1793

[46] 10/2967.


An Friedrich Heinrich Jacobi

W. d. 1. Febr. 1793.

Heute erhalte ich deinen Brief und schreibe dir einige Worte die ich schon diese Tage mit mir herumtrage. Mit der montägigen Post geht ein Packet ab, mit allerley wunderlichen Geburten des menschlichen[46] Geistes die ich zum Theil deiner Bibliotheck einzuverleiben bitte. Andre Wercke werden bereitet und folgen nach und nach. Ich lasse dir die Zeichnungen kopiren in denen Meyer meine theoretischen Farben Speculationen in Praxin zu setzen anfing. u.s.w. Hierbey ein kleiner Aufsatz eines Mannes von dem ich mir für deinen Sohn viel gutes verspreche. Über den Jenaischen Aufenthalt empfängst du nächstens Nachricht. Viel Danck für die Mittheilung des Briefes der Prinzess. Ich wünschte ich käme mir selbst so harmonisch vor wie dieser schönen Seele und wäre neugierig zu wissen wie sie von mir dächte wenn wir ein Jahr zusammen gelebt hätten, in den ersten Tagen ist und bleibt immer viel Schein. Ihr kurzer Umgang ist mir sehr wohltätig geworden und sie hat mir eine herzliche Neigung abgewonnen. Das kleine Gedicht, wie überhaupt alles was ich nach meiner Art vorbrachte hat sie mit der besten Art aufgenommen, und mir ein unbegränztes Vertrauen eingeflößt und bewießen. Es freut mich daß dir und deinem Kreiße das kleine Gedicht wohlgefällt. Wir können nichts machen als was wir machen und der Beyfall ist eine Gabe des Himmels.

Seit einigen Tagen habe ich gleichsam zum erstenmal im Plato gelesen und zwar das Gastmal, Phädrus und die Apologie. Wie sonderbar mir dieser fürtreffliche Mann vorkommt möcht ich dir erzählen, ich habe Herdern mit meiner Parentation zu lachen[47] gemacht. Darnach ging mirs aber wie jener Haußfrau, die Katze gewesen war und ihres Mannes Tafel gegen eine Maus vertauschte, ich habe eine Arbeit unternommen die mich sehr attachirt, von der ich aber nichts sagen darf biß ich ein Pröbchen schicke. Inzwischen war ich oft euretwegen in Sorgen und freue mich daß nun Hoffnung ist euch wo nicht ruhig doch sicher zu sehen. Die Aachner Begebenheiten sind albern genug. Leidet dein Sohn nicht bey diesen Händeln? Ich dancke dir für die Nachrichten die ich sorgfältig fortpflanzen werde. Sage mir manchmal ein Wort von deiner Lage und der Situation um dich her! Daß ich Georgen nicht wie dich und die übrigen in deinem Hause im Geiste kann wandlen sehen thut mir leid. Grüße ihn und gedencket mein. Gewöhnlich wenn ich aufstehe besuch ich euch und sehe jedes in seiner Art kommen und wesen. Ich bin wohl und glücklich, meine Kleine ist im Hauswesen gar sorgfältig und thätig, mein Knabe ist munter und wächst, Meyer ist fleißig und wir halten den bewußten Amor recht fest zwischen uns. Meyer arbeitet einige treffliche Zeichnungen zu der neuen Quart Ausgabe von Wielands Wercken. Wenn die Platte von des Alten Portrait fertig ist erhältst du gleich einen Abdruck, der dir um einiges besser als der rohe Probedruck gefallen wird. Im Ganzen aber ist nicht zu läugnen was du tadelst. Unter uns gesagt liegt aber der Fehler darin daß Lips nicht Zeit genug auf eine solche[48] Platte wenden kann. Denn es gehört viel Zeit con amore einen Gegenstand natürlich darzustellen, wenn man den Schein davon in kürzerer Zeit durch Manier allenfalls vorbilden kann.

Lebe recht wohl und theile meine Grüße mit vollen Händen aus, nicht so bedächtlich wie Klärchen die Frühstücke in Häufchen neben einander legt, welches doch an ihr als einer klugen Jungfrau nicht zu tadlen ist.

Empfiel mich allen Freunden. Für Herrn Grafen Nesselrode leg ich Montags ein paar Bände von Alfieri bey. Lebet wohl, gedencket mein beym Morgen und Abendkuße. Lebt wohl.

G.


10/2968.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Du erhältst heute nur einen Etat für Maxens nothwendigste Ausgaben. Ein Quartier ist genommen das nicht übel ist. Hierbey einige poetische Späße.

Nächstens mit 3 Globen noch einige andre Sachen.

Die Spritze kommt bald ich lasse sie mit einem Zubringer machen.

Lebe wohl. Grüße die deinen. Maxens Bette ist auch schon in meinem Hauße bereitet, er mag sich bey mir zum Schritte von Pempelfort nach Jena gewöhnen.

Danck für deinen Brief und die Beylagen.

W. d. 22. Febr. 1793.

G.[49]


10/2969.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Ew. Exzell.

erlauben daß ich dieselben auf einen Mann aufmercksam mache, der sich seit einiger Zeit hier aufhält und der mir täglich verdächtiger vorkommt. Es ist der sogenannte Obrist Pearce in Amerikanischen Diensten.

Er sucht unter ansehnlichen Versprechungen junge Leute an sich zu locken. Der junge Wette, der sich mit zu den Künstlern zählt, hat von mir, zum Entzweck einer Aufnahme ein Attestat seiner Talente und seines Verhaltens begehrt und dieses veranlaßt mich zu Gegenwärtigem.

Sollte es etwa gefällig seyn, den Peter im Baumgarten, mit welchem gedachter Pearce hierher auf dem Postwagen gereist und bey welchem er wohnt, durch irgend einen Subalternen vernehmen zu lassen, so würden, wie ich vermuthe, dadurch einige Verhältnisse sogleich in's Licht gesetzt werden.

Ich empfehle mich Ew. Exzell. gnädigem Wohlwollen und unterzeichne mich verehrend

Ew. Exzell.

W. 12. Mart. 1793.

gehorsamster Diener

Abends 5. Uhr

Goethe.[50]


10/2970.


An Friedrich Heinrich Jacobi

W. d. 17. Apr. 93.

Gestern frühe ist Max bey mir angelangt müde genug und mit einem vom Stiefel gedrückten Fuße. Für das erste Bedürfniß ist ihm ein Canapee, und für das letztere Übel ein Kräutersäckchen zu Hülfe gekommen und heute ist er schon nach seiner Art ganz munter, ich habe den Lecktionskatalogus mit ihm durchgegangen und seine Stunden vorläufig ausgezeichnet ihn mit einigen Büchern versorgt, so mag er sich ausruhen und sich dann hier umsehen. Ist mirs möglich so bringe ich ihn selbst nach Jena, wo nicht, soll er in gute Hände geliefert werden.

Denn ich bin schon wieder reisefertig und werde wenn sich Maynz nicht kurz resolvirt, der Blokade oder Belagerung beywohnen. Gegen Ende dieses Monats gehe ich hier ab. Hast du was an Max so schreibe ihm unter seiner Adresse, bey mir abzugeben. An mich schreibst du nun am sichersten nach Franckfurt.

Ich bin im Packen eines Kästchens begriffen das wahrscheinlich Montags mit dem Postwagen abgeht. Es enthält wunderbare Dinge, nichts weniger als die Welt in triplo, eine unbekannte Monatsschrift welche vor zwölf Jahren ausgegeben wurde, das A. B. C. und A. B. A. B. der neuen Farbenlehre aufs Colorit angewandt, Bildniße berühmter Männer, Muster von[51] unterirdischen Schätzen und s.w. wie solches alles zu großer Verwunderung der Pempelforter Bewohner nächstens ausgepackt werden wird. Es liegt auch etwas für die Fürstinn Gallizin bey.

Daß ihr aber zu meiner Aufführung in Münster solche sonderbare Gesichter schneidet, daran erkenne ich die losen Weltkinder die sich formalisiren wenn sich unser einer einmal in puris naturalibus seiner angebohrnen Tugend sehen läßt, oder nach dem schönen Gleichniße der Kirchenmutter Lehnchen die rechte Seite der gewirckten Tapete an einem Festtage herauskehrt. Ihr werdet also künftig von eurem Unglauben und bösen Leumund ablassen, und Gott in seinen Geschöpfen die gebührende Ehre erzeigen.

Wie sehr ich dir und allen Freunden und Verwandten über dem Rhein zu der Entfernung der Toll-Francken Glück wünsche kannst du dencken. Ich dancke dir für die Nachrichten die du mir von Zeit zu Zeit sendest, und wenn ich nicht oft schreibe, so weißt du wie es sich mit mir verhält. Der guten Herdern ist auch so ein Brief überständig geworden weil der Gemahl zu schreiben unterließ.

Aus deinem Sohne Georg wird also dem Ansehn nach ein kleiner Despote werden. Ich freue mich daß er bald in solche Verhältniße kommt. Der Herzog wird ihm gerne einen Titel geben, nur schreibe mir gelegentlich ob es gerade Regierungs-Rath seyn muß. Man hat ihn hier niemals als blosen Titel gegeben[52] und stellt sich vor daß er mit einer Wircklichkeit verknüpft seyn müsse, ob ich gleich gern gestehe nicht einzusehn warum die Regierung allein Ansprüche an Realität zu machen hat, da wir Cammer, Justiz, Hof, Land, Commerzienräthe haben denen es an aller und jeder Wirklichkeit ermangelt.

Wegen des Papiers sollst du zunächst Nachricht haben. Es ist Schweizerpapier, wir ziehen es von Leipzig, ihr werdet es besser von Basel oder Franckfurt nehmen.

Lebe wohl und grüße alles zum Besten und schönsten. Dohms empfiel mich zum Besten.

Von Franckfurt hörst du was von mir.

Frau von Guttenhofen bitte mit den schönsten Empfehlungen zu sagen daß ich Frau v. Ferette (so hört sich wenigstens der Nahme) hier einige Tage zu sehen das Glück gehabt, in deren Gesselschaft sich ihr Herr Sohn befunden.

Nun sey mir nochmals gegrüßt. Vielleicht noch ein Wort ehe ich von hier abgehe. Liebe mich und gedencke mein in dem deinigen.

G.


Inhalt dieser Sendung.

1. Ein Packet an Prinzess Galizin zu gefälliger weiterer Besorgung.

2. Die Welt in triplo für den billigen Preis von 4 rh. 20 gr. Sächsisch courant. wird in Rechnung gestellt.[53]

3. Das Journal von Tiefurth, ist zwar nachher sehr geplündert worden, es finden sich aber noch allerley Originalspäße drin zu beliebiger Beherzigung.

4. Abelard und Eloise.

5. Eine Rolle. Darauf ein einzelner Wieland für Ew. Liebden. Ein Wieland und Goethe an Herrn Hofr. Apel mit der besten Empfehlung.

6. Drey farbige Zeichnungen, welche, weil sie eine weitläufige Auslegung erforderten, gar nicht ausgelegt werden. Die Absicht ist daß sie mögen wunderlich und lieblich anzuschauen seyn. Werden vor dem Sonnenlicht verwahrt.

7. Drey Blätter Aquatinta, eine alte Vase, welche Durchl. die Herzoginn Mutter besitzt, vorstellend. Merckwürdig weil es die erste Vase ist die ganz genau in Kupfer gebracht worden, so daß man die Art und Weise des Alten Kunstwercks, die Tugenden und Mängel desselben, als sähe man das Original, daran unterscheiden kann. Wird mit einem Commentar bald ausgegeben.

8. Ein paar Silberkörner aus dem Ilmenauer Wercke zu Erneuerung des gewerckschaftlichen Zutrauens.

9. Ein Stahlsiegel worauf die Medusa Strozzi kopirt. Herrn Grafen Nesselrode mit Empfehlung meines Andenckens zu überreichen.[54]


10/2971.


An Friedrich Justin Bertuch

Ew. Wohlgeb.

dancke vielmals für die von dem Fürsten von Dessau Ihnen übergebene und wohl bey mir angelangte Depeche. Ich wünsche gute Verrichtung und bitte mir eine kleine Kommission zu besorgen.

Herrn Vieweg dem älteren sendete ich meist durch Herrn Hofr. Moriz einige poetische Aufsätze für das deutsche Museum, worin sie auch gedruckt stehen. Ich erinnere mich daß von 4 Louis d'or Honorarium für den Bogen die Rede war. Auch ließ ich Herrn Vieweg ersuchen eine kleine Post die ich an Herrn v. Cranach nach Craazen schuldig war an denselben abzutragen, ich vermuthe daß dieses geschehen ist. Wollten Sie die Güte haben mit Herrn Vieweg die Sache abzumachen und das mir etwa zukommende Geld an sich zu nehmen und Herrn V. bestens von mir zu grüßen. Leben Sie recht wohl und kommen gesund zurück.

W. d. 27. Apr. 1793.

Goethe.


10/2972.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Du hast sehr wohl gethan, mein lieber, mich nochmals mit einem Briefe heimzusuchen, ich befinde mich[55] noch hier und werde vielleicht noch eine Woche bleiben. Aus einer Gewohnheit mag ich mich gar nicht gerne entfernen und so giebts allerley Vorwand. Die Spritze sollst du haben, ich will dir gleich meine einpacken lassen. Denn der Meister ist ein Zauberer besonders wenn von kleinen Spritzen die Rede ist an denen wenig verdient wird. Ich besorge daß man sie mit einem Fuhrmanne abgehen läßt.

Dein Wagen steht nun auch noch hier und ich weiß nicht wie ich ihn wegschaffen soll. Er ist gut aber sehr schwer daß ich drey und vier Pferde zu nehmen genöthigt war. Sollte man ihn nicht lieber verkaufen. Zwar über 50 rh. giebt man nicht dafür, ich habe mich schon erkundigt, sage mir deine Meynung.

Mein Wägelchen steht noch in Coblenz wie mir Krahe schreibt. Ich wollte du ließest es kommen, denn es ist immer noch den Transport werth und dient dir wohl noch einmal dir einen Gast vom Halse zu schaffen. Sage mir auch darüber was du thun willst.

Beyliegende Note berichtet dich über das Schweizer Papier.

Max hat sich gleich recht gut gefunden, ich war einige Tage in Jena und habe mich über ihn gefreut. In seinem Fache wird es ihm an guter Leitung und gründlichem Unterricht nicht fehlen.

Von Franckfurt schreibe ich gleich.

[56] Du kannst dencken wie ich fleißig war. Reinicke ist fertig, in Zwölf Gesänge abgetheilt und wird etwa 4500 Hexameter betragen. Ich schicke dir bald wieder ein Stück. Ich unternahm die Arbeit um mich das vergangne Vierteljahr von der Betrachtung der Welthändel abzuziehen und es ist mir gelungen.

In meinen Natur Betrachtungen bin ich auch weiter gekommen.

Grüße alles. Von Franckfurt schreibe ich und sollt ich mercken daß das Kriegswesen gar zu wilden Einfluß auf mein zartes Herz äussert, so werde ich wohl den Rhein wieder hinunter schwimmen müssen um Lehnchens calmirender Hand mich zu unterwerfen.

Lebe wohl und liebe mich.

W. d. 2. May 93.

G.


Das Papier werdet ihr von Basel immediat oder wenigstens von Franckfurt zu ziehen haben.


10/2973.


An Carl Ludwig von Knebel

Nur noch ein Wort zum Abschied. Möge dir die Cur in Gesellschaft der Musen recht wohl bekommen, ich will suchen mitten im Getümmel recht fleißig zu seyn. Grüße Nachbar und Nachbarinn. Ich schicke von Zeit zu Zeit etwas. Meinen Kleinen empfehl ich dir, er kommt, hoff ich, glücklich durch. Reinicken[57] muß ich mitnehmen. Die Correcktur so eines Stücks ist eine Sache die sich nur nach und nach macht. Meyer grüßt aufs beste. Lebe tausendmal wohl.

W. d. 11. May 93.

G.


10/2974.


An Franz Kirms

Der Herr Coadjutor hat sich für unser Schauspiel sehr günstig erklärt und erlaubt jetzt und künftig nach unsrer Convenienz entweder von Zeit zu Zeit oder in einer Folge in Erfurt spielen zu dürfen.

Ich habe mir ausgebeten daß Ew. Wohlgeb. sich unmittelbar an ihn wenden dürfen weil man durch die dritte vierte Hand niemals weiß woran es manchmal hie und da nicht fort will. Ich überlasse Ew. Wohlgeb. hievon Gebrauch zu machen und wünsche recht wohl zu leben.

Gotha d. 15. May 1793.

Goethe.


10/2975.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Eh ich von Weimar abging ist die Sprütze eingepackt und soll mit dem ersten Fuhrmann hierher abgehen und dann weiter zu dir eilen. Sie ist eingerichtet daß man unten den Zapfen ausziehen und einen durchlöcherten Kupfernen Saugkolben einschrauben[58] kan den man alsdann ins Wasser reichen läßt und fortplumpt, so kannst du deinen ganzen Bach aussaugen.

Maxen ließ ich noch durch Götze besuchen eh ich abging er befindet sich wohl. Nächstens erhältst du wunderliche Dinge, ich bin sehr fleißig. Hier ist alles still, aus dem Lager schreib ich dir, es geht nicht alles wie es sollte. Leb wohl grüße die deinen liebe mich.

Franckfurt d. 17. May 93.

G.


10/2976.


An Friedrich Justin Bertuch

Ew. Wohlgeb.

übersende einen Brief der sich auf die Borelli'sche Büchersendung bezieht. Sie haben wohl die Güte die Fracht zu berichtigen und sich an die Bücher zu halten.

Zugleich bitte ich das bekannte Bild der Muttergottes mit dem Kinde von Correggio's Composition in ein Kästchen wohlgepackt, an mich zu senden. Ich wünsche es mit einem ähnlichen das sich hier befindet zu vergleichen.

Seit drey Tagen hört man keinen Canonenschuß, alles ist stille, obgleich die Vorbereitungen zur Belagerung immer starck fortgehen. Man vertröstet das Publikum von Woche zu Woche auf diese Fete.

Ich empfehle mich bestens.

Franckfurt d. 21. May 93.

Goethe.[59]


10/2977.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Dieses Blat sollte schon lange bey dir seyn, ist aber durch Versehen diese Zeit herumspazirt und tritt nun seinen Weg zu dir an. Morgen gehe ich zur Armee und meine berühmte Geduld und Langmuth wird wie es scheint vor Mayntz recht am Platze seyn.

Ich befinde mich hier recht wohl. Sömmerings Gegenwart ist mir sehr erfreulich und heilsam.

Lebe wohl. Hierbey folgt ein Schauspiel dem ich guten Empfang wünsche. Grüße die deinen.

Franckfurt d. 26. May 1793.

G.


Gieb das Lustspiel nicht aus der Hand.


10/2978.


An Christiane Vulpius

d. 29. May 93.

Ich bin nun wieder, meine beste, im Lager angelangt und es sieht ein gut Theil besser aus als vor dem Jahre. Man muß nur alles gute und bequeme was man zu Hauße verließ eine Zeitlang aus dem Sinne schlagen so kann es wohl angehen. Abwechslung giebt es genug und viel zu sehen und zu hören. Der Herzog ist recht wohl. Die Armee steht um eine große Stadt, über ein Paar Flüsse weg und man[60] schießt Tag und Nacht. Ich wollte du wärst bey mir, so möchte das andre hingehn. Ich war in ein Dorf recht schön einquartiert da haben mich die Wanzen wie gewöhnlich heraus gejagt. Nun schlafe ich wieder im Zelte, angezogen, in einer Stroh Bucht und habe eine Decke die uns hoffe ich, bald wieder zusammen zudecken soll. Ich dencke viel an dich, küsse dich und den Kleinen in Gedancken.

Du wirst nun das zweyte Packet erhalten und dich gefreut haben. In Franckfurt steht noch das Bügeleisen, die Schue und Pantoffeln waren noch nicht fertig. Bald gehe ich wieder hinein und packe dir wieder ein Kästchen.


d. 31ten.

Heute Nacht sind wir unsanft geweckt worden. Die Franzosen attakirten das Hauptquartier, ein Dorf ohngefähr eine halbe Stunde von uns. Das Feuer war sehr lebhaft sie wurden endlich zurückgetrieben.

Deiner Bitte eingedenck bin ich erst da es Tag war und alles vorbey hinunter geritten. Da lagen die armen Verwundeten und Todten und die Sonne ging hinter Maynz sehr prächtig auf.

Behalte mich lieb, ich werde mich um deinetwillen schonen denn du bist mein liebstes auf der Welt. Küsse den Kleinen. Ich hoffe wir sehen uns bald wieder. Ich schreibe dir von Zeit zu Zeit.

G.[61]


10/2979.


An Christian Gottlob Voigt

Im Lager vor Maynz d. 31. May 93.

Kaum war ich einige Tage hier wo ich Durchl. den Herzog wohl und munter und alles artig eingerichtet fand, indem man die Zelten mit Lauben erweitert und ausgeschmückt, ein Speisezimmer gebaut, Küche und Keller eingegraben und die ganze militarische Haushaltung auf einen angenehmen und wie es schien dauerhaften Fuß gesetzt hatte, als heute Nacht die Franzosen sich erfrechten auf das Hauptquartier Marienborn einen Ausfall zu thun und mir also das Schauspiel eines Überfalls und einer nächtlichen sehr lebhaften Affaire gewährt ward. Der Feind drang biß in das Dorf fast unangemeldet, es entstand ein lebhaftes Gefechte. Das Canonenfeuer von unsern Batterien, das Feuer des kleinen Gewehrs dauerte fast eine Stunde, mancher braver Kerl büßte sein Leben ein. Endlich drängte man sie nach der Stadt zurück. Es gelang ihnen nicht die brennlichen Materialien zu entzünden die sie mit gebracht hatten um das Dorf in Brand zu stecken. Es war ein Unternehmen das sie wie es scheint lange im Sinne führten, ohne genaue Beschreibung oder Zeichnung des Terrains läßt sich nichts umständliches sagen.

Des Herzogs Regiment hat den Major Laviere und . . Mann verlohren, die Absicht des Feindes[62] scheint gewesen zu seyn den General Kalckreuth, den Prinzen Louis Ferdinand und einige andre Generale auszuheben. Vielleicht auch nur das Dorf zu entzünden und die Leute zu necken. Es ist ein Coup der keine Folgen hat aber doch verdrieslich ist. Die Zeitungen werden mehr und weniger sagen.

Der Herzog ist abermals glücklich durchgekommen. Welche sonderbare Empfindung mir das war als ich wie es Tag wurde hinunter ritt und erwarten mußte, wen ich dort nun todt oder verwundet fände!

Ich dancke für den gütigen Brief für die Nachrichten und Erinnerungen.

Wegen Titels wird der Herzog selbst schreiben. Er will lieber das Geld noch einmal zahlen.

Er ist gar sehr von Ihren Briefen erbaut und von Ihrer Geschäftigkeit zufrieden. Zum Soldaten ist er gebohren und wenn man ihn in diesem Elemente sieht verdenckt mans ihm nicht daß er da gerne ist wo er sich fühlt.

Behalten Sie mich lieb und nehmen Sich der meinigen an wenn mir ein Unfall begegnen sollte.

Anstalten zur Belagerung sind für mich noch unsichtbar. Die Blocade kann sich sehr in die Länge ziehen. Die Situation der Franzosen in Absicht auf Terrain ist sehr vortheilhaft und ihre offensive Defension gefährlich.

G.[63]


10/2980.


An Johann Gottfried Herder

den 2. Juni 93.

Daß ich mich wohl und, wie es die Umstände zulassen, vergnügt im Lager bei Marienborn befinde, habe ich durch Gegenwärtiges melden sollen. Das Interessanteste für uns ist, daß der Herzog sich wohl befindet; das Übrige geht und mag gehen, wie es in den Sternen geschrieben oder nicht geschrieben ist. Die Situation der Franzosen ist sehr vortheilhaft. Von dem Überfall auf Marienborn liegt hier eine detaillirte Relation bei, die ich besonders Frankenbergen mitzutheilen bitte. Empfehlet mich auf allen Seiten und liebt mich.

G.


Dein Packet hab' ich noch nicht übergeben, ich weiß nicht, warum. Ein Dämon hält mich ab. Die Zerstreuung, Verwirrung, Inhumanität um uns ist zu groß. Vale et ama.


Ausfall der Franzosen auf Marienborn.

Das Hauptquartier Marienborn liegt in der Mitte des Halbkreises von Lagern und Batterien, die am linken Ufer des Rheins oberhalb Mainz anfangen, die Stadt in der Entfernung ohngefähr einer Viertelstunde umgeben und unterhalb derselben sich wieder[64] an den Fluß anschließen. Die Capelle zum heiligen Kreuz, die Dörfer Weißenau, Hechtsheim, Marienborn, Dreys, Gunzenheim, Mombach, werden von dem Kreise entweder berührt oder liegen nicht weit von demselben.

Die beiden Flügel bei Weißenau und Mombach wurden vom Anfang der Blockade an von den Franzosen öfters angegriffen und ersteres Dorf abgebrannt, die Mitte hingegen blieb ohne Anfechtung; niemand konnte vermuthen, daß sie einen Ausfall dahin richten würden, weil sie in Gefahr kamen, von allen Seiten ins Gedränge zu gerathen, abgeschnitten zu werden, ohne irgend etwas von Bedeutung auszurichten.

Unterdessen waren die Vorposten um Bretzenheim und Dahlheim, Orte, die vor Marienborn in einem Grunde liegen, der sich nach der Stadt zieht, immer an einander, und man behauptete Bretzenheim diesseits um so eifriger, als die Franzosen bei Zahlbach, einem Kloster nahe bei Dahlheim, eine Batterie errichtet hatten und damit das Feld und die Chaussee bestrichen.

Eine Absicht, die man dem Feinde nicht zutraute, bewog ihn endlich zu einem Ausfall gegen das Hauptquartier; sie wollten – so ist man durch die Gefangenen überzeugt – den General Kalkreuth, der in Marienborn, den Prinzen Ludwig, Ferdinands Sohn, der auf dem Chausseehause einige hundert Schritte vom Dorfe im Quartier lag, entweder gefangen fortführen oder todt zurücklassen. Sie wählten die Nacht[65] vom 30. zum 31., zogen sich vielleicht 3000 Mann aus dem Zahlbacher Grunde über die Chaussee durch einige Gründe und durch das hohe Korn bis wieder an die Chaussee, passirten sie und eilten auf Marienborn los. Sie waren von Bauern aus der Nachbarschaft geführt und nahmen ihren Weg durch die Patrouillen durch, die ein Umstand unaufmercksam gemacht hatte.

Tags vorher hatte man Bauern beordert, das hohe Getraide, das gegen die Stadt zu steht, in der Nacht abzumähen. Als diese nach vollendeter Arbeit zurückgingen, folgten ihnen die Franzosen. Einige Patrouillen achteten das Geräusch nicht, andre riefen sie an und hielten ihren undeutlichen Gegenruf für Ungrisch. Genug sie drangen unentdeckt weit vor, und als man sie endlich erkannte und nach ihnen schoß, eilten sie nach Marienborn, erreichten das Dorf, gegen ein Uhr, wo man sorglos entweder schlief oder machte. Sie schossen sogleich in die Häuser, wo sie Licht sahen, drängten sich durch die Straße, umringten den Ort und das Klostergebäude, in welchem der General lag. Die Verwirrung war groß, besonders da noch mehrere in Marienborn cantonnirten. Die Batterien feuerten, das Infanterieregiment Wagner rückte vor, Lottum kam herzu, eine Escadron Herzog von Weimar, die hinter dem Orte lag, war bei der Hand, die Sächsischen Husaren desgleichen. Es entstand ein verwirrtes Gefecht mit großer Lebhaftigkeit.

[66] Indessen hörte man im ganzen Umkreis der blokirenden Läger das Feuern von falschen Attaquen, jeder ward auf sich aufmerksam gemacht und niemand wagte dem andern zu Hülfe zu kommen. Der abnehmende Mond gab ein mäßiges Licht.

Der Herzog von Weimar führte den übrigen Theil seines Regiments, das eine Viertelstunde hinter Marienborn auf der Höhe campirte, hinzu. Die Regimenter Wagner und Lottum widerstanden dem Feinde, und nach einem anderthalbstündigen Gefecht trieb man die Franzosen gegen die Stadt zurück. An Todten ließen sie 30 und etwa so viel Gefangene und Blessirte zurück. Sie haben, so viel man weiß, nur einige Artilleriepferde erbeutet. Der Verlust der Preußen an Todten und Blessirten mag 90 Mann sein.

Major la Viere von Weimar, Rittmeister Voß, Generaladjutant, sind todt und einige Hauptleute der Infanterie.

Ein unglücklicher Zufall vermehrte den diesseitigen Verlust; denn als sich die Feldwachen von Bretzenheim zu Anfang der Affaire auf Marienborn zurückziehen wollten, kamen sie unter die Franzosen und wurden zugleich mit ihnen von unsern Batterien beschossen. Als es Tag ward, fand man Pechkränze und dergleichen brennbare Materialien an mehreren Enden des Dorfes; sie hatten die Absicht, wenn der Coup gelänge, zuletzt das Dorf anzuzünden. Man erfuhr, daß sie zu gleicher Zeit versucht hatten, von[67] einer Rheininsel, an der Mainspitze, in der sie sich eingenistet haben, eine Brücke auf die nächste zu schlagen. Nunmehr ist das zweite Treffen näher an Marienborn herangezogen. Des Herzogs Regiment steht rechts Marienborn. Man weiß, daß beim Ausfall Nationaltruppen voran gingen, dann Linien-, dann wieder Nationaltruppen folgten. Es mag daher das Gerücht entstanden sein, als wären sie in drei Colonnen ausgegangen.

Ein Brief des Herzogs an seine Frau Gemahlin wird das, was ich sage, bestätigen, modificiren, aufklären.

Dii meliora!


10/2981.


An Christiane Vulpius

3. Juni 93.

Dein Brief hat mich sehr gefreut, und die Nachricht daß ihr wohl seyd. Daß dir das Kleid gefallen hat kann ich dencken. Du hast nun auch einen großen seidnen Schaal mit dem du die pfuy Teufelchen zudecken kannst. Wenn ich wieder nach Franckfurt komme, will ich dir auch für etwas weises sorgen. Küsse den Kleinen, grüße Meyern! mich betrübts daß er wieder kranck ist. Ich bin recht wohl und wünsche bald wieder bey dir zu seyn. Lebe wohl. Behalte mich lieb und schreibe bald. Vor Maynz im Lager.

G.[68]


Wir haben kalt Wetter gehabt, Gewitter und Regen. Heut war ein sehr schöner Tag. Es fehlt an nichts und es ist viel lustiger als vor dem Jahre.

Die Gegend ist gar schön. Leider wird viel verwüstet. Lebe wohl ich freue mich auf die guten Stunden die auch wieder kommen werden.


10/2982.


An Franz Kirms

Es ist mir angenehm zu hören daß Sie sich wohl befinden und daß alles bey dem Theater in seiner Ordnung fortgeht, man muß auch für den Sommer das beste hoffen.

Veränderungen wünschte ich ohne dringende Ursachen nicht sobald und was Krügern betrifft; so kann ich mich nach dem was vorgegangen nicht sogleich entschließen ihn wieder anzunehmen. Unser Theater ist seiner Verfassung nach ein respecktabel Institut und ich wünschte nicht daß unruhige Köpfe es für einen Taubenschlag ansähen wo man nur aus und einfliegen kann wie es beliebt. Schreiben Sie mir von Zeit zu Zeit wie es geht. Zur Übergabe von Maynz ist noch keine Hoffnung und eine Belagrung wenn sie auch noch unternommen wird eine langweilige und böse Sache. Unser gnädigster Herr sind wohl und munter. Leben Sie recht wohl.

Lager bey Marienborn d. 4. Jun. 1793.

Goethe.[69]


10/2983.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Lager bey Marienborn d. 5. Jun. 93.

Seit 10 Tagen bin ich hier und habe gleich den Ausfall der Franzen auf das Hauptquartier erlebt, der merckwürdig genug ist und von dem ich eine Relation beylege, es ließ sich noch vieles sagen das nicht gut zu schreiben ist.

Ich finde mich recht glücklich in diesem Momente hier zu seyn und Geduld und Ruhe mitten in dem unternehmenden Getümmel zu lernen. Es müßte sonderbar zu gehen, wenn Maynz sich auf die Blockade ergäbe, die eigentliche Belagerung braucht acht Wochen, wie man sagt, und da muß alles gehen wie es soll. Sobald sie angeht schreib ich dir, auch erfährst du das gleich durch die Zeitungen.

Wenn die Franzoßen hartnäckig sind stehen wir Ende Augusts noch hier.

Kein Tag oder Nacht geht ruhig vorüber. Heute vor Tages Anbruch war eine gewaltige Canonade an der Rheinspitze und bey Costheim. Man weiß noch nicht was es gegeben hat.

Das Wetter ist schön die Nächte höchst lieblich. Ich sehe die Sonne öfter als in meinem ganzen Leben aufgehen.

Der Herzog ist wohl. Er grüßt dich und wird Georgen den Regierungs Rath ertheilen. Schreibe[70] dem Herzog ein artiges Wort darüber. Das Decret will ich besorgen.

Erst war ich in einem Dorfe machte mich aber bald heraus und campire nun.

Auf dieser Seite hab ich mich umgesehen und werde nun auch zu den Sachsen und Hessen gehen. Vielleicht einige Tage nach den Bädern.

In Gedancken arbeite ich indessen an meinen Lieblings Betrachtungen. Schreibe auch manches.

In Franckfurt war ich mit Sömmering sehr vergnügt. Lebe wohl.

Wenn du mir schreibst adressire deinen Brief nur ins Lager bey Marienborn.

Grüße die deinigen und behalte mich lieb.

G.[71]


10/2983a.


An Friedrich Justin Bertuch

Ew. Wohlgeb.

bitte einliegendes an des Fürsten von Dessau Durchl. durch die Post zu übersenden und die übrigen Beylagen gefällig zu bestellen. Wir stehen noch, auf oder ab, wie vorher, es ist weder Tag noch Nacht Ruhe. Dieser Zustand kann noch lange dauern.

Ich freue mich, wenn ich der Bürger General Sie unterhalten hat und wenn ich so glücklich gewesen bin in dieser ernsthaften Sache leicht und anmuthig zu scherzen. Geben Kenner dem Stückchen Beyfall und schreiben ihm einigen ästhetischen Werth zu,[48] halten Wohlgesinnte es auch moralisch und politisch nützlich, so kann es mir desto angenehmer seyn, wenn es zum Schiboleth dient thörige oder tückische Unpatrioten in Deutschland zu entdecken. Wie schrecklich leidet diese schöne Gegend an den Folgen jenes Schwindelgeistes, wenn er gleich nicht allein Schuld an dem Unglück ist.

Ew. Wohlgeb.

Lager bey Marienborn

gehorsamer Diener

d. 6. Juni 93.

Goethe.


Briefe an mich bitte ferner nach Frankfurt zu adressiren.

Inliegendes erhalte ich von Neuschatel. Es ist ein alberner Streich. Der Hand und dem Papier nach ist der Brief nicht in Deutschland geschrieben. Wollen Sie Borel gelegentlich den Brief zurückschicken? In unsrer Gegend wüßt ich nicht, wie jemand so einen Einfall haben sollte. Leben Sie recht wohl.

Beyliegende Relation bitte an den Fürsten von Dessau beyzufügen.[49]


10/2984.


An Christiane Vulpius

Im Lager bey Marienborn. d. 7 Jun. 93.

Mit jeder Gelegenheit schreibe ich dir ein Wort. Du must nun schon viel Briefchen von mir haben.

Nicht wahr das Kleid und der Schaal waren schön? Ich wünsche dir schönes Wetter daß du es oft anziehen kannst. Meine Mutter hat mir noch ein schönes Tischzeug mit zwölf Servietten geschenckt das kommt auch bald an, und sonst wird noch allerley gekrabselt.

Ich bin recht wohl und wünsche mir kein besser[71] Leben wenn du nur in der nähe wärst. Das Wetter ist schön.

Wären gewisse Umstände nicht du müßtest mich besuchen. Wir müssen uns gedulden und hoffen daß wir uns bald wieder sehen.

Richte die Haußhaltung ein wie du es recht hältst und behalte auch die Magd da sie nötig ist und du mit ihr zufrieden bist.

Küsse den kleinen und lebe recht wohl.

Bey Maynz.

d. 7. Jun. 93.

G.


10/2985.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Im Lager bey Marienborn vor Maynz

d. 7. Juni 93.

Dein lieber Brief trift mich hier und giebt mir einen guten Morgen eben als ich mich von meinem Strohlager erhebe und die freundlichste Sonne in mein Zelt scheint. Ich schreibe gleich wieder und wünsche euch Glück zu dem schönen Frühling in Pempelfort, da mir indeß zwischen zerrissnen Weinstöcken, auf zertretnen, zu früh abgemähten Ähren uns herumtummeln, stündlich den Tod unsrer Freunde und Bekannten erwarten und ohne Aussicht was es werden könne von einem Tage zum andern leben. Das Wetter ist sehr schön, die Tage heiß, die Nächte[72] himmlisch. Das werdet ihr auch so haben und den lieben Frieden dazu, den euch ein guter Geist erhalte und ihn auch dieser Gegend wiedergebe.

Der Beyfall den du meinem Bürgergeneral giebst ist mir viel werth. So ein alter Pracktikus ich bin, weiß ich doch nicht immer was ich mache, und dießmal besonders war es ein gefährliches Unternehmen. Bey der Vorstellung nimmt sich das Stückchen sehr gut aus. Da du die vorhergehenden Stücke nicht kennst muß ich dir Auskunft geben. Die beyden Billets sind ein Nachspiel nach dem französchen, von einem der sich Anton Wall nennt, ich weiß nicht ob er so heißt. Darin spielen Röse, Gürge, Schnaps. Derselbe Autor schrieb eine Fortsetzung der Stammbaum in welcher zu genannten Personen der alte Martin hinzukommt. Da nun diese Stücke besonders das erste, ziemlich beliebt sind und die Characktere schon bekannt, ich auch keine Exposition brauchte, so nahm ich die Figuren als Masken, und that noch den Richter und den Edelmann hinzu, hielt mich aber so daß das Stück auch ohne die vorigen bestehen kann.

Die farbigen Zeichnungen sind alle drey Copien nach Meyer von einem jungen Künstler Nahmens Horny der sich besonders auf die Landschaften legt. Die Mädchen mit dem Korbe sind Meyers Erfindung. Der Raub der Leucippiden nach einem alten Basrelief nur daß sich dort die Mädchen nicht anfassen und[73] dadurch gewissermaßen ganz neu. Leider daß der Krieg auch meinen kleinen Kunstkreis stört, den ich so artig in Bewegung sehe und an dem ich so lange arbeite.

Den zweiten Gesang Reinickens sende ich wohl, auch, wenn ich meine Faulheit überwinden kann eine Elegie. Wenn du jenes Gedicht im Ganzen sehen wirst, hoff ich soll es dir Freude machen. Ich sollte nur zu euch schiffen, so könnt ich es in den gewöhnlichen Betstunden vortragen. Wenn nur ein Rhein durch Westphahlen nach Thüringen flösse.

Schreibe mir balde, nur grade hierher und besorge die Einlage mit meiner schönsten Empfehlung. Grüße die deinigen. Liebt mich.

G.


10/2986.


An Johann Gottfried und Caroline Herder

Eure Briefe, meine Lieben, mit dem zweiten Theile kamen eben an, als ich den ersten übergeben mochte. Der Herzog dankt und grüßt. Nach dem letzten Überfall und veränderten Lager haben wir uns wieder angebaut. Ich habe ein hübsches Zelt, gerade gegen Sonnenaufgang gerichtet, bringe die einsamen Stunden des heißen Tages in einer großen, mit Fichtenreis beschützten Laube zu, die der Herzog zum Speisesaal errichten ließ. Oft bin ich im Hauptquartier; der General Kalkreuth setzt sein gütiges Betragen gegen mich ununterbrochen fort. Ich sehe viel Menschen,[74] höre und sehe, was begegnet, und bin sehr zufrieden hier zu sein und mich mit so vielen in Geduld zu fassen, da Ihr in der Ferne gewiß ungeduldiger seid. An Übergabe der Stadt, wie an Belagerung ist noch so bald nicht zu denken.

Dem Bürgergeneral wünscht' und hofft' ich Euren Beifall und ist mir um so lieber, daß Ihr es gut zuerst habt spielen sehen. Die kleinen Productionen haben den Vortheil, daß sie fast eben so geschwind geschrieben als erfunden sind. Von dem Moment, in dem ich die erste Idee hatte, waren keine drei Tage verstrichen, so war es fertig. Ich hoffe, es soll mich weder ästhetisch noch politisch reuen, meiner Laune nachgegeben zu haben.

Ich habe meinen Genius verehrt, daß er mich unterwegs sowohl als in Weimar den Propheten nicht antreffen ließ. – Die Welt ist groß; laßt ihn lügen drin! – Wo sich dieses Gezücht hinwendet, kann man immer voraus wissen. Auf Gewalt, Rang, Geld, Einfluß, Talent pp. ist ihre Nase wie eine Wünschelruthe gerichtet. Er hofirt der herrschenden Philosophie schon lange. Dagegen tat aber auch Kant seinen philosophischen Mantel, nachdem er ein langes Menschenleben gebraucht hat, ihn von mancherlei sudelhaften Vorurtheilen zu reinigen, freventlich mit dem Schandfleck des radicalen Bösen beschlabbert, damit doch auch Christen herbeigelockt werden, den Saum zu küssen.

[75] Denn so ist es beschaffen, so wird es bleiben und also –. Die Obelisken und Asterisken an Reineke gehe ich fleißig durch, und corrigire nach Einsicht und Laune. Ohne diese Beihülfe des critischen Bleistifts wäre ich nicht im Stande meinen Verbesserungswillen zu richten und zu fixiren. Lebet wohl. Empfehlt mich den Herzoginnen und den Freunden.

Anfangs war hier sehr kühles Wetter nun ist es heiter und heiß, was ich denn sehr wohl ertragen kann. Grüßt die Kinder. Tausendmal Adieu.

Bei Marienborn den 7. Juni 93.

G.


10/2987.


An Christiane Vulpius

Du hast recht wohl gethan an meine Mutter zu schreiben, sie wird es ja wohl lesen können. Sie ist dir recht gut denn ich habe ihr erzählt wie du so brav bist und mich so glücklich machst.

Ich wünsche daß dein Übel am Fuße bald vergehen möge, es ist mir recht betrübt zu wissen daß du leidest.

Küsse den kleinen und halte ihn wohl ich freue mich euch wieder zu sehen.

Schreibe mir auch etwas von den Gärten, ich höre gern daß im Hause die Arbeit hinter einander weg geht.

Wir haben hier ein unruhiges Leben und doch[76] herzlich langweilig mit unter. Lebe wohl ich habe dich über alles lieb.

d. 14. Jun. 93.

G.


10/2988.


An Christian Gottlob Voigt

Bey Marienborn d. 14. Juni 93.

Wir stehen noch immer wie bißher und es läßt sich nicht auguriren was geschehen wird, wir fassen uns in Geduld wie in solchen Umständen so nöthig als löblich ist.

Selbst einige scheinbare Anstalten zur Belagerung können unsern schwachen Glauben nicht aufrichten.

Ich wollte daß ich dem guten Batsch den Betrag von ein Paar Hundert unnütz verschossnen Canonen Ladungen übermachen könnte, so wäre er vielleicht eine Zeitlang beruhigt. Wahrscheinlich liegt ihm Dietrich an, der gern von Weimar weg möchte. Ehe Wachtel stirbt seh ich aber nicht was zu thun wäre.

Unter uns gesagt verliert der Herzog an Dietrich als Gärtner nichts. Er ist eigentlich Botanischer Nomenklator und wäre Batschen ein trefflicher Amanuensis. Sonst aber möchte von ihm so wie von einem armseligen Treibhäuschen wenig für die Wissenschaft zu hoffen seyn. Ob ich gleich Batschen lange und die Wissenschaft ziemlich kenne, so gestehe ich doch aufrichtig ich habe von seinen Wünschen und Zwecken keinen deutlichen Begriff.[77]

Wegen Titels hat der Herzog Ihnen geschrieben. Unserm guten C. Pr. wird die Nachricht eine böse Stunde machen.

Recht sehr wünsche ich daß uns das Probeschmelzen erfreue und Ihre Bemühungen kröne.

Der Herzog ist wohl und in seinem Elemente glücklich. Es ist wahr der Fisch kann sich im Wasser nicht besser finden noch benehmen als er in diesen Verhältnissen.

Für mich ist es ein Glück daß ich bey mir immer etwas zu dencken und auszusinnen führe, sonst möchte ohngeachtet des Getümmels für mich nur Langeweile hier zu erwarten seyn.

Das Wetter war diese acht Tage sehr schön, warm, ja heiß. Seit einigen Tagen genießen die noch nicht verheerten Felder eines wohltähtigen Regens.

Leben Sie recht wohl, empfehlen mich den Ihrigen und gedencken mein.

G.

Inliegende Anzeige hat man mich zu empfehlen gebeten.


10/2989.


An Johann Gottfried Herder

Mein Unglaube ist durch die Art, wie der Herzog und einige andre, die in der leidigen Kriegsarbeit begriffen sind, dein Buch aufgenommen haben, glücklich beschämt worden. Ich schicke hier seinen Brief.

[78] Fahre ja fort, deine Sammlungen zu bearbeiten und laß sie immer so wohlthätig sein.

Mein Leben ist sehr einfach. Ich komme nun fast nicht mehr vom Zelte weg, corrigire an Reineke und schreibe optische Sätze. Die Situation auf unsrer Seite habe ich zu wiederholtenmalen gesehen, über das Wasser bin ich noch nicht gekommen außer bei einer schönen Partie ins Rheingau. Wir fuhren zu Wasser bis Rüdesheim, probirten die Keller durch, fuhren an den Mäusethurm, dann auf Bingen. Und zu Land nach dem Lager zurücke. Wir kamen eben zurechte, als die Franzosen einen Ausfall auf das Stift zum heiligen Kreuz thaten und es wegbrannten.

Ich sehe viele Menschen, zu denen ich wenig Beziehung habe. Sehne mich nach meiner Camera obscura, und was dem anhängig ist. Lebet wohl und genießet der Ruhe hinter der Kirche. Möchte ich doch auch schon Koppenfelsens Scheune statt dieser Berge, Flüsse, Städte und Plainen wieder vor dem Auge haben.

den 15. Juni 93.

G.[79]


10/2989a.


An Juliane Auguste Christinevon Bechtolsheim

Marienborn d. 21. Juni 93.

Meine werthe Freundin würde mir vielleicht, wie ich höre, in diesen wilden und verworrenen und außerdem noch kalten und feuchten Zustände ein freundliches Wort senden und mich dadurch auferbauen und erquicken, wenn Sie nicht des leidigen Schweigens eingedenck, ihr schönes Herz zuschlösse und sich von ihrem guten Vorsatze zurückhielte. Ich pränumeriere also durch gegenwärtiges Blatt auf ein künftig freundliches und liebliches, mit der Versicherung daß der liebe Sohn sich wohl und munter in seinem Berufe und der Freund ganz leidlich ausser seinem Berufe befindet. Tausend Grüsse dem Gemahl und den Schwestern!

Goethe.[50]


10/2990.


An Johann Heinrich Meyer

d. 22. Juni 93.

Ihren Brief vom 14ten erhalte ich heute, wir stehen noch vor Maynz, wir setzen der Stadt zu, sie wehrt sich und das wird noch einige Zeit währen.

[79] Es freut mich daß sich indeß unser Häußchen baut indeß wir manches zerstören.

Ich hoffe wenn unser dießjährig Pensum fertig ist Sie zu besuchen. Wie gern möcht ich wieder in unserm kleinen Zirckel seyn.

Leiten Sie die Sache mit dem Bilde so fort. Angelika wird die 100 Scudi nicht aus Händen geben weil sie das Bild nicht erhält. Sie wird doch bald schreiben.

Ich wünsche Glück zu Ihrer Arbeit, vielleicht kommt die Begeisterung während des Machens.

Leben Sie wohl. Genießen Sie der Ruhe. Es ist hier herum ein leidig Leben. Ein Glück daß man nicht zu sich selbst kommt.

G.


10/2991.


An Christiane Vulpius

d. 22. Juni 93 bey Marienborn.

Deinen Brief vom 14ten erhalte ich eben. Es ist recht gut daß man sich doch ein Wort sagen kann, wenn es gleich fatal genug ist daß die Tage und Nächte vergehen ohne daß man beysammen ist. Deine Briefe hab ich alle erhalten und mich ihrer gefreut, ich habe dir auch oft geschrieben und du wirst meine Briefe nach und nach empfangen. Ich hoffe dich bald wieder zu sehen, richte mir daß Hauswesen nur recht gut ein und putze mir recht auf, daß ich mich freue wenn[80] ich zurück komme, und das untröstliche vergesse das ich hier täglich und stündlich sehen muß.

Ich bin ruhig und sicher, glaube den Leuten nicht die alles vergrößern, vorzüglich üble Nachrichten, ich werde mich nicht muthwillig in Gefahr begeben, es lobt einen niemand darum und man hat nur den Schaden.

Sage deinem Bruder er möge mir nur manchmal von unserm Theaterwesen ein Wort melden.

Küsse den Kleinen und erzähle ihm vom Vater daß er ihn lieb behält.

Behalte mich auch lieb. Denn das ist das Beste für dich und für mich. Das Gute in der Welt ist viel schmäler gesät als man denckt, was man hat muß man halten.

Lebe wohl liebes Kind. Die Zeit wird mir lang biß ich zu dir komme.

G.

Wir haben seit 10 Tagen sehr bös Wetter, kalt und regnicht, daß es höchst unangenehm zu leben ist.


10/2992.


An die Herzogin Amalia

Durchlauchtigste Fürstinn

gnädigste Frau,

Ew. Durchl. haben soviel Zufriedenheit über meine Relationen aus der vorjährigen Campagne bezeigt daß[81] Durchl. der Herzog, bey einer unvermeidlichen Verhinderung heute zu schreiben, mir das Vertrauen schencken und mir befehlen Ew. Durchl. von unsern gegenwärtigen Zuständen zu unterhalten.

Ich würde nicht verfehlen Ew. Durchl. Lieblingswissenschaften hier zuerst zu bedencken und besonders einige Naturhistorische Merckwürdigkeiten aufzuzeichnen, wenn nicht der Boden hier so gut wäre daß er dem Mineralogen alle Gelegenheit zu Beobachtungen abschneidet und wenn der Botaniker nicht gleichfalls zu kurz käme da wir nichts als Rocken mit Füßen treten und die Gerste gleich beym Auskeimen durch eigne Fußtapfen und durch die Hufe unsrer Pferde zurückhalten das Theater unsrer Kriegrischen unternehmungen nicht etwa zu versperren.

Was die Unterhaltung selbst betrifft ist solche sehr einfach. Ew. Durchl. wird bekannt seyn daß die Sprache der Batterien noch einsilbiger ist als die deutsche Sprache. Wir gewöhnen uns an den Lakonismus, der bisher für uns meist ohne Sinn geblieben ist und sehen seit einigen Tagen mit Freuden daß man die leidigen Franzen durch eine gezogene Paralelle näher einschließt und wills Gott bald aus dem lieben Deutschen Vaterlande gänzlich ausschließt, wo sie doch ein vor alle mal nichts taugen weder ihr Wesen, noch ihre Waffen, noch ihre Gesinnungen.

Der Herzog befindet sich wohl und frisch, so auch der Prinz welcher nun mehr von dem Churfürsten[82] die Erlaubniß erhalten hat die Campagne mit den Sächsischen Truppen machen zu können, welches bey weiten das Vortheilhafteste ist was dem Prinzen hätte begegnen können. Auch der König hat diesen Heldentrieb gebilligt und so hat denn auch dieser Wunsch seine Erfüllung.

Gedencken Ew. Durchl. unsrer in dem werthen Tiefurt, das jetzt gewiß sehr lieblich seyn muß, und bleiben überzeugt, daß nur der Aufenthalt wünschenswerth ist wo man zufrieden ist und Zufriedene versammelt.

Ich bin indessen von Noth und Zwang umgeben, lasse mir denn aber doch Essen, Trincken Schlaf und dergleichen trefflich schmecken und empfehle mich aufs angelegentlichste zu Gnaden.

Ew. Durchl.

Lager Marienborn

unterthänigster

d. 22. Jun. 1793.

Goethe.


10/2993.


An Carl Ludwig von Knebel

Lager bey Marienborn d. 2. Jul. 93.

Ich sage dir nichts von dem was um mich vorgeht, es ist menschlich genommen sehr unerfreulich, hilft es politisch; so wollen wir uns damit trösten.

Ich frage wie geht es dir? arbeitest du fleißig? und wie weit bist du mit deinem Wercke vorgeruckt?

Ist die Kur wohl bekommen?

[83] Wie sehr wünscht ich den Musen des Friedens huldigen zu können! Was möglich ist thue ich doch. Reinecken habe ich starck durchgeputzt, auch an meinen optischen Sachen habe ich viel gearbeitet, theils habe ich manches einzelne aufgeschrieben, theils habe ich mir eine Übersicht über das Ganze zu verschaffen gesucht worüber ich jetzt einen kleinen Aufsatz ausarbeite. Ich halte mich um so fester an diese Gegenstände des Denckens, da wir in diesen Augenblicken mehr als jemals der Ableiter bedürfen.

Du bist wie ich höre wieder in Weimar, deine Frl. Schwester, deren Kranckheit mich in Sorge gesetzt hat, ist wieder besser wozu ich Glück wünsche. Lebe wohl, empfiel mich bestens und schreibe mir ein Wort.

G.


10/2994.


An Christian Gottlob Voigt

Wie selig kann man seine Freunde preisen die wenigstens das Unheil nicht mit Augen sehen das in dieser Gegend und nun auch in dem unglücklichen Maynz angerichtet wird. Ihre gütigen Briefe zeigen mir Sie auf dem gewöhnlichen ruhigen, obgleich mitunter beschwerlichen Pfade der bürgerlichen Geschäfte und des häußlichen Lebens, möge ein gutes Geschick Sie lange drauf erhalten.

Mich wandelt in meiner jetzigen Lage eine Art Stupor an und ich finde den trivialen Ausdruck: der[84] Verstand steht mir still, trefflich um die Lage meines Geistes auszudrucken.

Die Hälfte der schönen und wohlgelegnen Stadt mag nun wohl schon verbrannt seyn der Erfolg muß diesen grimmigen Entschluß rechtfertigen. Die Situation der emigrirten Maynzer ist die traurigste von der Welt.

Von Kälte und Nässe haben wir seit 14 Tagen sehr gelitten nun ists wieder schön doch abwechselnd.

Seit dem Anfange der eigentlichen Belagrung haben unsre Jäger auf ihrem gewöhnlichen Posten weniger Gefahr als vorher. Es wollte einigen gar nicht schmecken. Einer der sich ziemlich gut gehalten hat Nahmens Blumenstein hat um den Trauschein gebeten, er lebt schon lange mit einem Mädchen die Güntherinn heißt. Durchl. sind geneigt ihm zu willfahren, hätten Sie wohl die Gütigkeit zu sorgen? daß dem Mädchen das er schwanger zurückgelassen biß zu seiner Rückkunft von Stadtraths wegen kein Leid geschehe. Es gehen jetzt soviel Weltbürger zu Grunde daß man den neu eintretenden wohl ihre Ankunft facilitiren kann.

Gores rühmen sehr Ihre gütige Sorge für den Haußbau.

Wie steht es mit dem Verkaufe des kleinen Haußes neben dem meinigen?

Ich läugne nicht daß ich bald wieder zurückzukehren wünsche.

[85] Leben Sie recht wohl. Das Paquet war geschlossen, vielleicht bin ich bald so glücklich die Übergabe von Maynz zu melden.

Marienborn 3. Jul. 93.

G.


10/2995.


An Christiane Vulpius

Marienborn d. 3. Jul. 93.

Du bist ein recht liebes Kind daß du mir soviel schreibst dagegen sollst du auch wieder gleich von mir einen Brief haben.

Das Wetter war 14 Tage hier eben so schlimm als es bey Euch nur seyn konnte. Erst verfror der Weinstock und dann hatten wir Kälte, Regen, Sturm und mußten unter unsern Zelten viel erdulden. Jetzt ist es desto schöner, nicht gar zu heiß. Besonders sind die Nächte gar angenehm. Wenn wir nur nicht das traurige Schauspiel ansehen müßten daß alle Nacht die Stadt bombardirt wird und nun so nach und nach vor unsern Augen verbrennt. Die Kirchen, die Thürme, die ganzen Gassen und Quartiere eins nach dem andern im Feuer aufgeht. Wenn ich dir einmal davon erzähle wirst du kaum glauben daß so etwas geschehen könne. Tröste dich ja über deine Gurcken und sorge recht schön für alles, du machst mir recht viel Freude dadurch. Wir wollen ja aneinander fest halten, denn wir fänden es doch nicht besser. Behalte mich ja lieb wie ich dich. Meine[86] Mutter hat dir geantwortet, es wird dich gefreut haben. Sie denckt gar gut gegen dich. Wenn kein Zwirn bey den Sachen lag, so muß ich ihn vergessen haben einzupacken vielleicht liegt er noch zu Hause bey dem Bügeleisen und andern Sachen.

Wegen des Häußchens habe ich dem Herrn Geh. Ass. Rath Voigt geschrieben. Den Wein kann ich nicht schicken biß die Hitze nachläßt. Grüße aber indeß den Bauverwalter und sage ihm daß er ein Fäßchen haben soll. Er mag doch auch mit dem Gärtner ein vernünftig Wort reden, daß nichts stockt.

Nimm dich auch hübsch in Acht daß du dir und dem Ankommenden nicht schadest, küsse den Kleinen und behalte mich recht lieb.

G.


10/2996.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Schon zweymal habe ich dir aus dem Lager geschrieben d. 5. und d. 7. Juni und noch keine Antwort von dir erhalten daran mir gelegen wäre. Bey uns geht es von der einen Seite lustig von der andern traurig zu, wir stellen eine wahre Haupt und Staatsacktion vor, worin ich den Jaques (s. Schäckesp. wie es euch gefällt oder die Freundinnen) nach meiner Art und Weise representire. Im Vordergrunde hübsche Weiber und Weinkrüge und hinten Flammen, grade wie Loth mit seinen Töchtern vorgestellt wird.

[87] Hier sende ich einen Bürgergeneral. Das Stück thut wie ich höre gute Wirckung. Es ist mir lieb daß ich mich nicht verrechnet habe. Ich arbeite fleißig in aestheticis, moralibus und physicis und würde auch in historicis etwas thun, wenn dieß nicht das undanckbarste und gefährlichste Fach wäre. Lebe wohl grüße die deinen, behaltet mich lieb.

Lager bey Marienborn d. 7. Jul. 93.

G.


Dein Brief kommt an eben da dieses Blatt abgehen soll und ich füge noch einige Worte hinzu. Hättest du dich entschlossen hierher zu kommen, es würde dich nicht gereut haben, es ist ein höchst merckwürdiger Moment. Wenn Mama auch nach meiner treuen Relation das geschehene nicht begreifen kann, so gereicht es ihr zur Ehre, denn es beweißt daß sie ihre Vernunft nicht unter den historischen Glauben gefangen geben will. Ich hatte die ersten Tage meines Hierseyns manches aufzuzeichnen angefangen, ich hörte aber bald auf; meine natürliche Faulheit fand gar manche Entschuldigung. Es gehört dazu mehr Commerage und Kannegieserey als ich aufbringen kann und was ists zu letzt? alles was man weiß und grade das worauf alles ankommt darf man nicht sagen und da bleibts immer eine Art Advocaten Arbeit die sehr gut bezahlt werden müßte wenn man sie mit einigem Humor unternehmen sollte. Noch widersteht Maynz was es kann, die Belagerung wird[88] mit großer Heftigkeit fortgesetzt und im Ganzen mit viel Glück. Wenn man nicht gegenwärtig ist so begreift man nicht daß die ungeheuren Anstalten gegen den Zweck gehalten noch nicht proportionirt sind. Diese Disproportion der Mittel und ein Mangel an Einheit bringen die Phänomene hervor an denen Mama sich ärgert. Davon wird sich reden lassen, es ist nichts fürs Papier. Wie gern käme ich wieder zu euch! Neulich waren wir biß Bingen gefahren und stiegen an einem schönen Abend bey dem Mäuse Thurn ans Land. Ich sah dem Fluß nach der zwischen die duncklen Berge sich hineindrängt und wünschte mit ihm zu euch zu gehen. Wenn nach dem billigen Wunsch der Königinn Ester alles anders wäre, so möchte ich auch wohl schon wieder in dem belaubten Pempelfort spazieren. Eigentlich sollte ich Schlossern besuchen, ich fürchte mich aber davor. Seine eine Tochter ist tödlich kranck und es wäre mir entsetzlich meine Schwester zum zweyten mal sterben zu sehen. Meine Mutter hat mir Briefe von dem Kinde gezeigt die höchst rührend sind.

Es ist mir lieb daß Max auch in meiner Abwesenheit sich zu den meinigen hält. Auf der kleinen Insel des festen Landes die sie bewohnen ist er gern gesehen und gut aufgehoben. Mein Knabe ist ein glückliches Wesen, ich wünsche daß er mit seinen schönen Augen viel schönes und gutes in der Welt sehen möge. Georgen wünsche ich Glück zur Liebschaft,[89] laß ihn bald heirathen so ist für seine Erziehung gesorgt, wenn er einige Anlage hat vernünftig zu werden.

Deinen Engländer wenn er kommt will ich gut empfangen, wir haben viele Fremde hier. Für die Gefangenen etwas zu thun wird schwer halten, sie sind dem Churfürsten übergeben und überlassen. Über die Wedekind ist indessen nur Eine Stimme.

Auch deine Empfehlung der Rheinberg werde ich schwerlich honoriren können. Dieß Fach ist gewissermassen schon besetzt. Und dann haben wir Beck der in Maynz war bey unsrer Gesellschaft, er ist beliebt und wünscht seine Frau, die sich gegenwärtig in Mannheim aufhält, bey uns angestellt zu sehen.

Dieser müßte ich auf alle Fälle den Vorzug geben.

Von Lavaters Zug nach Norden habe ich gehört, auch daß er den Philosophen des Tags unterwegs gehuldigt hat. Dafür werden sie ihm ja auch gelegentlich die Wunder durch eine Hinterthüre in die Wohnung des Menschenverstandes wieder hereinlassen, werden fortfahren ihren mit vieler Mühe gesäuberten Mantel, mit dem Saume wenigstens, im Quarcke des radikalen Übels schleifen zu lassen. Er versteht sein Handwerck und weiß mit wem er sich zu alliiren hat. Übrigens ist, wie bekannt, alles erlaubt, damit der Nahme des Herrn verherrlicht werde. Er hat auch in Weimar spionirt, unser entschiedenes Heidenthum hat ihn aber so wie das allgemeine Mißtrauen bald verscheucht.

[90] Von der Prinzess Callizin habe ich nichts gehört. Ich schreibe ihr nächstens. Grüße Dohms ja vielmal und alles was dich umgiebt.

Den Bürgergeneral habe ich vor meiner Abreise in Weimar spielen lassen, er nimmt sich sehr gut aus. Es freut mich daß er bey dir die Probe hält. Die Spritze ist schon in Franckfurt, vielleicht schon von da abgegangen. Vom kalten stürmischen Wetter haben wir viel gelitten. Sage mir nur bald daß du wieder wohl bist. Ich befinde mich sehr wohl und bin fleißig.

Deinen Brief an den Herzog habe ich noch nicht gesehen, es wird ihn gefreut haben. Denn er schien verdrießlich daß du nicht geantwortet hattest als er dir zum ersten Gesang Reinickens ein Wort schrieb. Lebe recht wohl. Grüße alles.

G.


10/2997.


An Christian Gottlob Voigt

d. 9. Jul. 93.

Die Belagerung geht immer hefftig fort, man nimmt den Franzosen Einen äusseren Posten nach dem andern weg. Weissenau und Costheim, auch die Insel an der Maynspitze sind nun in unsern Händen, mit den Approchen ist man nicht weit vom Glacis. Das Feuern ruht weder Tag noch Nacht und jetzt ist gleichsam jede Stunde von Bedeutung. Wie lange[91] es noch währt ist nicht abzusehen. Der Regel nach werden unsre Wünsche sobald nicht erfüllt, man hofft immer auf irgend einen Zufall oder eintretenden günstigen Umstand. Heute sage ich nur dieses wenige Sie meines Andenckens und meines Wohlbefindens zu versichern.

Ich lege eine Quittung bey die ich, mit einer Empfehlung, Herrn Geh. R. Schmidt zuzustellen bitte, sie ist über die 2500 rh. welche dem Grafen d'Ecquerilly ausgezahlt worden und vom Fürsten von Dessau remboursirt werden.

Empfehlen Sie mich den werthen Ihrigen und behalten mich in freundschaftlichem Andencken.

G.


10/2998.


An Johann Heinrich Meyer

So geht es recht gut wenn man nur einige Nachricht mit sich selbst hat. Sie werden gewiß reüissiren wenn Sie die guten Stunden auswählen. Der Gedancke unter die Zuschauer Portraite unsrer Freunde zu bringen ist sehr schön und glücklich; nehmen wir uns Zeit zur Sache; zum Genuß des Lebens haben wir Raum genug, den übrigen wollen wir zur Übung und Ausbildung der Kunst nach und nach benutzen.

Sie machen durch Ihre Gegenwart der Herzoginn viel Freude in Tiefurt, erheitern Sie Sich in der freyen Luft und der guten Gesellschaft.

[92] Nach den Rosen will ich mich umsehen, auch wegen der Teppiche und sonst mir Bekanntschaft machen. Leider ist alles was wir verlangen nicht kurrente Waare. Wenn wir nicht eilen finden wirs doch.

Kunstlos und fast trostlos sitze ich in der schönsten Gegend von Deutschland und sehe nichts als Verwüstung und Elend. Genießen Sie der Ruhe und empfehlen mich unsrer gnädigsten Gönnerinn.

d. 10. Jul. 93.

G.


10/2999.


An Christiane Vulpius

Im Lager bey Marienborn d. 10. Jul. 93.

Es ist mir sehr angenehm oft von dir zu hören und ich schreibe dir auch gern dir zu sagen daß ich dich liebe und mich wieder zu dir sehne. Wir haben jetzt schön Wetter fast zu heiß. Es wird Tag und Nacht kanonirt, die Stadt hält aber noch immer fest. Du bist recht gut daß du mir viel schreibst und mir sagst wie es im Hause aussieht. Putze mir nur den Saal recht auf denn ich freue mich besonders darauf. Nach und nach wird unser Haus recht hübsch werden und du wirst mich immer recht lieb behalten.

Das Zeug zu den Betten wird meine Mutter schicken und ein Tafelzeug. Auch wenn die Einquartierung vorbey ist kriegen wir noch ein Paar Unterbetten und Küssen die schon für mich bestimmt waren.

[93] Ich bin recht wohl und hoffe das Gleiche von dir und dem Kleinen. Küsse ihn recht herzlich und grüße ihn vom Vater. Lebe wohl mein Liebchen ich habe dich herzlich lieb.

G.

Du weißt vielleicht schon daß der arme Moriz todt ist.


10/3000.


An Christian Gottlob Voigt

Es geht jetzt besser und angenehmer als vor dem Jahre daß man doch Briefe bald von den Seinigen erhalten und ihnen auch bald von sich einige Nachricht geben kann.

Auf Ihren letzten Brief sage ich gleich so viel um Sie und Herrn Geh. R. Schmidt zu beruhigen: daß die Ursache des zurückzuhaltenden Termins keineswegs eine etwaige Stellung des Contingents sey. Vielmehr erinnre ich mich daß mir der Herzog im Vorbeygehen äusserte: er höre daß manche Stände mit der Leistung der Zahlung zurückseyen; daß man nicht wisse ob die Sache nicht vielleicht geschwinder als man dächte vorbey wäre, und daß er nicht sähe warum man, mit der Prästation sich übereilen solle, da sich Umstände ergeben könnten unter denen man etwas an der ganzen Summe sparen könnte. Wie weit diese Hoffnung gegründet sey kann ich nicht beurtheilen, Ihnen und Ihrem Herrn Collegen wird es aber hinreichend seyn.

[94] Über Ilmenau freue ich mich. Wenn die Vor und Ausarbeitungen des Steuerwesens vollbracht sind wird es ein angenehm Geschäft seyn das Ganze zusammenzuziehen zu ordnen und einen Plan für die Zukunft zu machen. Die verwilligten acht Kriegssteuern sind für den Augenblick sehr gut und wir behalten sie vielleicht zur Schuldenabzahlung, wenigstens zum Theil. Leider hat man dem Herzog auch glauben gemacht es sey schön und löblich das Auserordentliche des Augenblicks durch neue Schulden zu prästiren und im alten Schlender fortzugehen. Und man sieht nicht daß man sich durch diese unglückliche Verschleifung für jetzt und für die Zukunft lähmt.

Auf das Schmelzen kommt nun viel an. Wie gern werde ich im Herbst einige Zeit mit Ihnen in Ilmenau zubringen, wenn gleich meine Gegenwart nur etwas an der Form supplirt. Was in Ihren Händen ist wird so gut den rechten Weg geführt. Ein Gewerckentag ist wünschenswerth, es giebt der Sache Halt und Ansehn, mehrere Menschen überzeugen sich von der Größe und Würde des Unternehmens und von der Planmäßigkeit der Ausführung.

Leben Sie recht wohl und empfehlen mich den Ihrigen und Ihren Herrn Collegen.

Marienborn d. 10. Jul. 93.

G.[95]


10/3001.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Du hast, mein Lieber, deinen Brief an den Herzog sehr artig und zierlich gestellt er hat mir große Freude gemacht. Dabey hast du mir einen guten Dienst erzeigt denn um ihn zu verstehen erkundigte sich der Herzog nach der Theorie wovon die Rede war, denn sonst giebt es nicht viel Gelegenheit sich in unserm zerstreuten Leben um abstrackte Ideen zu bekümmern. Dafür sollst du auch nächstens den Aufsatz über die farbigen Schatten erhalten darüber ich wohl deine und Claudius und Fürstenbergs Gedancken hören mögte und wem du sonst noch das Wercklein vorlegen möchtest.

Mit Schlossern werd ich in Heidelberg zusammen kommen ich weiß noch nicht wann. Die arme Julie ist indeß abgetreten.

Ich lege ein Gedicht bey das ich zarten Herzen empfehle. Auch eine Zusammenstellung der Neutonischen Lehre, der Maratischen und der Resultate meiner Erfahrungen. Ich habe mit Mühe und Anstrengung diese Tage die zwar ästimable, aber doch nach einer hypothetischen, captiosen Methode geschriebne Abhandlung Marats gelesen und mir die Hauptpunckte ausgezogen. Gieb das Blat nicht weg es enthält Lästerungen.

Schreibe mir wie du lebst und ob du hergestellt bist? Grüße die Deinigen.

[96] Die Belagerung geht vorwärts. Prinz Louis Ferdinand ist blessirt und nach Manheim abgegangen. Wenn sich die Franzosen hartnäckig wehren so giebt es noch was zu thun. Lebe wohl.

Wir haben entsetzliche Hitze erduldet die sich gestern in ein gewaltsam Gewitter auflöste. Viel Ruhe und Freude im schönen Pempelfort.

den 19. Jul. 93.

G.


Schicke doch das Manuscript vom Bürgergeneral der Fürstinn, du erhältst einen gedruckten von Franckfurt. Schick ihr auch inliegendes Gedicht.


10/3002.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Wenn du gegenwärtiges erhälst wirst du lange wissen daß Maynz wieder in deutschen Händen ist. Wir wollen uns alle einander Glückwünschen. Hierbey kommt die Lehre der farbigen Schatten. Du korrigirst wohl die Abschrift im Durchlesen, ich kann sie nicht wieder durchsehen. Ich möchte daß du mir deine motivirte Meynung sagtest und verschafftest daß andre Menschen sich auch darüber herausließen. Du sahst schon ehmals bey meinem Vortrag und wirst jetzt noch mehr finden, welch ein Schritt durch diesen Aufschluß in der Wissenschaft gethan ist. Ich werde eine meiner Batterien nach der andern auf die alte[97] theoretische Festung spielen lassen und ich bin meines Cuccesses zum Voraus gewiß.

Lebe wohl. Liebe mich. Verzeih wenn ich dir nicht von der Capitulation pp schreibe, ich habe meine Gedancken schon ganz weg aus dieser Gegend gewendet, mein Körper wird auch bald folgen. Lager Marienborn 24. Jul. 93.

G.


10/3003.


An Christian Gottlob Voigt

Endlich kann ich doch ein Wort aus Maynz sagen. Man ist so zerstört und zerstreut von den Scenen dieser letzten Tage daß man vor einer Menge Ideen kaum einige zusammenbringt. Es sey uns indessen genug daß wir die Franzoßen los sind eben zu einer Zeit wo die Gefahr bey Zweybrücken sich erneuerte und so früh daß noch in diesem Feldzuge manches geschehen kann. Von den Clubbisten sind einige entkommen, die meisten vom Volcke selbst angehalten worden. Es waren noch bey 18000 streitbare Männer in Maynz. Das Elend das die Bürger ausgestanden ist unbeschreiblich. Doch hat an Gebäuden die Stadt nicht soviel gelitten als man glaubte. Jederman behauptet die Franzosen und Clubbisten hätten Pulver und andre brennbare Materialien in die Kirchen und adeliche Häuser gelegt deßwegen sie auch so bald nur eine Bombe hineingekommen an allen Enden gebrannt,[98] dahingegen die Bürger durch fleißiges Löschen ihre Häuser erhalten können. Mehr mag ich nicht sagen, die Zeitungen und Journale werden uns schon alles nach und nach bringen. Es ist über viele Dinge nur Eine Stimme.

Auf das kleine Nachbars Hauß thue ich Verzicht. Ich dancke für die Bemühung. Ich wünsche daß Ihre Cur recht gute Wirckung thue. Für die litterarischen Nachrichten dancke ich sehr. Mit der Kantischen Lehre wird es gehn wie mit Modefabrickwaaren, die ersten werden am theuersten bezahlt, nachher macht man sie überall nach und sie sind leichter zu kaufen. Sollte Reinhold nicht bleiben so wird sich Rath finden. Auf Magister Fichte haben Sie ja ein Auge. An Schmidt haben wir einen trefflichen Mann.

Leben Sie recht wohl. Mein Wunsch Sie wiederzusehen ist sehr lebhaft. Empfehlen Sie mich den Ihrigen. Die Herrn Berliner Gemercken verdienen daß wir sie auf dem Gemerckentage dereinst recht gut tracktiren.

Maynz d. 27. Jul. 93.

G.


Bitte nunmehr die Briefe nach Franckfurt zu addressiren.


10/3004.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Mit dem Postwagen erhältst du ein Packet das einen physicalischen Aufsatz enthält den ich während[99] der Belagerung ausgearbeitet habe. Es widersteht mir etwas aufzuschreiben von dem was ich sehe und höre, sonst hätte ich ein schönes Tagebuch führen können. Die Letzten Tage, der Capitulation, der Übergabe, des Auszugs der Franzosen gehören unter die interessantesten meines Lebens, ich wünsche dir einmal davon zu erzählen. Die Clubbisten waren in der Capitulation übergangen und man hatte keine Anstalten gemacht sie zu fangen auch kamen den ersten Tag des Auszugs viele durch; Rüffel der Gastwirth ritt neben Merlin, beyde in Husaren Uniform an der Spitze der Reuterey welche du Bayet ausführte. Am Chaussehauße schrie das Volck sein kreuzige, auch hätten sie ihn gewiß ohne die Contenance von du Bayet und Merlin und ohne die Gegenwart der preußischen Officire vom Pferde gerissen. Dafür paßten sie andern auf die nicht so gut eskortirt waren und fingen und beraubten und prügelten sie und führten sie nach Marienborn. Darunter denn Metternich und der Pfarrer vom heil. Creuz waren. Das geschah durch die emigrirten Maynzer die selbigen Tages nicht in die Stadt durften, schon am Abend aber schickte die Bürgerschafft eine Liste derer die sich vorbereiteten Morgens mit den Franzosen der zweyten Abtheilung auszuziehen und verlangte ihre Arrettirung. Das geschah auch durch ein Commando, sie wurden aus der Colonne herausgenommen ohne daß die Franzosen sich widersetzen. Das Volck fing an durch die Straßen[100] zu laufen und sich derer zu bemächtigen die noch zurück geblieben waren. Es ward geplündert und man legte sich auch darein und nahm diese auch noch in Empfang. Der Modus daß man die Sache gleichsam dem Zufall überließ und die Gefangennehmung von unten heraus bewirckte, deucht mich gut. Das Unheil das diese Menschen angestiftet haben ist groß. Daß sie nun von den Franzosen verlassen worden, ist recht der Welt Lauf und mag unruhigem Volck zur Lehre dienen. Hofmann ist durch und mehrere. Nun ist es so ziemlich ruhig nur daß immer Händel zwischen Preusen, Sachsen, Darmstädtern, auch mit den überbliebnen blessirten Franzosen sind. Eine ungeheure Bagage haben sie mit fortgenommen. Lebe wohl. Mehr kann ich nicht sagen. Ich halte die Feder kaum.

Maynz d. 27. Jul. 1793.

G.


10/3005.


An Christiane Vulpius

Maynz d. 1. Aug. 93.

Nun bin ich meine Liebe wieder in Maynz nachdem ich einige Tage in Schwalbach und Wißbaden mit wenig Freude und Interesse war. Es fand sich gute Gesselschaft am ersten Ort, unter andern Umständen hätte man sich wohl da vergnügen können.

Ich gehe nun mit Herrn Gore und Krause nach Manheim, spreche in Heidelberg mit meinem Schwager[101] und kehre alsdann nach Franckfurt zurück. Wenn es möglich ist, so komme ich balde zu dir. Von Franckfurt schreibe ich dir wieder. Ich bin wohl und sehne mich Tag und Nacht zu dir. Adieu mein bestes. küße den Kleinen, grüße Herrn Meyer und schreibe mir nach Franckfurt.

G.


10/3006.


An Christiane Vulpius

Franckfurt d. 9. Aug. 1793.

Deinen lieben Brief vom 25ten find ich erst hier nachdem er mich überall gesucht hat. Ich kann nun hoffen balde bey dir zu seyn und mich mit dir zu freuen. Deine Schue, das Bügeleisen und andre Kleinigkeiten bringe ich mit, auch ist der Säbel für den Kleinen fertig. Grüße ihn recht schön und halte ihm allerley Thiere, da er Freude daran hat. Wie sehr verlange ich wieder nach Ruhe bey dir denn es geht alles so confus um mich her. Ich schicke dir ein Spaßchen ein Paar Blätter mit Devisen. Behalte mich lieb und laß mich das Haußwesen recht ordentlich und zierlich finden. Es ist doch gar schön wenn man seiner Geliebten wieder näher kommt. Im nächsten hörst du mehr. Lebe wohl. Meine Mutter grüßt.

G.[102]


10/3007.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Dein Bild habe ich in Franckfurt bey meiner Ankunft gefunden. Es hat mir viel Freude gemacht, denn ich finde es bey weitem besser als ich nach der Zeichnung und der Anlage vorigen Winter hoffen konnte. Ich gratulire dir und dem Künstler dazu.

Wäre nun auch ein Brief dabey gewesen, so würde ich dich recht freundlich gefunden haben. Mit Schlossern brachte ich in Heidelberg einige glückliche Tage zu, es freut mich sehr und ist ein großer Gewinnst für mich, daß wir uns einmal wieder einander genähert haben. Wie sehr wünschte ich bey euerm Familien Congress gegenwärtig zu seyn.

Noch einige Tage bleibe ich hier und gehe dann wahrscheinlich nach Hauße. Wenn es mir glückt hoffe ich manches hervorzubringen, ich habe viel ausgedacht und im Kopfe geordnet.

Meine Iphigenie haben sie ins englische übersetzt und wie mir nach den Proben scheint recht gut. Im Monthly Review findest du sie. Mama Lehnchen empfehle ich sie besonders. Laß doch gelegentlich ein Exemplar aus England kommen ich will auch Commission geben, wer es zuerst erhält theilt es dem an dern mit.

Beyliegende concordante Stellen sehr verschiedner Autoren sind mir in Einer Stunde in die Hand gekommen,[103] ich empfehle sie Ihrem Nachdencken. Lebe wohl. Sey glücklich und nimm Theil an meinem Wesen wie ich an dem deinigen.

Franckfurt den 11. Aug. 93.

G.[104]


10/3007a.


An Georg Christoph Lichtenberg

Wohlgebohrner

insonders hochgeehrtester Herr,

Ew. Wohlgeb. haben mein ersten optischen Versuche mit soviel Nachsicht aufgenommen daß ich hoffen darf Sie werden auch meinen weiteren Arbeiten einige Aufmercksamkeit gönnen. Der Zeit und meinen Wünschen nach sollte ich schon weiter gekommen seyn; allein sowohl dieß Jahr als das vorige habe ich in mancherley Zerstreuungen zugebracht und die kriegerischen[50] Begebenheiten von denen ich Zeuge gewesen lassen zu wissenschaftlichem Nachdencken wenig Raum. Indessen habe ich manches gesammelt und versucht und ich hoffe es bald ordnen und verbinden zu können.

Wie ich die Lehre von den farbigen Schatten behandelt werden Ew. Wohlgeb. aus beyliegendem Hefte ersehen, ich gedencke die übrigen Bedingungen unter welchen wir apparente Farben erblicken nach und nach auf eben diese Weise vorzunehmen, wobey ich mir Ihre Theilnehmung und Belehrung erbitte.

Wollten Ew. Wohlgeb. mir gefällig das Manuscript auf Weimar zurücksenden, wohin ich balde zu gehen hoffe und mir zugleich einige Nachricht von Ihrem Befinden geben? Ich wünsche daß sie günstiger als vor einem Jahre seyn möge.

Erhalten Sie mir ein geneigtes Andencken und bleiben von meiner besondern Hochachtung überzeugt.

Ew. Wohlgeb.

ergebenster

Franckfurt d. 11. Aug. 93.

Goethe.[51]


10/3008.


An Christiane Vulpius

Franckfurt d. 16. Aug. 93.

Noch bin ich hier, mein liebes Herz und befinde mich bey meiner Mutter, bey alten und neuen Freunden ganz wohl. Wenn du bey mir wärest so möchte ich wohl noch gern eine Weile hier bleiben, so aber wird mirs gar zu lange biß ich dich wieder habe und dencke bald weg zu gehen und dich wieder in meine Arme zu schließen. Deine Briefe habe ich erhalten und freue mich herzlich daß du wohl bist und dich im Hauße beschäftigst. Ich verlange recht das neue Zimmer zu sehen es muß hübsch geworben seyn. Wir wollen bald wieder im Stillen vergnügte Tage zusammen verleben. Lebe wohl. Küsse den Kleinen, Grüße Herrn Meyer und behalte mich lieb wie ich dich.

G.


10/3009.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Ich erhalte deinen lieben Brief eben als ich mich zur Abreise von Franckfurt bereite. Mein herumschweifendes[104] Leben und die politische Stimmung aller Menschen treibt mich nach Hause, wo ich einen Kreis um mich ziehen kann, in welchen ausser Lieb und Freundschaft, Kunst und Wissenschaft nichts herein kann.

Doch will ich mich nicht beklagen, denn ich habe manches interessante erfahren, manches Gute und brauchbare gelernt.

Deinen Brief vom 22. Jul. habe ich zwar noch nicht er wird mich aber schon finden. Ich wünsche euch allen herzliche Zufriedenheit von eurer Zusammenkunft, ob es gleich gewagt ist so vielerley Existenzen unter Ein Dach zu versammeln. Clärchen wünsche ich Glück. Das Decret ist durch das hin und her aufgehalten worden, ich habe es nochmals erinnert. Ist denn das eine Clermont die Herders so lobten welche Braut ist?

Mit Sömmering der jetzt hier ist habe ich einige sehr aufmunternde Conferenzen gehabt. Du wirst bald wieder was von mir sehen. Ich freue mich auf das was du mir und andern zubereitest. Daß mein räthselhaft Gedicht seinen Effeckt nicht verfehlt und von einem Frauenzimmer zuerst verstanden worden ist mir sehr lieb.

Hab ich dir schon gesagt wie sehr ich Leid um den armen Moriz getragen habe? Ich verliere einen guten Gesellen an ihm. Den Brief an den Bruder nehme ich nach Weimar und schreibe die Stelle ab, sie ist sehr gut.

[105] Lebe wohl und genieße der guten Tage mit den deinigen. Maxen hoffe ich bald zu sehen.

Franckfurt d. 19ten Aug. 93.

G.


10/3010.


An Friedrich Constantin von Stein

Weimar, den 28. August 1793.

Für dein Andenken danke ich dir, mein Lieber, und freue mich, wie du auf deinen Wegen wandelst. Den Herzog habe ich von deinem Vorhaben benachrichtigt, ich hoffe dich zu sehen, ehe du verreisest. Lebe wohl, und behalte mich lieb und die Meinigen, dabei wirst du dich selbst lieben, denn ich zähle dich immer dazu.

G.


10/3011.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Auf deine Anfrage wegen Max muß ich dir eilig und nur vorläufig antworten. Ich habe mich genau nach ihm erkundigt, ihn selbst gesehen und gesprochen und finde daß du keine Ursache hast besorgt zu seyn.

Seine Studien treibt er wie es zu Anfange zu gehen pflegt wo man noch nicht weiß wo es hinaus soll. Was ihm einen Begriff giebt interessirt ihn wie billig, weniger das was eigentlich nur Vorbereitung auf ein künstiges seyn kann. Litterargeschichte[106] hat er mit Eifer und Freude gehört, Botanick anfangs auch, zuletzt wollte ihm das vorzählen und analysiren der Pflanzen nicht behagen, vielleicht hat der Lehrer einige Schuld, es ging mehr iungen Leuten eben so. Osteologie hat er gehört wie man sie zum erstenmal hören kann. Von dem übrigen nächstens.

Sonst versichert man mir er bereite sich auf seine künftige Studien fleißig vor im Gespräch und durch Lesen. Vielleicht verfällt er auch hier in den Fehler der meisten jungen Ärzte, daß er zu geschwind ans Ziel will. So hab ich ihn Gaubius Pathologie neulich lesen sehen wie er bey mir war. Doch das ist gewöhnlich und ich sehe alles das als Lectiones cursorias an, ist der Kopf gut so stellt sich alles zurecht. Hat er nur erst diesen Winter Anatomie und Physiologie durchgegangen so wird schon mehr Richtung in seinen Fleiß kommen.

Seine Geselschaft ist eingeschränckt. Reinhart, an dem er sehr hängt, soll ein edler guter Mensch seyn, der Kenntniße besonders im litterarischen Fach hat, ist er nicht so kühl und ausgebildet wie es zu wünschen wäre, so ist das wohl die Eigenschaft der Jugend. Ich will mich näher nach ihm erkundigen. Max scheint den Pylades zu spielen und das ist denn auch nicht so schlimm.

Das Reiseprojeckt betreffend finde ichs freylich weitschichtig, doch was die Reise Lust betrifft; so hätte[107] ich ihn an deiner Stelle nicht so hart angelassen. Ein junger Mensch der aus der Eltern Hauße kommt und in die Academische Freyheit geräth wird gewöhnlich in irgend ein Extrem fallen. Die Reise Passion scheint mir die wenigst gefährliche. Sie zeigt daß er im Orte keine leidenschaftliche Verbindungen tat, daß er was sehen was erfahren will u.s.w.

An deiner Stelle hätte ich ihm daher zwar den weitläufigen Kreuzzug nicht statuirt aber zu einem Theil z.B. Schlossers in Franckfurt zu finden, über Würzburg Bamberg Coburg u.s.w. nach Jena zurückzukehren die Mittel nicht versagt, ihm ein ander Jahr zu einer Reise nach Dresden Aussicht gelassen. So bliebe man im Besitz seine Leidenschaft zu lencken. Man läßt ja so junge Leute reisen wenn sie studirt haben, warum sollten sie es nicht dazwischen thun? und lieber ein Jahr länger auf Akademie bleiben? Die Zerstreuung! – So viel ich habe bemercken können zerstreut eine leidenschaftliche Ordens oder Liebesverbindung mehr als Reise wo man doch immer etwas nützliches sieht, auch als handelnder Mensch mehr geprüft wird.

Dazu kommt noch Maxens Hinderniß am Gehör, das ihn verhindert an größerer Geselligkeit theil zu nehmen. Unter mehreren ist er stumm und zurückgezogen da er mit wenigen gar frey, verständig ja sogar munter ist. Wärest du nicht abgeneigt ihm noch einen Spas auf die Ferien zu erlauben, so wollte[108] ich du thätest es durch mich, daß ich durch mein Mittler verdienst mir noch mehr sein Vertrauen erwürbe.

Ich werde nicht unterlassen ihn zu beobachten und schreibe nur flüchtig dich zu beruhigen. Siehe mehr den Sinn dieses Briefes als die Ausdrücke, denn ich weiß daß man vieles strenger und bänger nehmen kann. Freylich ist schon ein Unterschied wenn der Sohn in des Vaters Metier tritt, wo dieser mehr leiten und vorbereiten kann und doch habe ich gesehen, daß auch da wieder alles auf Umstände ankommt die incalculabel sind. Habe also nur noch diesen Winter Geduld, daß man Maxen als ein selbstständig Wesen kennen lernt, daß man sieht wie er seine Wissenschaft anpackt, wohin er etwa sonst noch sich verbreitet, davon seiner Zeit mehr verlauten soll.

Lebe recht wohl und grüße Schlossern und dein ganz gefülltes Hauß. Ich finde mich nun auch wieder nach und nach in meiner Wohnung, die nach und nach eine anmuthige Gestalt gewinnt. Ich bin auf allen Ecken fleißig. Die chemische Farbenlehre bearbeite ich jetzt, es ist soviel vorgearbeitet daß das Zusammenstellen viel Freude macht und sehr interessante Resultate darbietet.

Von Reinicke schickt ich gern den zweyten Gesang, leider ist es der welcher noch die meiste Arbeit bedarf um präsentabel zu werden.

[109] Das Dekret wird, wills Gott, nun auch bald kommen, es ist endlich vom Lande abgedruckt.

Behalte mich lieb und laß von dir hören.

d. 9. Sept. 93.

G.


10/3012.


An Johann Isaak von Gerning

Der Wein ist glücklich angekommen, ich habe ihn noch nicht versucht bin aber überzeugt, daß Sie mir etwas Gutes geschickt haben.

Die Leinwand deren Muster Sie mir übersenden ist freylich viel zu schmal, und da wir keine Näthe machen dürfen muß ich Sie ersuchen mir von der Brüssler zu verschaffen. Sie wären also so gütig mir von einer Leinewand die 2 7/8 Brabanter Ellen breit ist 11 1/2 Brabanter Ellen zu verschreiben. Es versteht sich daß sie ungebleicht und ungrundirt sey.

Wollten Sie wohl Herrn Nothnagel ersuchen mir ein Dutzend seiner schönsten Bordüren mit dem nächsten Postwagen zu senden, besonders welche Rosen und andre Blumen enthalten, es wird hier soviel gebaut und möblirt, daß ich seine Arbeit zu empfehlen wünsche.

Es ist mir angenehm zu sehen daß Ihr Fleiß nicht nachläßt eine Arbeit der Vollkommenheit immer näher zu bringen. Ich wünsche daß Sie den Gedancken in unsern Gegenden einen Theil des Winters zuzubringen nicht verlassen mögen.

[110] Leben Sie recht wohl, haben für gütige Besorgung recht vielen Danck und empfehlen mich überall.

Weimar d. 16. Sept. 1793.

Goethe.


10/3013.


An Franz Kirms

[22. September.]

An der Beylage habe nichts zu erinnern.

Der Krieg ist noch in Erfurt zu geben und die beyden Soldaten 1. und 2. durch Blos und Brunnquell zu besetzen.

G.


10/3014.


An Christoph Martin Wieland

Beyliegende drey Gesänge Reinickes wollte ich erst recht sauber abschreiben lassen und nochmals durchsehen, eh ich sie, lieber Herr und Bruder deiner Sancktion unterwürfe. Da man aber in dem was man thun will meist einige Schritte zurückbleibt, so sende ich sie in einem etwas unreineren Zustand. Du hast die Güte sie, den kritischen Griffel in der Hand, zu durchgehen, mir Wincke zu weiterer Korrecktur zu geben und mir zu sagen: ob ich die Ausgabe dieser Arbeit beschleunigen, oder sie noch einen Sommer solle reisen lassen. Du verzeihst daß ich mich eines alten Rechts bediene das ich nicht gern entbehren möchte[111] und weißt welchen großen Werth ich auf deine Bemerckungen und deine Beystimmung lege. Ich gehe auf einige Tage nach Jena, bey meiner Rückkunft frage ich an. Vale fave d. 26. Sept. 93.

Goethe.


10/3015.


An Carl Ludwig von Knebel

[27. September.]

Die Herzoginn Mutter bezeigte gestern Lust nach Jena zu gehen. Ich nahm über mich dich darüber um Rath zu fragen. Aus verschiednen Ursachen wünschte ich daß es Montags geschähe, du wärst ja wohl so gut und kämst einen Augenblick zu mir daß man die Sache besprechen könnte. Von deinem Lucrez habe ich gestern draußen einige Stellen gefunden die mich besonders gefreut haben.

G.[112]


10/3015a.


An Samuel Thomas von Sömmerring

[Concept.]

[Herbst 1793.]

Ich freue mich zu hören, daß Sie mitten unter den Kriegsunruhen fleißig mit studiren und beobachten fortfahren; was können wir in der jetzigen Zeit auch besseres thun, als unserm Gemüth irgend eine interessante[49] nützliche Beschäftigung zu geben, um uns, und wär' es auch nur Stundenweis, dem Einflusse der traurigen Welthändel zu entziehen.

Wie sehr wünschte ich an Ihren Arbeiten gegenwärtig Theil nehmen zu können, und durch Ihren Unterricht einmal einen rechten Schritt in der Wissenschaft zu thun, an deren Gränzen ich immer verweile. Geben Sie mir manchmal einen Wink von Ihren Entdeckungen. Ich habe diese Tage Ihr anatomisches Lehrbuch ganz durchgelesen, und sowohl an den Sachen als an der Methode sehr viel Freude gehabt. Werden Sie uns das Fehlende nicht auch bald gönnen?

Über den gelben Punkt im Auge kann ich gegenwärtig noch weiter nichts denken, als daß ich für sehr merkwürdig halte, daß uns durch denselben eine Mitte des Augbodens, wenn ich mich so ausdrücken darf, gezeigt wird, da die schief eingehende Nerven sonst immer einige Hinderniß war, uns die Repräsentation der Bilder im Auge auf eine zu denken.

Was die gelbe Farbe desselben betrifft, darüber wag' ich auch nichts zu sagen, doch scheint die Farbe, wo sie auch angetroffen wird, immer auf etwas wirkendes zu deuten.

Eine Abschrift der Abhandlung von den farbige Schatten sollen Sie haben, allein sie wird in einer ganz andern Gestalt erscheinen, wenn erst die Versuche von den seltsamen Spectris, die Ihnen so interessant geworden sind, recht vollständig aufgestellt seyn werden.


[50] Darwin hat viel Gutes und Brauchbares; allein an die Theorie gefesselt kann er nicht vom Flecke. So bald ich diese Versuche zusammengestellt habe, sollen Sie auch diese erhalten. Es ist weit mehr physiologisches bey den Farbenerscheinungen als man denkt, nur ist hier die Schwierigkeit noch größer als in den andern Fällen, das Objective vom Subjectiven zu unterscheiden.

Da Sie nach dem Verhältniß der Phänomene bey Gelegenheit der Refraction fragen, so übersende ich Ihnen hier ein paar Blätter Resultate, die Ihnen gewiß Vergnügen machen werden. Lassen Sie sie niemand sehen, denn es ist zwar noch das letzte Wort des Räthsels, aber doch eins der vorletzten. Sie werden die Versuche leicht und angenehm finden.

Erst wenn alles so aufs Einfachste zurück gebracht ist, wird man der Theorie glücklich zu Leide gehen können, und alsdenn werden Sie sich wundern und freuen, wie sie zerstiebt, und welches weite Feld der Beobachtung und Erforschung alsdann erst eröffnet ist; selbst bis jetzt erhält sie sich nur durch Kunststückchen: so find z.B. in Greens neuer Physik alle Figuren, die sich auf diese Lehre beziehen, völlig falsch; sie sind sämtlich nach der Theorie und keine einzige nach der Erfahrung gezeichnet, eine Methode die schon mehr oder weniger und schon hundert Jahre in diesem Falle beobachtet wird.

So hat auch Green im physischen Journal sich[51] unsägliche Mühe gegeben zu zeigen, daß die von mir in den optischen Beyträgen aufgestellten Versuche schon durch Neuton erklärt seyen; es hätte weit weniger Mühe bedurft zu zeigen, daß jene Erklärung ganz und gar nicht passe.

Neulich ist der wunderliche Wünsch zu Königsberg, der aber nach seiner Art auf eine sehr scharfsinnige Weise einen andern Irrthum vertheidigt, so ehrlich und keck gewesen, zu dieser berühmten Erklärung zu sagen: wer es begreifen kann, der begreife es! Doch von allen diesem werden Sie künftig im Zusammenhange noch genug zu hören haben. Entziehen Sie dieser Sache und dem was Sie sonst vornehmen nicht Ihre Aufmerksamkeit; ich hoffe, daß Sie als Physiolog[52]


10/3016.


An Carl Ludwig von Knebel

[Ende September oder October.]

Hier schicke ich, werther Freund, und Kunstgenoße den ersten Gesang Reineckes mit der Bitte ihn wohl zu beherzigen und kritisch zu beleuchten, indem ich ihn zum Druck bald abzusenden gedencke.

G.[112]


10/3017.


An Christian Ernst Karlvon Bentzel-Sternau

[Concept.]

[Anfang October.]

P. P.

Wenn die zum besten der maynzer verunglückten Einwohner bestimmte Einnahme einer theatralischen Vorstellung von churfürstl. Erfurtischer Regierung deren sämtlichen Gliedern ich mich bestens zu empfehlen bitte, und von Ew. Hochwohlgeb. geneigt aufgenommen worden; so hat die hiesige Theater-Direction ihren doppelten Zweck erreicht, ihren aufrichtigen Antheil an dem traurigen Schicksale so vieler guter Bürger einigermaßen an den Tag zu legen, und zugleich die Dankbarkeit auszudrücken welche sie für die gute Aufnahme der Gesselschaft in Erfurt schuldig ist.

Ew. Hochwohlgeb. sind wir besonders für die Mühe verpflichtet, welche Sie übernehmen wollen, die theatralischen Angelegenheiten zu begünstigen und zu leiten; es sollte mir sehr erwünscht seyn wenn ich dagegen etwas Gefälliges erzeigen könnte. Ich empfehle mich in Ew. Hochwohlgeb. geneigtes An denken.

p. p.


10/3018.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Hier, mein Lieber, das Dekret endlich. Am schwarzen Siegel und schwarzen Rande siehst du diesmal[113] keine geheuchelte Betrübniß. Den Prinzen Constantin haben wir ungern verlohren, im Augenblicke da er sich des Lebens werther gemacht hatte. Ich habe, als alter Nothhelfer, diese Zeit her der Herzoginn Mutter mancherley Zerstreuungen bereiten helfen und bin dadurch selbst zerstreut worden.

Darum auch heute nur wenig. Max ist nach Hannover, ich hoffe du sollst mit ihm zufrieden seyn. Diesen Winter will ich fleißig nach ihm sehen. Ich hoffe gutes von ihm. Fürs Dekret habe ich 20. Thlr. ausgelegt, ich schreibe dir sie an. Grüße alles was dich umgiebt. Lebe wohl. Liebe mich.

W. d. 11. Octbr. 1793.

Goethe.


10/3019.


An Lange

[Concept.]

Wohlgeborner,

insonders hochzuehrender Herr Hofrath.

Ew. Wohlgeb. haben mir erlaubt wegen des bewußten Monuments, dessen Errichtung Sie gütigst unternommen haben, die weitern Entschließungen zu überschreiben. Ich bediene mich gegenwärtig der mir gegebenen Freyheit.

Man hat aus verschiedenen Ursachen sich bewogen gesehen von der ersten Idee, nach welcher ein Modell von Herrn Baumeister Meyer gemacht worden, abzugehen, und ich sende gegenwärtig eine Zeichnung[114] nach welcher man es aufgerichtet wünscht. Es bedarf diese Zeichnung keiner weitern Erklärung, indem das Monument viereckt wird; eine Seite wie die andere verziert werden soll und die eingesenkte Tafel für die Inschriften auf allen Seiten anzubringen ist. Der Adler auf der Spitze wird gegen den Weg gekehrt, wie es sich von selbst versteht.

Es scheint mir nicht, als wenn der Unterschied an Stein und Arbeit gegen das erstprojectirte Monument sehr beträchtlich wäre und glaube daher, daß Herr Meyer für die ehemals anverlangte Summe von hundert Dukaten auch das Gegenwärtige werde fertigen können. Wollten Ew. Wohlgeb. ihm die Zeichnung vorlegen, ihn deshalb befragen und besonders auch seine Erklärung aus wieviel Stücken er den obern Sarkophag zusammen zu setzen Willens sey? von ihm verlangen; so würden Sie mir eine besondere Gefälligkeit erzeigen. Wir hoffen Durchl. den Herzog bald hier zu sehen, wahrscheinlich sehen Sie ihn auf seiner Rückreise.

Haben Sie doch auch die Güte mir gelegentlich ein Wort zu sagen wie es gegenwärtig in Maynz aussieht, und ob sich alles bald wieder in einen leidlichen Zustand versetzt hat. Ich wünsche recht wohl zu leben und empfehle mich Ihrem geneigten Andenken.

d. 14. Octbr. 93.

p. p.[115]


10/3020.


An Johann Gottfried Herder

[Mitte October.]

Wie sehr ich deiner Meynung wegen der Glossen im allgemeinen bin, weißt du von Alters, da ich etwas ähnliches als Posse vortrug. Deine critische Zusammenstellung, die Ausführung und Nutzanwendung freut mich sehr. Hier ein Brief von Lichtenberg woraus du sehen wirst daß noch manches zu thun ist ehe wir vom Gesetz erlößt uns einer evangelischen Gemeinschaft erfreuen können.

G.


10/3021.


An Georg Christoph Lichtenberg

[Concept.]

[etwa 20. October.]

Durch mein langes Zögern Ew. Wohlgeb. wieder zu schreiben habe ich schon so viel verloren, daß ich gegenwärtig um desto mehr eile meinen Dank für Ihren gütigen Brief abzustatten. Wie sehr bedaure ich, daß Ihr thätiger Geist von körperlichen Umständen immer gehindert wird, und wie sehr bewundere ich, was Sie trotz aller Hindernisse leisten.

Bey meinem zweymaligen Feldzuge habe ich wenig erfreuliche Erfahrungen gemacht und nur die doppelte Neigung womit ich zu einer stillen Thätigkeit und zu den Wissenschaften wiederkehre, kann mich für die vielen traurigen Stunden entschädigen, die ich seit[116] anderthalb Jahren zugebracht habe. Erlauben Sie, daß ich Sie von Zeit zu Zeit und wenn auch nur Stückweise von meinen Bemühungen wissen lasse, die durch Ihre Theinehmung so außerordentlich befördert werden können.

Zuerst dank ich für die Bekanntschaft, die Sie mir mit der französischen Schrift verschaffen; ich bitte mir solche bald möglich zu überschicken: denn wir mögen noch so geneigt seyn auf Zweifel und Widerspruch zu hören; so ist es doch unserer Natur gar zu gemäß, dasjenige begierig zu ergreifen, was mit unserer Vorstellungsart überein kommt.

Nach diesem aufrichtigen Bekenntniß bitte ich Ew. Wohlgeb. mich eben für so aufrichtig zu halten, wenn ich versichere, daß Ihre Bedenklichkeiten mir von dem größten Gewichte sind. Können Sie sich manches in meinem Aufsatze nicht ganz erklären; scheint Ihnen die Reihe der Experimente nicht so rein, die daraus gezogene Folgerungen nicht so überzeugend; so muß mich das auf meine Versuche, auf meine Methode und mein Urtheil mißtrauisch machen. Ich werde meinen französischen Collegen sorgfältig studieren, sowohl seine Versuche, als das was mir bisher Neues bekannt geworden, nachtragen, auf Ew. Wohlgeb. Bemerckungen alle Rücksicht nehmen, und die Resultate meiner Arbeit abermals vorlegen. Man kann in jedem Theile der Naturlehre, besonders aber in diesem nicht vorsichtig genug zu Werke gehn.

[117] Was Ew. Wohlgeb. über das Weiß in Ihrem Briefe äußern scheint mir der Lehre gemäß zu seyn, welche das Weiß aus vereinigten Farben entstehen läßt. Ich behalte mir vor, meine Vorstellungsart hierüber vorzulegen und Ihrer Prüfung zu unterwerfen.

Das Phänomen, das Ew. Wohlgeb. in dem orangefarbenen Planspiegel bemerkt, habe ich unter die Zahl derjenigen aufgenommen, welche uns die Reflection darstellt. Ist der Spiegel blau, so erscheint das Phänomen umgekehrt, das von der Oberfläche zurückgeworfene Bild des Stabes erscheint nunmehr blau, das von der Belegung gelb, gelbroth, bräunlich roth. Ist der Spiegel grün, so erscheint das obere Bild grün, das untere violet oder purpur; jederzeit mit entgegengesetzten Farben, wie bey den farbigen Schatten. Es kommen noch einige merkwürdige Umstände dabey vor, welche ich in einer Folge auszuführen und nebst einer kleinen Vorrichtung, wodurch sie ganz bequem beobachtet werden können, Ew. Wohlgeb. mitzutheilen nicht verfehlen werde, sollte ich auch nur bringen, was Ihnen schon bekannt ist; so werde ich doch wenigstens dadurch meinen Eifer zur Wissenschaft und mein Zutrauen zu Ihnen an den Tag legen.

Wenn an einerley Orte, zu verschiedenen Zeiten, unter scheinbar einerley Umständen verschiedene farbige Schatten zum Vorschein kommen; so ist es meiner Meynung nach ein Beweis, daß sich die Umstände[118] wirklich geändert haben. Büffon sah blaue Schatten an einer weißen Wand, des Abends, kurz vor Sonnenuntergang. Eben denselben Schatten sah er des andern Abends grün; er bemerkte aber dabey daß die Sonne purpurroth unterging. Und so ist es auch: ein purpurrothes Licht macht die entgegengesetzten Schatten grün, so wie ein Grünes die entgegengesetzten Schatten purpurroth und nach seinen verschiedenen Nüancen auch wohl auf das anmuthigste violet färbt.

Man nehme bey dem gewöhnlichen Versuche, wo man das Kerzenlicht dem schwachen Tageslicht entgegen setzt, ein hellgrünes Glas und halte es vor das Licht: sogleich wird der gelbe Schatten grün, der blaue hingegen purpurroth oder violet erscheinen.

Man kann diesen Versuch auch noch auf eine auffallende Weise vermannichfaltigen: Man lege bey heiterm Himmel und hellem Sonnenschein ein weißes Papier ins Freye, man halte einen Stab darauf und der Schatten wird mehr oder weniger blaulich erscheinen. Man nehme darauf eine grüne Glasscheide und lasse das Sonnenlicht durch selbige auf das Papier fallen, davon ein Theil also grün erscheinen wird, man stelle den Stab in dieses grüne Licht, und der Schatten desselben wird sogleich violet erscheinen.

Eben so ist der Schatten gelblich wenn das Glas blau, blau wenn das Glas gelb ist. Grau ist aber und bleibt der Schatten auch mitten im gefärbten Lichte wenn man den Versuch am Fenster einer Camera[119] obscura macht und die Einwirckung des Tageslichtes abhält. Von meiner Meinung wie sich das grau zu den Farben verhält gebe ich nächstens Rechenschaft.

Wie nah diese Versuche mit den sogenannten couleurs accidentelles verwandt sind, ist Ew. Wohlgeb. nicht entgangen. Auch hier läßt sich eine Reihe schöner Versuche aufstellen, die mit jenen vollkommen Schritt halten; hier ist also wohl nichts Zufälliges, wohl aber eine Übereinstimmung verschiedener Erfahrungen deren Mannigfaltigkeit wir durch die Sinne erkennen; deren Übereinstimmung aber wir mit dem Verstande nicht begreifen, viel weniger mit Worten ausdrucken können. Unser Geist sieht sich, wie leider so oft, auch hier in dem Falle entweder die Phänomene einzeln neben einander stehen zu lassen, oder sie in einer hypothetischen Einheit mehr zu verschlingen als zu verbinden. Wie vieles ist uns noch selbst, wie vieles unsern Nachkommen vorbehalten.

Ew. Wohlgeb. sind mit allen diesen Operationen unserer Seele so genau bekannt, und von wem ließ sich wohl mehr Beyhülfe, Aufmunterung und Berichtigung erwarten, so bald Sie den Gegenstand für wichtig genug halten ihm einiges Nachdenken zu widmen, und den Forschen so werth, um ihm Ihre Gedanken mitzutheilen.

Das Phänomen, dessen Sie gegen das Ende Ihres Briefes erwähnen, habe ich neulich in einem eminenten Grade gesehen. Ich betrachtete durch die Öffnung der[120] Camera obscura die Sonne durch ein dunkel violettes Glas, deren Scheibe mir denn in dem lebhaftesten Purpur erschien; als ich wieder herein sah und mein Blick auf einen schwarzen Mantel fiel; so erschien mir dieser vollkommen grün. Einige Zeit vor her war ich auf folgende Versuche geleitet.

An eine weiße Wand stellte ich ein etwa dreyzöllig vierecktes gelbes Papier und sah scharf darauf, sodann blickt ich in die Höhe und richtete meine Augen unverwandt auf einen bestimmten Fleck der weißen Wand: An gedachtem Platze erschien mir bald ein blauliches Viereck, so wie im Gegentheil mir ein gelbes erschien, wenn das untere Viereck blau war, und so veränderte sich auch bey veränderten Farben des Gegenstandes die Farbe der Erscheinung nach den Gesetzen wie sie mir aus den Phänomenen der farbigen Schatten zu folgen schienen. Auch hiervon will ich, was mir bekannt ist, zusammen schreiben und vorlegen, mit der Bitte die Specimina eines Liebhabers und Autodidacten freundlich aufzunehmen.

Beguelins Arbeit kenne ich; es ist nichts besonderes in seinen Erfahrungen, nichts entscheidendes in seiner Meynung. Opoix scheint ein Maratianer zu seyn, die der Bewegung alle Farbenapparenz zuschreiben möchten, wie Neutons Nachfolger fast ausschließend alles aus der Brechung zu erklären dencken. Ein Wink von Ew. Wohlgeb. den ich in Crells Vorrede zu Delaval gefunden habe, hat mir[121] große Freude gemacht. Ich bin dadurch aufs neue aufgemuntert worden, die verschiedenen Bedingungen unter denen uns apparente Farben erscheinen, so viel als möglich seyn will von einander zu sondern und das Fachwerk worin ich die manigfaltigen Erfahrungen und Versuche hineintrage eher zu weit als zu eng zu machen.

Erhalten mir Ew. Wohlgeb. Ihr freundschaftliches Andenken und glauben Sie daß es mir gleicher Ernst um die Wissenschaft und um Ihre Gewogenheit sey und bleibe.


10/3022.


An Friedrich Constantin von Stein

Weimar, den 23. October 1793.

Ich habe mich sehr gefreut, einen Brief von dir zu sehen, um so mehr als mir deine Mutter sagte, du seyest unterwegs krank geworden; ich wünsche, daß du bald völlig mögest von dem Anfall geheilt seyn, und hoffe, daß du einen geschickten Arzt gebrauchst.

Schreibe mir wie du deinen Hamburger Aufenthalt benutzest, da die Einrichtung der Hamburger Akademie nicht so viel gewährt, als die Ankündigung hoffen ließ. Das große Leben und Treiben um dich her wird dich bei aufmerksammer Betrachtung über Tausend Dinge am besten belehren.

Versäume nicht die mancherlei Rechnungsarten kennen zu lernen und sie zu üben, daß du sie bequem[122] übersehen und beurtheilen kannst. Schreibe mir, wie du vorwärts kommst. Das reelle Verhältniß, das große Kaufleute als kleine Puissancen zu den Welthändeln haben, wird dir auch die politischen Begebenheiten interessanter machen, wenn du den unmittelbaren Einfluß in die Comptoire und Cassen deiner Freunde und Bekannten sehen wirst.

Herr Sibeking mag ein reicher und gescheuter Mann seyn, so weit ist er aber doch noch nicht gekommen, einzusehen, daß das Lied: Allons, enfans etc. in keiner Sprache wohlhabenden Leuten ansteht, sondern blos zum Trost und Aufmunterung der armen Teufel geschrieben und komponirt ist. Es kommt mit das Lied an wohlbesetzter Tafel eben so vor, wie die Devise eines Reichen: pain bis et liberté, oder eines Erzjuden: »Wenig aber mit Recht.«

Da du nun auf dem Markte alles guten Eßbaren bist, so gedenke auch an uns. Erkundige dich was die guten englischen Chester-Käse kosten, und was für Arten von getrockneten Fischen man besonders jetzt zu Winterszeit verschreiben kann, welche Tage der Postwagen geht u.s.w. Ich gebe dir sodann einiges Geld in Verlag, und du sendest mir dann von Zeit zu Zeit etwas in die Küche.

Lebe wohl, schreibe mir bald wieder.

G.[123]


10/3022a.


An Franz Kirms

[30. oder 31. October 1793.]

Wenn Ew. Wohlgeb. dem Herrn Cammerjuncker v. Fritsch antwortlich zu vernehmen geben: daß von jeher, und auch noch vorigen Winter, Cammerherren und Cammerjuncker vom Dienste nur frey gewesen, wenn sie mit der Herzoginn kamen, nicht aber wenn die Herzoginn nicht im Theater waren, auch die übrigen Herren bißher bey dieser Einrichtung es bewenden lassen; so wird derselbe ja wohl von seinem Gesuche abstehen.

G.[52]


10/3023.


An Andreas Joseph Schnaubert

[Concept.]

[October oder November.]

Ew. Wohlgeb. haben auf ein Schreiben des Herrn N., das Ihnen durch Herrn N. communicirt worden vor einiger Zeit Ihre Gedanken geäußert, und ich nehme mir die Freyheit wegen dieser Angelegenheit Ew. Wohlgeb. nochmals anzugehen.

Ew. Wohlgeb. Äußerung daß Sie nicht abgeneigt seyen Herrn N. Ihn Urtheil über die Sache zu eröffnen und Gründe und Gegengründe abzuwägen würde denselben bewogen haben sogleich ein Gutachten von Ihnen zu erbitten, wenn er erwarten könnte, daß Ihre Gesinnungen eher für als gegen ihn ausfallen dürften.

Da er mich aus alter Bekanntschaft zur Mittelsperson erwählet, und ich mir gleichfalls schmeicheln darf, daß Ew. Wohlgeb. einiges Vertrauen in mich setzen; so darf ich dieselben wohl ersuchen mir Ihre Gedancken hierüber vertraulich zu eröffnet, um so mehr, da aus Ihrem ersteren Briefe erhellt, daß Sie gegen Ihre Zuhörer über diese Sache schon bisher kein Geheimniß gemacht haben. Sind Ihre Gesinnungen der Sache des Herrn N. eher günstig als ungünstig, so wird ihm ein rechtliches Gutachten, wenigstens bey der Solicitatur, im außergerichtlichen Wege, da die Sache bey dem Reichscammergericht[124] und sonst schon geschlossen ist, behülflich und erwünscht seyn.

Wollten mir Ew. Wohlgeb. wenn Sie auch vorerst nicht geneigt wären sich in merita causa einzulassen, nur im Allgemeinen Ihre Gedanken eröffnen, damit ich nach den Gesinnungen meines Herrn Correspondenten alsdenn weitere Entschliessungen zu fassen im Stande sey, so würden Sie mich sehr verbinden.

Der ich


10/3024.


An Jakob Friedrich von Fritsch

[2. November.]

Ew. Exzell.

übersende hierdurch gehorsamst das mir von der regierenden Herzoginn Durchl. übergebne Packet. Die Durchl. Herzoginn Mutter werden auch funfzig Thaler beytragen.

Wahrscheinlich verspätet sich Serenissimi Ankunft und der Ilmenauer Gewerckentag rückt heran, deßwegen ich wohl den mir so ehrenvollen Antrag nach Eisenach zu gehen nicht wie ich wünschte werde annehmen können. Überdieß scheint man daselbst so sehr überzeugt zu seyn daß man das Übel nicht heilen könne sondern ihm nur nachgeben müsse daß wohl schwerlich irgend etwas fruchtbares von einer Unterredung zu erwarten seyn möchte.

Ew. Exzell.

ganz gehorsamster

Goethe.[125]


10/3024a.


An das Herzogl. Kammercollegium

[Concept.]

Endesunterzeichneter, gerührt von dem ihm bewiesenen unschätzbaren Vertrauen, ermangelt nicht, sogleich, jedoch nur vorläufig, seine unvorgreifliche Meynung dahin zu äußern: daß, da schon durch die gnädigsten Rescripte vom 11. Octobr. den Cassen des hiesigen Fürstenthums und der Jenaischen Landesportion der Befehl zugegangen, die gröbern preußischen Sorten, jedoch mit einigem Aufgelde anzunehmen, nunmehr auch wohl ein gleicher Befehl, wie solcher schon projectirt, an die Eisenachische Regierung zu erlassen seyn möchte.

Zwar läßt sich mit eigenem Grunde vermuthen, daß die preussischen harten Sorten mit Verlust von einem 24Theile wohl schwerlich häufig in die Cassen gebracht werden dürften, doch dürfte die Erfahrung uns hierüber in einigen Monaten am besten belehren.

Indessen wäre in dieser vielleicht mehr als jemals dringenden Angelegenheit eine Deliberation ernstlich vorzubereiten, und man hätte alle Ursache die Mittel aufzusuchen, wie das eingerissene Übel zu entfernen und das zukünftige zu verhindern seyn möchte.

Endesunterzeichneter wird nicht ermangeln in dieser äusserst schweren und verwickelten Sache seine Gedanken zu sammeln und solche, zu Papier gebracht, zur Prüfung vorzulegen.


[53] Wegen mancherley eintretenden Umständen wünscht er daher, daß die angezeichnete Stelle aus dem concipirten Rescript an die Eisenachische Regierung gegenwärtig noch ausgelassen würde, und daß man sich nur wegen der darin enthaltenen Punkte eine weitere Entschließung vorbehielte.

Eben so wenig ist er im Stande auf den letzten Bericht des hiesigen Cassae Directorii seine Gedanken ausser dem Zusammenhange zu eröffnen und wünscht nur, wo möglich die sämtliche hier zurückfolgenden Acten, nicht weniger das Strobelsche Exhibitum seiner Zeit nochmals zu durchblättern und bey seiner Ausarbeitung vor Augen zu haben, wie er sich denn auch vor allen Dingen die ältern in Münzsachen ergangenen geheimen Canzeleyacten erbittet.

W. d. 3. Nov. 93.

G.[54]


10/3025.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Ich wünschte, lieber Bruder, daß du dein Familienfest mit besserer Gesundheit beschlossen hättest, laß mich hören daß Ruhe und Sammlung dich wieder hergegestellt hat.

Um die Zeit da es jährig ward daß ich mit euch wohnte empfand ich eine Art von Heimweh und hätte wohl mögen, wenn es auch nur auf kurze Tage gewesen wäre, mit euch leben und hausen. Grüße mir alles was um dich ist und gedencket mein im besten.

Max ist recht brav. Seine Reise hat ihm wohlgethan, er rechnet 6 Louisdor Reisekosten, wird sie von Schenck erhalten und an mich remboursiren, diese bringe ich also nicht auf deine Rechnung. Das übrige will ich nächstens zusammen schreiben und dir schicken. Sage mir nur ob ich deinen Wagen verkaufen darf. Düsseldorf sieht er wohl schwerlich wieder und mir steht er zur Last, da er zu schwer ist. Willst du nicht mein Chaischen von Coblenz kommen lassen, ich gebe es ohne dieß für verlohren und rechne dir es nicht höher an als du es brauchen kannst. Es dient dir doch einmal auf Wäckefieldische Art einen Gast los zu werden.

Maxens Collegia sind ganz gut eingerichtet. Er hört Anatomie, Phisiologie und Chemie, dann materia medica, weil sie Hufland im ganzen nächsten Jahre nicht wieder liest und die Encyclopädie bey Schütz. Bey Reinholden wollte er auch noch hören, gab es[126] aber aus verschiednen Ursachen auf. In der Anatomie geht es schon frisch in die Muskellehre, in der Chemie und Phisiologie jammert er über die langen Einleitungen. Mit Hufland ist er auserordentlich zufrieden. Nächste Woche seh ich ihn vielleicht wieder. Ich hoffe viel Gutes von ihm.

In Phisicis habe ich mancherley gethan, besonders freut und fördert mich Lichtenbergs Theilnehmung. Sende doch meine Abhandlung über die farbigen Schatten an die Fürstinn Galizin, wenn du vorher nachstehende Note am Ende hinzugefügt.

»In einer franzößischen Schrift, Observations sur les ombres colorees, par H. F. T. Paris 1782, 8. leitet der Verfasser aus ähnlichen Versuchen, ähnliche Resultate her. Einen Auszug dieser merckwürdigen, leider kaum bekannt gewordnen Schrift bin ich im Begriffe zu machen und mit erläuternden Noten vorzulegen.«

Reinecke Fuchs naht sich der Druckerpreße. Ich hoffe er soll dich unterhalten. Es macht mir noch viel Mühe, dem Verse die Aisance und Zierlichkeit zu geben die er haben muß. Wäre das Leben nicht so kurz, ich ließ ihn noch eine Weile liegen, so mag er aber gehen daß ich ihn los werde.

Um etwas unendliches zu unternehmen habe ich mich an den Homer gemacht. Da hoffe ich nun in meinem übrigen Leben nicht zu darben.

Daß du dich mit Schlossern gut gefunden hast freut mich sehr für beyde, auch mir hat seine Gegenwart[127] sehr wohl gethan, denn man fühlt bald daß seine Strenge einen sehr zarten Grund bedeckt.

Nun lebe fein wohl grüße die deinen und schreibe mir bald. W. d. 18. Nov. 93.

Goethe.

Herder wird das Buch schicken. Er ist wohl und fleißig. Hierbey ein Almanac comparé, den du wohl noch nicht hast.


10/3026.


An Johann Friedrich Reichardt

So sind Sie denn, für mich wenigstens, unvermuthet aus unsern Gegenden geschieden, ohne daß ich Sie noch einmal gesehen und gesprochen hätte. Mögen Sie wohl und glücklich leben überall wo Sie sich befinden. Von Ihrer Lebhaftigkeit hoffe ich daß Sie uns doch einmal wieder erscheinen, Sie werden mich in dem alten Raume, immer mit unveränderten Gesinnungen antreffen. Meyer ist noch immer bey mir und die ästethischen Freuden halten uns aufrecht, indem fast alle Welt dem politischen Leiden unterliegt. Es wird viel in mancherley Fächern gearbeitet. Haben Sie Dank für Erwin und Elmire, für die Zeichen Ihres Andenkens und Ihrer Neigung. Leben Sie recht wohl und lassen mich bald wieder von Sich hören. Ich möchte auch wohl in einer ruhigen Stunde ausführlicher seyn über das was ich treibe. Leben Sie wohl.

W. d. 18. Nov. 93.

G.[128]


10/3026a.


An Johann Friedrich Blumenbach

Die angekündigte schöne Clytia, für welche ich im voraus dancke, ist noch nicht angelangt. Dagegen sende ich die Exuvien eines der schönsten Menschen, in jedem Sinne, die gelebt haben und freue mich etwas geben zu können, daß Ihrer wichtigen Sammlung nicht unwerth sey. Ich empfehle mich zu geneigtem Andencken.

Ew. Wohlgeb. ergebenster

Weimar d. 19. Nov. 1793.

Goethe.[54]


Ich lege ein Paar Almanacs comparés bey, die Sie vielleicht noch nicht besitzen.


10/3026b.


An das Herzogl. Kammercollegium

[Concept.]

Mit danckbarster Remission der mir kommunicirten Eingaben und Ackten kann ich nur den Wunsch wiederholen: daß man bey denen nach reifer Überlegung der Sache angenommenen Grundsätzen verbleiben und darnach fürstl. Kammer zu Eisenach bescheiden möge.

Daß sich Schwierigkeiten äussern würden sah man voraus als man den Befehl ertheilte und wird ihn also wohl deßhalben nicht zurücknehmen.

Nur ist zu bedauern daß Collegia und Subalternen, die über erhaltene Befehle mit Ernst und Strenge wachen sollten, sich gleichsam auf die Seite der Renitenten schlagen und von unangenehmen Auftritten und dergleichen fast bedrohlich zu sprechen sich beygehen lassen.

W. d. 24. Nov. 93.

G.[55]


10/3027.


An Johann Jakob Christian Dietz

[Concept.]

[Anfang December.]

Wohlgebohrner

Insonders hochgeehrtester Herr Hofrath!

Ew. Wohlgeb. Schreiben habe ich zwar spät jedoch richtig erhalten, und es thut mir sehr leid daß ich die darin geäußerten Wünsche zu erfüllen nicht im Stande gewesen. Da der jüngere Herr von Zwierlein schon die Substitution auf seines Herrn Vaters Stelle erhalten, und es also gegenwärtig blos abermals von der Stelle eines Substituten die Rede seyn konnte, welche Ew. Wohlgeb. wohl schwerlich satisfacirt haben würde; so ward diese Herrn Procurator Puff zu Theil.

Es ist mir übrigens angenehm bey dieser Gelegenheit erfahren zu haben daß Ew. Wohlgeb. nebst den werthen Ihrigen, denen ich mich bestens zu empfehlen bitte sich bey gutem Wohlseyn befinden. Ich habe die Ehre Dieselben meines fortdauernden Andenkens zu versichern und unterzeichne mich mit vollkommenster Hochachtung


10/3028.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Es ist mir ein Schauspieler Doebler empfohlen worden der in Düsseldorf spielt oder gespielt hat. Sage mir doch ein Wort über ihn und seine Frau, oder laß es mir sagen.

[129] Nach dem neuen Jahre sage ich mehr, denn die trübe Jahrszeit hat mir trübe Schicksale gebracht. Wir wollen die Wiederkehr der Sonne erwarten.

Lebe wohl. Grüße die deinigen.

W. d. 5. Dec. 93.

G.


10/3029.


An Samuel Thomas von Sömmerring

Lassen Sie mich, mein Bester, einmal wieder das Stillschweigen brechen! Gar sehr wünsche ich zu hören, wie Sie leben und wie sich nach so großem Unheil die Mainzer Existenz wieder einrichtet. Leider sind wir in diesen Tagen wieder in Sorgen gewesen, ich höre aber, es ist den Feinden übel bekommen. Wie viel wird uns jene ungeheure Waffe noch zu schaffen machen! In Thüringen leben wir, wie Sie denken können, ruhig, und jeder treibt sein Wesen. Ich habe meine Studien immer fortgesetzt, wovon ich Ihnen einiges mittheilen kann, wenn ich weiß, daß Sie nicht abgeneigt sind einen Blick darauf zu werfen. Sagen Sie mir, was Sie indessen gearbeitet haben. Leben Sie recht wohl! Grüßen Sie Ihr liebes Weibchen. Hört man etwas von Forster?

Weimar den 5. Decbr. 1793.

Goethe.[130]


10/3030.


An Carl Ludwig von Knebel

[7. December.]

Ich sage dir nur noch ein Wort zum Lebe wohl eh ich gehe, und wünsche dich gesund und froh wieder zu finden wenn ich zurückkomme. Jetzt bin ich im Sinnen und Entschliesen womit ich künftiges Jahr anfangen will, man muß sich mit Gewalt an etwas heften. Ich dencke es wird mein alter Roman werden. Versäume es ja nicht von deiner Seite und laß den alten Naturdichter immer walten. Vale.

G.


10/3030a.


An Johann Friedrich Blumenbach

Es scheint, wir leben in einer sehr gefährlichen Zeit daß nicht einmal die schönen Gypsköpfe auf ihren Schultern sicher sind. Leider war das allerliebste Köpfchen, das Sie mir zu übersenden die Güte hatten,[55] nicht allein von seinem Rumpfe getrennt sondern auch meist in Stücken. Dürft ich Ew. Wohlgeb. daher ersuchen, mir den Kopf noch einmal besonders gießen zu lassen, denn die Büste ist unbeschädigt und ich würde alsdann den neuen statt des gebrochnen hier aufsetzen und dieses schöne Kunstwerck ins Leben zurückrufen können.

Wollten Sie dem Gießer befehlen daß er ihn stärcker als das erstemal gieße, auch die Nähte die von der Form im Gesichte bleiben nicht verputze, so würden Sie mich sehr verbinden. Ich erhielte den Abguß sicherer und die Gestalt unverfälschter.

Raphaels Schädel ist, hoffe ich, indessen angekommen.

Leben Sie recht wohl und gedencken mein. Herr Meyer empfiehlt sich.

Ew. Wohlgeb. ergebenster

W. d. 18. Dec. 1793.

Goethe.[56]


10/3030b.


An Georg Christoph Lichtenberg

Wohlgebohrner

insonders hochgeehrtester Herr,

Ew. Wohlgeb. erhalten hierbey einen Aufsatz den ich geneigt aufzunehmen bitte. Gern hätte ich ihn nochmals durchgearbeitet, oder ihn wenigstens mit[51] Noten versehen, deren er manche bedarf, doch hätte mir diese Arbeit Ihre Belehrung verspätet.

Vielleicht kann ich bald meine Vorschläge wie ich die Farbenlehre überhaupt behandelt wünschte, ingleichen ein Schema inwiefern ich sie gegenwärtig übersehe Ew. Wohlgeb. zusenden. Leider komme ich selten mit ruhe und Sammlung an diese Speculationen. Gegenwärtiges Manuscript bitte zu behalten und empfehle mich gütigem Andencken.

Ew. Wohlgeb.

ergebenster

W. d. 29. Dec. 93.

Goethe.


Das französche Werck sur les ombres colorees ist mir ja wohl biß Ostern zu behalten vergönnt?

W. d. 29. Dec. 93.

Goethe.[52]


10/3031.


An Peter Heinrich von Bethmann

[Concept.]

[Ende December.]

Hochwohlgebohrner

Insonders Hochzueherender Herr.

Auf Ew. Hochwohlgeb. gütiges Schreiben, in welchem ich Ihr gütiges Zutrauen dankbar erkenne, würde ich sogleich geantwortet haben, wenn nicht Herr Gerning bey seiner hier erfolgten Ankunft die Besorgung des Ihnen so angelegenen Geschäftes gleich übernommen hätte.

Sie kennen die Thätigkeit des lieben Freundes und ich hoffe Sie werden mit seinen Bemühungen zufrieden seyn. Ich beziehe mich deswegen auf das[131] was er schon geschrieben und bitte mich den werthen Ihrigen bestens zu empfehlen und mich in geneigtem Andenken zu erhalten.


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 10, S. 131-132.
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