt wo du so oft im Geiste spazirst und wo ich dich auch dem Leibe nach recht bequem und zur guten Stunde herumführen möchte. Ich setze die beyden unterstrichenen Bedingungen, denn ich fürchte du möchtest sonst gelegentlich mit Hrn. Archenholz Chorus machen.

Mir geht es sehr gut, davon ich mancherley werde zu erzählen haben. Laß dir indeß von Fr. v. Stein einiges erzählen und freue dich in meine Seele.

Die Übersetzung deiner Satyren lese ich hier mit dem größten Vergnügen, Abends wenn wir von unserm Lauf zurückkommen. Ich habe schon viel gesehen, meine Augen sind selbst gut ausgewischt und ich habe gute, trefliche Begleiter.

Von einem derselben ist meine Absicht dich heute zu unterhalten. Du kennst ihn schon gewißermassen, er hat dir einige Stücke durch Mercken für den Merkur geschickt, von welchen er kaum weiß ob sie gedruckt und wie sie aufgenommen worden. Er heißt Hirt und ich will dich mit wenigen Worten mit ihm bekannt machen.

Er ist in Werden, ein trockner, treuer fleißiger Deutscher, der schon recht schöne historische Kenntniße von Rom und von der Kunst hat und seinen Geschmack im Umgange mit Verständigen bildet. In wenigen[60] Jahren wird er sich zu einem vorzüglichen Cicerone qualificiren und schon jetzt werd ich ihn denen, die mich befragen empfehlen, wenn ihnen an einem soliden Unterricht gelegen ist.

Dieser gute Mann muß nun aber auch auf ein Fundament seiner Existenz dencken, er wünschte ein Journal als Beytrag zur Kunst und der Kenntniß von Rom herauszugeben, hat auch schon aus Deutschland leidliche Bedingungen.

Ich dachte aber ob das nicht eine Acquisition für dich wäre. Er kann sich und wird sich am liebsten auf eine Bogenzahl, auf ein gewißes fürs Jahr, gegen ein Gewißes engagiren. Doch versteht sich daß man erst versuche und sich verstehe.

Er würde 1.) Supplemente zum Fache des Alterthums liefern. Von neuen Entdeckungen, neuen, beßern Erklärungen, Restaurationen Veränderungen mit allen Kunstwercken, wenn sie auswärts verkauft oder sonst transportirt werden. 2) Zum Nutzen der Fremden die als Kunstliebhaber Rom besuchen, manches mittheilen. 3. Vom Kunsthandel und was man an Originalien, Abgüßen, Copien, andern Nachbildungen haben kann, was und um welchen Preis. 4. Von Akademien, Museis, Gallerien, Kabinetten und kleineren Kunstsammlungen. 5. Von Wercken lebender Künstler die theils in Rom seßhaft sind theils sich daselbst eine Zeitlang aufhalten, in allen Theilen der Kunst. 6. Von Kunstjournalen und andern Schriften[61] die Kunst betreffend mit einem langen pp. Auch über neuere Italiänische Litteratur überhaupt. Dies wäre fürs erste genug gesagt.

Kannst du so einen Beytrag wie vorsteht für den Merkur brauchen und dagegen dem guten Manne mit blanckem Golde helfen, so will ich gern das meine dazu thun daß beyden Theilen geholfen werde. Ich bin nun selbst hier, lerne Rom kennen, wie ich Deutschland kenne und wünschte daß dieß ein Anlaß würde etwas Gutes zu beginnen. Nach meinem Wunsch sollte alsdann dieser Theil des Merkurs für diejenigen die nach Italien gehen, für die die daher kommen und für andre, die es nie sehn, mehr oder weniger interessant werden, man müßte aber eine gewiße Folge und Vollständigkeit der Sache geben. Weiß ich nur erst deinen Willen und daß du magst; so will ich schon das meine thun und theils hier schon einen klugen Plan mit Hirten abreden, theils wenn ich zurückkomme gern die Sachen durchsehn, die mich immer interessiren werden. Aller Anfang ist schwer, der gute Hirt ist im Anfange, in einigen Jahren kann sein Schicksal gemacht seyn, gern wünscht ich einem Landsmann der sich redlich in der Fremde nähren will zu helfen.

Kaum bleibt mir ein Plaz fürs Lebe wohl. Wer nicht weiß wo ich bin dem sag es nicht.

G.

Frau v. Stein hat meine Adresse.[62]


8/2527.


An den Freundeskreis in Weimar

Rom d. 22. Nov. 86.

am Cecilien Feste.

Das Andencken dieses glücklichen Tages, muß ich durch einige Zeilen lebhafter erhalten und was ich genoßen wenigstens historisch mittheilen. Es war das schönste, ruhigste Wetter, ein ganz heitrer Himmel und warme Sonne. Ich ging mit Tischbein nach dem Petersplatze, wo wir erst auf und abgehend und wenn es uns zu warm wurde im Schatten des großen Obelisks, der eben für zwey breit genug geworfen wird, spazierten und Trauben verzehrten die wir in der Nähe gekauft hatten.

Dann gingen wir in die Sixtinische Capelle, die wir auch hell und heiter, die Gemälde wohl erleuchtet fanden. Das iüngste Gericht und die manigfaltigen Gemälde der Decke von Michel Ange theilten unsre Bewunderung. Ich konnte nur sehen und anstaunen. Die innre große Sicherheit und Männlichkeit des Meisters, seine Großheit geht über allen Ausdruck. Nachdem wir alles wieder und wieder gesehn, verließen wir dieses Heiligthum und gingen nach der Peterskirche, die von dem heitern Himmel das schönste Licht empfing und in allen Theilen hell und klar war. Wir ergötzten uns als genießende Menschen, an der Größe und Pracht, ohne durch allzuecklen und[63] zu verständigen Geschmack uns dies mal irre machen zu laßen und unterdrückten jedes schärfere Urtheil. Wir erfreuten uns des erfreulichen.

Endlich bestiegen wir das Dach der Kirche, wo man das Bild einer wohlgebauten Stadt im Kleinen findet. Häuser und Magazine, Brunnen (dem Ansehn nach) Kirchen und einen grosen Tempel, alles in der Luft, und schöne Spaziergänge dazwischen. Wir bestiegen die Kuppel, und besahen die heitere Gegend von den Apenninen dem Berg Sorackte, nach Tivoli, die Vulkanischen Hügel, Fraskati, Castelgandolfo und die Plaine und weiter das Meer. Nahe vor uns die ganze Stadt Rom, in ihrer Breite und Weite, mit ihren Berg – Pallästen, Kuppeln pp. Es rührte sich keine Luft und in dem kupfernen Knopf war es heiß wie in einem Treibhause. Nachdem wir das alles beherzigt hatten, stiegen wir herab, und ließen uns die Thüren zu den Gesimsen der Kuppel, des Tambours, und des Schiffs aufschließen. man kann um selbe herumgehn und diese Theile und die Kirche von oben betrachten. Als wir auf dem Gesimse des Tambours standen, ging der Papst unten vorbey, seine Nachmittags Andacht zu halten. es fehlte uns also nichts zur Peterskirche. Wir stiegen völlig herab und nahmen in einem benachbarten Gasthofe ein fröhliches, frugales Mahl und setzten unsern Weg nach der Cecilien Kirche fort. Viele Worte würde ich brauchen um die Auszierung der ganz mit[64] Menschen angefüllten Kirche zu beschreiben. Man sah eben keinen Stein der Architecktur mehr. Die Säulen waren mit rothem Sammt überzogen und mit goldnen Treßen umwunden. Die Capitäle mit gesticktem Sammt in ohngefährer Capitälform, so alle Gesimse und Pfeiler behängt und bedeckt. Alle Zwischen Räume der Mauer mit lebhaft gemahlten Stücken bekleidet daß die ganze Kirche mit Mosaick ausgelegt schien, und über zwey hundert Wachskerzen brannten um und neben dem Hoch Altar so daß die ganze eine Wand mit Lichtern besetzt war und das Schiff der Kirche vollkommen erleuchtete. Eben so waren die Seitengänge und Seiten Altäre geziert und erhellet. Gegen dem Hochaltar über unter der Orgel, waren zwey Gerüste erbaut auch mit Sammt überzogen, auf deren einem die Sänger auf dem andern die Instrumenter standen, die anhaltend Musick machten. Die Kirche war voll gedrängt. Eine schöne Art musikalischer Aufführung hört ich hier. Wie man Violin oder andre Conzerte hat; so führen sie Conzerte mit Stimmen auf. daß die eine Stimme, der Sopran herschend ist, und Solo singt, das Chor von Zeit zu Zeit einfällt und ihn begleitet. Es versteht sich immer mit dem ganzen Orchester. Es thut gute Würckung. – Ich muß endigen, wie wir den Tag enden mußten. Denn Abends gingen wir noch vor der Oper vorbey wo eben die Litiganti aufgeführt wurden und hatten des Guten soviel genoßen daß wir vorübergingen.

[65] Wie viel wäre noch von allem zu sagen aber ich schließe.

G.


8/2528.


An Charlotte von Stein

d. 24. Nov. 86.

Ich muß heute meiner Liebsten schreiben, morgen ist Posttag, den ich nicht versäumen darf; so erhält sie doch von acht Tagen zu acht Tagen etwas von mir. Du wirst doch auch nun fleisig schreiben daß ich eine Reihe von Briefen erhalte. Bald muß nun der erste von dir ankommen. Ich lege ein ostensibles Blat bey, das einen guten Tag beschreibt, man kann aber wenig sagen. Gut ist es und noth, hier wenn man kommt ein Pythagoräisches Stillschweigen zu halten. Jahre lang könnt ich hier seyn ohne viel zu reden. Es ist alles schon so durch beschrieben, so durch dissertirt, daß man nur erst die Augen aufthun, erst lernen muß. Du kennst meine alte Manier wie ich die Natur behandle, so behandl' ich Rom und schon steigt mir's entgegen, ich fahre immer fort zu sehn und von Grund aus zu studiren. Was werd ich dir nicht erzählen können, wenn mir nur der Himmel noch eine Zeit ruhigen Lebens hier gönnen mag.

Ich vermeide sorgfältig alle Bekanntschafft, die nur Zeit verdirbt und sehe und studire unermüdet mit Künstlern und Kennern alles andre acht ich vom Übel.

[66] Den Prinzen Lichtenstein, den Bruder der Gräfinn Harrach habe ich gesehen und bey ihm gegessen.

Wie wohl es mir übrigens bey und mit Tischbein geht, und was das für ein braver Künstler und tüchtiger, ganzer Mensch ist, kann ich dir nicht sagen. Wir passen zusammen als hätten wir zusammen gelebt.

Von der Nation zu sagen bleib ich dir schuldig, es ist ein sonderbar Volck. Was allen Fremden auffällt und was heute wieder die ganze Stadt reden, aber auch nur reden macht, sind die Todtschläge, die ganz was gemeines sind. Viere sind schon seit ich hier bin erschlagen worden von denen ich nur weiß. Heute ward ein braver Künstler, ein Schweizer, Medailleur, der letzte Schüler von Hedlinger überfallen, völlig wie Winckelman. Der Mörder, mit dem er sich herumbalgte, gab ihm wie man sagt an die zwanzig Stiche, und da die Wache hinzukam, erstach sich der Bösewicht selbst. Das ist nun sonst hier die Mode nicht, der Mörder erreicht eine Kirche und so ists gut.

Doch nichts weiter von diesen Scenen, die aber zum Ganzen Bilde der Stadt gehören. Könnt ich dir nur das beste zeigen, was ich sehe, ja nur manchmal das zu genießen geben, was ich in dem Augenblicke nicht genießen kann. So ein Element hab ich mir lange gewünscht, um auch einmal zu schwimmen und nicht immer zu waten.[67]

Grüße Steinen, Fritzen – ob ich Ernsten noch grüßen kann weiß ich nicht – die Schwester und die Schwägerinn. Auch deine Brüder. Ich bin oft bey euch und muß mir oft die Sehnsucht verwehren.

Der Vesuv hat eine Eruption gemacht, vielleicht schrieb ich es schon. Heute hör ich daß sie noch fortdauert und muß mich halten, nicht geschwind aufzubrechen und nach Napel zu gehen. Ich hoffe er wird noch einiges für mich aufheben, wenn mein Stündlein geschlagen hat.

Moritz ist hier, der die englische Reise schrieb, ein sehr guter, braver Mann mit dem wir viel Freude haben. Empfiehl mich dem Herzog und der Herzoginn. Frage doch einmal ob man dem Docktor Riedel geschrieben hat, daß der gute Mann nicht ohne Nachricht und Resolution wegen des Antrags bleibe. Wüßte man nicht wo er ist; so würde der Archivarius und Rath Kestner in Hannover ihm den Brief richtig zustellen. Hätte die Herzoginn eine Summe, gros oder klein an die Kunst zu verwenden; so getraut ich mir ihr etwas mitzubringen das ihr bleibende Freude machen sollte. Ich selbst begehre nichts von allem was ich sehe, außer die Gypssachen die unendlich schön sind.

Leb wohl. Liebe den bleibenden.


Laß doch ein Ringchen machen nur von Messing das dir akkurat paßt und sage Herders daß sie es auch thun und schickt mir sie einmal mit sonst einem[68] Packetchen. Wenn ich etwas gutes von geschnittnen Steinen finde laß ich sie euch gleich faßen. Ein artigs das ich besitze druck ich hier bey.


8/2529.


An Philipp Christoph Kayser

d. 25. Nov. 86.

Endlich auch aus Rom ein Wort, wohin ich mehr flog als eilte, erfreuen Sie mich bald mit einem Briefe, denn was ich Ihnen sagen könnte das wissen Sie. Sie haben gesehen, was ich sehe und kennen mich.

Vorbereitet kam ich hierher, doch nicht vorbereitet genug. Ich sage; man kann sich nur in Rom auf Rom vorbereiten. Von Musick ist mir wenig Freude worden. Auch ist des Tags soviel zu sehen und zu laufen daß ich Abends müde bin.

Schreiben Sie mir nun wie es mit unserm Wercke steht? Ob Sie die Partitur empfangen haben? ob Sie etwas ändern? Ob der vierte Ackt fertig ist? Und wann Sie glauben daß wir das Stück ins Publikum geben können? damit ich meine Maasregeln darnach nehmen und auch aus der Ferne alles leiten könne.

Schreiben Sie mir sonst auch was Sie aus Deutschland wissen, ich habe so lange nichts gehört.

Leben Sie wohl.

Ich bin hier fleißig in mehr als Einem Sinne,[69] sogar arbeit ich noch an Stücken meiner Schrifften die Ostern herauskommen sollen.

Was ich hier sehe, seh ich in Gesellschafft der Künstler deren Handwerck es ist, wie sehr wünscht ich in Ihrer Gesellschafft das Hörbare zu hören.

Ich gehe aus Italien nicht zurück, ohne Sie zu sehen, es müßte denn etwas ganz unerwartetes dazwischen kommen. Wie aber? und wo? das weiß ich nicht. Das wollen wir noch bereden.

Leben Sie wohl. Sobald ich Lust habe arbeit ich auch wieder für Sie. Davon nächstens. Der Ihrige

G.

Frau Schultheß hat meine Adresse.


8/2530.


An den Freundeskreis in Weimar

Rom. d. 2. Dezemb. 86.

Von dem Guten das ich genieße läßt sich durch Worte so wenig mittheilen.

Das schöne, warme, ruhige Wetter, das nur manchmal von einigen Regentagen unterbrochen wird, ist mir zu Ende Nov. ganz was neues. Wir gebrauchen die gute Zeit in freyer Luft, die böse im Zimmer, überall ist etwas sich zu freuen, zu lernen und zu thun.

d. 28. Nov. Kehrten wir zur Sixtinischen Capelle zurück, ließen die Gallerie ausschließen, wo man den Platfond näher sehen kann, man drängt sich zwar, da sie sehr eng ist, mit einiger Beschwerlichkeit, und[70] mit anscheinender Gefahr, an den eisernen Stäben weg, deßwegen auch die schwindlichen zurückblieben; alles wird aber durch den Anblick des größten Meisterstückes ersetzt. Und ich bin in dem Augenblicke, so für Michel Ange eingenommen, daß mir nicht einmal die Natur auf ihn schmeckt, da ich sie doch nicht mit so großen Augen wie er sehen kann. Wäre nur ein Mittel sich solche Bilder in der Seele recht zu fixiren. Wenigstens was ich von Kupfern und Zeichnungen nach ihm erobern kann bring ich mit.

Wir gingen von da auf die Logen Raphaels und kaum darf ich sagen: daß man diese nicht ansehn durfte. Das Auge war von jenen großen Formen so ausgeweitet, daß man die geistreichen Spielereyen der Arabesken nicht ansehn mochte und die Biblischen Geschichten so schön sie sind hielten auf jene nicht Stich.

Diese Wercke nun öffter gegen einander zu sehn, mit mehr Musse und ohne Vorurteil zu vergleichen muß eine große Freude gewähren.

Von da gingen wir bey fast zu warmem Sonnenschein auf die Villa Pamfili wo sehr schöne Gartenpartien sind, und blieben bis an den Abend.

Eine große mit immergrünen Eichen und hohen Pinien, eingefaßte, viereckte, flache Wiese, war ganz mit Maslieben übersät die ihre Köpfgen alle nach der Sonne wendeten, nun gingen meine Botanischen Spekulationen an, die ich den andern Tag auf einem Spaziergang nach dem Monte Mario, der Villa Melini[71] und Villa Madama fortsetzte. Es ist gar interessant zu bemercken wie eine lebhafter fortgesetzte und durch starcke Kälte nicht unterbrochne Vegetation würckt. Ich habe noch nicht genau genug verschiednes bemercken können und werde sobald meine Begriffe etwas vollständiger sind das interessanteste mittheilen. Der Erdbeerbaum (eine Andromeda) blüht jetzt wieder, indem seine letzte Früchte reif werden, und so zeigt sich der Orangenbaum mit Blüten, halb und ganz reisen Früchten (doch werden letztere Bäume wenn sie nicht zwischen Gebäuden stehen nun bedeckt). Über die Cypresse, den respecktabelsten Baum, wenn er recht alt und wohl gewachsen ist, hab ich noch nicht genug gedacht, ehstens werd ich den Botanischen Garten besuchen und hoffe da manches zu erfahren.

Überhaupt ist mit dem neuen Leben, das einem nachdenckenden Menschen die Betrachtung eines neuen Landes gewährt nichts zu vergleichen. Ob ich gleich noch immer derselbe bin; so meyn ich biß aufs innerste Knochenmarck verändert zu seyn.

Für diesmal schließ ich und werde das nächste Blat einmal ganz von Unheil, Mord, Erdbeben und Unglück anfüllen, daß doch auch Schatten in meine Gemälde komme.

Mit diesem will ich mich allen die mir besonders wohl wollen empfohlen haben.

G.[72]


8/2531.


An Charlotte von Stein

b. 2. Dez. 86. Rom.

Auf einem Blatte das ich ostensible geschrieben habe, steht eine Erinnerung eines Theils meiner Freuden.

Mit keinem Worte aber kann ich ausdrucken wie ich dir das alles unmittelbar mitzutheilen wünschte. Alles Reden und beschreiben hilft bey sinnlichen, ia auch bey moralischen Gegenständen nichts. Was ich nur irgend mir eigen machen kann faß ich und ergreif ich und bring ich dir mit. Auch wirst du den deinigen wenn er zurückkommt noch mehr lieben, denn wills Gott wird er einige Fehler ablegen mit denen du unzufrieden warst. Nie hab ich so lebhaft gefühlt als hier, daß der Mensch der das Gute will, eben so thätig (fast auf die selbe Art thätig) seyn müsse, als der Eigennützige, der Kleine, der Böse.

Nur schwer schwer ist die Erkenntniß. (Wir haben über diesen Punckt so oft gesprochen).

Grüße Fritzen und sag ihm, daß wenn es mir oft leid thut ihn nicht bey mir zu haben, ich doch auch vielerley lerne was ihm viel Spas machen wird. Besonders kleine Arbeiten in Thon die man ausdruckt und brennt, das viel artiger und angenehmer ist als Gyps.

Für dich lern ich auch etwas, eine Art Wachsmahlerey, die sehr leicht und angenehm ist, besonders[73] für Zimmer pp. Mache ja nichts in Kochberg, ich will dir alsdann helfen, wie du einmal im Sinne hattest, die Zimmer ordnen und auf eine Weise, daß sie gleich artig aussehn und daß man noch Jahre lang dran ausmahlen kann. Hier ist alles in Perfecktion. Wird man doch pfuschen lernen. Lebe wohl. wenn mich etwas freut, freut michs um deintwillen, da ich nicht reich bin bring ich dir viel in der Seele mit.

G.


Grüße Herdern, in acht Tagen schreib ich besonders an ihn.

Wie verlangt mich wieder ein mal von Hause ein Wort zu hören da ich nun morgen drey Monate in der Fremde bin, ohne eine Sylbe von den meinigsten zu haben.

Grüße alle Freunde, auch die Waldner. Sobald Briefe von Euch ankommen meld ich es. Merckt nur wie lange die meinigen unterwegs sind. Gib meinem Seidel den Auftrag er soll mir von Dr. Sievers einen kleinen Auszug der Witterung in Weimar vom Sept. Octbr. Nov. pp machen laßen und mir ihn gleich schicken.

Von der Sepia bring ich mit, sie darf nicht getrocknet, sie muß in Essig aufbewahrt werden, ist aber trefflich damit arbeiten. Von Braunschweig sind hier: Stafforst und Marenholz mit ihren Frauen, ich halte mich aber still und sehe niemand. Die Zeit ist edel und die Kunst ist lang.

[74] Lebe wohl. Wie lieb ich dich. Ohngefähr den 14. Oktbr. ist der Kasten dem meine Reisebeschreibung beygepackt war von Venedig abgegangen. Schreibe mir doch gleich wenn er ankommt.

Lebe wohl. Der Grund aller meiner Freude ist darinn daß ich dir es wieder sagen kann und werde.

G.


8/2532.


An Johann Gottfried und Caroline Herder

d. 2. [- 9.] Dez. 86. Rom.

Bald hoff ich nun durch Briefe von Euch erfreut zu werden; Nachricht, daß es meinen Freunden wohlgehe, ist das einzige was mir hir fehlt. Die Witterung hat bisher meist von sechs zu sechs Tagen abgewechselt, zwey ganz herrliche, ein trüber, zwey bis drey Regentage, ein halb aufgeklärter, dann wieder schöne. Ich suche jeden auf's beste zu nutzen.

Doch immer sind mir noch diese herrlichen Gegenstände, wie neue Bekanntschafften, man hat mit ihnen nicht gelebt, sie nicht genug verglichen. Einige reißen einen mit Gewalt an sich, daß man eine Zeitlang gleichgültig, ja ungerecht gegen andre wird. So hat Z. E. die Facade des Pantheons, der Apoll von Belvedere, einige Colossalköpfe und neuerdings die Capelle Sixtine so mein Gemüth eingenommen, daß ich darneben fast nichts mehr sehe. Ihr kennt mich, und könnt leicht dencken, daß ich ein Jahr und länger[75] brauchte um so wenige, aber so grose Gegenstände in meinem Gemüth zurecht zu stellen. Nun kommt aber noch eine ungeheure Menge trefflicher Wercke die sich von allen Seiten zudrängt, auf jedem Schritt dir begegnet und auch für sich den Tribut der Aufmercksamkeit fordert. Ich will nur sehen wie ich mich heraus ziehe.

Zufällig hab ich hier Archenholzens Italien gefunden. Wie so ein Geschreibe am Ort zusammenschrumpft, ist nicht zu sagen. Eben als wenn man das Büchlein auf Kohlen legte, daß es nach und nach Braun und schwarz würde, die Blätter sich krümmten und im Rauch aufgingen. Er hat die Sachen gesehen, aber zu der grosthuischen, verachtenden Manier, besitzt er viel zu wenig Kenntniße und stolpert Lobend und tadelnd.

Ich will so lang ich hier bin die Augen aufthun, bescheiden sehen und erwarten was sich mir in der Seele bildet.

Winckelmanns Geschichte der Kunst, die neue Italiänische Ausgabe ist sehr brauchbar, ich bringe sie mit.

Alle Morgen eh ich aufstehe wird an der Iphigenie geschrieben, täglich erobre ich eine Stelle und das Ganze macht sich. Ich bin ganz nah fertig zu seyn.

Doch denck ich drauf, wenn die beyden ersten Bände gedruckt wären könnte man den vierten zu erst drucken. Mache das wie es schicklich ist. Ich säume nicht, die Iphigenie soll auch kommen.

[76] Nur in der Stella (ist mir eingefallen) hab ich eine Stelle verändert und eine andre, die sich darauf bezieht, vielleicht nicht, auf einem beyliegenden Blatt sag ich mehr davon, und setze auf allen Fall eine Correcktur hinzu, die du einschieben wirst, wenns nötig ist.

Sehr wunderbar drängt sich in dieses Jahr soviel zusammen. Heilsam und gesegnet, daß auf eine lange Stockung wieder eine Lebensregung sich rührt. Ich finde mich viel, viel anders und besser.

Nun fangen an mich römische Alterthümer zu freuen, Geschichte, Innschriften, Münzen pp von denen ich sonst gar nichts wissen mochte, alles wird mir lebendig und drängt auf mich zu. Wie mir's in der Naturgeschichte erging, geht mir's hier.

An diesen Ort knüpft sich die ganze Geschichte der Welt an, und ich zähle einen zweyten Geburtstag, eine wahre Wiedergeburt von dem Tage da ich Rom betrat.

In denen fünf Wochen die ich hier bin hab ich schon manchen Fremden kommen und gehn sehn. Gott sey Danck daß mir künftig keiner von diesen Zugvögeln mehr imponirt, wenn er von Rom spricht, keiner mehr die Eingeweide erregt; denn ich habs nun auch gesehn und weiß woran ich bin. Mein decidirtes Incognito spart mir viel Zeit, ich gehe absolut zu niemanden ausser zu Künstlern. Den Bruder der Gräfin Harrach einen Prinz Lichtenstein hab ich allein ausgenommen, der mir denn auch mit viel Gefälligkeit verschafft hat[77] Dinge zu sehn die man gewöhnlich nicht sieht. Durch seine Negociation hoffe ich auch in ein Nonnenkloster zu kommen, wo Reste eines Mars Tempel stecken müssen die mich sehr interessiren. – Die Tochter des Prätendenten hat das fremde Murmelthier auch schon zu sehn verlangt ich habs aber abgelehnt. Lebt wohl Grüßt Gusteln an den ich oft dencke und ihn zu mir wünsche wenns lustig zu geht, als neulich am Meer da gefischt wurde.

Lebt wohl. Schreibt mir ja wieder und grüßt die Kinder.


Dieser Brief geht ab d. 9. Dec. Eben erhalt ich den Eurigen. Tausend Danck. Ehstens mehr.


8/2533.


An Charlotte von Stein

Rom d. 8. [und 9.] Dez. 86.

Diese Tage her, hab ich wieder mancherley Guts genoßen. Vom Wetter hab ich etwas an Herdern gesagt, das ich nicht wiederhohlen will. Wir haben mit unter die schönsten Tage. Der Regen der von Zeit zu Zeit fällt macht Gras und Gartenkräuter grünen, die immer grünen Bäume stehen auch hin und wieder, so daß man das abgefallen Laub kaum vermißt. In den Gärten stehen Pomeranzen Bäume voller Früchte aus der Erde wachsend unbedeckt pp.

[78] Wir waren am Meere und hatten einen schönen Tag. Abend beym hereinreiten, brach der gute Moritz, indem sein Pferd auf dem glatten römischen Pflaster ausglitschte den Arm, das zerstörte die genoßne Freude und hat auch unsre

– Soweit war ich am 9. Dez. als ich einen Brief von Seideln erhalte und ein Zettelgen drinne von deiner Hand. Das war also alles was du einem Freunde, einem Geliebten zu sagen hattest, der sich so lange nach einem guten Worte von dir sehnt. Der keinen Tag, ja keine Stunde gelebt hat, seit er dich verließ ohne an dich zu dencken.

Möge doch bald mein Packet das ich von Venedig abschickte ankommen, und dir ein Zeugniß geben wie sehr ich dich liebe.

Heut Abend kann ich nichts mehr sagen dieses Blat muß fort.

Die Kasten auf dem Archive gehören dein, liebst du mich noch ein wenig; so eröffne sie nicht eher als biß du Nachricht von meinem Tode hast, so lang ich lebe laß mir die Hoffnung sie in deiner Gegenwart zu eröffnen.

Von hier habe ich an dich geschrieben

d. 11. Nov. d. 18. d. 25. d. 2. Dec.

Möge alles glücklich angekommen seyn.

Ich sage dir nicht wie dein Blätgen mein Herz zerrißen hat. Lebe wohl. du einziges Wesen und verhärte dein Herz nicht gegen mich.[79]


8/2534.


An Philipp Seidel

[9. December.]

Deinen Brief erhalte ich heute Abend, d. 9. Dec. also richtig nach deiner Ausrechnung. Nur noch Ein Wort weil die Post geht. In der Zwischen Zeit habe ich meinen Freunden geschrieben wo ich binn. Kaum war ich in Rom angekommen als ich erkannt wurde doch führ ich mein Incognito durch, sehe nur die Sachen und lehne alle andern Verhältniße ab. Man ist auch diese Sonderbarkeit schon gewohnt, der erste Sturm ist vorüber und man läßt mich so ziemlich meines Wegs gehn. Du hast deine Sachen gut gemacht, deine Relation ist recht brav und ich freue mich deines Wohlseyns. Hier ist köstliches Wetter, das nur manchmal von zwey bis drey Regentagen unterbrochen wird. Ich kann alles mit der größten Bequemlichkeit sehen. Jeder Teutsche schreibt nach Hause daß ich hier bin, also ists wenn du diesen Brief erhältst kein Geheimniß mehr, du schweigst indessen und lässest dich auf nichts ein.

Cioja war bankrutt wie ich hierherkam; ich habe wiederholt bey seinem Concurs nachfragen lassen, ob ein Brief an meine fingirte Adresse da sey, und immer die Antwort mit Nein erhalten. Morgen will ich also wieder fragen laßen. Göschen hab ich an Hrn. Herder gewießen.

[80] Ich genieße hier köstliche Tage. Man kann sich nichts dencken, was man nicht gesehen hat, Rom am Wenigsten. Dem denckenden und fühlenden Menschen geht ein neues Leben, ein neuer Sinn auf, wenn er diesen Ort betritt, ja allen Menschen, jedem nach seinem Maase.

Lebe wohl. Mit dem nächsten Posttag mehr, auch über die Geschäfft Sachen und sonst. Welch ein Unterschied! ihr steckt im Schnee und Eis und hier ist alles grün. Die immergrünen Bäume, alles Gras und Kraut, das sich nach der langen Sommer Dürrung, erst erhohlt da die warmen Regen kommen. Kaum vermißt man das abgefallne Laub der übrigen Bäume. Leb wohl.

Schicke mir den Voigtischen Brief in Extenso. Es müssen noch andere Geschäftssachen drinne stehn von der Steuer Commission pp die mich interessiren.

Es versteht sich von selbst, daß du meinen nächsten Freunden in Weimar nun meine Adreße geben oder mir ihre Briefe selbst zuschicken kannst. Ich tadle dich nicht, daß du die ersten eröffnetest.


8/2535.


An Charlotte von Stein

d. 12. Decemb. 86.

An Hoffnung daß endlich das Venetianische Packet angekommen seyn wird, schick ich auch dieses Stück[81] fort und wünsche daß es dir zur guten Stunde kommen und mich in deine Nähe bringen möge. Seit ich in Rom bin hab ich nichts aufgeschrieben als was ich dir von Zeit zu Zeit geschickt habe. Denn da läßt sich nichts sagen, man hat nur genug erst zu sehen und zu hören. Man muß recht zum Schüler werden, wenn man einigen Vortheil von dem Aufenthalte haben will. Lebe wohl. Da ich nun Rom gesehen habe, will ich das übrige Gute in der Nähe und auf dem Weg noch danckbar mitnehmen und dann meinem liebsten Wunsche, mit dir zu seyn, wieder entgegen gehn. Lebe wohl. Grüße die Deinigen.

G.


8/2536.


An den Herzog Carl August

Rom d. 12. [- 16.] Dez. 86.

Mein erster Brief von hier aus, wird Sie in Berlin aufgesucht haben, darum konnte ich noch nicht mit einer Antwort, mit einer Nachricht von Ihnen erfreut werden, nach der ich so sehr verlange. Fast biß zur Ermüdung hab ich bisher fortgefahren Rom zu durchwandern, auch habe ich das meiste gesehen.

Was heißt aber das Sehen von Gegenständen bey denen man lange verweilen, zu denen man oft zurücke kehren müßte um sie kennen und schätzen zu lernen.

An Ihre Frau Gemahlinn schreib ich hierüber einige Worte auf die ich mich beziehe.

[82] Daneben hab ich meine Iphigenie ganz umgeschrieben, ein ehrlicher Schweizer macht mir nun eine Copie und um Weynachten wird sie abgehn können. Ich wünsche daß ich mit dieser Mühe überhaupt und auch für Sie etwas gethan haben möge. Nun soll es über die andern Sachen, endlich auch über Faust hergehn. Da ich mir vornahm meine Fragmente drucken zu lassen, hielt ich mich für todt, wie froh will ich seyn, wenn ich mich durch Vollendung des angefangnen wieder als Lebendig legitimiren kann.

Gegen Weynachten wird auch mein Pensum in Rom für erst absolvirt seyn, mit dem neuen Jahre will ich nach Neapel gehn und dort mich der herrlichen Natur erfreuen und meine Seele von der Idee sovieler trauriger Ruinen reinspülen und die allzustrengen Begriffe der Kunst lindern. Tischbein wird mit mir gehen, er ist mir unentberlich. So einen reinen, guten, und doch so klugen ausgebildeten Menschen hab ich kaum gesehen. Wie leid thut mirs daß er nicht zu den Ihrigen gehört, nicht allein als Künstler sondern auch als verständiger thätiger Mensch; in seinem Umgange beleb ich mich aufs neue, es ist eine Lust sich mit ihm über alle Gegenstände zu unterhalten, Natur und Kunst mit ihm zu betrachten und zu genießen.

Übrigens ist das strenge Incognito das ich hier halte mir vom größten Vortheile, man kennt mich, und ich rede mit jedem den ich ohngefähr hier oder[83] da treffe, leide aber nicht daß man mich nach meinem Stande oder Nahmen begrüße, gehe zu niemanden und nehme keinen Besuch an. Hielte ich nicht so strenge darauf; so hätte ich meine Zeit mit Ehre empfangen und Ehre geben hinbringen müßen. Den einzigen Prinz Lichtenstein, den Bruder der Gräfinn Harrach habe ich besucht, doch auch so daß wir uns zuerst auf einer Gallerie (Doria) begegneten, und dabey werd ich bleiben, denn selbst über mein Erwarten bin ich hier bekannt und meine Nation ist mehr als ich glaubte von mir eingenommen.

Unter den neuen Künstlern sey ich mich auch um, was da lebt und wird, unter den Kunsthändlern gleichfalls. Alles ist sehr theuer was sich einigermaßen auszeichnet. Alle Arten von Kunstwercken sind auf einen hohen Preis getrieben. Für Sie mögt ich nichts aufpacken als Gypssachen, die zu Wasser gehn könnten. Einige Colossalköpfe kann ich selbst nicht entbehren, ich meyne man könnte nicht leben ohne sie manchmal zu sehen.

Der Bildhauer Trippel hat eine kleine Nemesis in Marmor nach einer größern im Museo gearbeitet und man kann sagen, sie ist beßer als das Original, welches deswegen nicht übertrieben ist, da viele mittelmäsige Künstler, ja Handwercker in Alten Zeiten nach guten Originalen kopirten, ja zuletzt Copie von Copie gemacht ward, so kann an einer Statue die Idee schön, Proportion und Ausführung aber schlecht seyn und[84] ein neuerer Künstler kann ihr einen Theil der Vorzüge wiedergeben, die ihre ganz verlohrnen Originale hatten. Diese Nemesis wäre eine schöne Zierde in die Zimmer Ihrer Frau Gemahlinn, er verlangt 100 Dukaten dafür, wenn ich sie aber wie für mich nehme glaub ich sie für 80 zu erhalten.

Was übrigens hier mit dem Kunsthandel getrieben und gewonnen wird, ist unaussprechlich und es sind meist Ausländer die klug genug waren sich diesen wichtigen Zweig zuzueignen. Gute Abdrücke des Mark Antonio sind hier rarer und theurer als irgendwo, da Raphaels Andencken und die Spuren seines Geistes nirgends mehr geschätzt werden können als hier. Die ausgedruckten und aufgekratzten Platten sind aber noch hier und werden solche Abdrücke für ein Geringes für 3 gr. 18 pf. ja noch weniger in Partien verkauft, sie sind entsetzlich verdorben und doch kann man die herrlichen Ideen und Compositionen nicht ohne Entzücken ansehn.

Auch möcht ich Ihnen die kleinen Modelle der Egyptischen unvergleichbaren Löwen vom Capitol und von der Fontana Felice in Bronze mitbringen um Ihren Schreibtisch zu zieren sie werden 20 bis 30 Dukaten kosten. Ich notire mir alle diese Wünschenswerthe Kleinigkeiten und werde wenn ich Auftrag von Ihnen erhalten sollte, eine gewiße Summe auszugeben, das dauerhaffteste wählen. Auch sind zwey Bände des Musei Pio Clementini heraus jeder zu 6 Dukaten, die auch kaum zu entbehren sind.

[85] An Antiken und Original Bilder ist nicht zu dencken, man spricht gleich von 10000 Scudi pp. Leben Sie aufs beste wohl. Versagen Sie mir ein Zeugniß Ihres Andenckens und Ihrer Liebe nicht. Einsam in die Welt hinausgestoßen wäre ich schlimmer dran als ein Anfänger wenn ich das zurückgelaßne nicht auch erhalten könnte.

G.


d. 16. Dec. 86.

Den Brief an Ihre Frau Gemahlinn werd ich mit der nächsten Post absenden, ich konnte ihn heute nicht endigen. So vieles dringt von allen Enden und Ecken auf mich zu, daß ich kaum zu mir selbst komme. Aber es ist eine Lust in einem so großen Elemente zu leben, wo man für viele Jahre Nahrung vor sich sieht, wenn man sie auch nur für den Augenblick mit den äussersten Lippen nur kosten kann.


8/2537.


An Philipp Seidel

Rom d. 13. Dec. 86.

Ich habe dir schon neulich geschrieben, daß ich bald nach meiner Ankunft hier erkannt worden, indeß blieb diese Entdeckung erst in einem kleinen Zirkel und wie sie sich ausbreitete, sagte man sich zugleich daß ich unerkannt seyn wollte.

[86] Ich ging also meines Wegs fort, ward von niemand gehindert, fand viele Menschen, die mir die Betrachtung der Merckwürdigkeiten erleichterten und nützlich machten, ohne daß mich jemand mit meinem ich, noch mit dem seinigen incommodirte. So hab ich nun Rom in kurzer Zeit gesehen und kenne es zur Noth. Denn es gehören Jahre dazu, um sich hier ganz zur Kenntniß des Höchsten der Künste auszubilden. Ich habe für diesmal meine Absicht erreicht, und einen Grund gelegt, auf den man weiter fortbauen kann wie es Gelegenheit und Kräffte erlauben.

Meinen Freunden hab ich auch geschrieben, es kann und braucht weiter kein Geheimniß zu seyn.

Du gehst zu den Hrn. Geh. Räthen und machst von hier aus meine beste Empfehlungen und empfiehlst mich ihrem Andencken. Ein gleiches kannst du bey Hrn. und Fr. v. Wedel und bey den Hofdamen thun. Fällt dir sonst noch jemand ein, so thu das Gleiche ich gebe dir Vollmacht; wo du es schicklich und artig hälst, so gebe ich dir Vollmacht. Schreibe mir nur nachher, wen du gegrüßt hast. Z. E. Hrn. Geheimen Cammer Rath Gülicke. Dem Herrn Hofrath Voigt dancke für seine gute Nachrichten und daß er mich von seiner Seite so ausser Sorgen setzt. Bachmann, Löschner, Seeger, Brunquell grüße auch, und wenn von meinem Aussenbleiben die Rede ist kannst du im allgemeinen mercken lassen, ich würde wohl einmal eben auch unvermuthet wieder kommen.

[87] Schreibe mir doch wie viel das Kästgen Steine, das Tischbein geschickt, gewogen, und wieviel es gekostet, daß wir uns wegen der Fracht andrer Sachen darnach richten können.

Schicke und schreibe nur immer fort bis in den halben März, damit dein letzter Brief vor Ostern hier sey. Die Feyerlichkeiten der Charwoche warte ich noch hier ab und dann rücke ich wieder nordwärts, wenn man von so entfernten Dingen reden darf. Gleich nach dem neuen Jahre geh ich nach Neapel. Briefe werden mir nachgeschicket.

Lebe wohl. Grüße Fritzen und Ernsten wenn er lebt, auch meine Leute und lebe wohl und vergnügt. So viel sag ich dir nur noch von Rom, daß man sich gar keinen Begriff davon machen kann, ohne es gesehn zu haben, und daß ein wohl unterrichteter Ankömmling wieder ganz in die Schule zurückkehren muß. Es ist hier herrliches Wetter.


8/2538.


An Johann Gottfried und Caroline Herder

abg. d. 16. Dec.

Rom d. 13. Dezbr. 86.

Wie herzlich freut es mich daß Ihr mein Verschwinden so ganz wie ich wünschte genommen. Versöhnt mir Fr. v. Stein und den Herzog, ich habe niemand kräncken wollen und kann nun auch nichts sagen um mich zu rechtfertigen. Gott behüte mich[88] daß ich jemals mit den Prämissen zu diesem Entschluße einen Freund betrübe.

Ich erhole mich nun hier nach und nach von meinem Salto mortale und studire mehr als daß ich genieße. Rom ist eine Welt und man brauchte Jahre um sich nur erst drinne gewahr zu werden. Wie glücklich find' ich die Reisenden, die sehen und gehn.

Heute früh fielen mir Winckelmanns Briefe, die er aus Italien schrieb in die Hand. Mit welcher Rührung hab ich sie zu lesen angefangen! Vor 31 Jahren in derselben Jahrszeit kam er, ein noch ärmerer Narr als ich, hierher, ihm war es auch so deutsch Ernst um das Gründliche und sichre der Alterthümer und der Kunst. Wie brav und gut arbeitete er sich durch! Und was ist mir nun das Andencken dieses Mannes auf diesem Platze.

Ausser den Gegenständen der Natur die in allen ihren Theilen wahr und konsequent ist, spricht doch nichts so laut als die Spur eines guten verständigen Mannes. Hier in Rom kann man das recht fühlen wo so manche Willkührlichkeit gewüthet hat, wo so mancher Unsinn durch Macht und Geld verewigt worden.

Eine Stelle in Winckelmanns Briefen an Francken freute mich »Man muß alle Sachen in Rom mit einem gewißen Phlegma suchen, sonst wird man für einen Franzosen gehalten. In Rom, glaub ich, ist die hohe Schule für alle Welt, und auch ich bin geläutert und geprüft.«

[89] Das gesagte paßt recht auf meine Art den Sachen hier nach zu gehn und gewiß man hat außer Rom keinen Begriff wie man hier geschult wird. Man muß so zu sagen wiedergebohren werden und man sieht auf seine vorigen Begriffe wie auf Kinderschue zurück. Der gemeinste Mensch wird hier zu etwas, wenigstens gewinnt er einen ungemeinen Begriff wenn es auch nicht in sein Wesen übergehen kann.

Münter ist hier auf den das wohl nicht paßen mögte er scheint toller wegzugehn als er gekommen ist. Vorher hab ich ihn nicht gekannt. Er verreist bald und wird euch besuchen, laß dir von ihm erzählen und du wirst verstehen was ich meyne. Tischbein ist ein trefflicher originaler Mensch, der mir Rom lebendig macht. Moriz der Fusreiser ist hier, hat den Arm gebrochen und leidet viel. Wir leiden alle mit ihm, es ist ein gar guter, verständiger aus und durchgearbeiter Mensch.

Von Kunstsachen mag ich gar nicht reden und von der Nation wird mir auch schweer etwas zusammen zu faßen, in der Folge, oder am besten mündlich, wird das schon beßer kommen.

Aus Eurem Briefe sey ich mit Freuden daß es mit dem Druck meiner Sachen langsam geht, daß also Iphigenie nicht zu spät kommt. Ich scheide mich ungern von ihr, Weynachten soll sie denn doch fort. Zugleich kommt die Zueignung. Ich habe einen sonderbaren Einfall gehabt, ich wünsche daß er Euren Beyfall[90] erhalte. Herzlichen Theil nehm ich an Eurem Hauskreutze, durch Moritzens Unfall ist auch ein † in unsre kleine Societät gekommen, die sich so schön als möglich anließ. Wenn man nur des guten Tags immer zu brauchen müßte, mit dem Morgen ist's so eine Sache. Diese Reise wird hoffentlich auf mein Ganzes Wesen einen gesegneten Einfluß haben. Wie Iphigenie fort ist geht es an Egmont! Was ich für Wilhelmen aufpacke sollt ihr dereinst mit Vergnügen genießen. Lebet wohl und schreibt mir oft. Dieser Brief kommt euch zum neuen Jahre, das beste Glück zum Anfang. Das vergangne war das wichtigste meines Lebens, ich mag nun sterben, oder noch eine Weile dauren, in beyden Fällen war es gut. Adieu ich muß den Kindern noch etwas sagen. Liebt mich.

G.


Sehr oft, ihr lieben Kinder, wünscht ich daß ihr das Gute mit mir genießen könntet, das mir so reichlich bescheert ist. Man merckt den Winter nicht, die Gärten sind mit immergrünen Bäumen bepflanzt, die Sonne scheint hell und warm, Schnee sieht man nur auf den entferntesten Bergen gegen Norden. Die Citronenbäume, die in den Gärten an den Wänden gepflanzt sind, werden nun nach und nach mit Decken von Rohr zugedeckt, die Pomeranzen Bäume aber bleiben frey stehn. Es hängen viele Hunderte der schönsten Früchte an so einem Baume, der nicht wie[91] bey uns beschnitten und in einen Kübel gepflanzt ist, sondern in der Erde frey und froh in einer Reihe seiner Brüder steht. Man kann sich nichts lustigers dencken als einen solchen Anblick. Für ein paar Groschen isst man soviel man will, sie sind schon jetzt recht gut, im März werden sie noch besser seyn.

Neulich waren wir am Meere und ließen fischen. Da kamen die wunderlichsten Gestalten von Fischen und Krebsen zum Vorschein, auch der Elecktrisir Fisch, der wenn man ihn anrührt einen Schlag wie die Elecktricität giebt.

Hier in Rom ist alles voller Gemälde und Statuen und die schönsten Granite, Porphyre, Marmore, kann man hier an allen Orten und Enden sehn. Lebt wohl und schreibt mir offt, ich habe euch sehr lieb und werde euch dereinst viel erzählen.

G.


Gedenckt des Phasanen Traums der nun in Erfüllung geht, wenn nur das Ende tröstlicher wird!


8/2539.


An Charlotte von Stein

Rom d. 13. [- 16.] Dec. 86.

Könnt ich doch meine Geliebteste, jedes gute, wahre, süße Wort der Liebe und Freundschafft auf dieses Blat faßen, dir sagen und versichern daß ich dir nah, ganz[92] nah bin und daß ich mich nur um deinetwillen des Daseyns freue.

Dein Zettelchen hat mich geschmerzt aber am meisten dadrum daß ich dir Schmerzen verursacht habe. Du willst mir schweigen? du willst die Zeugniße deiner Liebe zurücknehmen? Das kannst du nicht ohne viel zu leiden, und ich bin schuld daran. Doch vielleicht ist ein Brief von dir unterwegs der mich aufrichtet und tröstet, vielleicht ist mein Tagebuch angekommen und hat dich zur guten Stunde erfreut. Ich fahre fort dir zu schreiben dir das merckwürdigste zu melden und dich meiner Liebe zu versichern. Wenn du diesen Brief erhältst bin ich wahrscheinlich in Neapel, wenn du mir schreiben magst; so laß deine Briefe ja immer abgehen, denn ich komme bald zurück und werde mich freuen ein Wort von dir wieder zu finden.


d. 14. Dec. 86.

Was ich auf der vorigen Seite schrieb sieht so ruhig aus, ich bin es nicht und muß dir liebe Vertraute alles vertrauen.

Seitdem ich in Rom bin hab ich unermüdet alles sehenswürdige gesehen und meinen Geist recht damit überfüllt, in der Zeit da sich manches zu setzen und aufzuklären schien, kam dein Zettelgen und brach mir alles ab. Ich sah noch einige Villen, einige Ruinen, mit den Augen blos. Da ich merckte daß ich nichts mehr sah, lies ich ab und ging nur so vor mich hin.

[93] Moritz der an seinem Armbruch noch im Bette liegt, erzählte mir wenn ich bey ihm war Stücke aus Seinem Leben und ich erstaunte über die Ähnlichkeit mit dem Meinigen. Er ist wie ein jüngerer Bruder von mir, von derselben Art, nur da vom Schicksal verwahrlost und beschädigt, wo ich begünstigt und vorgezogen bin. Das machte mir einen sonderbaren Rückblick in mich selbst. Besonders da er mir zuletzt gestand, daß er durch seine Entfernung von Berlin eine Herzensfreundinn betrübt. – Nicht genug! Ich las Tischbeinen meine Iphigenie vor die nun bald fertig ist. Die sonderbare, originale Art wie dieser das Stück ansah und mich über den Zustand in welchem ich es geschrieben aufklärte, erschröckte mich. Es sind keine Worte wie fein und tief er den Menschen unter dieser Helden Maske empfunden. Setzest du nun dazu daß ich gezwungen bin an meine übrige Schrifften zu dencken, und zu sinnen wie ich sie enden und stellen will und daß ich dadurch genötigt werde in tausend vergangne Situationen meines Lebens zurückzukehren, und daß das alles in wenigen Tagen auf mich zudringt in der merckwürdigsten Stadt der Welt die allein hinreicht einen Ankömmling verwirrt zu machen; so wirst du dencken können in welcher Lage ich mich befinde. Ich dencke nun auch nicht auf die nächste Stunde, ich will so hingehn, das nothwendige thun und tragen was ich muß und abwarten wie sich das alles entwickelt.

[94] Kannst du etwas für mich thun; so thu es! unendlich wird mich jedes Wort von dir erfreuen und aufrichten. In 16 Tagen ist ein Brief von dir in Rom. Diesen erhälst du zu Anfang des Jahres wenn du gleich wieder schreibst machst du mich glücklich, nur unter Tischbeins Adresse.

Tischbein Pittore tedesco al Corso incontro al Palazzo Rondanini.

Übrigens geht es mir sehr gut, ich habe bequeme und sichre Wohnung und die beste Einleitung zu allem und in alles was ich sehn will.

Grüße Fritzen und sage daß ich einige recht schöne Kunststücke für ihn lerne. Münzen in Thon abzudrucken, mit zwey Seiten und ihnen im Brennen eine Metall Farbe zu geben. Das viel artiger und dauerhafter als alles Gypswesen ist. Auch werd ich ihm schöne Schwefel mitbringen.

Hier haben sie gar eine artige Manier Zimmer auszuzieren, wie du einmal in Kochberg machen wolltest. Fange nichts an biß ich wiederkomme, ich bringe allerley mit.

Wenn ich auch Anfang künftigen Jahres nach Neapel gebe laß ich mir alle Briefe nachschicken. Lebe wohl, ich bin mehr als jemals dein. Grüße die deinigen.

d. 16. Dec. 86.

G.[95]


8/2540.


An die Herzogin Louise

Durchlauchtigste Fürstinn

gnädigste Frau,

Schon lange würde ich Ew. Durchl. Rechenschafft von meiner Reise, von meinem Aufenthalte in Rom gegeben haben, wenn ich hätte hoffen können etwas zu schreiben das Ihrer Aufmercksamkeit werth wäre. Der Reisende kann selten aus sich selbst herausgehen, was er von Schicksalen zu melden hat ist wenig bedeutend und meistens schreibt er mit selbstgefälligem Entzücken: daß er nun auch jene langgewünschten Gegenden betrete, jene herrlichen Gegenstände mit Augen sehe und nach seiner Art davon und dabey genieße.

Ich habe nun den ersten flüchtigen Lauf durch Rom beynahe geendigt, ich kenne die Stadt und ihre Lage, die Ruinen, Villen, Palläste, Gallerien und Musea. Wie leicht ist es bey einer solchen Fülle von Gegenständen etwas zu dencken, zu empfinden, zu phantasiren. Aber wenn es nun darauf ankommt die Sachen um ihrer selbst willen zu sehen, den Künsten aufs Marck zu dringen, das Gebildete und Hervorgebrachte nicht nach dem Effeckt den es auf uns macht, sondern nach seinem innern Werthe zu beurtheilen; dann fühlt man erst wie schwer die Aufgabe ist und wünscht mehr Zeit und ernsthaftere Betrachtung diesen schätzbaren Denckmalen menschlichen Geistes und menschlicher Bemühungen wiedmen zu können.

[96] Um nichts zu versäumen habe ich gleich einen Teil des ersten Genußes aufgeopfert und habe die Ruinen in Gesellschaft von Baukünstlern, die übrigen Kunstwercke mit andern Künstlern gesehen und dabey bemercken können: daß ein Leben voll Thätigkeit und Übung kaum hinreicht unsre Kenntniß auf den höchsten Punckt der Reinheit zu bringen. Und doch wäre nur diese Sicherheit und Gewißheit die Dinge für das zu nehmen was sie sind, selbst die besten Sachen einander subordiniren zu können, jedes im Verhältniße zum andern zu betrachten der größte Genuß nach dem wir im Kunst wie im Natur und Lebenssinne streben sollten. Indessen sehe ich fleißig ohne mich aufzuspannen und freue mich wenn mir von Zeit zu Zeit ein neues Licht erscheint.

Hier kann ich eine Betrachtung nicht verschweigen die ich gemacht habe: daß es nämlich bequemer und leichter sey die Natur als die Kunst zu beobachten und zu schätzen. Das geringste Produckt der Natur hat den Kreis seiner Vollkommenheit in sich und ich darf nur Augen haben um zu sehen, so kann ich die Verhältniße entdecken, ich bin sicher daß innerhalb eines kleinen Cirkels eine ganze wahre Existenz beschloßen ist. Ein Kunstwerck hingegen hat seine Vollkommenheit ausser sich, das »Beste« in der Idee des Künstlers, die er selten oder nie erreicht, die folgenden in gewissen angenommen Gesetzen, welche zwar aus der Natur der Kunst und des Handwercks[97] hergeleitet, aber doch nicht so leicht zu verstehen und zu entziffern sind als die Gesetze der lebendigen Natur. Es ist viel Tradition bey den Kunstwercken, die Naturwercke sind immer wie ein erstausgesprochnes Wort Gottes. Kommen denn nun gar noch handwercksmäsige Copisten hinzu; so entsteht eine neue Verwirrung und wer nicht sehr geübt ist, weiß sich nicht zu finden.

Verzeihen Ew. Durchl. daß ich statt anschaulicher Erzählung und Beschreibung ein trocknes Resultat hersetze, das ich vielleicht nicht einmal so bestimmt und deutlich als ich sollte ausgedruckt habe. Wenigstens sehen Ew. Durchl. daran den guten Willen das Beste zu geben was ich vermag.

Unvergeßlich wird mir der Augenblick seyn in dem ich das Glück hatte mich Ew. Durchl. vor meiner Abreise zu empfehlen, unaussprechlich die Gewalt die ich anwenden mußte mein weiteres Vorhaben zu verschweigen. Laßen mich Ew. Durchl. bey meiner Rückkehr eine immer gleich gnädig gesinnte Fürstinn wiederfinden.

Ew. Durchl.

unterthänigster

Rom d. [12. -] 23. Dec. 86.

Goethe.


8/2541.


An Charlotte von Stein

Rom d. 20. [- 23.] Dec. 86.

Noch ist kein Brief von dir angekommen, und es wird mir immer wahrscheinlicher daß du vorsätzlich[98] schweigst, ich will auch das tragen und will dencken: Hab ich doch das Beyspiel gegeben, hab ich sie doch schweigen gelehrt, es ist das erste nicht was ich zu meinem Schaden lehre.

Heute Nacht hatt ich halb angenehme, halb ängstliche Träume. Ich war in Eurer Gegend und suchte dich. Du flohst mich und dann wieder wenn ich dir begegnen konnte, wich ich dir aus. Deine Schwester und die kleine Schardt fand ich beysammen. Letztere versteckte etwas vor mir, wie ein farbiges Strickzeug. Sie erzählten mir, du lesest jetzt mit vieler Freude die englischen Dichter und ich sah zugleich zum Fenster hinaus einen anmutigen grünen Berg mit Lorbeerhecken und Schneckengängen die hinauf führten. Man sagte mir es sey der englische Parnaß. Ich dachte darüber wird sie mich leicht vergessen und schalt auf die englischen Dichter und verkleinerte sie. Dann sucht ich dich in meinem Garten und als ich dich nicht fand, ging ich auf die Belvederesche Chaussee, wo ich ein Stück Weg hatte machen lassen das mich sehr freute. Wie ich dabey stand kamen Oppels gefahren die mich freundlich grüßten, welches mir eine sehr frohe Empfindung war. – So bleibt der entfernte mit den zartesten Banden an die seinigen gefeßelt. – Gestern träumte ich die Herdern sey, eben als ich in ihr Haus trat, in die Wochen gekommen.

Hab ich dir denn von Rom nichts zu schreiben als Träume? Noch viel! Gar viel!

[99] Ich fange nun an die besten Sachen zum zweytenmal zu sehen, wo denn das erste Staunen sich in ein Mitleben und näheres Gefühl des Werthes der Sachen auflöst.

Ich lasse mir nur alles entgegen kommen und zwinge mich nicht dies oder jens in dem Gegenstande zu finden. Wie ich die Natur betrachtet, betrachte ich nun die Kunst, ich gewinne, wornach ich solang gestrebt, auch einen vollständigern Begriff von dem höchsten was Menschen gemacht haben, und meine Seele bildet sich auch von dieser Seite mehr aus und sieht in ein freyeres Feld.

Von gewißen Gegenständen kann man sich gar keinen Begriff machen ohne sie gesehen, in Marmor gesehen zu haben, der Apoll von Belvedere übersteigt alles denckbare, und der höchste Hauch des lebendigen, jünglingsfreyen, ewigjungen Wesens verschwindet gleich im besten Gypsabguß.

So ist eine Medusenmaske wo in einer hohen, schönen Gesichtsform das ängstliche Starren des Todtes unsäglich trefflich ausgedruckt ist. Ich suche einen guten Abguß um dir das mögliche mitzubringen, aber es ist der Zauber des Marmors nicht übergeblieben und das edle des halbdurchsichtigen, der gilblichen Fleischfarbe sich nähernden Steins ist verschwunden, der Gyps sieht immer dagegen Kreidenhaft und todt.

Aber was es für eine Freude ist auch nur bey so einem Gypsgießer vorbey zu gehen, wo man die schönsten Sachen beysammen findet. Wir haben einen Colossalen[100] Jupiter Kopf gekauft, er steht in meiner Stube wenn ich ihn nur in deinen Saal stellen könnte.

Und doch ist das alles mir mehr Mühe und Sorge als Genuß. Die Wiedergeburt die mich von innen heraus umarbeitet, würckt immer fort, ich dachte wohl hier was zu lernen, daß ich aber so weit in die Schule zurückgehn, daß ich so viel verlernen müßte dacht ich nicht. Desto lieber ist mir's, ich habe mich ganz hingegeben und es ist nicht allein der Kunstsinn, es ist auch der moralische der große Erneuerung leidet. Viel erleichtern würde mir diese sonderbare Hauptepoche meines Lebens, wenn ich ein freundlich Wort von dir vernähme, da ich jetzt alles allein austragen muß. Doch ich will dirs nicht abzwingen, folge deinem Herzen, und ich will meinen Weg im Stillen endigen. Tischbein und Moritz sind mir von großer Hülfe, und wißen nicht was sie mir sind, da auch hier der zum Schweigen gewöhnte, schweigt. Lebe wohl. Grüße die deinigen. Ich werde fortfahren dir zu schreiben. Diesmal kommt mir dein Geburtstag ohne daß ich mich dessen mit dir freuen kann. Wie erfreulich wird der nächste seyn, wenn du mich nicht ganz von deinem Herzen ausschließen willst.

abgeg. d. 23. Dec. 86.

d. 23. Dec. Abends.

Laß mich dir nur noch für deinen Brief dancken! Laß mich einen Augenblick vergessen was er schmerzliches enthält. Meine Liebe! Meine Liebe! Ich bitte[101] dich nur fusfällig, flehentlich, erleichtere mir meine Rückkehr zu dir, daß ich nicht in der weiten Welt verbannt bleibe. Verzeih mir großmütig was ich gegen dich gefehlt und richte mich auf. Sage mir oft und viel wie du lebst, daß du wohl bist daß du mich liebst. In meinem nächsten Briefe will ich dir meinen Reiseplan schreiben, was ich mir vorgenommen habe und wozu der Himmel sein Gedeyhen gebe. Nur bitt ich dich: sieh mich nicht von dir Geschieden an, nichts in der Welt kann mir ersetzen was ich an dir, was ich an meinen Verhältnißen dort verlöhre. Möge ich doch Krafft alles widrige männlicher zu tragen mitbringen. Eröffne die Kasten nicht, ich bitte und sey ohne Sorgen. Grüße Stein und Ernst, Fritzen dancke für seinen Brief er soll mir oft schreiben, ich habe schon für ihn zu sammeln angefangen, er soll haben was er verlangt und mehr als er verlangt.

Daß du kranck, durch meine Schuld kranck warst, engt mir das Herz so zusammen, daß ich dirs nicht ausdrucke. Verzeih mir ich kämpfte selbst mit Todt und Leben und keine Zunge spricht aus was in mir vorging, dieser Sturz hat mich zu mir selbst gebracht. Meine Liebe! meine Liebe!


Ließ doch Anton Reiser ein psychologischer Roman von Moritz, das Buch ist mir in vielem Sinne werth. Der arme Narr liegt nun schon 26 Tage auf Einem Flecke an einem Armbruche.

[102] Fritzen schreibe ich mit nächster Post.

Vom 4. Nov. war ein Blat an den Herzog das du sehn solltest. Meine Tagbücher müssen endlich kommen und dir mein Herz bringen, dir sagen daß du mir einzig bist und daß du mit niemand theilest.

Lebe wohl! liebe mich! daß ich mit Freuden sammle und dir neue Schätze bringe.

Im Leben und Todt der deine.

G.


Dieser Brief kommt durch der Herzoginn Einschluß ich siegle ihn mit Oblaten und dem Köpfgen. Ich habe bisher mit verschiednen Siegeln gesiegelt und wills künftig immer notiren.

Tischbein grüßt Fritzen er wird für ihn sorgen helfen.


8/2542.


An Friedrich Constantin von Stein

Rom, den 29. December 1786.

Dein Brief, mein vielgeliebter Fritz, hat mir viele Freude gemacht. Du kannst nicht öfter an mich denken als ich an dich. Gar oft wünsche ich dich zu mir, es giebt gar mancherlei Gutes zu genießen, das dich noch mehr als mich ergötzen würde.

Schwefelabdrücke bring' ich dir mit und Steine von merkwürdigen Gebäuden, wo du zugleich die verschiedenen Arten von Steinen sehen sollst, mit denen man hier baute und auszierte.

[103] Die ganze Nacht vor dem Weihnachtsfest sind wir in den Kirchen herumgefahren und haben die Feierlichkeiten angesehen und angehört. Zu St. Apollinar war Musik. St. Peter mit wenigen Lichtern, Lampen und Fackeln kaum erleuchtet, so daß man das ungeheure Gebäude kaum wieder erkannte. In einer sehr erleuchteten Seitenkapelle sangen die Chorherren die Frühmetten. In St. Maria maggiore war die Kirche schön erleuchtet; dort haben sie einige Stücke von der Krippe Christi. Es zieht eine Prozession mit Fackeln umher, es wird ein silbernes Kindlein auf einer silbernen sehr verzierten Wiege getragen u. s. w.

Am Weihnachtsmorgen hielt der Pabst in St. Peter Hochamt, bei dem die Cardinäle ministrirten. Es mögen 2000 Menschen in der Kirche gewesen seyn und man bemerkte sie kaum, da man hineintrat, da sie Alle um den Hochaltar standen.

Die Gasse, in der ich wohne, ist gegen 3000 Schritte lang, du kannst sie einmal in der Belvedereschen Allee abschreiten und dabei an mich denken. Erzählung von besseren Sachen hebe ich für dich auf. Wenn wir künftig zusammen gehen und fahren, habe ich dir zu erzählen, und du sollst dich nicht mehr über mein Stillschweigen beklagen.

Lebe wohl; auch ein Stück Lava vom Vesuv sollst du haben. Grüße Ernsten, deine Großeltern, und behalte mich lieb.

G.[104]


Dein italiänischer Brief hat mich gefreut, nächstens sollst du auch einen von mir in dieser Sprache haben.


8/2543.


An Charlotte von Stein

d. 29. [und 30.] Dec. 86.

Immer muß ich wiederhohlen: ich glaubte wohl hier etwas rechts zu lernen, daß ich aber soweit in die Schule zurückgehen müßte glaubt ich nicht, und je mehr ich mich selbst verläugnen muß je mehr freut es mich. Ich bin wie ein Baumeister der einen Thurm aufführen wollte und ein schlechtes Fundament gelegt hatte; er wird es noch bey Zeiten gewahr und bricht gerne wieder ab, was er schon aus der Erde gebracht hat, um sich seines Grundes mehr zu versichern und freut sich schon im Voraus der gewissern Festigkeit seines Baues. Daß ich in der letzten Zeit die Natur so eifrig und gründlich studirte hilft mir auch jetzt in der Kunst. Gebe der Himmel daß du bey meiner Rückkehr auch die moralischen Vortheile an mir fühlest die mir das Leben in einer weitern Welt gebracht hat.

Tischbein mahlt mich jetzo. Ich laße ihn gehn, denn einem solchen Künstler muß man nicht einreden. Er mahlt mich Lebensgröße, in einen weisen Mantel gehüllt, in freyer Luft auf Ruinen sitzend und im Hintergrunde die Campagna di Roma. Es giebt ein schönes Bild, nur zu groß für unsre Nordische Wohnungen.

[105] Damit du auch gleich etwas von der Verbesserung meines Zustandes fühlest, will ich dir vertrauen wie ich meine Reise einzurichten dencke.

Zwischen hier und Ostern seh ich was ich noch in Rom zu sehn habe, und Neapel. Nach Sicilien geh ich nicht; ich bin nicht vorbereitet genug, habe weder Geld noch Zeit genug. Den April und May bring ich auf meiner Rückreise bis an die Alpen zu. Den Juni und Juli durch die Schweitz, den Rhein hin, bis Franckfurt und im August seh ich dich wieder. Gieb mir deinen Segen zu diesem Vorhaben und verschließe dich nicht vor mir.

Fritz muß mir bis Franckfurt entgegen kommen. Daß du mit deiner Schwester kämest kann ich kaum hoffen. – Beladen mit Phasanen denck ich nur an die Rückkehr und Euch das Beste zu bringen und zu widmen.

Da ich keine vollständige Idee von Italien mitnehmen kann, will ich wenigstens das was ich sehe mit eignen Augen und nach eigner Art sehen. Es wird mir mit diesem Lande wie mit meinen Lieblingswissenschafften gehn. Auf den ersten sichern Blick kommt alles an, das übrige gibt sich, und durch Schrifft und Tradition hat man keinen sichern Blick. Nun aber werd ich gern lesen und hören und was sich hierauf bezieht sammeln, denn ich kann nun etwas dabey dencken ich kann es beurtheilen.

Daß Fritz nichtmehrin meinem Hause ist, betrübt[106] mich. Ich glaubte es recht gut gemacht zu haben. Ich hatte ihn in meine Stube installirt und Seideln bey ihm zu schlafen bestellt. – Es sey das letzte mal, wills Gott, daß ich stumm ein solch Unternehmen ausführe, möge mir doch ein guter Genius immer die Lippe offen halten.


d. 30. Dec. 86.

Dein Brief vom 11. Dec. der eben anlangt, Briefe von Herder, Knebel, machen mir auf einmal große Freude. Du sollst auch immerfort von mir hören. Schreibet mir auch immerfort, nur den letzten Montag im Febr. gebt die letzten Briefe für Rom auf die Post, wenn inzwischen nichts sich verändert. Ich freue mich unsäglich jeder Zeile von dir und schließe mich täglich mehr an Euch fest. Von meinem Rückreise Plan sagst du nur dem Herzog und den nächsten. Empfiel mich dem Herzog ich habe noch keinen Brief von ihm.

Wegen des Kastens siehe beyliegenden Brief an Seidel. Ich begreife nicht daß er ihn nicht aufgemacht hat. Der Caffee ist für dich und für die Freunde die du damit regaliren willst. Sollte das Tagbuch glücklich angekommen seyn; so schreibe mir es gleich daß ich beruhigt werde.

Leb wohl. Grüße Fritzen. Die Waldnern und Steinen. Dancke der Waldner für die Nachricht des brennbaren Wassers ich bringe ihr ein Fläschgen mit. Ganz der deine. Empfiel mich der Herzoginn sie wird einen Brief von mir haben. Leb wohl und wohl.[107]


8/2544.


An Johann Gottfried Herder

Rom d. 29. [und 30.] Dec. 86.

Endlich kann ich dir mit Freuden melden daß meine Iphigenie fertig ist, daß zwey Abschriften davon auf meinem Tische liegen. Wenige Verse möcht ich noch verbessern und dazu will ich sie noch eine Woche behalten, dann übergeb ich sie dir mit völliger Macht und Gewalt darin nach Belieben zu korrigiren.

Ich hab Zeither eine Pause im Sehen gemacht um das Gesehne würcken zu lassen. Nun fang ich wieder an und es geht trefflich. Das gesteh ich aber auch daß ich mich aller alten Ideen, alles eignen Willens entäussere um recht wiedergebohren und neu gebildet zu werden.

Die Fähigkeit ähnliche Verhältniße zu entdecken, wenn sie auch noch soweit auseinander liegen, und die Genesen der Dinge aufzuspüren hilft mir auch hier auserordentlich, und wenn ich Zeit hätte alle Kunstwercke mir recht zu vergegenwärtigen und sie alsdann miteinander zu vergleichen, wollte ich ohne große Gelehrsamkeit der Geschichte der Kunst manchen Vorteil bringen.

Man denckt und spricht hier weiter nichts und also kann man bald vorwärts kommen.

Wieviel Versuche man übrigens macht mich aus meiner Dunckelheit hervorzuziehen, wie die Poeten mir[108] schon ihre Sachen vorlesen oder vorlesen laßen, wie es nur von mir abhinge eine Rolle zu spielen, da ich nun klüglich erst abgepaßt habe wo es in Rom hinaus will, das alles erzähl ich euch einmal und es wird euch unterhalten.

Aber es ist hier wie allenthalben und alles was hier geschehen könnte ennüyirt mich schon voraus. Man muß sich zu Einer Partey schlagen, ihre Leidenschaften und Kabalen mit verfechten helfen, die Künstler und Dilettanten loben, den Grosen schmeichlen. Und das sollte ich hier? da ich's zu Hause nicht mag, und ohne Zweck?

Nein! ich gehe nicht tiefer als nur um das auch zu kennen und dann mit Euch hinter der Kirche vergnügt zu seyn und Euch und mir die Lust in die weitere Welt zu benehmen.

Ich will Rom sehn, das bestehende, nicht das mit jedem Jahrzehend vorübergehende. Hätte ich Zeit ich wollte sie zu was anders anwenden. Besonders ließt sich Geschichte von hier aus ganz anders, als in einem jeden andern Orte der Welt. Man meynt man sähe alles, alles reiht sich.

Tischbeinen kann ich nicht genug loben, wie original er sich aus sich selbst heraus gebildet hat. Er wird euch recht aus Herzens Grund freuen wenn ihr ihn dereinst sehen werdet.

Er hat gar freundschafftlich für mich auch in Kunstsachen gesorgt und mir eine Reihe Studien nach den[109] besten Meistern gezeichnet und zeichnen laßen die in Teutschland für mich einen großen Werth haben, und mein Zimmerlein zu einem Schatzkästgen machen werden.

Nun ist mir du lieber alter Freund Baukunst und Bildhauerkunst und Mahlerey wie Mineralogie Botanick und Zoologie. Auch hab ich die Künste nun recht gepackt, ich laße sie nun nicht fahren und weis doch gewiß daß ich nach keinem Phantom hasche.

Nun hoff ich denn auch wieder von Euch zu hören. Den zweyten Theil der zerstreuten Blätter hatt ich mit hierhergebracht, er hat viel Freude verschafft. Wie siehts mit dem dritten Theile der Ideen?

Seit einigen Tagen haben wir wieder das klarste, wärmste Wetter, ich hoffe schöne Zeit in Neapel. Eh ich gehe schreib ich noch. Die Christnacht haben wir geschwärmt und die Kirchen besucht wo Funcktionen waren.

Am ersten Festtage sah ich den Papst mit der ganzen Clerisey in der Peterskirche, da er vom Trohne herab das hohe Amt hielt. Es ist ein einziges Schauspiel in seiner Art, ich bin aber doch im Diogenismus zu alt geworden, daß es mir von irgend einer Seite hätte imponiren können.

Nun gehn die nächste Woche die 7 Theater auf. Anfossi ist selbst hier und giebt Alessandro nel Indie, auch wird ein Cyrus gegeben und die Belagrung von Troja als Ballet. Das wäre was für die Kinder. Grüßt sie und liebt mich –

G.[110]


d. 30. Dec. da dieser Brief abgehn soll, erhalt ich den eurigen. Tausend Danck. schreibt mir ja bald wieder. Über den Inhalt nächstens. Grüßt die Kinder und fahrt fort mich zu lieben.


8/2545.


An Philipp Seidel

d. 30. Dec.

Frau v. Stein schreibt mir es sey ein Kasten über Nürnberg in meinem Hause angekommen, der noch nicht eröffnet worden. Das macht mir einige Sorge.

Es ißt der Kasten, den ich von Venedig abschickte. Er muß aber emballirt seyn, und zwischen der Emballage und dem Kasten, muß noch ein Paquet in Wachstuch mit meiner Adresse stecken, das an Fr. v. Stein gehört. Ist er also richtig angekommen so mache die Emballage los, gieb das Packet an Fr. v. Stein, mache den Kasten auf. In demselben ist eine große Schachtel, welche auch an Fr. v. Stein gegeben wird, nebst vielen andern Packetgen und Papieren, worauf ihre Adresse steht. Das übrige hebe auf. Wäre aber der Kasten ohne Emballage angekommen; so muß ich mich erkundigen und deswegen schreibe mir gleich alles, wie sichs verhält, auch melde mir sonst was vorgegangen ist.

Ich wiederhohle nochmal, das Wachstuch-Packet in Quarto, muß zwischen dem Stroh der Emballage stecken.

[111] Du kannst an Frl. Voß das Geld, was aus der Tontine gekommen ist, gegen eine Quittung auszahlen. Versteht sich das für den verstorbnen Bruder zurückgezahlte.

Lebe wohl, ich bin gesund und fleißig und vergnügt.

G


Auf alle Fälle machst du den Kasten auf.


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 8, S. 43-112.
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