1808

20/5477.


An Carl Cäsar von Leonhard

Indem ich zum neuen Jahr meine Briefschulden mustere, so finde ich, daß ich vor allen Dingen Ihnen Dank zu sagen habe für die Ehre, die Sie mir erzeigen, indem Sie meinen Namen an der Spitze Ihres Taschenbuches nennen. Ich werde dagegen nicht verfehlen, das nächste Jahr, was mir etwa Bedeutendes vorkommt, mitzutheilen, und nach meiner Weise eine so gute und nützliche Anstalt zu befördern suchen.

Mit besonderer Hochachtung

Weimar, 2. Januar 1808.

Goethe.


20/5478.


An Behrendt

Wohlgeborner,

Insonders hochgeehrtester Herr,

Indem ich Ew. Wohlgebornen zu der wohlvollendeten Reise Glück wünsche, habe ich die Ehre hierbey den Auszug aus zwey Briefen unsers seligen Freundes mitzutheilen. Es sind die Stellen die sich auf seine[1] Lebensbeschreibung beziehen. Daß ich die Briefe nicht selbst, sondern nur eine vidimirte Abschrift der Stellen quaestionis übersende, werden Ew. Wohlgebornen verzeihen: denn der erste Brief besonders ist lang und enthält mehrere strenge Urtheile über deutsche Künstler, die ich in mancher Rücksicht gern für mich allein behalten mag. Ew. Wohlgebornen werden aus dem Mitgetheilten die Intention unsers trefflichen abgeschiedenen Freundes deutlich ersehen und ich wünsche mir bald die nöthige Zeit, um die Arbeit auszuführen, die nicht gering ist, weil alles umgeschrieben werden muß, wenn der Inhalt in einer des großen Künstlers einigermaßen würdigen Form erscheinen, und den Beyfall aller Hackertischen Freunde sowohl als der Kunstfreunde überhaupt verdienen soll. Ich werde nicht ermangeln mit einem Exemplar aufzuwarten.

Der ich mich indessen Ihrem geneigten Andenken empfehle und die Ehre habe mich zu unterzeichnen

Ew. Wohlgeb.

Weimar

ergebenster Diener

den 4. Januar 1808.

J. W. v. Goethe.


20/5479.


An Christian Gottlob Voigt

L'Impresario in augustie ist eine berühmte Oper von Cimarosa; daß Kirms und ich sie so eben aufzuführen im Begriff sind sehen Ew. Excell. aus der[2] Beylage. Helfen Sie uns über diesen Hügel weg, es geht nachher wieder eine Zeitlang von selbst.

Auch der Metzelische Brief liegt bey. Wenn man solche Saalbadereyen nicht gewohnt ist klingt so was schrecklich. Nächstens warte ich auf um die Sache durchzusprechen.

So wie für die Bronzen zu dancken und dagegen etwas Römisches anzubieten.

d. 7. Jan. 1808.

G.


20/5480.


An Christian Gottlob Voigt

Wenn Ew. Excell. nichts zu erinnern finden; so könnte man dem Bibliotheckar einen beyfälligen Befehl erteilen.

W. d. 9. Jan. 1808.

G.


20/5481.


An Bettina Brentano

Sie haben Sich, liebe Bettine, als ein wahrer kleiner Christgott erwiesen, wissend und mächtig, eines jeden Bedürfnisse kennend und ausfüllend. Ihre Schachtel kam kurz vor Tische, verdeckt trug ich sie dahin wo Sie auch einmal saßen und trank zuerst Augusten aus dem schönen Glase zu. Wie verwundert war er als ich es ihm schenkte! Darauf wurde Riemer[3] mit Kreuz und Beutel beliehen. Niemand errieth woher. Auch zeigte ich das höchst künstliche und zierliche Besteck, da wurde die Hausfrau verdrieslich daß sie leer ausgehen sollte. Nach einer Pause um ihre Geduld zu prüfen zog ich endlich den Gewandstoff hervor, das Räthsel war aufgelöst und jedermann im Lob und Preise Bettines fröhlich.

Wenn ich also noch umwende; so habe ich immer nur Lob und Dank Da Capo vorzutragen. Das ausgesuchte zierliche der Gaben war überraschend. Kunstkenner wurden herbeygerufen die artigen Balgenden zu bewundern, genug es entstand ein Fest als wenn Sie eben selbst wieder gekommen wären.

Und nun hoffe ich bald Nachricht wie Sie die gute Mutter gefunden haben, wie Sie ihrer pflegen und was für Unterhaltungen im Gange sind. Der lieben Meline Mützchen kam früher. Ich darfs nicht laut sagen es steht aber niemand so gut als ihr. Herrn Stollens Attention auf dem blauen Papier hat Ihnen doch Freude gemacht. Adieu mein artig Kind! Schreiben Sie bald daß ich wieder was zu übersetzen habe.

W. d. 9. Jan. 1808.

G.


20/5482.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Ich habe von dir, mein lieber Freund, diese Zeit her so mancherley Gutes erhalten, daß ich dir schon[4] lange dafür hätte danken sollen. Seit ein paar Monaten aber ist meine Communication nach aussen ganz unterbrochen. Ich habe mich in allerley Arbeiten versenkt, viel mit gegenwärtigen Freunden und durchreisenden Fremden gelebt; besonders hat Werner, der Sohn des Thals, den du ja auch kennst, uns durch sein Wesen, so wie durch seine Werke unterhalten und aufgeregt. Es kommt mir, einem alten Heiden, ganz wunderlich vor, das Kreuz auf meinem eignen Grund und Boden aufgepflanzt zu sehen, und Christi Blut und Wunden poetisch predigen zu hören, ohne das es mir gerade zuwider ist. Wir sind dieses doch dem höheren Standpunct schuldig, auf den uns die Philosophie gehoben hat. Wir haben das Ideelle schätzen gelernt, es mag sich auch in den wunderlichsten Formen darstellen.

An Gästen hat es uns nicht gefehlt. Savigny's und zwey Brentano's waren eine Zeitlang bey uns. Ich habe mir viel von dir und deinen Umgebungen erzählen lassen. Schellings Rede hat mir viel Freude gemacht. Sie schwebt in der Region in der wir auch gern verweilen. Für alles Übrige gleichfalls den besten Dank. Laß mich von Zeit zu Zeit etwas sehen und erfahren.

In München befindet sich ein Maler, Klotz genannt, der sich mit der Farbenlehre viel Mühe gegeben hat. Schon 1797 wurde ich durch einen Aufsatz von ihm im Archiv der Zeit aufmerksam. Nun[5] hat er 1806 eine Meldung von seinen Erfindungen und Ansichten einzeln drucken lassen. Auch hat er mir auf meinen Wunsch manches über seine Vorstellungen und seinen Apparat geschrieben. Es geht ihm wie mehreren Künstlern in diesem Fache: Man kann sagen er ist in der rechten Gegend aber nicht auf dem rechten Wege. Zu Entwicklung der Räthsel, die ihm noch übrig bleiben, soll hoff' ich meine Farbenlehre dienen, und ich werde im historischen Theil seiner in allem Guten gedenken. Möchtest du wohl Bekanntschaft mit ihm machen, dir seine Ansichten vortragen lassen und dich durch Beförderung seines gutmüthigen und eifrigen Strebens als einen wahrhaften Academischen Präsidenten bezeigen. Ich will nicht sagen, daß du eben völlige Satisfaction durch ihn erlangen werdest. Ein Practiker, der sich zu theoretisiren genöthigt fühlt, ohne vorgängige theoretische Bildung, gebärdet sich immer seltsam, und wenn man seinen Ernst und seine Treue nicht zu schätzen weiß, so muß er einem oft lächerlich vorkommen.

Lichtenbergs Brief liegt hier bey. Er war unter meine Autographa gerathen. Den Brief an deinen Bruder find' ich wohl auch und dann soll er gleich abgehen. Mit dem Satyros hast du mir viel Freude gemacht. Dieses Document der göttlichen Frechheit unserer Jugendjahre hielt ich für ganz verloren. Ich wollte es einmal aus dem Gedächtniß wieder herstellen; aber ich brachte es nicht mehr zusammen.

[6] Nach Carlsbad gehe ich wahrscheinlich, sobald es die Witterung erlaubt, da es mir vorm Jahr so große Dienste gethan hat. Ich befinde mich diesen Winter besser, als seit langer Zeit. Ob ich dort wieder nach meiner Art kleben bleibe, oder mich weiter nach Osten und Süden bewege, wird sich ausweisen. Daß ich dich besuchen und in deiner Nähe der alten Pempelforter Zeiten gedenken möchte, kannst du dir leicht vorstellen.

Für heute nichts weiter als viele Grüße an die Deinigen.

Weimar den 11. Januar 1808.

G.


20/5483.


An Heinrich Carl Abraham Eichstädt

Da ich nicht dazu gelangen kann die kleinen Aufsätze über die Wolfischen und Schellingschen Hefte sobald auszufertigen und es freylich Zeit wird das Programm abzudrucken, so habe ich nur noch ein Wort, das Kupfer betreffend, hinzugefügt und sende hiermit das Ganze mit dem Wunsche, daß Sie solches zweckmäßig finden mögen.

Vielleicht gelingt es mir bald über die Schellingsche Rede etwas zu sagen, nur bitte ich noch um Frist bis in den Februar.

Der ich recht wohl zu leben wünsche und mich zu geneigtem Andenken empfehle.

Weimar den 21. Januar 1808.

G.[7]


20/5484.


An Charlotte von Stein

Dürft ich, liebe Freundinn, bitten die Angelegenheit wegen der Zeuge zu beschleunigen. Die Mädchen quälen mich unbarmherzig um ihre Röcke.

Nun noch eine Bitte. Möchten Sie mir das Portrait Durchl. der Herzoginn auf kurze Zeit borgen? Ich würde ein ander Bild an den Platz geben. Jemand der unsre theure Fürstinn innig verehrt, möchte eine Miniaturkopie davon machen.

Heute Abend hoffe ich Sie zu sehen.

d. 22. Jan. 1808.

G.


20/5485.


An Carl Friedrich Zelter

Speise ging vom Gefreßnen und Stärke vom Aufgezehrten, also sagt' ich, indem Ihr Kraftgefüllter Kasten ausgepackt wurde. Alles ist glücklich angekommen und der Topf war so tüchtig eingedrängt daß nichts ausgelaufen war, ob er gleich einen Choc bekommen hatte. Die Hausfrau dankt, besonders aber August, der die größten Bissen der Gabe zu verschlingen im Stande ist. Wir andern nehmen geringere Portionen davon.

Die Musik ist schon der kleinen Schule übergeben worden. Ihre erste Sendung ist noch immer das[8] beste was wir die Zeit erhalten haben. Gestern wurde das meiste davon unsern Fürstinnen vorgetragen, welche viel Vergnügen daran fanden.

Sie sagten einmal von einem Stabat Mater. Verzeihen Sie daß ichs erinnere. Meine kleine Anstalt geht recht gut; nur schreiten die jungen Leute, wie Sie wohl wissen, gar gern aus dem Wege und jeder dünkt sich behaglicher, wenn er Solo irgend ein lamentables Grablied oder ein jammervolles Bedauern verlorner Liebe singt. Ich lasse ihnen dergleichen wohl zu, gegen das Ende jeder Session, und verwünsche dabey die Matthissons, Salis, Tiedgen, und die sämmtliche Clerisey, die uns schwerfällige Deutsche sogar in Liedern über die Welt hinaus weist, aus der wir ohnehin geschwind hinauskommen. Dabey tritt noch der Fall ein daß die Musiker selbst oft hypochondrisch sind und daß selbst die frohe Musik zur Schwermuth hinziehen kann. Ich lobe mir was von Ihnen, lieber Freund, entspringt. Auch gestern wieder bey dem »Niemals erscheinen die Götter allein«, beym »Lieben Freunde, es gab bessere Zeiten« war es gleich als ob Jedermann den Staub und die Asche des Jahrhunderts vom Haupte schüttelte.

Soviel Gutes verdancke ich Ihnen! Vielleicht seh ich mich einmal im Falle Ihnen etwas dagegen zu erstatten. Das beste Lebewohl.

W. d. 22. Jan. 1808.

Goethe.[9]


20/5486.


An Carl Ludwig von Knebel

Weimar den 23. Januar 1808.

Hier, mein lieber Freund, das Schlegelsche Kunstwerk, das als ein verlornes Schaf zu seinem Herrn endlich zurückkehrt. Ich danke dir noch für deinen heitern Antheil, den du an den Hackertschen Anecdoten nahmst. Dergleichen Dinge werden erst etwas, wenn sie sich in empfänglichen und geistreichen Gemüthern bespiegeln.

Ich habe noch gar mancherley Dinge eigne und fremde bey mir liegen, deren Mittheilung manchen Winterabend verkürzen könnte. Nur sieht man sich so selten und so kurz; und auch hier ist ein Geist der Zerstreuung und Unruhe, der beynah jede Folge der Unterhaltung zerstört. Lebe recht wohl und gedenke mein. Diese Woche macht mir der Hof- und Leichenstaat unsrer sarmatischen Königinn viele Noth; doch geht es ganz lustig dabey her und zuletzt kommt etwas Seltsames zur Erscheinung. Lebe wohl und grüße deine liebe Frau.

G.


20/5487.


An Johann Friedrich Cotta

[24. Januar.]

... Sie fragten in einem Ihrer vorigen Briefe, was es für eine Bewandtniß haben möchte mit der[10] neuen Ausgabe von Hermann und Dorothea durch Vieweg. Es ist eine bloße Freibeuterey. Er hat gar kein Recht dazu und hat mich auch deßhalb nicht einmal begrüßt; welches freylich ganz natürlich ist...

... Für den Damen Calender müßte sich etwas finden; doch erlauben Sie mir eine Apprehension zu äußern, die ich gegen dieses Büchelchen hege. Es ist die Einrichtung, daß Kupfer, die nicht zum Text gehören, eingeschaltet werden. Es kann seyn, daß andere nicht so empfindlich sind; aber ich läugne nicht, schon bey fremden Arbeiten macht mir's ein peinlich Gefühl, wenn ich mit willigem Antheil einen artigen kleinen Roman lese und auf einmal ein ganz heterogenes Muttergottesbild oder eine Scene aus Wallensteins Lager mir die Quere kommt...


20/5488.


An den Herzog Carl August

Unterthänigster Vortrag.

Ew. Durchlaucht haben schon vor einiger Zeit die gnädigste Gesinnung geäußert, daß Höchstdieselben der Schauspielerin Teller, gleich andern Mitgliedern des hiesigen Theaters, eine Pension zuzusichern gemeint seyen.

Da nun alles, was Ew. Durchlaucht zu Aufmunterung der Schauspieler Gesellschaft zu thun geneigt sind, von Unterzeichneten dankbar zu erkennen[11] ist; so kann auch dieser Beweis von Ihro Zufriedenheit von allen Seiten nur ein ferneres Bestrebenerwecken.

Nur erlauben wir uns die Bemerkung, daß eine solche gnädigste Pensionsversicherung, eben so wenig, als bey andern hiesigen Schauspielern, ein lebenswieriges Engagement involvire; daß vielmehr sowohl Fürstl. Commission als dem Mitgliede der Gesellschaft eine contractmäßige Aufkündigung, nach Befinden der Umstände, unbenommen bleibe.

Die wir in Erwartung fernerer Befehle uns verehrend unterzeichnen

Ew. Durchlaucht

Weimar

unterthänigst treugehorsamste

am 31. Jan. 1808.

CommissionJ. W. v. Goethe. F. Kirms.


20/5489.


An Charlotte von Stein

[Januar oder Februar.]

Herzlich lassen Sie Sich dancken für den Antheil an meinem Befinden! Es geht ganz leidlich.

Dr. Luther wartet auf und hofft freundlichen Empfang.

G.[12]


20/5490.


An Heinrich Carl Abraham Eichstädt

Weimar den 1. Februar 1808.

Indem ich Ew. Wohlgebornen den Delbrückischen Brief zurücksende, danke ich für die gefällige Vorsorge, die Sie wegen Recension meiner Werke hegen wollen. Was mich betrifft, so habe ich diese Arbeiten dergestalt von meinem Herzen abgelöst, daß ich sie gern der Welt und Nachwelt zu beliebiger Lust und Unlust überlasse ohne weiter daran oder darüber zu denken. Delbrücks Äußerungen sind mir sehr schätzbar. Adam Müller wird wohl den ganzen Vorrath seiner Thätigkeit brauchen, um die Sonnenpferde zu füttern. Und überhaupt dünkt mich, zusammengedruckte Werke eines Autors wird niemand leicht gut recensiren, als wer sich mit den einzelnen früher schon befreundet hat, versteht sich von Zeitgenossen: denn die Zukünftigen, die alles schon fertig und zusammengebunden antreffen, haben wieder eine eigne Art von Ansichten. Damit wäre also noch nichts gethan was Sie wünschen. Ich motivire auch eigentlich nur meine Unfähigkeit zu dem löblichen Zweck irgend etwas beyzutragen. Noch nie bin ich gedrängter gewesen als jetzt, mich durch das was mir vorliegt durchzuarbeiten. Noch nie war ich weniger gestimmt rückwärts zu sehen.

Zu den Siegeln werden schöne Kapseln verfertigt. Das große akademische nimmt sich wirklich recht mannhaft[13] aus und wird sich zu dem prächtigen Pergament und zu Ihren freundlichen Worten recht anständig gesellen. Leben Sie recht wohl und gedenken mein.

Goethe.


20/5491.


An Nikolaus Meyer

Weimar den 1. Febr. 1808.

Schon zu lange habe ich gezaudert Ihnen für die übersendeten Münzen mit dem artigen Schranke zu danken. Sie haben dadurch einen gar hübschen Beytrag zu unsrer Sammlung gegeben, und ich wünschte dagegen etwas freundliches erzeigen zu können. Herrn Facius sind die angewiesenen drey Louisd'ors bezahlt worden. Haben Sie nur die Güte einmal unsre Rechnung zu formiren, damit wir nur nicht ganz ins ungewisse hineinleben. Ich habe Einiges notirt, doch bin ich meiner Sache nicht ganz gewiß.

Der 30. Jan. ist bey uns ein Fest, das Sie oft mitgefeyert haben. Diesmal brachten wir ein neues Stück von Werner: Wanda, Königinn der Sarmaten, auf die Bühne; wobey unser Personal, so wie unsere Decorateurs und Theatermeister zeigten was sie vermochten. Die Recitation des sehr abwechselnden Versmaßes gelang über alle Erwartung. Das Stück wird sich, seinen äußern Forderungen nach, wohl auf allen Theatern geben lassen. Es verlangt kaum soviel Anstalten[14] als die Jungfrau von Orleans. Die innern Forderungen sind desto schwerer zu erfüllen. Die Fabel ist zwar plan, die Situationen natürlich und deutlich; aber die Ausführung unendlich zart und an manchen Stellen ins Geheimnißreiche sich verbergend. Wir haben diesen merkwürdigen Mann seit 8 Wochen hier. Er findet durchaus vielen Beyfall, so wie auch das Stück mit Enthusiasmus aufgenommen wurde. So viel für heute. Recht viele Grüße an Ihre liebe Frau.

G.


20/5492.


An Heinrich von Kleist

Ew. Hochwohlgebornen

bin ich sehr dankbar für das übersendete Stück des Phöbus. Die prosaischen Aufsätze, wovon mir einige bekannt waren, haben mir viel Vergnügen gemacht. Mit der Penthesilea kann ich mich noch nicht befreunden. Sie ist aus einem so wunderbaren Geschlecht und bewegt sich in einer so fremden Region daß ich mir Zeit nehmen muß mich in beyde zu finden. Auch erlauben Sie mir zu sagen (denn wenn man nicht aufrichtig seyn sollte, so wäre es besser, man schwiege gar), daß es mich immer betrübt und bekümmert, wenn ich junge Männer von Geist und Talent sehe, die auf ein Theater warten, welches da kommen soll. Ein Jude der auf den Messias, ein Christ der aufs neue Jerusalem, und ein Portugiese der auf den Don[15] Sebastian wartet, machen mir kein größeres Misbehagen. Vor jedem Brettergerüste möchte ich dem wahrhaft theatralischen Genie sagen: hic Rhodus, hic salta! Auf jedem Jahrmarkt getraue ich mir, auf Bohlen über Fässer geschichtet, mit Calderons Stücken, mutatis mutandis, der gebildeten und ungebildeten Masse das höchste Vergnügen zu machen. Verzeihen Sie mir mein Geradezu: es zeugt von meinem aufrichtigen Wohlwollen. Dergleichen Dinge lassen sich freylich mit freundlicher Tournüren und gefälliger sagen. Ich bin jetzt schon zufrieden, wenn ich nur etwas vom Herzen habe. Nächstens mehr.

Weimar den 1. Februar 1808.

Goethe.


20/5493.


An Charlotte von Stein

Die prosaischen Aufsätze des mitkommenden Heftes werden Sie mit Vergnügen lesen. Die poetischen empfehlen sich vielleicht nicht so sehr. Ich hoffe bald mündlich Ihre Gedancken darüber zu vernehmen.

Mit den besten Wünschen!

d. 7. Feb. 1808.

G.


20/5494.


An Carl Ludwig von Knebel

Es thut mir leid, daß du die zweyte Vorstellung von Wanda, Mittwoch den 2. Februar, versäumt hast.[16] Sie ging sehr gut und wir hatten uns schon eingerichtet euch freundlich zu empfangen. Die Couverte waren gelegt und wir hofften noch bis nach 1 Uhr. Nun wird sie schwerlich vor dem Kirchgang der Hoheit wieder gegeben, welche das Stück nicht gesehen hat. Du sollst in Zeiten benachrichtigt werden und bist nebst den lieben Deinigen zum Voraus dazu eingeladen.

Ich wünsche mir sehr oft aus deinem Fenster dem schönen Erd- und Wolkenspiel mit zuzusehen, dessen du täglich genießest.

Ich kann nicht sagen, daß ich die Zeit her fleißig gewesen wäre; doch geschieht immer etwas, wenn auch nur vor- oder nacharbeitend. Lebe recht wohl, gedenke mein und laß manchmal von dir hören.

Weimar den 9. Februar 1808.

Goethe.


20/5495.


An Charlotte von Stein

Zu Hause muß ich stecken und das Fest dieser Tage versäumen, nicht ganz ohne Schuld; doch das kommt am Ende auf eins hinaus. Könnten Sie mir sagen wie es Morgen früh werden möchte? Bey mir die verehrte Gesellschaft zu empfangen darf ich wohl unternehmen. Bitte um ein Wort. Möchten Sie wohl gelegentlich bey der Erbprinzess Hoheit ein entschuldigendes Wort ein Wort der Unhänglichkeit für mich verwenden?

d. 16. Febr. 1808.

G.[17]


20/5496.


An Charlotte von Stein

Da ich heute noch nicht auszugehen wage wünschte ich zu erfahren was ich wegen Morgen frühe hoffen darf. Attila steht mit seinem Heer in Parade die Honneurs zu machen. Mögen Sie mich heute früh bey der lieben Prinzess entschuldigen, bald soll alles hoffe ich wieder in Gange seyn. Ein Wort von Ihrem Befinden.

d. 23. Febr. 1808.

G.


20/5497.


An Caroline von Wolzogen

Weimar den 24. Februar 1808.

Die mit Röthel angestrichene Stelle ist Ihnen, verehrte Freundinn, in dieser oder vielleicht in einer andern Zeitung nicht entgangen. Möchten Sie wohl gelegentlich Ihren Herrn Gemahl aufmerksam machen, daß er uns gefällig bald möglichst was über diese Sache herauskommt zusende. Die vorgelesene Skizze wird wahrscheinlich in den Zeitungen gedruckt erscheinen, aber auf die Ausführung bin ich besonders neugierig. Ob jede Classe ihren Bericht einzeln drucken läßt, oder ob es ein ganzes Werk wird läßt sich vielleicht zum Voraus erfahren.

Verzeihen Sie diese Bitte. Dagegen kann ich Ihnen vielleicht bald jene famosen Versuche von Davy mit[18] Augen sehen lassen. Dr. Seebeck in Jena hat sie glücklich nachexperimentirt. Er ist weiter gegangen, nicht allein Kali und Natron, sondern auch die eigentlichen Erden hat er der Action der Säule ausgesetzt, und diese, wenig angefeuchtet, verpuffen alle; das wir denn freylich anders auslegen als die Franzosen, mit denen wir übrigens im Leben auf keine Weise fertig werden, da sie mit dem Maul und mit dem Schwert immer andern voraus sind. Nächstens hoffe ich aufzuwarten, manches mitzutheilen und um manche Mittheilung zu bitten.

Goethe.


20/5498.


An Johanna Frommann

Das Portrait Durchlaucht der Herzogin ist glücklich angekommen, welches ich Ihnen, liebe Freundinn, zu melden nicht verfehle. Wie Ihre schönen Arbeiten hier erkannt, anerkannt und gelobt werden, wird Herr Frommann berichtet haben. Ich wünsche Ihnen Glück daß die Zeitläufe, die so vieles zerstreuen, Sie mit den Ihrigen auf eine erfreuliche Weise vereinigen. Mit mir meynt es der Frühling nicht so gut, August geht nach Heidelberg und was mir sonst lieb ist, werde ich auch bald mit dem Rücken ansehn, da ich ohne viel Heil vom Orient zu erwarten, zeitig genug wieder nach Osten verwiesen werde, da denn schwerlich für mich von dem was Sie pflanzen und bauen mehr als ein Strauß Herbstblumen übrig bleiben wird. – Hier liegt für[19] Ihre französische Societät ein wertherisirender Roman bey, der um zu uns zu gelangen, einen ziemlichen Weg um und in die Welt gemacht hat.

Mit meinem Befinden geht es ganz leidlich. Ob ein wirkliches Übel, Furcht vor dem Übel oder die Luft einsam zu bleiben mich zu Hause gehalten hat, weiß ich selbst nicht recht. Ein solcher gemischter Zustand ist wie Sie sehen, nicht der schlimmste. In der ersten Hälfte des Märzes hoffe ich Sie zu sehn. Erhalten Sie mein Andenken in Ihrem lieben Kreise.

W. den 24. Februar 1808.

Goethe.


20/5499.


An Caroline Bardua

Weimar, den 24. Februar 1808.

Sie haben uns, liebe Bardua, erst durch die Geschenke der Diana, dann durch die Gaben der Musen Ihr freundliches Andenken zu erkennen gegeben. Dafür können wir Sie auch versichern, daß zu mancher Stunde, besonders in den Cirkel von Madam Schopenhauer, Ihrer in allem Guten gedacht und Ihre Gegenwart wahrhaft vermißt worden.

Ihr Bild ist in meiner Frauen Stube aufgehängt und nimmt sich unter manchen guten Sachen daselbst recht gut aus. Wir hatten die Freude zu sehen, daß Sie wirklich Vorschritte gemacht und daß Sie mehr als ein gutes Wort des Lehrers bey sich haben fruchten[20] lassen. Hofrath Meyer wird nächstens eine kleine Recension senden, worin Sie gebührlich gelobt werden, aber auch einigermaßen gescholten werden; welches Sie, da Sie ihn kennen, wohl voraussehen und zum Besten aufnehmen. Können Sie es möglich machen noch eine Zeit hier zuzubringen, so thun Sie gewiß wohl; doch müßten Sie dazu den Winter wählen, und den Sommer sich noch recht durch den Harz durchmalen.

Leben Sie recht wohl, gedenken Sie unser. Vielleicht besuchen Sie im Frühjahr Jemand aus unsrem Kreise. Viele Grüße von meinem Hause und von der ganzen Gesellschaft.

Goethe.


20/5500.


An Bettina Brentano

Weimar den 24. Februar 1808.

Sie haben, liebe kleine Freundinn, die sehr grandiose Manier uns Ihre Gaben immer recht in Masse zu senden. So hat mir Ihr letztes Packet gewissermaßen erschreckt. Denn wenn ich nicht recht haushältisch mit dem Inhalt umgehe, so erwürgt meine kleine Hauscapelle eher daran als daß sie Vortheil davon ziehen und uns Freude dadurch machen sollte. Sie sehen also, meine Beste, wie man sich durch Großmuth selbst dem Vorwurf aussetzen könne. Lassen Sie sich aber nicht irre machen. Zunächst soll Ihre Gesundheit von der ganzen Gesellschaft recht ernstlich[21] getrunken und darauf das Confirma hoc Deus von Jomelli angestimmt werden, so herzlich und wohlgemeint als nur jemals ein salvum fac Regem.

Und nun gleich wieder eine kleine Bitte, damit wir nicht aus der Übung kommen. Senden Sie mir doch gelegentlich die jüdischen Broschüren. Ich möchte doch sehen wie sich die modernen Israeliten gegen die neue Städtigkeit gebehren, in der man sie freylich als wahre Juden und ehemalige kaiserliche Kammerknechte tractirt. Mögen Sie etwas von den christlichen Erziehungsplanen beylegen, so soll auch das unsern Dank vermehren. Ich sage nicht, wie es bey solchen Gelegenheiten gewöhnlich ist, daß ich zu allen gefälligen Gegendiensten bereit sey; doch wenn etwas bey uns einmal reif wird was Sie freuen könnte, so soll es auch zu Ihnen gelangen. Grüßen Sie Arnim vielmals und sagen ihm er möchte mir doch auch einmal wieder schreiben.

Goethe.


20/5501.


An Friedrich Ludwig Zacharias Werner

Auf Ihr freundliches, geschwindes nur wenig. Ihren ersten Wunsch zu befriedigen wäre für uns selbst vortheilhaft. Der zweyte läßt sich nicht gewähren; keine Substitution ist räthlich, am wenigsten eine solche; in den Dritten stimm ich mit völliger Überzeugung. Danck für die gedruckten Bogen! Es[22] gehen Funken und Flammen daraus hervor. Lust und Neigung zum Gruß.

W. d. 28. Febr. 1808.

Goethe.


20/5502.


An Charlotte von Stein

[Februar.]

Mit vielem Danck sende den Brief zurück. Am Monument soll sogleich angefangen werden.

Mit mir will es nicht recht fort! Ich wollte ich könnte auch einen Bildhauer bestellen der mich restaurirte. Gedencken Sie mein!

G.


Nach Berlin geben Sie ja wohl gelegentlich Nachricht daß der Wechsel angekommen.


20/5503.


An Charlotte von Stein

Auch heute noch muß ich schriftlich erscheinen und bitten mich bey unsrer theuren Prinzess zu entschuldigen.

Könnte ich erfahren wie es morgen werden wird so wäre es mir sehr angenehm. Der Hunnenkönig harrt vor den Thoren von Rom. Ich aber noch viel ungeduldiger auf ein baldiges Wiedersehen.

d. 1. März 1808.

G.[23]


20/5504.


An Charlotte von Stein

[Anfang März.]

Ganz gewiß. und es würde freundlich seyn wenn die Zuhörerinnen des ersten Ackts gegenwärtig wären.

Nicht wahr der Albrecht Dürer spricht gut an?

G.


20/5505.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Da es zwischen Freunden doch manche Differenz geben kann; so ist es höchst erquicklich sich einmal zusammen ganz unbedingt an einer und derselben Sache zu freuen. Dieser Fall tritt ein, indem das Geschenk vor mir liegt, das mir durch deine Hand zukommt. Die W. K. F. werden sogleich in unserer Literaturzeitung ihren Jubel darüber vernehmen lassen, und ich sage deswegen gegenwärtig nichts weiter als dir und Herrn von Aretin den besten Dank. Man hätte mir so viel Ducaten schenken können, als nöthig sind die Platten zuzudecken, und das Gold hätte mir nicht soviel Vergnügen gemacht als diese Werke: denn ich hätte es doch ausgeben müssen und es wäre mir dabey vielleicht nicht so wohl geworden, als bey Betrachtung des unschätzbaren Nachlasses.

Die wunderlichen beygefügten Hefte machen die Brust freylich nicht so frey. Wenn ich mich über[24] Rottmans Controvers befragte, so fand ich bey mir, daß ich doch auch geneigter bin, von den sogenannten dunklen Jahrhunderten besser zu denken als du. In meines Vaters Hause, sage ich mir, sind viel Appartementer, und der dunkle Keller unten gehört so gut zum Pallast als der Altan auf dem Dache. Da ich jetzt meine Collectaneen zur Geschichte der Farbenlehre einigermaßen redigire und ordne; so muß ich in die Geschichte der Kunst, der Wissenschaft, der Welt überhaupt eingehen. Und da kommt mir denn doch vor, daß ich immer noch in denen Zeiten, die uns stumm und dumm scheinen, ein lauter Chorgesang der Menschheit erscholl, dem die Götter gern zuhören durften. Und für mich ist es immer ein herrlicher Anblick in das dunkle tiefe energische Wirken hineinzuschauen. Wie schön nehmen sich alsdann die einzelnen Völker und Geschlechter aus, die das heilige Flämmchen des Bewußtseyns bewahren und fortpflanzen! wie vortrefflich diejenigen Menschen, in denen die Flamme wieder einmal aufschlägt. So habe ich eine unbedingte Verehrung für Roger Baco gefaßt; dagegen mir fein Namensvetter, der Canzler, wie ein Hercules vorkommt, der einen Stall von dialectischem Miste reinigt, um ihn mit Erfahrungsmist füllen zu lassen.

Nichts ist natürlicher, als daß mir bey diesem mythologischen Namen der neue Hercules Friedrich einfällt, der statt mit einer Keule mit einem Schlegel einherschreitet. Es ist mir sehr angenehm zu sehen,[25] daß ihn auch einmal das Loos trifft, in die Reihe der Cäsaren und Alleinherrscher aufgenommen zu werden, und bin nur neugierig, wem er im nächsten Quartal wird weichen müssen. Da mich die Geschichte in dieser Serie doch auch aufführen muß, so komm ich mir vor wie Diocletian in Spalatro, und sehe höchst geruhig zu, wie sich meine Nachfolger vertreiben und erwürgen.

Übrigens bin ich nur zu sehr geehrt von dem was die Herren von mir sagen. Ein solches Lob hatte ich wohl zu verdienen gewünscht aber nicht gehofft, und es soll mir nunmehr höchst angenehm seyn, als letzter Heide zu leben und zu streben.

In wiefern ich von Schellings Rede, ihrer Anlage und Form nach, differire, weiß ich selbst nicht recht. Der Inhalt ist im Ganzen mit dem übereinstimmend, was die W. K. F., welche freylich kein Elohims sind, für wahr halten und auch oft genug ausgesprochen haben: wahr im productiven Sinne, nemlich, daß auf diesem Wege etwas entspringen und das Entsprungene einigermaßen begriffen werden kann.

Werner ist nun fast drey Monate bey uns. Wir haben alles gethan, um seine Wanda geltend zu machen. Es ist ein vorzügliches Talent. Daß er dem modernen Christenwesen anhängt, ist seinem Geburtsorte, seinem Bildungskreise und seiner Zeit gemäß. Daß die deutsche Dichtkunst diese Richtung nahm, war unaufhaltsam; und wenn etwas daran zu tadeln ist, so tragen die[26] Philosophen auch ein Theil der Schuld. Die gemeinen Stoffe, die das Talent gewöhnlich ergreift, um sie zu behandeln, waren erschöpft, und verächtlich gemacht. Schiller hatte sich noch an das Edle gehalten; um ihn zu überbieten mußte man nach dem Heiligen greifen, das in der ideellen Philosophie gleich bey der Hand lag.

Bey den Alten, in ihrer besten Zeit, entsprang das Heilige aus dem sinnlich faßlichen Schönen. Zeus wurde erst durch das olympische Bild vollendet. Das Moderne ruht auf dem sittlich Schönen, dem, wenn man will, das sinnlich entgegensteht; und ich verarge dir's gar nicht wenn du das verkoppeln und verkuppeln des Heiligen mit dem Schönen oder vielmehr Angenehmen und Reizenden nicht vertragen magst: denn es entsteht daraus, wie uns selbst die Wernerschen Sachenden Beweis geben, eine lüsterne und Redouten- und Halb Bordellwirtschaft, die nach und nach noch schlimmer werden wird.

Eben so folgerecht als das Vorhergehende ist auch die Sucht, daß ein Mann von Talent nicht allein sein Werk bewundert, sondern auch seine Person geliebt, verehrt haben will, und sich deshalb zu einer Art von Lehrer und Propheten aufwirft. Doch kann ich ihnen auch das nicht verargen. Der Schauspieler, Musicus, Maler, Dichter, ja der Gelehrte selbsterscheinen mit ihrem Wunderlichen, halbideellen halbsinnlichen Wesen jener ganzen Masse der aus dem Reellen entsprungenen und an das Reelle gebundene[27] Weltmenschen wie eine Art von Narren, wo nicht gar wie Halbverbrecher, wie Menschen die an einer levis notae macula laboriren. Sollen denn also unter dieser desavantagirten Caste nicht auch gescheute Leute entstehen, die begreifen, daß gar kein Weg ist, um aus dieser Verlegenheit zu kommen, als sich zum Braminen, wo nicht gar zum Brama aufzuwerfen?

So ist die Weihe der Kraft eine der tollsten Performances die man je gesehen. Kann man aber Ifflanden verdenken, daß er der so viele Schelmen und Narren spielen, und sich bey dem Publicum, das ewig nur den Stoff sieht, herabsetzen mußte, nun auch endlich in Versuchung geräth, als protestantischer Heiliger aufzutreten, und seine Fastnachtsbretter zum respectabeln Reichs einzuweihen, eine feste Burg ist unser Gott herunter zu intoniren und am an deutsche Kraft zu appelliren, die den 14. October zum Teufel ging, weil in den Deutschen kein Sinn vorhanden war.

Eben so macht mir Werner Spaß, wenn ich sehe wie er die Weiblein mit leidlich ausgedachten und artig aufgestutzten Theorieen von Liebe, Vereinigung zweyer prädestinirten Hälften, Meisterschaft, Jüngerschaft, verastralisirten Mignons zu berücken weiß; die Männer mit ineinander geschachtelten Mönchs- und Rittergraden, mit nächtlichen Kirchen und Capellen, Särgen, Fallthüren, teuflischen Baffometesköpfen, Geheimnisse mehr versprechenden als verbergenden Vorhängen, so künstlich als listig anzuregen, ihre Neugierde[28] zu hetzen, ihr eignes dunkles geheimnißreiches noch mehr zu trüben und zu verwirren, und sie dadurch sämtlich für sich zu interessiren versteht. Dem ich denn allen besten Vorschub thue, um einen so vorzüglichen Mann zu fördern und die Menschen dabey glücklich zu machen. Was haben sie sich nicht von mir abgewendet und mich gescholten, als ich ihnen die platten Resultate, worauf das Cophtische Wesen zuletzt doch führen muß, in einer lustigen Comödie vor Augen stellte. Wie hätten sie mich dagegen nicht angefreundet und geliebt, wenn ich mir die Muhe hätte geben wollen, ein Schelm oder Halbschelm zu seyn und sie zum besten zu haben.

Vielleicht bring ich noch etwas von Werner auf die Bühne, und hoffe überhaupt daß sein Aufenthalt bey uns ihm dazu dienen werde, daß er sein sehr schönes Talent mehr, es sey nun zu epischen oder dramatischen Zwecken, concentrire. Seine Tendenz möchte ich, wenn ich auch könnte, nicht ändern. Er ist ein Sohn der Zeit und muß mit ihr leben und untergehen; und was von ihm übrig bleibt, ist allenfalls auch nicht schlecht.

Zum Schlusse sage ich noch soviel. Wenn ich dir Jemanden empfehle, es sey von deinen Umgebungen, oder einen Ankömmling oder einen Reisenden; so versteht es sich immer, daß hierbey nichts bringendes gemeint ist und du alles nach deinem Können und Wollen einrichten magst.

[29] Aus einer Stelle deines Briefes kann ich mir nunmehr erklären, warum ich von dir als Präsidenten so viel, und von deiner Academie, als Institut, so wenig Gutes vernehme. Da du aber einmal der logos derselben bist, so wirst du auch die sarx nach deinem Ebenbilde organisiren.

Hiermit lebe wohl, habe Dank für das Übersendete und für den Brief durch den du mich zu einer weitläufigen Antwort ermuntert hast. Nach Carlsbad geh' ich im Frühjahre. Was der Sommer und der Herbst über mich verfügen, will ich erwarten. Ich denke oft genug an euch, so daß der Wunsch nothwendig rege werden muß, euch einmal wieder zu sehen. Mein August geht auf Ostern nach Heidelberg. Wenn ich zwölf Söhne hätte, so schickte ich jeden an ein andern Ort, um an meinem eignen Fleisch und Bein zu erfahren, wie es überall aussieht.

Viele Grüße und ein herzliches Lebewohl.

W. d. 7. März 1808.

Goethe.


20/5506.


An Charlotte von Stein

[8. März.]

Verzeihen Sie wenn ich ein Bischen stumpf bin. Manchmal komm ich mir vor wie eine magische Auster über die seltsame Wellen weggehen.

[30] Morgen frühe hat Attila schon wieder gezäumt und gesattelt.

Dem armen Herrn der Welt wird es schlecht ergehen. Geh es uns leidlich.

G.


20/5507.


An Heinrich Carl Abraham Eichstädt

Ew. Wohlgeboren

nur einigermaßen für die schönen Recensionen zu danken, die uns in Ihrer Zeitung viel Freude machen, ergreifen wir eine Gelegenheit, die sich darbietet, auch einen Beytrag zu senden und unsre fortdauernde Theilnahme dadurch zu betätigen.

Der Fall kommt so selten, daß man von ganzem Herzen und mit vollen Backen loben kann. Glücklicherweise setzen uns die münchner Freunde in denselben, denen wir ohnehin Ursache haben etwas Angenehmes zu erzeigen. Wollten Sie die Gefälligkeit haben diese Recension bald abzudrucken und ein paar Exemplare auf gut Papier an Herrn Geheimenrath und Präsidenten Jacobi nach München senden zu lassen, auch mir einige auf ordinär Papier zu schicken.

Der ich recht wohl zu leben wünsche und bald wieder persönlich aufzuwarten hoffe.

Weimar den 10. März 1808.

Goethe.[31]


20/5509.


An Heinrich Carl Abraham Eichstädt

Ew. Wohlgeboren

erhalten hierbey den von Herrn Dr. Seebeck gefertigten Auszug aus einem Ritterschen Memoire, der für das Intelligenzblatt gewiß angenehm sein wird. Möchten Sie von dem Stück sobald es abgedruckt ist einige Exemplare gleichfalls an Herrn Geheimrath Jacobi schicken.

Der ich recht wohl zu leben wünsche und mich bestens empfehle.

Weimar den 12. März 1808.

Goethe.


20/5510.


An Charlotte von Stein

Für das Überschickte bin ich in meinem und im Nahmen des Liebesgesellen höchlich dankbar. Wegen der galvanischen Versuche habe ich mir es anders ausgedacht. Wir können es bequemer haben, wenn wir diesmal den Berg zu den Prophetenkindern kommen lassen. Glauben Sie daß es angenehm sey; so will ich veranstalten daß Dr. Seebeck Mittwoch d. 6. Aprill die Versuche in meinem Hause vorlege und vortrage.

d. 27. März 1808.

G.[36]


20/5511.


An Heinrich Carl Abraham Eichstädt

Ew. Wohlgeboren

sende hierbey das mir Anvertraute, Recension und Brief, zurück. Ich habe es nicht über mich gewinnen können in die erste einige Veränderungen hineinzuarbeiten. Man ist mit diesen Herren übel dran. Sich selbst hervorzuheben und alles andre neben sich zu erniedrigen, ist denn doch zuletzt ihr einziges Bestreben; Gerechtes und Billiges bin ich noch wenig an ihnen gewahr geworden.

Desto angenehmer ist mir's, daß wir mit den Ziegelsteinen dienen können. Es liegt ein Blättchen bey, auf welches Tümmler gleich quittiren und die Zahl, die er empfängt, angeben kann, sowie der currente Preis auch allenfalls dabey bemerkt werden könnte.

Ich wünsche recht wohl und hoffe das Vergnügen zu haben Sie bey gutem Frühlingswetter bald wiederzusehen.

Weimar den 30. März 1808.

Goethe.


20/5512.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Weimar den 31. März 1808.

Wie viel Vergnügen uns die Albrecht Dürers gemacht haben hast du nun schon aus der Recension[37] ersehen, wovon einige Exemplare nach München abgegangen sind. Dergleichen Gutes kann nicht oft kommen; also dir und dem Herrn von Aretin den besten Dank. Wir hoffen auch für die Zukunft noch manches Gute von diesem technischen Verfahren, wenn es, wie diesmal der Fall ist, an die rechten Gegenstände angewendet wird.

Der Auszug aus dem Ritterschen Memoire wird gleichfalls angekommen seyn. Er ist von Doctor Seebeck in Jena, einem sehr vorzüglichen Manne, der wohl verdient, Euer Asocié étranger zu werden, ja gar eine academische Pfründe zu genießen, wenn deren nur überflüssig zu vergeben wären. Nächste Woche wird er die neuen chemischen Experimente hier in Weimar vor unsern Herrschaften und andern Schaulustigen vortragen.

Was die Landshuter Scripta betrifft, so weiß ich darüber so wenig zu sagen, als über anderes was da und dort, uns ältere Schriftsteller und Menschen betreffend, in den neusten Zeiten geäussert wird. Mir ist alles ganz gleichgültig. Ich suche mich mit mir selbst und meiner nächsten Umgebung heiter zu erhalten, um noch einiges was ich im Sinne habe zu Papier zu bringen, und was auf dem Papier steht zu redigiren und ihm ein Geschick zu geben.

Ritters neue Beyträge zum Galvanismus habe ich mit viel Antheil durchlaufen und studire das Heft nun ernstlicher. Freylich unter solchen Bedingungen[38] hätte ich auch nicht Commissarius seyn mögen. Indessen ist die Schrift wenn man sie nicht academisch sondern menschlich und wissenschaftlich nimmt, höchst interessant und in mehr als einem Sinne fördernd. Ich bin sehr neugierig zu erfahren, wie du nach so seltsamen Deviationen die Sache wieder ins Gleis gebracht hast. Danke Rittern schönstens für die Mittheilung jenes Memoires. Ich schicke es mit der fahrenden Post wieder zurück und lege noch einiges bey, um ein Paquet zu machen.

Zu Anfang May's gehe ich ins Carlsbad. Laß mich also noch vor Ende Aprils einen Brief von dir haben. Aus dem Gebirge schreib ich dir alsdann wie mir's geht. Daß du an deiner Stelle viel zu thun hast, kann ich mir vorstellen. Die wissenschaftlichen Dinge lassen sich vielleicht am wenigsten collegialiter treiben.

Lebe wohl, gedenke mein und grüße die Deinigen.

G.


20/5513.


An Carl Friedrich Zelter

[Anfang April.]

Endlich muß ich nun auch wieder einmal etwas von mir zu vernehmen geben. Diese Tage ist Werner von uns abgereist, nachdem er beynahe vier Monate bey uns zugebracht. Er wird Sie von mir grüßen.[39] Warum können wir nicht auch, wenigstens einige Wochen, wieder zusammen seyn?

Wenn ich meine neuesten kleinen Geschichte ansehe, so findet sich leider nichts singbares drunter, und da mag ich sie nicht schicken. Dagegen erhalten Sie in einiger Zeit Versuche eines jungen Musikus, der bey meinen kleinen Singschule diesen Winter mitgewirkt hat. Sie haben die Gefälligkeit, mir eine kleine Recension drüber zu machen. Es sind vierstimmige Gesänge und wenn sie Ihnen einiges Zutrauen erregen, so schicke ich den jungen Mann selbst vielleicht auf künftigen September, damit er sich Ihres gegenwärtigen Einflusses einige Wochen erfreue.

Indem ich nun immer in meinen Briefen, anstatt Ihnen etwas mitzutheilen, Ihnen etwas Angenehmes zu erzeigen, immer nur wieder etwas neues von Ihnen suche und erwarte; so sehe ich um mich her, ob ich denn nicht auch etwas erfreuliches für Sie wüßte, und da ist mir das Außenbleiben meiner folgenden Bände verdrießlich. Ich vermuthe Cotta will die letzten Bände zusammen herausgeben. Sobald sie in meinen Händen sind, soll Ihr Exemplar auf den Postwagen. Es ist manches darin was Ihnen gewiß Freude machen wird.

Reichard ist, wie Sie wissen, in Cassel engagirt. Aus der Aufführung seiner Opern hier, wovon die Rede gewesen, ist also nichts geworden. Himmel, höre ich, ist in Rom gestorben. Es ist doch schade für das[40] schöne Talent! Leben Sie recht wohl und sagen mir noch vor Ende Aprils etwas. Dann hören Sie von mir aus dem Carlsbad.

G.[41]


20/5513a.


An Christian Gottlob Voigt

Um über das Eisenachische Zeicheninstitut, dessen Zustand mir wohl bekannt ist, kurz und aufrichtig meine Meynung zu sagen, so hätte man wohl vor allen Dingen für ein andres Local zu sorgen. Es giebt mich Wunder, daß die Herren von der Eisenachischen Cammer, welche die Nothwendigkeit hievon so gut einsehen, nicht schon längst auf irgend eine Weise gesucht haben dafür irgend einen Ausweg zu finden. Ich würde sogar, damit nur eine Nöthigung entstünde, gedachtes Institut, das in seiner jetzigen Form, wie in den Berichten selbst bekannt wird, wenig leistet, geradezu suspendiren, das Schloß davon reinigen und Bänke und Tische einstweilen in irgend einer Scheune oder sonst wo unterstellen. Es würden sodann die Lehrer sowohl als Andre interessirt seyn, mit Ernst auf einen andern Ort zu denken, der sich ja auch wohl finden müßte. Wollte man diese heroische Cur nicht unternehmen, so wäre auf jede Weise doch für ein ander Local zu sorgen. Wenn dieses geschehen, so würde ich alsdann rathen, den Hofrath Meyer, der in diesen Dingen die trefflichsten Einsichten hat, und die verschiedensten Menschen gut zu behandeln weiß, nach Eisenach zu schicken, damit er dort die Lehrer, die Schüler und diejenigen Personen kennen lernte, denn allenfalls eine Direction gebührte.[110] Ich würde alles Nöthige mit ihm verabreden. Er nähme neue Vorschriften mit hinaus, wodurch, wie erst kurz in Jena geschehen, Fleiß und Neigung zur Arbeit gar sehr belebt wird.

Die beyden angestellten Lehrer, Böver und Hose, werden sich niemals vertragen. Keiner kann dem andern subordinirt werden. Man müßte sie also separiren; aber ihnen doch in loco irgend einen Mann geben, an den sie sich zu wenden hätten. Wäre die Sache einmal eingeleitet, so könnte Hofrath Meyer des Jahrs einmal das Institut visitiren, und es würde gewiß der Aufwand, den Serenissimus einmal dazu bestimmen haben, nicht verloren seyn.

Wollten also Ew. Excellenz auf eine mehr oder weniger dringende Weise die Veränderung des Locals anordnen und befördern, so würden wir alsdann wegen des Übrigen schuldigermaßen Sorge tragen.

Weimar den 2. April 1808.

Goethe.[111]


20/5514.


An Anton Friedrich Justus Thibaut

Wenn ich den Muth habe, meinen Sohn ohne weitere Begleitung auf die Academie zu schicken, so spreche ich dadurch die Überzeugung aus, er werde in Heidelberg schon erprobte Freunde finden und sich ihres Rathes und Beystandes erfreuen können.

Ew. Wohlgebornen haben von jeher mir soviel Zutrauen bewiesen und so manche Gefälligkeit erzeigt, daß ich nun auch wohl hoffen darf, Sie werden sich des jungen Mannes freundschaftlich annehmen, und da er sich zum Juristen bestimmt, seine Studien anfänglich gefällig einleiten, auch wohl in der Folge, nach Maßgabe der jedesmaligen halbjährigen Vorlesungen, die man in der Ferne weder genau wissen, noch beurtheilen kann, weiter führen. Mein Wunsch wäre, daß er sich zwey Jahre bey Ihnen aufhielte, um alsdann zurückzukehren und wie es seine Pflicht ist, auf die Inländischen Academie noch einige Zeit zuzubringen. Haben Sie die Güte, seine Kenntnisse sowohl als sein Betragen zu beurtheilen, und wie er fortschreitet, mir von Zeit zu Zeit gefällige Nachricht zu geben.

[41] Erlauben es die Umstände, so komme ich wohl ihn zu besuchen, oder abzuholen, und zugleich Ew. Wohlgebornen für Ihre freundschaftliche Theilnahme zu danken. Der ich mich zu geneigtem Andenken empfehle und die Ehre habe, mich mit besondrer Hochachtung zu unterzeichnen.


20/5515.


An Bettina Brentano

Die Documente philanthrophischer Christen- und Judenschaft sind glücklich angekommen, und Ihnen soll dafür, liebe kleine Freundin, der beste Dank werden. Es ist recht wunderlich, daß man eben zur Zeit, da so viele Menschen todtgeschlagen werden, die übrigen aufs beste und zierlichste auszuputzen sucht. Fahren Sie fort mir von diesen heilsamen Anstalten, als Beschützerin derselben, von Zeit zu Zeit Nachricht zu geben. Dem Braunschweigischen Juden Heiland ziemt es wohl fein Volk anzusehen, wie es seyn und werden sollte; dem Fürsten Primas ist aber auch nicht zu verdenken, daß er dies Geschlecht behandelt wie es ist, und wie es noch eine Weile bleiben wird. Machen Sie mir doch eine Schilderung von Herrn Molitor. Wenn der Mann so vernünftig wirkt, als er schreibt, so muß er viel Gutes erschaffen.

Ihrem eigenen philanthropischen Erziehungswesen aber wird Überbringer dieses, der schwarzaugige und braunlockige Jüngling empfohlen. Lassen Sie seine[42] väterliche Stadt auch ihm zur Vaterstadt werden, so daß er glaube sich mitten unter den Seinen zu befinden. Stellen Sie ihn Ihren lieben Geschwistern und Verwandten vor und gedenken Sie mein, wenn Sie ihn freundlich aufnehmen. Ihre Berg- Burg- Kletter- und Schaurelationen versetzen mich in eine schöne heitre Gegend und ich stehe nicht davor daß Sie nicht gelegentlich davon eine phantastische Abspieglung in eine fata morgana zu sehn kriegen.

Da nun von August Abschied genommen ist, so richte ich mich ein von Haus und der hiesigen Gegend gleichfalls Abschied zu nehmen und bald möglich nach den Carlsbader Gebirgen zu wandeln.

Heute um die 11. Stunde wird confirma hoc Deus gesungen, welches schon sehr gut geht und großen Beyfall erhält

Weimar den 3. April 1808.

G.


20/5516.


An Charlotte von Stein

August empfiehlt sich zum allerschönsten, die angenehme Gabe hat ihn so sehr erfreut als überrascht. Fahre er wohl!

Nun werden die wundersamen Metalle ins Haus kommen und sich für nächsten Mittwoch kunstmäßig zusammenschichten. Hoffentlich habe ich Morgen frühe[43] das Vergnügen Sie zu sehen. Mögen Sie heut Abend die Comödie besuchen; so bitte um Nachricht.

d. 4. Apr. 1808.

G.


20/5517.


An Johanna Frommann

Die Schönheit der Blumen, die Lieblichkeit einer freundschaftlichen Theilnahme erkennt man erst recht bey trübem Wetter, bey trauriger Zeit. Haben Sie also, theure Freundinnen, den besten Danck für das Überschickte, es kam sehr zur rechten Stunde. Ich freue mich diesem Blatt bald folgen zu können.

W. d. 8. April 1808.

Goethe.


20/5518.


An Charlotte von Stein

Morgen gedencke ich nach Jena zu gehen und bis nach den Feyertagen daselbst zu bleiben.

Erhalten Sie mir ein freundlichs Andenken und empfehlen mich meinen hohen Gönnerinnen und Freundinnen.

d. 9. Apr. 1808.

G.


20/5519.


An Johann Friedrich Cotta

[9. April.]

... Daß die Redacteure Ihres Morgenblattes, die doch sonst verständige Männer zu seyn scheinen,[44] auch es in manchen Punkten ganz läßlich nehmen, in anderen, wie z.B. gegen das Sonett, eine so komische Aversion beweisen, ist mir unbegreiflich. Als wenn dem Genie und dem Talent nicht jede Form zu beleben freystünde. Ich habe ein halb Dutzend Sonette von verschiedenen Freunden, die mir sehr wohl gefallen, in andere Blätter gegeben, da ich sehe, daß auch in diesem Jahre jene wunderliche ausschließende Aversion bey ihnen fortdauert...

... Werner ist nun von uns abgegangen. Eben von ihm rühren einige Sonette her, die man wohl unter das beste wird zählen müssen, was in deutscher Sprache gedichtet worden.

... Durch das Reiterlied haben Sie eine gute Probe abgelegt, was der Steindruck vermag...


20/5520.


An Charlotte von Stein

Meine Reise nach Jena habe ich verschoben und pflege mich hier im Stillen.

Von August mögen Sie ja wohl lesen wie es ihm geht.

Bald komme ich nach Ihrem Befinden zu fragen.

d. 13 Apr. 1808.

G.[45]


20/5521.


An Caroline Bardua

Wir wünschen alle unserer Freundin Glück zu dem Entschlusse sich nach Dresden zu begeben. Sie wird an den großen Mustern, die sie daselbst findet, sich auf eine ausgezeichnete Weise ausbilden und auch den künftigen Winter desto lieber in Weimar zubringen, weil ihr manches ernste Erforderniß der Kunst wird deutlicher geworden seyn. Haben deßhalb einige Personen aus unserer Gesellschaft ihre Reiseplane für diesem Sommer zu verändern, so ist doch dadurch für die Zukunft nichts verloren. Der Brocken wird noch eine Weile auf seinen Füßen stehen bleiben und die Spur des Roßtritts auch sobald nicht verlöschen.

Leben Sie indessen recht wohl und lassen Sie mich bald von Dresden etwas hören. Zu Ende May trifft mich Ihr Brief in Carlsbad. Alle Freunde grüßen, außer August, welcher gegenwärtig in Frankfurt ist. Sein zurückgebliebenes Bild hat nun doppelten Werth.

Weimar, den 13. April 1808.

Goethe.


20/5522.


An Franz Kirms

Mit Ew. Wohlgeb. geäussertem Sentiment bin ich völlig einverstanden, haben Sie nicht Zeit; so könnte man ihm die Eröffnung per Secretarium thun und[46] seine Erklärung registriren. In solchen Dingen mag ich nicht gern persönlich handeln, eh man sich's versieht giebts Berufungen.

N.B. Man hat aber indeß Herrn Unzelmann über hundert Thaler des alten Dekourts welche vorräthig lagen ausgezahlt, diese müßten denn doch von der neuzuverbürgenden Summe abgezogen und niedergelegt werden.

W. d. 14. Apr. 1808.

G.


20/5523.


An Charlotte von Schiller

Beyliegende Briefe Augusts, die ich im engeren Vertrauen mittheile, da er ein wenig frey über seine Landsleute urtheilt, werden Ihnen, verehrte Freundinn, eine augenblickliche Unterhaltung seyn; freylich mag draussen manches anders klingen als er es hier zu vernehmen gewohnt war. Das beste wünschend

d. 15. Apr. 1808.

G.


20/5524.


An Carl Friedrich Zelter

Weimar den 20. April 1808.

Hier, mein Bester, kommen die Gesänge. Werfen Sie einen Blick darauf. Vielleicht machen Sie einige Bemerkungen mit rother Tinte und sagen im allgemeinen was Sie von der Anlage des jungen Mannes[47] denken; und besonders auch belehren Sie mich, wie weit er es in dieser schweren Kunst gebracht zu haben scheint. Ich schicke ihn vielleicht auf Michaelis, weil er wohl künftiges Winter der Anführer meines kleinen Hausgesanges werden möchte. Da es mein Geschick nicht war an der reichen Tafel einer großen Stadt bequemlich mitzuschwelgen, so muß ich im Kleinen bauen und pflanzen, hervorbringen und geschehen lassen was dem Tag und Umständen nach möglich ist.

Sagen Sie mir doch auch, wenn Sie Zeit haben, ein Wort über alte constantinopolitanische Kirchenmusik, die sich mit der griechischen Kirche im Osten ausgebreitet und die sarmatischen Völker gestimmt zu haben scheint.

Woher kommt wohl die so allgemeine Tendenz nach den Molltönen, die man sogar bis in die Polonaise spürt?

Dieses Osterfest gingen eben acht Kirchensänger hindurch von Petersburg nach Paris zur Capelle des russischen Gesandten. Sie sangen in der hiesigen griechischen Capelle die beyden Festtage, an welchen sie, wie mir die Hoheit sagte, nur noch allein ganz ächte alte Musikstücke aufführen. Das ähnlichste was ich davon gehört habe ist der Canto fermo der Italiäner und die Art wie die Passion in der Päpstlichen Capelle vorgetragen wird, nemlich der wirkliche Text der Evangelisten.

Noch immer habe ich nichts von meinen Druckschriften[48] zu schicken. Den ersten Bogen von Faust lege ich bey; weiter ist mir noch nichts davon zugekommen. Lassen Sie ihn, ich bitte, niemand sehen und schicken mir ihn mit den Noten zurück; denn sonst wird mir ein Exemplar defect. Leben Sie recht wohl, verzeihen Sie, und schreibe mir bald.

G.


20/5525.


An Bettina Brentano

Weimar den 20. April 1808.

Auch gestern wieder, liebe Freundinn, hat sich aus Ihrem Füllhorn eine reichliche Gabe zu uns ergossen, gerade zur rechten Zeit und Stunde: denn die Frauenzimmer waren in großer Überlegung, was zu einem angesagten Fest angezogen werden sollte. Nichts wollte rechts passen; Als eben das schöne Kleid ankam, das den sogleich nicht geschont wurde. Nehmen Sie recht vielen Dank von uns dafür. Da unter allen Seligkeiten, deren sich meine Frau vielleicht rühmen möchte, die Schreibseligkeit die allergeringste ist; so verzeihen Sie, wenn sie nicht selbst die Freude ausdrückt, die Sie ihr gemacht haben. Wie mager es bey uns aussieht fällt mir erst recht auf, wenn ich umherblicke und Ihnen doch auch einmal etwas freundliches zuschicken möchte. Darüber will ich mir nun also weiter kein Gewissen machen, und auch für die gedruckten Hefte danken.

[49] Es war mir sehr angenehm zu sehen, daß man den Finanzgeheimeräthlichen, Jacobinischen Israels Sohn so tüchtig nach Hause geleuchtet hat. Können Sie mir den Verfasser der kleinen Schrift wohl nennen. Es sind trefflich einzelne Stellen drinn, die in einem Plaidoyé von Beaumarchais wohl hätten Platz finden können. Leider ist das ganze nicht rasch, kühn und lustig genug geschrieben, wie es hätte seyn müssen, um jenen Humanitätssalbader vor der ganzen Welt ein für allemal lächerlich zu machen. Nun bitte ich aber noch um die Judenstädtigkeit selbst, damit ich ja nicht zu bitten und zu verlangen aufhöre.

Was Sie von Molitor zu sagen gedenken, wird mir sehr angenehm seyn. Auch durch das letzte was Sie von ihm schicken wird er mir merkwürdig, besonders durch das was er von der Pestalozzischen Methode sagt. Leben Sie recht wohl! Haben Sie tausend Dank für die gute Aufnahme des Sohns und bleiben den Eltern günstig.

G.


20/5526.


An Christiane von Goethe

Herr Leg. Rath Bertuch nimmt deine Schachtel mit, du findest darin, mein liebes Kind, was die hiesigen Mistbeete vermögen. Einige sehr kleine Sellery Pflanzen werden dich überzeugen daß diese Art unter acht Tagen noch nicht brauchbar ist.

[50] Mir geht es ganz gut. Ich habe schon etwas gearbeitet, worüber ich mich freue, weil diesmal die Pause gar zu lang war. Werner hat geschrieben und grüßt schönstens, dich und Riemer nahmentlich, auch Mad. Schoppenhauer. Sein Brief ist, wie du denken kannst, geistreich und heiter.

Die Briefe von Franckf. haben dir gewiß viel Freude gemacht. Schicke mir sie wieder. Hier ein Blatt von Bettinen. Die gute Mutter hätte ich sehen mögen. Es thut mir in ihre Seele wohl.

Mit den Boten schreibe ich mehr und bitte um einiges. Adieu indeß!

Jena d. 26. Apr. 1808.

G.


20/5527.


An Christiane von Goethe

Heute früh hab ich dir schon geschrieben, meine Liebe, und hohle nur weniges nach. Mich freut an August zu denken, sein erster Eintritt in die Welt ist so glücklich und so günstig daß man wohl hoffen kann es werde so auch vorwärts gehen. Ich habe einiges gearbeitet. Meyer ist mir ein sehr lieber und werther Gesellschafter. Auf einem besondern Blättchen lege ich bey was ich geschickt wünsche. Zugleich auch meinen Schlüssel. Sende mir alles angekommene. Die Schachtel vermuthe ich enthält Veilchen die hier im großen Überflusse sind; auch ist alles hier weiter.[51] Schicke nur auch die Schachteln zurück, ich will noch Pflanzen aufzutreiben suchen. Lebe wohl und vergnügt und liebe mich.

d. 26. Apr. 1808.

G.


20/5528.


An Johanna Frommann

Die Bedencklichkeit vertraute Briefe, besonders Gegenwärtiger, mitzutheilen, überwinde ich um Ihnen unsern Werner wieder einmal recht zu vergegenwärtigen. Dichtern sieht man ja überhaupt wohl nach, wenn sie das Vorrecht sagen zu können was sie fühlen, gegen den Freund, gegen die Geliebte vielleicht übermässig ausüben. Dunckle Stellen werden mündlich erläutert. Auch seine Sammlung Sonette hab ich vollständig bey mir. Wir sollten ihm zu Lieb und ehre einmal alle hintereinander hören und beherzigen. Da mir dieser wunderlich bedeutende Mann in Ihrem Kreise zuerst lieb und angehörig ward, so mag ich in seinem Namen gern jene schönen Tage zurückrufen. Gelegenheit hierzu wird sich um so sehr finden als Minchens häuslicher Genius die Oberhand zu behaupten scheint und die neuen Bekanntschaften im Freyen wohl noch einige Zeit ausgesetzt bleiben dürften, wir wollen uns indessen der alten schon erworbenen freuen. Bringen mir die Boten irgend etwas Bedeutendes, so komme ich, wenn auch noch spät.

27. April 1808.

G.[52]


20/5529.


An Christiane von Goethe

Hierbey kommt wieder eine Schachtel Pflanzen, wenn du noch mehr willst darfst du es nur schreiben, meine Liebe; der Sellery kommt später. Leider begünstigt mich das Wetter nicht. Wir sitzen meist zu Hause, und gehen Abends bey den Freunden herum, wo meist etwas vorgelesen wird. An meiner Pandora habe ich etwas gearbeitet und will sehen ob's möglich ist eh ich weggehe den Wienern eine Sendung auszufertigen, woran mir in mehr als Einem Sinne viel gelegen ist. Werner hat geschrieben und grüßt vielmal, der Brief ist ein völliger Abdruck seines wunderlichen Wesens.

Sogern ich einen Hecht geschickt hätte habe ich doch nicht dazu gelangen können. Es ist noch zu kalt darum steigt keiner, auch ist das Wasser zu groß und die Flöße geht starck, alles Hindernisse der Fischerey. Doch hat man mir sobald nur möglich einen zugesagt.

Ich will noch einige Tage zusehen wie es mit meiner Arbeit geht. Auf alle Fälle nehme ich hier einen Wagen und komme ohne weitre Anmeldung. Meyers Nähe macht mir viel Vergnügen, er ist gar so tüchtig, einsichtsvoll und brav.

Augusten will ich von hieraus schreiben. Ich habe Zeit genug dazu. Ich wünsche daß er bald einige[53] Freunde finde an die er sich anschließt, in Franckfurt war er mitten im Getümmel einsam.

Lebe wohl mein gutes Herz! Ich freue mich auf deinen wohlbepflanzten Garten. Wegen der Fuhre nach Carlsbad hab ich Abrede genommen.

J. d. 29. Apr. 1808.

G.


20/5530.


An Friedrich Wilhelm Riemer

Indem ich vermelde daß es mir gelungen ist das Pandorische Wesen und Unwesen einigermaßen fortzuschieben; so ersuche ich Sie mit das Schema zu Sechsfüßigen Trochäen wie sie die alten gebraucht durch die Boten zu senden. Ich habe das Unglück dergleichen immer zu vergessen. Auch wünschte ich, daß Sie Sich für Carlsbad mit altem und neuem Prosodischen rüsteten, theils zu theoretischen theils zu Practischen Zwecken. Leben Sie recht wohl. Alles grüst.

J. d. 29. Apr. 1808.

G.[54]


20/5530a.


An Christian Gottlob Voigt

Weimar, 1. Mai 1808.

Nach dem gegen die unbefugten Freimaurer in Jena ergangenen Verbote wäre wohl noch ein Schritt zu thun, daß man einer andern, schon lange daselbst im Stillen befindlichen Loge, bey welcher der Vicebürgermeister Slevoigt, so viel ich weiß, Meister vom[111] Stuhl ist, das sogenannte Arbeiten untersagte. Aber mehr als alles Untersagen ist wohl nothwendig, daß man selbst etwas thue und veranstalte, weil der Zudrang zu diesen Quasi-Mysterien im Momente wirklich sehr groß ist.

Serenissimus haben neulich in einer Unterredung dasjenige summarisch angegeben, was im Nachstehenden nur wenig ausgeführter aufgezeichnet ist. Das Räthlichste wäre, die Loge Anna Amalia zu den drey Rosen wieder zu beleben, und zwar meo voto ganz nach dem Ritual, weil es nachher immer noch frei bleibt, sich zu dieser oder jener Verbesserung oder Abartung hinzuneigen.

Außer dem Geheimderath v. Schardt, dem Legationsrath Bertuch und Unterzeichnetem sind, soviel ich weiß, keine Meister dieser Loge hier mehr übrig. Die übrigen Glieder der geringeren Grade könnte man allenfalls ausmitteln, und die Frage wäre, ob man nicht des Herrn Geheimrath von Fritsch Excellenz disponieren könnte, diese Loge wieder zu eröffnen; wozu man andere hier befindliche Ordensglieder einladen und die Officiantenstellen provisorie besetzen könnte. Lehnte dieser es ab, so wäre es vielleicht am kürzesten gethan, wenn man Herrn von Beulwitz, den Meister vom Stuhl der Rudolfstädter Loge, einlüde, eine solche Eröffnung vorzunehmen, welcher einige andre Brüder mitbrächte, um der Sache ein gewisses Geschick und Ansehen zu geben.

[112] Hätte man nun hier, im Ablehnungsfalle des Herrn Geheimrath von Fritsch Excellenz, einen neuen Meister vom Stuhl bestellt, so könnte man (und vielleicht wäre alsdann der Johannistag der schönste Termin) die Jenaischen Brüder, sowohl die vorschnellen als die zurückhaltenden, zu einem Logenfest zusammenberufen, vielleicht einige Lehrlingsaufnahmen vornehmen und was sonst zu geschehen pflegt, um dergleichen Epochen zu verherrlichen.

Serenissimus gedachten dieser Angelegenheit dringend. Ich bringe sie an Ew. Exzellenz durch dieses flüchtige Blatt, meine Ankunft zugleich meldend, nur mit der Anfrage, ob es Ihre Beystimmung habe, wenn ich, nach vorstehendem Sinne, mit Geheimrath von Schardt und Legationsrath Bertuch spreche, das Weitere überlege und gemessenere Vorschläge zu Papier bringe, um bey Serenissimi Wiederkunft Höchstdenenselben vorgelegt zu werden.

Goethe.[113]


20/5531.


An Johann Friedrich Rochlitz

Wenn ich Ew. Wohlgebornen auf Ihr früheres Schreiben nicht antwortete und das Stück nicht zur Aufführung brachte, so waren die Zweifel daran[54] Schuld, die bey mir aufstiegen und welche Sie gewissermaßen selbst angeregt hatten. Wenn das Stück seine Wirkung thun soll, so gehört notwendig ein Mann in Jahren dazu, den man gewöhnlich den würdigen Alten nennen sollte. Er muß Zutrauen und Neigung erregen und in seiner Art liebenswürdig seyn, in den Grade daß, wie bey Ihrer Privataufführung der Fall war, wenn ihm die Actrice den Korb giebt, eine Zuschauerin allenfalls geneigt wäre ihn zu entschädigen. Ich glaube nicht, daß einer unsrer Schauspieler sich anmaßt diese Wirkung völlig rein hervorzubringen, ob sie sich gleich auch in unserm Verhältniß bis auf einen gewissen Grad denken läßt. Ich habe daher das Stück das nunmehr gedruckt ist einigen Personen zu lesen gegeben, und werde es Herrn Becker zustellen um es mit nach Lauchstädt zu nehmen. Ew. Wohlgeboren kommen ja wohl selbst hinüber und geben einige Anregung, daß das Stückchen nach Ihren Wünschen und Überzeugungen aufgeführt werde; wozu ich vor meiner Abreise nach Carlsbad, welche bald erfolgen wird, das Nöthige einleiten werde. Leben Sie wohl und fahren Sie fort meiner mit Neigung zu gedenken.

Weimar den 2. May 1808.

Goethe.[55]


20/5532.


An Friedrich Ludwig Zacharias Werner

Ihren erfreulichen Brief, mein lieber Werner, erhielt ich in demselben Revier, wo ich zuerst Ihre Bekanntschaft machte, die mir nachher so lieb und werth geworden ist. Gleich ward an der Stelle, wo Sie das Kreuz gepflanzt hatten, ein Liebesmahl gehalten, die sämmtlichen Gedichte der Reihe nach vorgelesen und des wunderlichen Gesellen in allem Guten gedacht. Tausend Gegengrüße von Jena und nun auch von Weimar, wo ich mich wieder befinde, um bald nach Carlsbad abzugehen.

Die Abschrift des Attila ist heute nach Berlin abgegangen. Die Sonette sollen nach Wien und vielleicht auch Ihre Autors Confession, wenn ich sie vorher noch einmal in meiner Stille überlegt habe. Mich beleidigt die Art von Selbstlob nicht, welche diese Blätter erhalten, und freylich ist es auch kein Unglück, wenn man das Publicum beleidigt: denn vom Schmeicheln hat man auch keine Frucht.

Können Sie mir Ihre Schriften, ältere und neue, noch zuschicken, daß sie vor dem 10. May hier anlangen; so will ich sie mitnehmen und zwar nicht Ihr Evangelium aber doch sie unterwegs predigen. Nach Carlsbad schicken Sie mir kein Paket, wohl aber einen Brief und sagen mir wie es Ihnen in Berlin ergangen.

[56] Ihr Lied wird auch nach der neuen Auflage mit guten Gesinnungen gesungen; doch verändert die schönen Kinder den letzten Vers folgendermaßen:


Er wußte zu lieben, wir wissen es auch;

Und wär' er nur treu der verwegene Gauch,

So blieb ihm wohl eine getreu.


Weimar den 2. May 1808.

G.


Lassen Sie nur Niemanden merken, daß jener Aufsatz eine Confession von Ihnen ist. Wir wollen es verheimlichen, und als Aufsatz eines Dritten sind diese Blätter höchst bedeutend und ein seltsamer Bissen fürs Publicum.


20/5533.


An Carl Friedrich Zelter

Den 12. May gehe ich von hier weg. Ich kann also auf den gegenwärtigen Brief hier keine Antwort mehr von Ihnen erwarten. Schicken Sie aber doch die Eberweinischen Gesänge, den Bogen von Faust, unter meiner Adresse hierher. Mein Haus Büreau besorgt das weitere. Einen Brief bitte ich mir nach Carlsbad zu senden, wo ich etwa den 15. Anlage. Bey den drey Mohren ist mein Quartier.

Kommen auch die acht Bände meiner werke nach meiner Abreise an, so ist doch bestellt, daß Sie solche gleich erhalten. Die wenige Aussicht, die Sie zu einem ruhigern Zustande haben, macht mich oft nachdenklich,[57] ja confus. Man sieht wohl daß man nach und nach seine ganze Vorstellung verändern, die Hoffnung auf die Rückkehr des Alten völlig aufgeben, und sich für die übrige Zeit seines Lebens wo nicht erneuern, doch umwenden müßte. Schreiben Sie mir hübsch einen langen Brief, so sollen Sie auch von Carlsbad aus manches von mir hören.

Weimar den 3. May 1808.

Goethe.


20/5534.


An Carl Ludwig von Knebel

[3. oder 4. Mai.]

Herzlichen Dank, mein lieber Freund, für deinen Gruß und für die gute Neigung, die du fortdauernd zu mir hegen magst. Ich will fleißig seyn um euch von Zeit zu Zeit einige geistige Freude zu machen, da es mit den leiblichen jetzt nicht weit her ist. Du erhälst hierbey den Prometheus, theile ihn den Freunden mit, doch sorge, daß ich ihn gewiß heut über acht Tage wiederkriege: denn ich möchte ihn doch mit nach Carlsbad nehmen. Da du dich so sehr unsrer liebenden Jugend freust so lege ich eine Zuschrift, und ein Stück bey, wie sie vor einigen Tagen an mich gekommen sind. Sie werden dir Spaß machen.

Den Betrag für das Horn lasse ich dir noch vor meiner Abreise aus dem Rentamt zahlen.

Durch die Tagesblätter cursiren schon Stellen von[58] Faust. Hier hast du einen Bogen, den du behalten kannst. Ich freue mich, daß dieses Stückwerk bald nicht mehr so ganz zerstückt vor die erscheinen wird.

Ich will sorgen, daß du das dritte Stück Prometheus auch nach meiner Abreise erhälst. Sende es nur gleich an Vulpius den Übersender zurück. Auch in diesem nimm die näher schreitende Pandora freundlich auf. Es ist ein herzliches Kind, das ich gut auszustatten gedenke.

Mit den Dresdner habe ich gleich gebrochen. Denn ob ich gleich Adam Müller sehr schätze und von Kleist kein gemeines Talent ist, so merke ich doch nur allzu geschwind, daß ihr Phöbus in eine Art von Phébus übergehen würde; und es ist ein probates Sprichwort, das man nur nicht oft genug vor Augen hat: der erste Undank ist besser als der letzte.

Von Runge habe ich eine sehr interessante Sendung Zeichnungen erhalten, aus denen man dieses vorzügliche Talent immer mehr schätzen lernt, das aber leider auch nicht zur Ausbildung kommen und in diesem doppelt und dreyfachen Zeitenwust zu Grunde gehen wird. Lebe recht wohl. Wir wollen suchen noch einige Zeit superstites zu bleiben. Grüße die Deinigen von mir und meinem Hause zum schönsten.

G.[59]


20/5535.


An Bettina Brentano

Da sich nun der durchreisende Passagier entfernt hat, so ist es billig, daß der Vater Ihnen den besten Dank sage für alle das Freundliche und Gute was Sie ihm erzeigt haben. Ich hoffe, er wird Ihnen bis zu Ende wehrt geblieben seyn.

Möchten Sie denn nun auch, meine liebe kleine Freundin, gelegentlich meinen Dank, meine Verehrung unserm vortrefflichen Fürsten Primas ausdrücken, daß er meinen Sohn so über alle Erwartung geehrt und der braven Großmutter ein so einziges Fest gegeben. Ich sollte wohl selbst dafür danken; aber ich bin überzeugt, Sie werden das was ich zu sagen habe viel artiger und anmuthiger wenn auch nicht herzlicher vortragen.

Und nun, da Sie einmal wohl meine Dankträgerinn seyn wollen, so sagen Sie Herrn von Arnim auch recht viel Schönes. Er hat mir seine Wunderliche Zeitung geschickt, worin mich manches gar freundlich anspricht. Ich wünsche, daß er wohl damit fahren möge. Wenn ich in Carlsbad zu Ruhe bin, so soll er von mir hören. Ihrer wird oft, besonders neuerlich bey den schönen Granaten öfters dankbar gedacht, und wenn ich allein bin wird mir ein Brief von Ihnen in Carlsbad bey den drey Mohren ein willkommner Besuch seyn. Erzählen Sie mir ja recht[60] viel von Ihren Reisen, Landparthieen, alten und neuen Besitzungen und erhalten Sie mir ein Freundliches Andenken.

Weimar den 4. May 1808.

G.


20/5536.


An Johann Georg Lenz

Sie erhalten hierbey, werthester Herr Bergrath, einen sehr schönen Beytrag zu der Naturgeschichte des Tungsteins, indem ich die mit einbrechenden Mineralien in sehr schönen Exemplaren übersende, besonders werden Ihnen die Crystallisationen willkommen seyn. Mögen Sie mir dagegen eine Parthie kleiner Bernsteinstücke übersenden, wovon sich mehrere von nicht sonderlicher Bedeutung bey Ihnen vorfinden; so würde mir es angenehm seyn und ich würde auf meiner Reise manches dagegen eintauschen können. Senden Sie mir gleichfalls aus dem Dubletten = Vorrath einige hübsche Stücke Malachit und gediegen Kupfer.

Dieses alles wünsche ich jedoch künftigen Mittwoch mit den Boten zu erhalten. Oder Sie könnten es auch dem Tümlerschen Knechte übergeben, der Mittwochs mit der Kutsche herüberkommt und mich abholt. Ich wünsche recht wohl zu leben und Glück zum Transport des Cabinets.

Weimar den 7. May 1808.

G.[61]


20/5537.


An den Herzog Carl August

Durchlauchtigster Herzog,

Gnädigster Fürst und Herr.

Ew. Hochfürstliche Durchlaucht haben geruht mir die fernere Erklärung der Hackertschen Erben zu Berlin gnädigst zufertigen zu lassen und zugleich auf den 19. May einen Vergleichs Termin anzusetzen. In einigen Tagen ist meine Reise nach Carlsbad nothwendig und mein bisheriger Sachwalter befindet sich nicht an Ort und Stelle. Deswegen nehme ich mir die Freyheit durch gegenwärtiges Ew. Durchlaucht Absichten entgegenzukommen und meine Nachgiebigkeit, so wie es in dem Termin geschehen könnte, an den Tag zu legen.

Die Hackertischen Erben geben in ihrem Letzten Exhibito glücklicherweise selbst Gelegenheit zu einem besseren Verständniß. Sie verlangen das Manuscript nicht unbedingt zurück; sie weisen meine Hand nicht ab, von Bearbeitung desselben.

Nach meiner Absicht soll die kleine zu Hackerts Andenken bestimmte Schrift aus folgenden Theilen Bestehen:

1) Vorbericht.

2) Die Biographie selbst, sowohl die allgemeinen Schicksale als die besondern Fälle enthaltend.

3) Noten hiezu, weil manches nur im Allgemeinen[62] angedeutet ist, nur demjenigen verständlich, denn die nähern Verhältnisse des Landes, der Personen und der Kunst bekannt sind.

4) Eine Nachricht von dem Leben des Herrn Carl Gore, dessen in der Biographie gedacht wird, der mit Hackert eine Reise nach Sicilien gemacht.

5) Beurtheilung des Hackertschen Künstlertalentes.

6) Noch einiges andre, was sich auf ihn und seine Zeitgenossen bezieht.

Wollten wir nun zu dieser vorhabenden Arbeit die Hackertischen Erben aus den Papieren des Verstorbenen, oder aus eigner Kenntniß, auf meine Anfragen, oder aus eigner Wahl, manches mittheilen, was zu besserer Ausführung des vorseyenden Geschäftes dienen könnte; so sollte ich solches nach meinem besten Vermögen vollbringen. Wäre das Manuscript fertig, so sollte dessen künftige Stärke im Druck überschlagen, und ihnen nebst dem Gebot eines Buchhändlers bekannt gemacht werden. Hiervon, oder von einer, auf eine andere Weise zu erhaltenden höheren Summe würde ich den Erben die Hälfte zugestehen, und auf diese Weise gern die ganze Sache, die aus einem guten und freundschaftlichen Vernehmen mit dem Erblasser entsprungen, wieder dahin, in Bezug auf dessen Erben, zurückführen.

Durch diese Erklärung glaube ich meine Pflicht erfüllt zu haben, indem ich, sowohl meinem eignen Gefühl, als dem von Ew. Hochfürstl. Durchlaucht[63] gegebenen Winke mich zu einem Vergleich bereitwillig finden zu lassen, eine freywillige und schuldige Folge leiste.

Mich mit tiefster Verehrung unterzeichnend

Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht

Weimar

unterthänigst treugehorsamster

den 10. May 1808.

Johann Wolffg. von Goethe.


20/5538.


An Johann Heinrich Meyer

Indem Herrn Hofrath Meyer hierbey mitgetheilt wird, was Serenissimus wegen der Eisenacher Zeichenschule beschlossen; so wird Derselbe veranlaßt, sich gelegentlich dorthin zu begeben, sich sowohl mit den dirigirenden als ausführenden Personen bekannt zu machen, das Local, die Nebenumstände, die Vorschriften, die bishergebrauchte Methode, die Schüler und ihre Fähigkeiten kennen zu lernen, und solche Einrichtungen und Verabredungen zu treffen, daß der löbliche Zweck auf ein Jahr lang gesichert seyn möge; wobey es dann vortheilhaft wäre, sich für die Zwischenzeit mit einer oder der anderen mitwirkenden Person in Corespondenz zu setzen.

Weimar den 11. May 1808.

Goethe.[64]


20/5538a.


An Friedrich Justin Bertuch

[Beilage.]

Wenn die Besetzung der Stelle eines Meisters vom Stuhle bey der Loge Amalia zu den dery Rosen zur Sprache kommt: so gebe ich meine Stimme Herrn Legationsrath Bertuch und bemercke daß dieses mit der Gesinnung unseres gnädigsten Herren übereinstimmt.

W. d. 11. May 1808.

Goethe.[113]


20/5508.


An Friedrich Justin Bertuch

Indem ich Ew. Wohlgeb. Concept und Mundum wieder zurücksende, ersteres von Serenissimo vidirt, von mir signirt, letzteres von mir unterzeichnet, so bitte ich nunmehr in der Sache ungesäumt weiter fortzuschreiten.

Das Erste wäre nun, sämmtliche hiesige Brüder zur Mitunterschrift des Schreibens einzuladen, sodann eine Conferenz zu halten und in derselben sich über die Personen zu besprechen, welche man zunächst veranlassen möchte, zu der Verbrüderung gleichfalls beyzutreten. Mit Herrn Geh. Reg. Rath Voigt und Müller sowie mit Kriegs Rath Weiland habe gesprochen und Diese sind bereitwillig. Präsident v. Fritsch und Herr von Ziegesar wären auch zu begrüßen und wenn man sonst noch brauchen möchte. Durchlaucht haben sich auch wegen Beytritt des Durchl. Erbprinzen beyfällig erklärt.

Wollte man nun zu Johanni eine gemeinschaftliche Wallfahrt nach Rudolfstadt anstellen, so könnte gleich dort, unter Beyrath des Herrn v. Beulwitz, die hiesige Loge formirt werden. Kömmt es zur Wahl der Stellen, so bitte ich beyliegendes versiegeltes Blatt zu eröffnen, worinnen mein Votum auf diesen Fall enthalten ist.

Um lebhaften Betrieb und Beschleunigung der ganzen Sache bitte ich, Theils weil ich sie selbst für[32] wichtig halte, theils weil Serenissimus diese Beschleunigung wünschen und erwarten.

Die Ritualien folgen hierbey.

Weimar, den 11. May 1808.

Goethe.


[Beilage.]

An

die hochw. Loge »Günther zum stehenden Löwen«

in

Rudolfstadt.


Hochwster M. v. St.

S. E. u. geliebte Brüder!

Zeit und Umstände veranlaßten uns im Jahre 1782, die Arbeiten unserer Loge »Amalia« einzustellen und bis jetzt ruhen zu lassen. Zeit und Umstände veranlassen uns anjetzt, unsere Loge »Amalia« wieder zu eröffnen und unsere Arbeiten in derselben zu erneuern. Wir sind indessen als Maurer nicht unthätig geblieben. Wir haben in der Stille Welt und Menschen, Geist der Zeit und Resultate seines Wirkens, Fortgang der Maurerey zu ihrer Vervollkommnung beobachtet und auch ohne Logenverband unsere Maurerpflichten getreu zu erfüllen gesucht, so weit es uns möglich war.

Mehrere Erfahrungen, die wir indessen sammelten, und schätzbare Aufklärungen, die wir über Zweck und Wesen unseres Ordens erhielten, haben bey uns den Entschluß bewirkt, bey unseren Arbeiten das ehedem[33] bey der Loge »Amalia« angenommene, anjetzt aber nicht mehr brauchbare System der stricten Observanz zu verlassen und anjetzt das weit mehr gereinigte, zweckmäßigere und dem Geist unserer Zeit und Kentnisse mehr entsprechende System der großen Provinzialloge von Niedersachsen zu Hamburg, nach welchem auch Sie arbeiten, anzunehmen und uns mit gedachter großen Provinzialloge von Niedersachsen zu vereinigen.

Hierzu find nun nicht allein wir unterzeichneten ältere Brüder, Meister und Mitglieder der Loge »Amalia« entschlossen, sondern es haben auch unsere übrigen hier lebenden, mitunterzeichneten und anjetzt noch keiner anderen Loge als der Ihrigen angehörenden gel. Brr. Sich mit uns zur Wiedereröffnung der Loge »Amalia« nach obengedachtem Systeme mit höchster Genehmigung des Hochwsten und Durchlsten Bruders Carl August, unseren innigst geliebten Herzogs und Landesregenten, vereinigt. Wir achten es daher für Schuldigkeit und Bruderpflicht, Sie von diese Entschlusse hierdurch zu benachrichtigen, und hoffen gewiß, daß Ihnen diese Nachricht nicht allein angenehm seyn werde, sondern auch, daß die Loge »Amalia« bey der neuen Einrichtung und Anordnung ihrer Arbeiten auf die gütige und brüderliche Unterstützung der Loge »Günther zum stehenden Löwen« gewiß rechnen könne. Diese Unterstützung, um welche wir Sie brüderlich bitten müssen, würde vor der Hand in folgenden zwey Stücken bestehen, nämlich:

[34] 1) Da wir gewisser Umstände wegen die Loge »Amalia« nicht sogleich förmlich wieder eröffnen können, sondern vor der Hand blos in der Meisterconferenz noch einige Zeit arbeiten werden, daß Sie also bey unserer Loge »Amalia« sich meldenden Candidaten, wenn wir über ihre Aufnahme entschieden haben und sie Ihnen präsentiren, auf Requisition für uns und als Mitglieder der Loge »Amalia« aufnehmen und avanciren.

2) Daß Sie uns selbst erlauben, uns vor der Hand nur so lange, bis wir unsere Loge »Amalia« selbst wieder förmlich eröffnen können, als Mitglieder zu Ihrer Loge zu halten (da wir dies Alle nicht schon sind) und an allen Ihren Arbeiten theilnehmen zu lassen.

Sie werden uns durch die gütige Erfüllung unserer Wünsche und Bitten recht sehr verbinden und einen neuen Beweis Ihrer brüderlichen Liebe geben. Von uns können Sie ein Gleiches in allen Fällen mit Zuversicht erwarten. Denn wir wünschen nichts mehr, als Ihnen unsere Verehrung und Bruderliebe zu bethätigen, mit welcher wir vom Osten bis zum Westen des Lebens verharren als

Ihre

treuverbundensten

Brüder.[35]


20/5539.


An Johanna Frommann

Madam Frommann

empfehlen sich zwey durchreisende Freunde zum schönsten.

den 12. May 1808.


20/5540.


An Christiane von Goethe

[16. May.]

Wir sind glücklich in Carlsbad angekommen. Der Weg war schlecht und weil der Wagen vorn aufsitzt die Fahrt mitunter sehr beschwerlich. Wegen der Rückkehr muß andrer Rath geschafft werden. Das Wetter war im Ganzen gut mit untermischten Regenschauern. Unsre Wirthsleute haben die Zimmer malen lassen, so daß sie ganz munter aussehen. Die Bäume und Blüthen sind gegen bey uns etwa um 14 Tage zurück; doch treibt alles mit Macht und die Witterung ist sehr angenehm. Ich habe schon heute angefangen den Brunnen zu trinken und befinde mich sehr wohl.

Der Kutscher bringt gleich zwey Kistchen, jedes mit 20 kleinen Flaschen Egerwasser mit. Da es so frisch ankommt, so wird es dir vortrefflich schmecken und wohl bekommen. Ich hätte gewünscht die ein Glas vom Brunnen selbst zu reichen. Überdieß kommt noch ein drittes Kästchen mit verschiedenen Paketen[65] für dich und andre. Ich lege noch ein besondres Blättchen hinein.

Für diesmal sag' ich nichts weiter, als daß ich dir recht wohl zu leben wünsche. In einiger Zeit schreibe ich wieder, sobald ich etwas weiteres von meinem hiesigen Aufenthalt zu sagen habe. Das weitere auf dem Blatt das im Kästchen liegt.

Goethe.


20/5541.


An Charlotte von Stein

Hier auf einem Blättchen, wie man sonst nur von Hause zu Hause schreibt, ein Wort aus der Ferne! Wir sind glücklich in Carlsbad angelangt, mit günstigem Wetter auf schlechten wegen. Hier fängt das Frühjahr erst an. Es sieht aus ohngefähr wie bey uns vor 3 Wochen. Ich befinde mich sehr wohl. Zugleich folgt ein Pfund Stecknadeln. Es kostet 2 rh. 12 gr. Gut Geld. Nicht daß ich Ihnen die fehlende Kleinigkeit anrechnen wollte, es ist nur zur Nachricht, wenn durch Andre Bestellungen hierher gemacht würden. Der Messingdraht ist so theuer. Man zieht das Erz nicht mehr in die Länge, da man es zu Canonen so nöthig hat. Ich wünsche recht wohl zu leben und bitte mich überall bestens zu empfehlen Ich hoffe bald mehr sagen zu können.

Carlsbad den 16. May 1808.

Goethe.[66]


20/5542.


An Anne Germaine de Staël-Holstein

Wenn diesmal durch mancherley Zusammentreffendes mein Abschied von Hause mir empfindlicher ward als gewöhnlich; so hatte der Gedancke, daß ich Sie, verehrte Freundinn, auf Ihrer Durchreise nicht sehen sollte, keinen geringen Antheil an diesen Gefühlen.

Darein jedoch, wie in so manches, mußt ich mich ergeben und nun leb ich seit zehn Tagen in dem anmuthigsten Frühling, der hier durch Gegensätze noch schöner wird. Die Blüten, das junge Grün der Bäume, der Berg- Matten, zwischen finstern Felsen, duncklen Fichtenwäldern, um graue Holzgebäude, scheinen noch einmal so schön; wovon Sie auf Ihrem Wege gewiß manches Beyspiel gefunden haben. Und nun eben da ich mich wieder glücklich fühle, erneuen Sie jenen Kampf, indem Sie mich auf eine so Freundliche Weise nach Dresden einladen.

Daß ich aufrichtig rede! Wenn sie mich zu irgend einem einsamen Bergschloß beschieden hätten, wo ich hoffen könnte, Sie, von wenigen Vertrauten umgeben, in ruhiger Sammlung zu finden, und einige Tage mit Ihnen zu verleben; nichts sollte mich abhalten Sie aufzusuchen und jene glücklichen Stunden zu erneuern, die uns an Ihrer Seite früher geworden sind. Dencke ich mir aber die bedeutende Stadt, geziert mit köstlichen Kunstwerken, umgeben von einer herrlichen[67] Natur, und Sie mitten in einer zudringenden Gesellschaft; so sehe ich schon zum Voraus den Zweck meiner Reise vereitelt, ich fühle die Hindernisse mich mittheilen zu können, die Anlässe zu Verstimmungen und ich schreibe verdrieslich.

Lassen Sie mich also, beste Freundin, in meiner Einsamkeit verharren, wo ich Ihrem Andencken so manche Stunde wiedme, wo ich eifrig wünsche, daß Sie in Dresden fröhlich, und in Weimar auch meiner Eingedenck seyn mögen.

Geben Sie ja bald Ihre Bemerkungen über uns ehrliche Deutsche! Wir verdienen durch den guten Willen einer freundlichen Nachbarinn und Halb- Landsmännin aufgeregt, ermuntert zu werden und uns in einem so lieben Spiegel zu beschauen. Erlauben Sie mir sodann, was ich so gern schon nach gelesner Corinna gethan hätte, meine lebhafte Theilnahme an Ihnen selbst und Ihren Arbeiten, meine Verehrung, meine Bewunderung auch einmal schriftlich und umständlich vorzulegen.

Ihrem Begleiter und Ihrer Umgebung die besten Grüsse.

Carlsbad ce 26. May 1808.

Goethe.[68]


20/5543.


An Christiane von Goethe

Dein lieber frühzeitiger Brief hat mich sehr gefreut, es war der erste den ich hier erhielt. Nun wird auch was ich durch den Kutscher sendete wohl angekommen seyn. Dem Eger Wasser wünsche gute Wirckung.

Der Frühling ist auch hier auserordentlich schön, alles blüht und grünt neu auf zwischen den alten Felsen und Fichtenwäldern. Ich kann diesmal der Gegend besser genießen, ich befinde mich sehr wohl und besteige die Berge wie vor alters.

Noch ist es einsam hier. Außer den bekannten Carlsbader Einwohnern habe ich fast mit niemand gesprochen; dagegen bin ich viele Stunden des tags unter freyem Himmel theils mit Riemer theils allein und lasse mir wohl seyn.

Da hab ich den Zeit allerley zu überdenken, und da fehlt es nicht, daß ich mich deiner und aller Liebe und Treue erinnere die du an mir thust und mir das Leben so bequem machst daß ich nach meiner Weise leben kann; dafür ich den auch im Stillen immerfort für dich und den guten August sorge, der uns noch viel Freude machen wird. Was du von Heidelberg gehört hast, mag für den Anfang recht gut seyn; wenn er nur nicht des Guten zu viel thut und zunächst müde wird. Doch das wird sich alles geben und eins aus dem andern entwickeln.

[69] Unsre kleine Wirtschaft geht artig und ordentlich. Freylich muß man im Gleise bleiben, sich von willkührlichen Ausgaben enthalten und besonders der Kauf- und Schenckluft widerstehen. Auf alle Fälle komme ich leidlicher weg als vor einem Jahre.

Mit den Theaterfreunden mache du's nur immer auf alte Weise, Anfangs nicht zu viel gethan damit man nicht zurück zu gehen braucht. Hast du denn Herrn Meusel und andern denen wir eine Artigkeit schuldig sind etwas erzeigt? Versäume es nicht.

Noch hab ich keine weitern Briefe. Lebe recht wohl. Das Wetter ist sehr schön und mir geht es auch sehr gut. Wenn sich meine Gedancken manchmal an die Gränze von Polen verlieren; so kehren sie bald wieder über Weimar nach Heidelberg zurück und so besuch ich meine lieben Kinder eins nach dem andern. Lebe recht wohl. Liebe mich und laß uns immer zusammen verharren.

Carls Bad d. 29. May 1808.

G.


20/5544.


An August von Goethe

Carlsbad den 3. Juni 1808.

Deinen Brief vom 23. May überreichte mir der PostSecretär heute früh als ich nach dem Brunnen ging. Er war mir um so angenehmer, als ich wirklich[70] seit einigen Tagen briefdurstig bin: denn außer einem laconischen Blatt von der Mutter und einem Leipziger Brief von Cotta habe ich die ganze Zeit meines Hierseyns von Freunden nichts weiter vernommen. Seit dem 15. Vorigen Monats sind wir hier. Ich befinde mich sehr Wohl, besser als seit langer Zeit, und besteige die Berge wie ehedem. Der größte Teil der Wege und Promenaden ist schon durchgemacht, sogar habe ich den drey Kreuzberg erstiegen.

Du kannst dir denken daß der Frühling in Carlsbad besondere Reize haben muß, vorzüglich der dießjährige bey so gar schönem Wetter. Die blühenden Bäume und des junge Gelbgrün zwischen und vor den alten grauen Felsen, der finstern Fichtenwäldern, machten sich sehr gut. Nun aber ist alles abgeblüht und alles macht schon eine ernsthaftere Sommermiene.

Die Wände unserer Zimmer, die du noch weiß gekannt hast, sind recht freundlich in bunte Felder abgetheilt und mit lustigen Einfassungen versehen. Dabey will ich sogleich einer Zimmerverzierung gedenken, die wir dieser Tage im Hause des Amtmanns gesehen haben. Dem Geschmack derselben im Ganzen muß man etwas Willkührliches und wenn du willst, Fratzenhaftes nachsehen; aber die Behandlung des Einzelnen ist das vorzüglichste was ich in dieser Art gesehen habe, viel besser als du dich's aus Bolza's[71] Zimmern erinnerst. Besonders sind die Musseline Points, Spitzen und dergl., der Taft, sodann Gefäße von möglichen und unmöglichen Metallen mit so außerordentlichem Effect gemalt, daß man sich nicht satt sehen kann. Ein paar Prager Decorateurs haben es gemalt, die eine außerordentliche Practik haben, aus deren Sicherheit auch die Sicherheit des Effects entspringt.

Anfangs fanden wir nur die Carlsbader Einwohner. Mit den wenigen Gästen hab ich kein Verhältniß. Die schöne kleine Frau und Mattoni erkundigten sich nach dir. Der dicke Hühner Mönch im blauen Hechte füttert noch immer seine Untergebenen; wenn er sie aber uns aufopfert, läßt er sie teuer bezahlen. Er nimmt für ein kleines gebratnes Huhn zwey Kopfstücke.

Im Ganzen sind die Preise etwas gestiegen, seit vorm Jahre. Das kommt aber daher, weil das Papier wieder gefallen ist. Wir erhalten für 100 Gulden Sächs. 216 fl. Banknoten.

Mehrere Gäste kommen nach und nach an. Schon stehn 73 Partien in der Liste. Die Gesellschaft verspricht sehr zahlreich zu werden; auch sind schon einige Reitpferde hier die dir Lust machen würden.

Der Sprudel jedoch nimmt sich gegen die herbeyeilenden Gäste nicht zum höflichsten und macht im Gegentheil denen zu diesem Amte bestellten Bauherrn viele Händel; nicht allein, daß er an der Stelle, wo[72] du den Ausbruch vorm Jahre sahst, aus dem Flusse selbst noch stark hervorquillt, so hat er sich auch unter der Sprudelbrücke nach dem Gäßchen zu das auf den Markt führt, unter den freylich durch die Länge der Zeit verfaulten Brettern und Balken, gewaltsam hervorgewühlt und man ist mit Sandsäcken, Moos, Balken, Keilen, Steinen, Klammern und sonst beschäftigt ihn wieder zum schweigen zu bringen. An seiner eigenen Stelle sprudelt er gegenwärtig nicht hoch; doch giebt er immer noch Wasser genug.

Wir leben nach unserer alten Weise still und fleißig, in allem etwas mäßiger als vorm Jahre, besonders auch was den Wein betrifft; wobey mir denn lieb ist, aus deinem Briefe zu sehen, daß du dich auch vor diesem so sehr zur Gewohnheit gewordenen Getränk in Acht nimmst, das mehr als man glaubt einem besonnenen heitern und thätigen Leben entgegenwirfst.

Eben so lobe ich, daß du nur wenige Stunden besuchst. Es kommt beym Studiren alles darauf an, daß man über das, was man sich zueignen will, Schritt vor Schritt Herr bleibe. Sobald einem das Überlieferte über den Kopf wächst; so wird man entweder dumpf oder verdrießlich, und kommt gar zu leicht in Versuchung alles abzuschütteln.

Daß auch deine Studien einen Historischen Gang nehmen ist mir sehr angenehm. Zu erfahren wie die Zustände nach und nach auf eine irdisch menschliche[73] Weise herangekommen, was verloren gegangen, was geblieben, was fortwirkt ist so belehrend als erfreulich, und die Jugend, die das Glück hat, das Vergangene auf diese Weise zu ergreifen, anticipirt das Alter und bereitet sich ein heiteres Leben. Das Allgemeine giebt sich auf diesem Wege von selbst: denn in dem irdischen Kreise ist denn doch alles wiederkehrend.

Daß du deiner eignen Natur nach auf diesem Wege bleiben wirst ist mir sehr erfreulich, da ich nicht zu befürchten habe, daß du dich auf die philosophischen und religiosen Fratzen einlassen möchtest, welche jetzt in Deutschland sogar manchen guten Kopf verwirren und doch zuletzt auf nichts als auf einen abstrusen Selbstdünkel hinausführen. Lebe besonnen und vergnügt auf dem Segmente der Erdkugel wo dich dein gutes Geschick hinführt. An Spiralen und noch wunderlichern Linien ist ohnehin kein Mangel.

Empfiehl mich Herrn Hofrath Thibaut vielmals und danke ihm auf das beste in meinem Namen. Es gehört auch mit unter die Wirkungen deines Glücksterns, daß du durch einen so gründlichen und angenehmen Lehrer in das academische Wesen eingeleitet wirst.

Hast du ihn noch nicht hören auf dem Pianoforte spielen, so siehe, daß du dazu gelangst. Du wirst ihn auch auf diesem Instrumente bewunderns- und liebenswürdig finden.

Frage doch nach ob etwa künftigen Winter über[74] Spittlers Entwurf der Geschichte der europäischen Staaten gelesen wird. Es ist dieses Werk neu abgedruckt und von unserm Sartorius gar trefflich bis auf die neusten Zeiten fortgesetzt worden. Ein solches Collegium würde dich in die neuere Weltgeschichte einführen, dir einen Begriff der verschiedenen Regierungsformen geben und die frühern wunderlichen und jetzt höchst seltsamen Verhältnisse der europäischen Staaten zu einander deutlich machen, und würde dir im Verfolg der alten Staatengeschichte recht nützlich seyn.

Auch ohne mein Ermahnen wirst du fortfahren in der Gegend Entdeckungswanderungen zu machen. Die guten academischen Jahre auch in einer herrlichen Gegend und merkwürdiger Nachbarschaft zuzubringen, ist ein Glück das ich nicht genossen habe, da ich drey Jahre in dem steinernen, auf der Fläche wo nicht im Sumpf doch am Sumpfe liegenden Leipzig zubrachte. Wenn die Früchte nun hinter einander reif werden; so wirst du auch dieser Segensfülle mit Dank genießen.

Von Bergern ist es recht freundlich, daß er dich besuchte. Sein Recept lag nicht bey; auch bedarf ich dessen jetzt nicht und hoffentlich überhaupt nicht mehr. Wer weiß wo du diesen ewig wandernden Halbstudenten noch irgend einmal wieder antriffst, wobey ihr euch denn freylich manches früh zusammengenossenen Guten und Lustigen erinnern könnt.

Gedenke meiner im Vossischen Hause und danke unserm Professor schönstens für den Brief an Riemer,[75] der uns auch manches löbliche von dir erfahren läßt. Er soll mir doch auch ja bald schreiben: denn hier in der Einsamkeit thut ein freundschaftliches Wort von außen gar wohl.

Da noch Raum üblich ist, so will ich noch einiges Carlsbadische hinzufügen. Prochaska ist nicht mehr hier. Man hat ihm die erste Kreis Commissairstelle in Eger gegeben, wo er denn auch nach seiner Weise im Aufräumen begriffen ist. Der neue heißt Hoch, der von Prag für die Curzeit zur Inspection herkommt. Ich bin neugierig, ob er sein Amt eben so gut führt. Bis jetzt sehen die Polizeydiener noch sehr schmutzig aus; die Kinder machen entsetzlichen Lärm, auf der Wiese ist noch kein Sand angefahren und bey den Brunnen und auf den Promenaden finden sich Bettler ein. Doch das alles wird anders werden, wenn das Kreisamt anrückt, welches in diesen Tagen von Elbogen herüber zieht.

Graf Bolza und sein goldnes Schild sind noch in völligem Glanze. Die Carlsbader jungen Frauen und Mädchen loben ihn sehr. Er hat diesen Winter ein Casino gehalten, wozu die Männer, jeder monatlich 12 gr., die Frauen 8 gr. unsres Geldes beytrugen. Wöchentlich war zweymal Ball und sie waren recht vergnügt, bis es sich zuletzt auf eine kleinstädtische Weise mit Zank der Frauen und mit Pasquillen endigte.

Der Steinschneider Müller ist in seinem 83. Jahre[76] frischer als je, und immer bey aller Witterung auf den Füßen. Von mehrern ältern dir bekannten Steinarten hat er wieder sehr schöne Exemplare zusammengebracht, weil er die Felder im Herbst und Frühjahr, eh' sie bestellt waren, sorgfältig abgesucht hat. Auch ist ihm manches neue unter die Hände gekommen, besonders sehr schöner Hornstein mit vegetabilischen Resten, die ich für eine Art von Farrenkräutern ansprechen muß. Die Höhlungen in denen manche Stängel saßen gehen jetzt wie Kanäle durch den Hornstein durch und durch. Kennst du Jemand, dem mit solchen Dingen gedient wäre; so wollte ich von dem bedeutendsten etwas zusammenmachen. Hätte er meinen Aufsatz gesehen, so dürfte er nur die Nummern bezeichnen, an denen ihm vorzüglich gelegen wäre. Der Aufsatz steht im Leonhardischen Taschenbuch, das gewiß in Heidelberg ist.

Die Chaussée gegen Eger zu ist um ein gutes Stück gewachsen. Die von Prag her steht noch auf der Stelle über dem Wirtshause still, wo du sie gelassen hast. Die letztere bleibt ein herrlicher Spaziergang, besonders Abends, wenn die Sonne untergeht. Am meisten aber bin ich doch auf dem Chotekischen Wege zu finden, der mir beym Gebrauch des Schloßbrunnens zunächst und am bequemsten liegt. So sehr man auch die Gegend kennt, so wird man doch immer durch ihre bedeutende Mannigfaltigkeit überrascht. Sie kommt mir jetzt vor, wie ein höchst interessantes Mährchen,[77] das man oft gehört hat, und nun wieder vernimmt. Die Verwunderung ist abgestumpft; aber man fährt doch immer fort zu bewundern und man weiß nicht recht, wie einem zu Muthe ist.

Das Wetter war die Zeit her anhaltend schön; Gewitter und Regen nur vorübergehend und oft ganz heitere wolkenlose Tage.

Außer mancherley Arbeiten, die wir schon vollbracht und angefangen, haben wir Cicero's Briefe, übersetzt von Wieland, Spittlers Geschichte der europäischen Staaten und Friedrich Schlegel über Sprache und Weisheit der Indier gelesen.

Frau von Stael hat mich nach Dresden eingeladen, wo sie sich in diesen Tagen aufhält; ich konnte aber aus mehrern Ursachen diesem Ruf nicht folgen. Nun weißt du so viel von uns als wenn du unmittelbar neben uns lebtest. Laß uns auch bald wieder von dir etwas vernehmen.

G.


20/5545.


An Christiane von Goethe

Von allen Seiten her hatte ich Briefe, nur nicht von dir, wonach mich doch so sehr verlangte. Nun kommt auf einmal das Kästchen und das Paket, worin nichts als Gutes und Angenehmes enthalten ist und worüber ich mich so wie über dein Wohlseyn von Herzen freue. Mir geht es sehr gut, sowohl[78] körperlich als geistig, und wird auch manches gearbeitet; doch fängt jetzt schon an die Gesellschaft größer zu werden und da giebt es viel Zerstreuung. Die Ankunft von der Ziegesarschen Familie war mir sehr erfreulich. Ich sehe sie viel und gehe mit ihnen spazieren. Nun wird es von Tag zu Tag lebhafter; das Wetter ist aber seit einiger Zeit nicht so gut wie anfangs.

Ich lege ein paar Briefe bey, die dir viel Freude machen werden, von August und der Mutter. Wie es mit deinem Loos steht, wirst du schon wissen, oder auch aus der Mutter Brief ersehen. Nimm ja gleich wieder ein neues Loos: denn was du nun gewinnst, gehört von Gott und rechtswegen dein. Eberweinen gieb seine Gesänge zurück. In den einen hat Zelter hineincorrigirt und überhaupt ein recht umständliches Urtheil in einem Briefe über das Ganze gefällt, wovon ein Auszug nachfolgen soll. Auch sage ich heute nichts weiter. Und nun erwarte in Weimar keinen Brief weiter von mir. In Lauchstädt aber sollst du einen wo nicht finden doch bald erhalten. Ich wünsche dir recht viel Vergnügen und guten Fortgang in dienen kleinen geselligen Freunden, die uns künftigen Winter auch wieder Frucht tragen sollen. Grüße alles zum schönsten, und schicke Augustens Brief an Frau von Stein. Lebe recht wohl und schreibe mir von Lauchstädt gleich.

Carlsbad den 12. Juni 1808.

G.[79]


20/5546.


An Charlotte von Stein

Durch deinen rückkehrenden Kutscher will ich eilig nur ein paar Worte schreiben und für den Brief, so wie auch für das darin enthaltene Blümchen danken, welches ganz das Ansehn eines Veilchens gewonnen hatte. Ich werde mir bald mehr einbilden als der heilige Antonius, der den Fischen predigte, wenn die Blumen zu meiner Rede so freundlich ihre Öhrchen herleihen. Ich thue mein möglichstes, um zunächst wieder ein so liebenswürdiges Auditorium unterhalten zu können. Vielleicht schicke ich bald etwas, damit mein Andenken aufgefrischt werde. Empfehlen Sie mich an allen guten Tagen und Stunden, besonders Dienstags in der Frühe. Mir geht es sehr wohl, nun wird das Spaziergehn durch das üble Wetter, der Fleiß durch zudringende Gesellschaft abgehalten.

Doch ist der Tag lang genug und es geschieht immer etwas. Einen Brief von meinem August aus Heidelberg, an mich, wird man Ihnen zuschicken; nehmen Sie ihn freundlich auf. Für heute nicht mehr als das beste Lebewohl.

Carlsbad den 12. Juni 1808.

G.[80]


20/5547.


An Christiane von Goethe

Du hast mich zwar diesmal sehr lange auf einen Brief warten lassen; doch war es mir sehr lieb, und da ich zugleich einen so großen Transport von allerley erwartetem und unerwartetem Guten erhielt; so war es ein rechter Festabend als die Russen ankamen.

Da ich mich diesmal so wohl in CarlsBad befinde und überhaupt, mich hier sehr glücklich fühle; so freut es mich auserordentlich daß du auch etwas ähnliches an Lauchstädt hast. Genieße nur des Guten ungetrübt, indem du deiner Lebensweise treu bleibst und wie es die Gelegenheit giebt immer ein wenig vorwärts rückt so wirst du dich trefflich befinden. Schreibe mir nur bald von Lauchstädt und richte es ein daß ich wenigstens alle vierzehn Tage Brief und Nachricht erhalte. Auch Genast soll mir berichten wie die Sachen stehn und gehn.

Daß ich hier in Gesellschaft der alten Äugelchen ein stilles Leben führe dagegen hast du wohl nichts einzuwenden, auf alle Fälle wirst du dich zu entschädigen wissen, wovon ich mir getreue Nachricht ausbitte. Recht schön wäre es aber wenn wir uns entschlössen auf den Herbst eine kleine Reise zusammen zu machen.

Das beyliegende Blatt gieb Eberweinen. Freylich wird es ihm mehr zu dencken geben als ihn belehren;[81] denn dazu müßte er Zeltern einige Zeit persönlich sehen und hören. Das Allgemeine was dieser Meister sagt trifft mit dem zusammen was ich dir einmal sagte: die Eberweinischen Sachen haben wenig Charackter und das kommt hauptsächlich daher weil er nicht die rechten Texte wählt und Verse nimmt die sich als Chorgesang nicht decken lassen.

Unsre Haushaltungsordnung ist sich die ersten vier Wochen sehr gleich geblieben, wir brauchen zu Bestreitung alles nöthigen wöchentlich etwas über 20 rh. Das Papiergeld fällt noch immer, dergestalt daß man bey den fixen Ausgaben einigen Vortheil hat; denn Handwercker und Handelsleute steigern ihre Preise von Zeit zu Zeit.

Augustens Briefe machen mir viel Freude. Es ist freylich was eignes so allein in der Welt zu stehen und alles baar bezahlen zu müssen, da man zu Hause so vielen Hinterhalt und Ausflüchte hat. Er mag sich noch ein wenig hinhelfen, damit er sieht was das Geld wehrt ist; dann kann man ihm ja wohl mit etwas auserordentlichen beyspringen.

Übrigens werden wir beyde selbst recht wohl thun wenn wir wieder zusammenkommen daß wir unsre Finanzplane die seit dem 14. Ocktober noch nicht recht wieder in die Ordnung wollten gemeinschaftlich bedencken und aufs neue einrichten.

Das Theater betreffend wirst du in dem bisherigen Gange fortfahren und alles bemercken damit mir[82] nichts fremd sey wenn wir wieder zusammen kommen. Grüse sie sämtlich. Die musikalischen Übungen halte ja zusammen. Es ist diese Unterhaltung mehr werth als man denckt wenn man sie haben kann.

Nun lebe recht wohl. Ich habe einen sehr artigen Brief von der Bardua aus Dresden, die sich dir schönstens empfielt. Zum Schlusse sag ich nur noch daß ich dir ein Paar köstliche Rindszungen gekauft habe und will sehen sie nach Leipzig zu bringen, von wo du sie leicht erhalten wirst. Ich freue mich auf Nachrichten von dir.

Carlsb. d. 15. Juni 1808.

G.


Um das Service zu haben mußt ich auf der Fabrick gute Worte geben, nichts ist vorräthig und viel Bestellungen da. Sie wollen mir aber eins machen. Ich habe ein ganz glattes bestellt. In vier Wochen soll ich's haben.


20/5548.


An Carl Friedrich Zelter

Carlsbad den 22. Juni 1808.

Ihr lieber Brief vom 6. April ist mir erst hier in die Hände gekommen. Die Eberweinischen Gesänge habe ich sogleich zurückgeschickt und Ihre gefällige Recension abschriftlich nachgeschickt. Wie vortheilhaft würde es diesem junge Menschen seyn, wenn er eine[83] gehörige Zeit unter Ihnen studiren könnte. Jetzt aber widerfährt ihm was allen Anfängern begegnet: sie gehen in der Irre wie die Schafe und ein Jeglicher sieht auf seinen Weg.

Für alles übrige was Sie auf meine Fragen mir zum Trost und Belehrung sagen, danke ich zum allerschönsten; nur habe ich bey Ihren theoretischen Äußerungen, welche, wie ich recht gut weiß, mit den Überzeugungen der physicalischen und musicalischen Welt übereinstimmen, nach meiner Art etwas zu erinnern. Wie sehr wünschte ich über diese Sache, welche mit andern, die ich ruminire, so genau zusammenhängt, mit Ihnen zu sprechen, weil sich mir alsdann gewiß einige Hauptknoten lösen würden. Ich lege ein Blatt bey, worauf Ihre Äußerung wiederholt steht, dahinter meine Zweifel, Einwendungen und Fragen, insofern ich mich in einer so complicirten Sache zusammenfassen konnte. Da ich die Puncte numerirt und eine Abschrift davon behalten habe, so könnten Sie mir nur auf Nummer für Nummer freundlich antworten, und ich würde Ihre Aufschlüsse mit meinem Concept zusammenhalten können.

Schon seit dem 15. May bin ich hier, habe die ersten vierzehn Tage bey dem schönsten Wetter auch fleißig genug zugebracht: nachher ist gute Gesellschaft gekommen und schlecht Wetter eingefallen, wodurch denn meine Lebensweise sich verändert hat. Eine dritte Epoche steht mir bevor, schönes Wetter und[84] große Gesellschaft; da ich denn wohl meine Zeit abermals in der Einsamkeit nutzen werde.

Das Exemplar meiner letzten acht Bände ist wohl noch nicht bey Ihnen angekommen. Auch bey seinem etwas späteren Erscheinen werden sie Ihnen hoffentlich willkommen seyn. Die Fragmente eines ganzen Lebens nehmen sich freylich wunderlich und incohärent genug neben einander aus; deswegen die Recensenten in einer gar eigenen Verlegenheit sind, wenn sie mit gutem oder bösem Willen das Zusammengedruckte als ein Zusammengehöriges betrachten wollen. Der freundschaftliche Sinn weiß diese Bruchstücke am besten zu beleben.

Wenn Ihnen das Vossische Sonett zuwider ist, so stimmen wir auch in diesem Puncte völlig überein. Wir haben schon in Deutschland mehrmals den Fall gehabt, daß sehr schöne Talente sich zuletzt in den Pedantismus verloren. Und diesem geht's nun auch so. Für lautere Prosodie ist ihm die Poesie ganz entschwunden.

Und was soll es nun gar heißen eine einzelne rhythmische Form, das Sonett z.B., mit Haß und Wuth zu verfolgen, da sie ja nur ein Gefäß ist, in das jeder von Gehalt hineinlegen kann was er vermag. Wie lächerlich ist's, mein Sonett, in dem ich einigermaßen zu Ungunsten der Sonette gesprochen, immer wiederkäuen, aus einer ästhetischen Sache eine Parteysache zu machen und mich auch als Parteygesellen[85] heranzuziehen, ohne zu bedenken, daß man recht gut über eine Sache spaßen und spotten kann, ohne sie deswegen zu verachten und zu verwerfen.

Den beykommenden Gedichten dieser Art wünsche ich bey Ihnen eine desto bessere Aufnahme. Nur bitte ich inständig sie nicht aus Händen zu geben.

Von hier wüßte ich nun weiter nichts zu schreiben, als das ich mich recht wohl befinde und auch fleißig bin wie es gehen will. Sind Ihnen die beyden ersten Hefte des Wiener Prometheus zur Hand gekommen; so haben Sie ja auch wohl meiner Pandora einen günstigen Blick geschenkt. In fünften oder sechsten Stück werden Sie dieses hübsche Kind näher kennen lernen. Lesen Sie doch ja Friedrich Schlegel: Über die Sprache und Weisheit der Indier, und bewundern, wie er ein ganz crudes christ-katholisches Glaubensbekenntniß mit den herrlichsten Ansichten über Welt-, Menschen- und Culturgeschichte zu verweben gewußt hat. Man kann dieses Büchlein also auch für eine Declaration seines Übertritts zur alleinseligmachenden Kirche ansehen. Alles dieses hocus-pocus, es mag nun wirken, wie es will, wird ihm aber doch im Ganzen nicht helfen. Die ächte Sinnesart ist zu weit verbreitet, und kann nicht mehr untergehen, sie mag sich auch durch Individualitäten soviel modificiren als sie will.

G.


Ein Gleichniß als Nachschrift.

[86] Alle Künste, indem sie sich nur durch Ausüben und Denken, durch Praxis und Theorie, heraufarbeiten konnten, kommen wir vor wie Städte, deren Grund und Boden worauf sie erbaut sind, man nicht mehr entziffern kann. Felsen wurden weggesprengt, eben diese Steine zugehauen und Häuser daraus gebaut. Höhlen fand man sehr gelegen und bearbeitete sie zu Kellern. Wo der feste Grund ausging, grub und mauerte man ihn; ja vielleicht traf man gleich neben dem Urfelsen ein grundloses Sumpffleck, wo man Pfähle einrammen und Rost schlagen mußte. Wenn das nun alles fertig und bewohnbar ist, was läßt sich nun als Natur und was als Kunst ansprechen? Wo ist das Fundament und wo die Nachhülfe? Wo der Stoff, wo die Form? Wie schwer ist es alsdann Gründe anzugeben, wenn man behaupten will, daß in den frühsten Zeiten, wenn man gleich das Ganze übersehen hätte, die sämmtlichen Anlagen, Natur-, Kunst-, Zweckgemäßer hätten gemacht werden können? Betrachtet man das Clavier, die Orgel, so glaubt man die Stadt meines Gleichnisses zu sehen. Wollte Gott ich könnte auch einmal an Ihrer Seite meine Wohnung dort aufschlagen und zum wahre Lebensgenuß gelangen; wobey ich alle Fragen über Natur und Kunst, über Theorie und Praxis, herzlich gern vergessen möchte.[87]


[Beilage.]

1) Die Moll Tonart unterscheidet sich von der Dur Tonart durch die kleine Terz.

Unterscheidet sie sich nicht aber auch durch die Verkleinerung oder Verengerung der übrigen Intervalle?

2) welche an die Stelle der großen Terz gesetzt wird.

Dieser Ausdruck kann nur gelten wenn man von der Dur Tonart ausgeht. Ein Theorist nordischer Nationen, der von den Moll Tönen ausginge, könnte eben so gut sagen, die große Terz werde an die Stelle der kleinen gesetzt.

3) Unsre heutige diatonische (natürliche) Tonleiter.

Daß die diatonische Tonleiter allein natürlich sey, dagegen geht eigentlich meine Opposition.

4) entspringt aus der Theilung der Saite. Theilt man diese in die Hälfte etc. etc.

Daß die Theilung der Saite in bestimmbare Theile Klänge hervorbringt die für das Ohr harmonisch sind, ist ein sehr hübsches Experiment, das denn auch eine gewisse Tonleiter begründen möchte; aber was auf diese Weise nicht gelingt, sollte es nicht auf eine andre Weise möglich seyn?

5) Man mag aber die Saite in soviel Theile theilen als man will, so entsteht niemals eine kleine Terz, obgleich man dieser dadurch immer näher kommen kann.

Es ist von einem Experiment zu viel gefordert,[88] wenn es alles leisten soll. Konnte man doch die Electricität erst nur durch Reiben darstellen, deren höchste Erscheinung jetzt durch bloße Berührung hervorgebracht wird. Man müßte auf ein Experiment ausgehen, wodurch man die Moll Töne gleichfalls als ursprünglich darstellen könnte.

6) Demnach ist diese kleine Terz kein unmittelbares Donum der Natur, sondern ein Werk neuerer Kunst.

Ich läugne die Folgerung, da ich die Vordersätze nicht zugebe.

7) Und man muß sie als eine erniedrigte große Terz betrachten.

Dieses ist eine Ausflucht deren sich die Theoristen gewöhnlich zu bedienen pflegen wenn sie etwas die Natur beschränkendes festgesetzt haben: denn alsdann müssen sie auf eine sehr paradoxe Weise, was sie einmal behauptet, wieder aufheben und vernichten. Wenn eine große Terz ein Intervall ist, das uns die Natur giebt, wie kann man sie erniedrigen ohne sie zu zerstören? Wie viel und wie wenig kann man sie erniedrigen, daß es keine große Terz und doch eine Terz sey? Und wo hört sie denn überhaupt auf noch eine Terz zu sein? Mein supponirter nordischer Theorist würde mit eben dem Rechte sagen, die große Terz sey eine erhöhte kleine.

8) Wie sie denn auch von den strengsten Componisten wie ein consonirendes Intervall behandelt worden.[89]

Hier tritt ja bedeutlich der Fall ein, der in der Kunst und Technik so oft vorkommt, daß sich der praktische Sinn von einer theoretischen Beschränkung ohne viel Complimente zu retten weiß.

9) D.h. sie darf überall, wie die große Terz, frey und unpräparirt eintreten, was in einem reinen Style keine Dissonanz darf.

Wenn sie als consonirendes Intervall behandelt wird, so ist sie consonirend: denn dergleichen läßt sich durch Convention nicht erst festsetzen. Wenn sie frey und unpräparirt eintreten darf, so ist sie keine Dissonanz; sie ist von Natur harmonisch, und eben so alles was wieder aus ihr entspringt.

Hier tritt eine oben schon berührte, bey der ganzen Naturforschung höchst merkwürdige Betrachtung ein. Der Mensch an sich selbst, insofern er sich seiner gesunden Sinne bedient, ist der größte und genaueste physicalische Apparat den es geben kann. Und das ist eben das grüßte Unheil der neuern Physik daß man die Experimente gleichsam vom Menschen abgesondert hat, und blos in dem was künstliche Instrumente zeigen die Natur erkennen, ja was sie leisten kann dadurch beschränken und beweisen will. Eben so ist es mit dem Berechnen. Es ist vieles wahr was sich nicht berechnen läßt, so wie sehr vieles, was sich nicht bis zum entschiedenen Experiment bringen läßt. Dafür steht ja aber der Mensch so hoch, daß sich das sonst Undarstellbare in ihm darstellt. Was[90] ist denn eine Saite und alle mechanische Theilung derselben gegen das Ohr des Musikers? Ja, man kann sagen, was sind die elementaren Erscheinungen der Natur selbst gegen den Menschen, der sie alle erst bändigen und modificiren muß, um sie sich einigermaßen assimiliren zu können? Doch in diese Betrachtungen will ich mich dießmal nicht verlieren; ich behalte mir vor nächstens besonders darüber zu reden, so wie noch über einige andre Puncte mir Auskunft zu erbittern.


20/5549.


An Carl Friedrich von Reinhard

Carlsbad den 22. Juni 1808.

Nachdem wir gestern den längsten Tag gefeyert haben, so will ich auf der andern Seite des Jahres nicht hinabsteigen, ohne Ihnen, verehrter Freund, für zwey Briefe zu danken, deren ersten ich noch in Weimar, den zweyten aber hier erhielt. Jenen hatte Herr Schlegel in Frankfurt auf die Post gegeben und begrüßte mich nachher auf seiner Durchreise in Weimar persönlich.

Die Recension meiner vier ersten Bände hatte ich kurz vorher gelesen, das erste was mir seit langer Zeit von ihm zu Gesicht gekommen war. Sie hatte mir viel Vergnügen gemacht: denn ob ich gleich selbst am besten wissen muß, wo in meinem Stall die Zäume hängen, so ist es doch immer sehr interessant[91] sich mit einem verständigen und einsichtsvollen Manne über sich selbst zu unterhalten, und ein scharfsichtiger Fremder, der in ein Haus tritt, bemerkt oft gleich, was der Hausherr aus Nachsicht, Gewohnheit oder Gutmüthigkeit übersieht oder ignorirt.

Allein, da ich nachher eine Recension von Müllers Vorlesungen durchgelesen, Schlegeln selbst gesprochen und sein Büchlein über Sprache und Geist der Indier näher angesehen; so ist meine Zufriedenheit einigermaßen gemindert worden, weil doch aus allem gar zu deutlich hervorgeht, daß die sämmtlichen Gegenstände, die er behandelt, eigentlich nur als Vehikel gebraucht werden, um gewisse Gesinnungen nach und nach ins Publicum zu bringen und sich mit einem gewissen ehrenvollen Schein als Apostel einer veralteten Lehre darzustellen.

Ich begriff nun erst die Recension meiner Arbeiten und sah wohl ein, warum manches so übermäßig ins Licht gehoben, anderes in den Schatten zurückgedrängt war; die Absichtlichkeit von jeder Zeile wurde klar, meine Einsicht aber ward vollkommen, als ich S. 97 des indischen Büchleins den leidigen Teufel und seine Großmutter mit allem ewigen Gestanksgefolge auf eine sehr geschickte Weise wieder in den Kreis der guten Gesellschaft hereingeschwärzt sah. Ich werde nun eine Zeitlang, was ich von ihm habhaft werden kann, mit Aufmerksamkeit lesen, um zu sehen, wie ein Mann dieser Art nach und nach immer[92] derber auftritt, ja was sag' ich nach und nach! – er hat alles schon so vorbereitet, daß er nächstens in seinem Apostolat vor der Welt, die ohnehin niemals weiß, was sie sieht und was sie will, ganz ungescheut auftreten darf. Man schreibt mir von Wien, daß er dahin kommen werde. Ich wünsche, daß er dort einigen zeit lichen Vortheil finden möge. Übrigens ist in den österreichischen Staaten jetzt ein Proselyt wenig geachtet. Die Verstandesgährung, welche Joseph der Zweyte hervorgebracht, wirkt noch immer im Stillen fort. Sich dem Protestantismus zu nähern ist die Tendenz aller derer, die sich vom Pöbel unterscheiden wollen; ja ich habe bemerkt, daß wenn man sich auf die protestantisch poetische Weise über die katholische Religion und Mythologie ausdrücken will, man sich lächerlich, ja in gewissem Sinne verhaßt machen kann. Und so giebt es denn, wie bey großen Festen, ein Gedräng an der Kirchtüre, wo die einen hinein und die andern hinaus wollen.

Durchaus ist aber diese Schlegelsche Conversion sehr der Mühe werth, daß man ihr Schritt vor Schritt folge, sowohl weil sie ein Zeichen der Zeit ist, als auch weil vielleicht in keiner Zeit ein so merkwürdiger Fall eintrat, daß im höchsten Lichte der Vernunft, des Verstandes, der Weltübersicht ein Vorzügliches und höchstausgebildetes Talent verleitet wird sich zu verhüllen, den Popanz zu spielen, oder wenn Sie ein ander Gleichnis wollen, so viel wie[93] möglich durch Läden und Vorhänge das Licht aus dem Gemeindehause auszuschließen, einen recht dunklen Raum hervorzubringen, um nachher durch das foramen minimum so viel Licht, als zum hocus pocus nöthig ist, hereinzulassen.

Da man über seine Absichten und seine Schleichwege nun schon deutlicher ist, so bin ich wirklich neugierig, wie er sich gebärdet, wenn er meine folgenden acht Bände recensiren sollte, und inwiefern er abermals Gelegenheit nehmen wird, die ästhetische Cultur, den Polytheismus und Pantheismus verdächtig zu machen.

Da ich von meinen letzten acht Bände rede, so füge ich hinzu, daß ich diesen auch eine gute Aufnahme in Falkenlust wünsche. Ich fürchte, dieser Brief kommt eher an als das Paket, indem ich es habe durch eine Unbehülflichkeit von Tübingen über Weimar gehen lassen.

Da Ihnen der Wiener Prometheus in die Hände kommt, so darf ich Ihnen wohl meine Pandora nicht empfehlen. Sie ist mir eine liebe Tochter, die ich wunderlich auszustatten gedrungen bin.

Bey dem schönsten Wetter, das uns nach einer langen Pause hier wieder zu besuchen scheint, gedenke ich der schönen Gegend, in der Sie sich jetzt befinden, und freue mich Ihrer Zufriedenheit, deren Sie in Ihrem ländlichen Aufenthalte genießen. Wenn Sie eine neue Aufforderung zur Thätigkeit ablehnen[94] konnten, so wird Ihnen die Abgeschiedenheit von der Welt gewiß auch ganz gemäß seyn. Wenn Sie dann im Stillen die letzten zwanzig Jahre der deutschen Literatur nachholen, wie Ihnen erst jetzt Herders Ideen zu Hand ge kommen sind; so werden Sie den merkwürdigen Gang, den diese große Masse genommen hat, klarer einsehn, als diejenigen, die selbst mitwirkten. Lassen Sie mich ja von Zeit zu Zeit Ihre Gedanken erfahren: denn man hat immer mehr Ursache sich mit und an denen zu befestigen, die aus einer Bildung und Sinnesepoche mit uns übrig geblieben sind. Ihre Confession oder Digression vom 7. März ist mir auferbaulich, so oft ich sie wieder lese; und so fahren Sie fort, mich manchmal von sich hören zu lassen.

Was mich betrifft, so treib' ich mein Wesen vor wie nach, nur will der Fleiß bey mir keine rechte Folge haben; auch würde ich vielleicht, wenn nicht einige angefangene Sachen mich drängten und äußre Veranlassungen mich in Bewegung setzten, bald gar nichts mehr thun. Vielleicht gönnt mir der Himmel in den nächsten Jahren diesen wünschenswerthen Zustand.

Viel besser befinde ich mich, als die nächst vergangene Zeit.

Daß die Stanzen der Zuneigung meines Faust vorläufig gut gewirkt, ist mir sehr angenehm zu hören; doch muß ich zur Steuer der Wahrheit und zu Ehre meines, wenn ich nicht irre, ziemlich verkannten[95] Inneren, versichern, daß die Strophen schon sehr alt sind und ihre Entstehung keineswegs den Tribulationen der Zeit verdanken, mit denen ich mich auf eine lustigere Weise abzufinden pflege. Soviel habe ich über haupt bey meinem Lebensgange bemerken können, daß das Publicum nicht immer weiß wie es mit den Gedichten, sehr selten aber, wie es mit dem Dichter dran ist. Ja ich läugne nicht, daß, weil ich dieses sehr früh gewahr wurde, es mir von jeher Spaß gemacht hat, Versteckens zu spielen.

Seit gestern habe ich das Schlegelsche indische Werk wieder angesehen, und finde darin völlig dasselbige Benehmen, das Sie von seinem Umgange bemerken. Er verbirgt seine Gesinnungen nicht, ja er läßt sie nicht einmal errathen, sondern er spricht sie ganz deutlich aus; doch weiß er sie rhetorisch gewandt mit allgemeineren historischen, kritischen Ansichten und Überzeugungen zusammenzuflechten, daß man recht aufpassen muß, um genau zu unterscheiden, wo man mit ihm einig seyn kann, oder wo man ihn muß fahren lassen. Eben habe ich erst heute S. 201 die alleinseligmachende katholische Kirche entdeckt. Vielleicht schicke ich Ihnen nächstens die Confession dieses neuen Augustinus im Auszuge.

G.[96]


20/5550.


An Johanna Frommann

[22. Juni.]

Hätten Sie, theure Freundin, in jener Stunde, als Sie uns Ihren lieben Brief zudachten und schrieben, empfinden können, wie nachrichtsbedürftig wir damals waren, so hätte Sie unser lebhaftester Danck für diese Wohlthat schon im Voraus belohnt. Die ersten Wochen befanden wir uns hier ganz ohne Nachricht, bis uns denn endlich ein abwesender Freund nach dem andern und die Ziegesarische Familie durch ihre Gegenwart wieder in ein heimisches Behagen versetzte. Nun geht es recht schön, die Gesellschaft mehrt sich und wenn wir auch nicht mit vielen umgehn, so gehn doch viele um uns herum.

Von Ihnen hoffen wir nun auch, daß Sie sich in dem Genusse befinden werden, den die Ankunft Ihrer Nächsten versprach. Geben Sie uns doch ja bald wieder nähere Kenntniß davon.

Besonders danckbar sind wir für die Versichrung, daß es unserm Minchen wohlgehe. Zwar konnte man voraussehn, daß ein so liebes Kind, das der Natur und Ihnen so viel verdanckt, überall zum Besten aufgenommen seyn und lebhafte Freundschaft erwecken würde, doch ist es eine eigne Empfindung, wenn die Abwesenheit geliebter Personen uns verdrießlich fällt, so können wir uns sie und ihre Umgebungen niemals[97] ganz heiter vorstellen. Desto erfreulicher ist die ausdrückliche Versicherung ihres Wohlbehagens. Mögen Sie meine besten Wünsche und Grüsse zu ihr gelangen lassen!

Frau Geh. Räthin Loder hoffe ich noch anzutreffen. Man kann mir von ihren lieben Kindern nicht Gutes genug erzählen. Ich bitte mich ihr bestens zu empfehlen. So auch Herrn Frommann und den lieben Ihrigen. Gegen uns fahren Sie fort auch abwesend freundlich zu seyn. Den 1. July verlassen uns die Drackendorfer Lieben, wir bedürfen also aufs neue eines wohlwollenden Zuspruchs. Das beste Lebewohl!

Goethe.


20/5551.


An Bettina Brentano

Carlsbad den 22. Juni 1808.

Ist es wahr, was die verliebten Poeten sagen, daß kein größeres Vergnügen sey, als das Geliebte zu schmücken; so haben Sie vortreffliche kleine Freundinn, das größte Verdienst um mich, indem Sie mir so oft Gelegenheit geben, irgend Jemand, dem ich wohl will, mit Ihren Gaben auszuputzen, die so mannigfaltig sind, daß ich wirklich nicht einmal weiß, ob ich Ihnen schon für die chinesischen Früchte gedankt habe, die beynahe in meinem Kreise zu Zankäpfeln geworden wären.

Ihren liebenswürdigen Dichter, dem, wie es mir[98] scheint, Zeichner und Kupferstecher an Form und Ausdruck manches Gute geborgt haben, mußte ich mit hierher nehmen, um recht wohl begleitet zu seyn. Es ist gewiß eine schöne edle Gestalt, und man mag sich den Mann gern so denken, dem man manchen Genuß schuldig ist.

Ihr freundlicher Brief hat mich hier bey Zeiten aufgesucht und mich freylich in eine andre Gegend und unter einen andern Himmel versetzt. Auch ich erinnere mich am Fuße des Johannisbergs schöne Tage gelebt und vortrefflichen Wein getrunken zu haben. Auch ich bin den Rhein hinuntergeschwommen in einem kleinen lecken Kahn, und so habe ich also ein doppeltes Recht an Ihr Andenken.

Vielleicht ist Arnim bey Ihnen, wenn dieser Brief anlangt. Danken Sie ihm für das Heft, das er mir geschickt hat. Ob ich gleich den Nifelheimischen Himmel nicht liebe, unter welchem sich der Einsiedler gefällt; so weiß ich doch recht gut, daß gewisse Climaten und Atmosphären nöthig sind, damit diese und jene Pflanze, die wir doch auch nicht entbehren mögen, zum Vorschein komme. So heilen wir uns durch Rennthiermoos, das an Orten wächst, wo wir nicht wohnen möchten; und um ein ehrsameres Gleichniß zu brauchen: so sind die Nebel von England nöthig um den schönen grünen Rasen hervorzubringen.

So haben auch mir gewisse Aufschößlinge dieser Flora recht wohl behagt. Wäre es dem Redacteur[99] jederzeit möglich dergestalt auszuwählen, daß die Tiefe niemals hohl, und die Fläche niemals würde; so ließe sich gegen ein Unternehmen nichts sagen, dem man in mehr als einem Sinne Glück zu wünschen hat. Grüßen Sie Arnim zum schönsten und entschuldigen mich, wenn ich nicht direct schreibe.

Wie lange werden Sie noch im Rheinlande verweilen? Was werden Sie zur Zeit der Weinlese vornehmen? Mich findet ein Brief wohl noch einige Monate hier, zwischen den alten Felsen neben den heißen Quellen, die mir auch dießmal sehr wohlthätig sind.

Meinem August geht es bis jetzt in Heidelberg ganz wohl. Meine Frau besucht in Lauchstädt Theater und Tanzsaal. Schon haben mich meine entfernte Freunde hier brieflich besucht; mit andern bin ich ganz unvermuthet persönlich zusammengekommen.

Da ich so lange gezaudert habe will ich dieses Blatt gleich fortschicken. Ich schlage es an meine Mutter ein. Lassen Sie mich bald von sich hören.

G.


20/5552.


An Johann Heinrich Meyer

Carlsbad d. 1. Juli 1808.

Sie werden, mein lieber Freund, durch Bibliothekar Vulpius die Verfassungs Urkunde der Münchner Königl. Akademie erhalten. Aus vorstehendem Auszug[100] eines Schellingschen Briefes sehen Sie, daß man dort wünscht, man möge bey uns dieser Anstalt erwähnen. Vielleicht könnte man auch bey dieser Gelegenheit von der Schellingschen Rede ein Wort einfließen lassen. In dem Prometheus findet sich nun auch eine gleiche Urkunde von der Wiener Akademie. Sie beschauten wohl auch diese näher und beschauten beyde. Wenn Sie auch nur die Vorarbeit machten, bis wir uns wiedersehen.

Herr von Aretin hat mir einen sehr artigen Brief übe die Recension der Albrecht Dürers geschrieben, und es ist überhaupt billig, daß man es mit den Münchnern hält, weil es ihnen wirklich Ernst ist, und sie manches thun und vorbereiten.

Für die mir in Ihrem Briefe gegebenen Nachrichten danke ich zum schönsten. Sagen Sie mir, wenn Sie wieder schreiben, doch ein Wort über das Schmettauische Monument, ob es endlich auf seinen Füßen steht. Leben Sie recht wohl und gedenken Sie mein; es geht mir hier recht gut. Wenn der Russische Diaconus von hier nach Weimar geht, sende ich einiges.


20/5553.


An Christiane von Goethe

Da ich überzeugt war daß es dich freuen würde einen Brief von mir in Lauchstedt zu finden; so eilte ich dorthin zu schreiben und dancke dir nun für die[101] baldige Nachricht deiner Ankunft. Mir geht es noch immer recht wohl und ich wünsche nur auch daß du dich bald völlig wiederherstellst. Wenn ich dir rathen sollte; so machtest du bald möglichst eine Parthie nach Leipzig, besuchtest Herrn Docktor Kappe, brächtest viel Empfehlungen von mir und erzähltest ihm deinen Fall. Er giebt dir gewiß einen tüchtigen Rath und du hast alsdann den ganzen schönen Sommer vor dir um ihn zu befolgen, anstatt daß du dich doch jetzt auf eine wunderliche Weise herumschleppst. Schreibe mir doch gleich deine Gedanken darüber, oder vielmehr führe es aus und schreibe mir von Leipzig.

Ich habe bisher in kleiner aber guter Gesellschaft gelebt. Die Zigesarische Familie ist abgegangen. Wir haben viel gute Stunden gehabt. Fräulein Silvie ist gar lieb und gut, wie sie immer war, wir haben viel zusammen spaziert, und sind immer bey unsern Parthieen gut davon gekommen, ob es gleich alle Tage regnete. Das ist das eigne in einem solchen Gebirg daß in ganz kurzen Entfernungen Regen und gutes Wetter zu gleicher Zeit bestehen kann. Was wirst du aber sagen wenn ich dir erzähle daß Riemer ein recht hübsches Äugelchen gefunden hat, und noch dazu eins mit Kutsch und Pferden, das ihn mit spazieren nimmt. Was sich in diesem Capitel bey dir ereignen wird erfahre ich doch wohl auch.

Daß sie in Weimar gegen Frau v. Stael übels von dir gesprochen mußt du dich nicht anfechten lassen.[102] Das ist in der Welt nun einmal nicht anders, keiner gönnt dem andern seine Vorzüge, von welcher Art sie auch seyen, und da er sie ihm nicht nehmen kann; so verkleinert er, oder läugnet sie, oder sagt gar das Gegentheil. Genieße also was dir das Glück gegönnt hat und was du dir erworben hast und suche dir's zu erhalten. Wir wollen in unsrer Liebe verharren und uns immer knapper und besser einrichten, damit wir nach unserer Sinnesweise leben können ohne uns um andre zu bekümmern.

Von Thibaut habe ich einen Brief, auch von Voß beyde übereinstimmend unter sich und mit dem was wir von August wissen. Er macht seine Sachen ganz artig und selbst daß er nicht viel unter Leute mag, in einem kleinen Zirkel lebt, kann man nicht tadlen. Die Zeit die ihm von Studien übrig bleibt, mag er froh und gemüthlich zubringen.

Wenn das Theater im Ganzen gut geht bin ich wohl zufrieden; im Einzelnen wird es nie an Händeln fehlen. Wäre ich gegenwärtig gewesen; so würde ich mich sehr deutlich darüber erklärt haben inwiefern eine Schauspielerinn auch gegen ihren Mann von mir geschützt werden muß. Halte was dich betrifft nur das Singechor zusammen. Wer weis was daraus entstehen kann wenn wir es einige Jahre fortsetzen. Und manche Unterhaltung verschafft uns diese kleine Anstalt für den Winter. Grüße die sämmtlichen Glieder auch die Elsermann. Für Eberwein lege ich[103] ein Blättchen bey, er sendets an Herrn Hofkammerrath Kirms und bringt bey demselben auf eine anständige Weise sein Gesuch gleichfalls an. Das beste wäre er sendete das Blat seinem Vater daß dieser die Sache mündlich ausmacht, nämlich wann Eberwein weggehen kann und auf wie lange.

Mit einer Gelegenheit habe ich ein Packet in Wachstuch an dich bis Leipzig spedirt das du nun wohl erhalten hast. Es enthielt keine Kostbarkeiten; aber ein Paar geräucherte Zungen, von der besten Sorte.

Carlsbad fängt nun an sich zu füllen. Wie wunderlich es bisher aussah kannst du dir vorstellen wenn ich dir sage daß auf dem ersten Balle die Frauenzimmer mit einander tanzten. Auch ist bis jetzt Abends noch keine Gesellschaft in den Sälen. Die Schauspieler Truppe ist die vom vorigen Jahr.

Zum Schlusse muß ich noch melden daß auch Marianchen angekommen ist artig und gescheidt wie immer. Nun lebe recht wohl, gedencke mein und schreibe bald.

Carlsbad d. 2. Juli 1808.

G.


20/5554.


An Carl Ludwig von Knebel

Carlsbad d. 2. Juli 1808.

Dein freundlicher Brief ist mir vor etwa drey Wochen wohl zugekommen. Nun will ich auch durch[104] eine Gelegenheit antworten, da man sich hier wegen des hohen Porto's und des langsamen Ganges der Briefe von der Post zu scheuen pflegt.

Die sechste Woche meines hiesigen Aufenthalts ist nun schon vergangen. Meine eigentliche Kur habe ich geendigt und trinke nur noch von Zeit zu Zeit weniges nach.

Bisher war die Gesellschaft nicht groß. Man hielt sich nur Partieenweis zusammen. Mit der Ziegesarschen Familie bin ich viel gewesen. Diese sind gegenwärtig nach Franzensbrunn.

Man erwartet die Herzogin von Curland, den Herzog von Gotha und die Coburgischen Herrschaften, wodurch aber mir weder Freude noch Leid zuwachsen wird. Herr von Hendrich kann dir die Badeliste mittheilen. Vielleicht findest du doch bekannte Namen drin.

Bey vielem Gleichgültigen und Wunderlichen findet sich doch auch manches Interessante und Ächte unter so vielen Menschen; z.B. ein Graf Borkovski aus Gallizien, der sich sehr für Mineralogie und Geologie interessirt, und über Freyberg und Dresden zu euch kommen wird. Ich werde ihm ein Blättchen an dich mitgeben und ersuche dich, Seebeck, Lenz, Voigt auf seine Ankunft vorzubereiten. Es ist ein höchst interessanter, noch junger Mann, eine Art Natur dergleichen bey uns gar nicht vorkommt, und von einem unglaublichen Ernst bey allem was er unternimmt. Er ist reich und unabhängig. Seine Bekanntschaft machte ich[105] dadurch, daß er einige von den Steinen mitbrachte, die bey Schammern in Mähren, ein paar Stunden von Iglau, aus der Atmosphäre gefallen sind. Die äußere wellenförmige Verglasung des einen, der inwendig und übrigens ganz mit den französischen übereinkommt, ist höchst merkwürdig, so wie der völlig abweichende habitus des andern.

Der Steinschneider Müller hat doch wieder einige Nova durch seine gewöhnliche Aufmerksamkeit zusammengebracht, so wie ich durch einen Geraischen Arzt auf die dortige Schaumerde aufmerksam geworden, wovon mündlich bey Vorzeigung der Exemplare mehreres erfolgen soll.

Gearbeitet habe ich indessen manches. Zuvörderst brachte ich das Pandorische Drama wenigstens zu einem gewissen Hauptabschnitt. Ich hoffe die Wiener sollen diesen Theil bald gedruckt umhersenden. Viel leicht kommt es dir auch früher als Manuscript in die Hände.

Nun aber laß dich, mein lieber Freund, nicht faul finden, mir auch von Frau v. Stael und was sie betrifft, manches zu melden: wie sie sich im Ganzen und besonders auch mit dir gehalten hat. So viel wirst du mir zugeben, daß es der Mühe werth ist, sie zu kennen: denn man kann sich nur einen Begriff von ihr durch sich selbst machen, indem es ein so höchst merkwürdiges Individuum ist, bey dessen Schilderung man immer in Lob und Tadel das Maaß verfehlt.

[106] Die Felsen und Gebirge habe ich dieses Jahr besser besuchen können als das vorige, da ich mich denn mancher neuen und wohl auch mancher vergessenen Aussichten erfreut habe. In Ellbogen und Engelhaus bin ich auch schon gewesen und habe durch die Bemühung, die ich mir vor einem Jahre mit den hiesigen Fossilien gegeben, eine recht schöne Vorbereitung über diese Gegenstände mehr zu denken und mehr ins Einzelne gehende Beobachtungen zu machen.

Ich habe mir vorgenommen meinen Aufsatz stehen zu lassen wie er ist, aber ihn durch Noten und Zusätze immer deutlicher, anschaulicher und nützlicher zu machen. Schon brauchen ihn die Gäste hier bey ihren Excursionen und Müller hat doch auch einigen Absatz.

Soweit für dießmal. Doch will ich nicht vergessen noch hinzuzufügen, daß ich abermals kleinere und größere Geschichten bearbeite, um mit meinen Vorlesungen fortfahren zu können, wenn wir uns wiedersehen. Ich lege ein paar Briefe bey, meinen August betreffend. Sende sie an den Bibliothekar Vulpius ohne weiters, der schon deshalb Auftrag hat. Viele Grüße!

G.


20/5555.


An Charlotte von Stein

Von Zeit zu Zeit begrüßt mich ein gutes Wort der Freunde und Freundinnen, welches jederzeit hier[107] eine angenehme Erscheinung ist; und so war Ihr Brief, abgeschickt den 25., verehrte Freundin, mir herzlich willkommen.

Carlsbad wo sich bisher die Curgäste nur einzeln und Partieenweise unterhielten, fängt an sich recht zu füllen und die Durchlauchtigen Sterne werden nun bald die übrigen himmlischen Chöre um sich versammeln. Bälle, Concerte und was dergleichen mehr ist, werden lebhafter werden als bisher.

Die Ziegesarsche Familie, mit der ich viel zusammengelebt, ist nun auf Franzenbrunn. Es ist uns überhaupt, besonders aber auch unserer Bequemlichkeit angemessen, mit Personen umzugehen, die wir schon lange kennen. Frühere Verhältnisse, indem sie Vertrauen geben, machen die Unterhaltung schneller interessant und zusammenhängend.

Der Kriegsrath ist so freundlich gewesen mir durch einen Schlesier, seinen Collegen, Gipsabgüsse von sehr interessanten Medaillen zu schicken. Danken Sie ihm dafür aufs beste. Was er wegen der Künstler, die sie verfertigt, zu wissen wünscht, werde ich ihm schreiben, sobald ich wieder nach Hause zu meiner Sammlung und zu Hofrath Meyern komme, der diese Dinge sehr durchstudirt hat.

Frau von Stael in Weimar kann ich mir recht gut denken. Hier höre ich manches von ihrem Aufenthalte in Wien. Es ist eben immer dasselbe. Sie treibt ihr Wesen ohne viel nach andern zu fragen.[108] Sie wirkt, erregt wo nicht Bewunderung, doch Verwunderung, mißfällt besonders den Frauen, und läßt einen üblen Leumund hinter sich, der ihr aber auch weiter nicht schadet: denn wenn sie wieder kommt, geht alles wieder von vorn an. Was Knebel von ihr sagen wird, darauf bin ich sehr neugierig. Es ist mir lieb, daß er sie näher gesehen hat.

Da ich eben Gelegenheit finde ein Paket wegzusenden, so schicke ich Pandorens Wiederkunft bis zu einem Abschnitte. Eigentlich sollte dieser Theil Pandorens Abschied heissen und wenn es mir so viel Mühe macht, sie wieder herbey zu holen, als es mir machte sie fortzuschaffen, so weiß ich nicht wann wir sie wieder sehen werden.

Communiciren Sie dieses Bändchen unserer lieben Prinzeß mit meinen besten Empfehlungen. Ich freue mich schon wieder auf die Zeit, da ich dergleichen werde vorlesen, und anderes mittheilen können. An kleinen Erzählungen war ich bisher fleißig.

Fräulein Gore empfehlen Sie mich vielmals. Mein Capuziner-Garten steht freylich jetzt sehr einsam. Sagen Sie ihr, daß ich Hoffnung habe das Tagebuch der Sicilianischen Reise von Frankfurt zu erhalten, wo es unter den Krausischen Sachen hingekommen. Es wird mir sehr angenehm seyn, es zu erhalten, indem ich dadurch in den Stand gesetzt werde das unternommene freundschaftliche Denkmal desto besser und ausführlicher aufzustellen.

[109] Leben Sie recht wohl und lassen Sie mich bald wieder etwas hören.

Carlsbad d. 2. Juli 1808.

G.


20/5556.


An Johann Heinrich Meyer

Wollen Sie wohl die Gefälligkeit haben, lieber Hofrath, und beygehende Gemmen schätzen, was Sie allenfalls uns, und was Sie reicheren Liebhabern werth seyn könnten, und mir bald darüber Nachricht ertheilen. Die Steine worin Sie geschnitten, sind auch durchaus schön.

Carlsbad den 3. Juli 1808.

G.


20/5557.


An Christian Gottlob Voigt d. J.

Durch Herrn Grafen Borkowski aus Galizien gebe ich Ihnen, lieber Herr Regierungsrath, ein Lebenszeichen. Er ist ein leidenschaftlicher Freund der Mineralogie; aber auch sonst ein sehr unterrichteter vorzüglicher Mann. Erzeigen Sie ihm in Weimar einiges Freundliche. Lassen Sie ihn die Bibliothek sehen und was wir sonst merkwürdiges in Weimar haben. Vielleicht spricht ihn Ihr Herr Vater, dem er schon durch mich angemeldet ist. Mir ist es hier ganz wohl, ob es gleich seit 4 Wochen fast alle Tage[110] regnet. Die erste Zeit war desto schöner. Mich Ihrer Frau Gemahlin und Ihnen zu freundschaftlichem Andenken empfehlend

Carlsbad d. 5. Juli 1808.

Goethe.


20/5558.


An Silvie von Ziegesar

CarlsBad d. 7. Juli 1808.

Ihre lieben Blätter, beste Silvie, habe ich, ob sie gleich vom 2ten und dritten datirt sind erst gestern erhalten. Indess hat sich manche günstige Aussicht gezeigt und ich erwarte nun stündlich den Aufruf wann wir uns nach Zwota begeben sollen. Wie sehr ich mich drauf freue das fühlen Sie selbst. Noch manchen schönen Weg habe ich indessen entdeckt, gestern sind wir mit den Freundinnen über Aich bey dem Heiligenstein gewesen. Davon mündlich. Wie sehr wünsche ich daß Ihrer Frau Mutter das Bad wohl gedeihen möge. Meine besten Empfehlungen! Bleiben Sie meiner eingedenck. Adieu liebe Freundinn.

G.[111]


20/5560.


An Silvie von Ziegesar

[8. Juli.]

Durch den Entschluß der Frau Generalinn verändert sich die Sache in Rücksicht auf mein kommen. Soll ich nach Franzenbad fahren; so will ich auch einige Tage, liebste Freundinn, bey Ihnen verweilen und da Sie doch in den nächsten Stunden Freunde um sich sehen und sich in erwünschter Gesellschaft befinden; so bin ich vielleicht später, vielleicht Montags nicht unwillkommen. Vielleicht höre ich noch ein Wort ich muß schließen.

G.[112]


20/5559.


An Silvie von Ziegesar

Der Gedancke Sie, liebste Silvie, erst Montag zu besuchen scheint mir noch immer der rechte. Gegenwärtiges begleitet die verlangten Waaren.[111]

4 Pfund Zucker

2 Pfund Chocolade

1 Schachtel Oblaten.

Mitterbachers Auslage ist mir noch nicht bekannt.

Tausend Lebewohl und Freuden zur Zusammenkunft. Behalten Sie nur auch etwas Freundlichkeit für mich zurück daß ich nach all dem Lieben nicht ganz leer ausgehe. Adieu! Meine Beste!

CarlsBad d. 8. Jul. 1808.

G.[112]


20/5561.


An Friedrich Wilhelm Riemer

Da ich mich entschlossen habe noch einige Tage hierzubleiben, so schicke ich gegenwärtiges durch Herrn Oberforstmeister von Zigesar.

[112] Wenn der Tischer die Kästchen noch nicht abgeliefert hat; so haben Sie die Gefälligkeit möglichst zu betreiben daß sie fertig werden, damit ich sie finde wenn ich ankomme, weil alsdann gleich eine Gelegenheit zurückkehrt. Doch eingepackt brauchen sie nicht zu seyn. Viel Empfehlungen im Phasanen so wie im Wallfisch. Recht wohl zu leben wünschend

Franzenbrunn d. 11. Jul. 1808.

G.


20/5562.


An Marianne von Eybenberg

Was haben Sie gesagt, liebe Freundin, daß ich Ihnen so entsprungen bin. Eigentlich bin ich entführt worden, und werde jetzt gehalten. Neben und neben nassen! Ziehen und ziehen lassen, das sind ja wohl ein paar Hauptmaximen, wovon aber keine recht diplomatisch ist. Sonnabend bitte ich wahrscheinlich um warmes Wasser, erzähle mancherley. Das frische Geistige hier bekommt mir wohl innerlich und äußerlich. Möge es Ihnen auch wohl gehen! Bitte um freundlichen Empfang.

Franzens Brunn d. 12. Juli 1808.

G.


20/5563.


An Friedrich Wilhelm Riemer

Sie haben durch Herrn v. Zigesar einen Brief erhalten, heute setze ich meine Nachrichten und Aufträge[113] fort. Gegenwärtig käme es darauf an daß eins der Kästchen fertig wäre und eingepackt würde, so daß es entweder Fr. v. Seckendorf den Donnerstag, oder Herr v. Zigesar den Freytag mit herüber nehmen könnte. Welches ich zu besorgen bitte. Das zweyte Kästchen bleibt stehen. Wahrscheinlich bin ich Sonnabends bey Zeiten wieder bey Ihnen. Empfehlen Sie mich den Freundinnen bestens. Man freut sich sehr die Wallfisch Bewohnerin hier zu begrüßen. Leben Sie recht wohl und gedencken mein. Das Wasser bekommt mir sehr wohl, ich trinke und bade. Dr. Kappe hat mir gleich wieder herrlichen Rath ertheilt, durch den ich über manche Unbequemlichkeit hinweg komme. Was an mich angekommen bitte den Freundinnen mitzugeben.

d.12. Jul. 1808.

G.


20/5564.


An Christiane von Goethe

Franzenbrunn bei Eger.

[Mitte Juli.]

Da ich eine Gelegenheit hatte hierher zu kommen; so bin ich herüber gefahren, um Dr. Kappe zu sprechen, der mir zulange ausblieb, er hat mir auch gleich wieder trefflich gerathen und mir von kleinen aber unbequemen Übeln geholfen.

Ich habe ihm deinen Fall vorgetragen. Er wünscht[114] daß du Doktor Schlegel in Merseburg befragest, ihm die Umstände erzählest und ihn ersucht kein Gutachten aufzusetzen, das du mir alsdann nach Carlsbad schicken wirst so bald als möglich. In einigen Tagen gehe ich wieder hinüber und von da hörst du von mir.

Lebe recht wohl mein liebes Kind. Wir müssen sorgen daß du deine Übel noch vor Winters los wirst. Behalte mich lieb. Antworte aber ja hierauf bald möglichst.

Goethe.


20/5565.


An Marianne von Eybenberg

Mit eilender Feder, ein flüchtiges Wort, liebste Freundinn. Die artigen Jonasse sind heute früh abgefahren, ihr ganzer Aufenthalt war uns eine Erinnerung an die nachbarliche Freundinn im Fasanen. Alle Späße wurden wieder lebendig, vom o mio! mio! bis zum petit baiser, und so gingen uns die wenigen Stunden angenehm vorbey.

Ich aber bedarf Ihrer Nachsicht, wenn ich noch länger aussenbleibe; ich trincke hier, ich bade und fühle mich fast von jeder Unbequemlichkeit geheilt, die mir von meinen Übeln noch zurück blieb. Dr. Kappe will, ich soll diese Cur fortsetzen, und so werden Sie mein Aussenbleiben entschuldigen. Einige Erleichterung spürt jedoch mein Gewissen wenn ich Sie in der herrlichen Gesellschaft dencke die Sie jetzt umgibt, besonders[115] stelle ich mir das Zusammentreffen mit dem geistreichen Herzoge höchst merckwürdig vor. Schreiben Sie mir, ich bitte Sie, hierüber ein Wort, sodann aber erzählen Sie Riemern was in der großen Welt inwendig vorgeht; was auswendig zu sehen ist wird er mir aus eigner Erfahrung schreiben. Ich bitte recht sehr darum.

Von hier wüßte ich wenig zu sagen. Ich sehe die Menschen nur im Vorbeygehen. Mit Zigesars wohne ich in einem Hause und so setzen wir das Carlsbader Leben fort.

Ein vulkanischer Hügel in der Nähe interessirt mich sehr. Ein großer, des Chausseebaus wegen ausgegrabener Raum in demselben gleicht so vollkommen ähnlichen italiänischen Merckwürdigkeiten daß ich Sie recht hergewünscht habe. Sie sollten sicher ausrufen:

questo e qualche!

Wenn Ihre liebenswürdige Ungeduld die Himmelsteine gar zu schnell erwartet; so bescheide ich mich gerne daß Ihr gräflicher Diener, selbst auf Ordre einen schönen Prinzeß, nicht gleich solches Halbwunder möglich machen kann. Wir wollen das beste hoffen.

Riemern bitte die Inlage zuzustellen, ihm eine hübsche Relation an mich aufzutragen und wenn er es bedürfen sollte mit einigen Bancknoten unter die Arme zu greifen, da ich mit der ganzen Papierkasse durchgegangen bin. Nun aber leben Sie recht wohl. Grüßen Sie Pepinen und gedencken mein im Strudel,[116] wo nicht am Sprudel. Und liebe Freundinn, bald geschrieben! bitte! bitte! Wenig selbst, viel per secretarium. Addio!

Franzensbrunn, d. 17. Jul. 1808.

Goethe.


20/5566.


An Friedrich Wilhelm Riemer

Ihr Brief mein lieber Riemer hat mir viel Vergnügen gemacht, ich hoffe noch einen zu erhalten; nach dem Mittwochen senden Sie aber nichts mehr, denn zu Ende der Woche werde ich wieder bey Ihnen seyn. Trincken und Baden bekommt mir sehr wohl und ich hoffe nach meiner Rückkehr von den Wahlverwandten stark angezogen zu werden. Die Durchgereisten grüßen nochmals schönstens, so auch die Zigesarischen. Der Vulkanismus des Cammerberges hat mich sehr interessirt. Vielleicht richten wir uns ein auf dem Rückwege einige Tage hier zu bleiben. Viel Empfehlungen an Fr. v. Eibenberg. Leben Sie recht wohl und zeichnen doch etwas.

Frbrunn d. 19. Jul. 1808.

G.


20/5567.


An Christiane von Goethe

Hier, mein liebes Herz, die verlangte Assignation. Thue für deine Gesundheit was du für das beste hältst, bis wir Dr. Kappe consultiren können. Für[117] mich war es ein rechtes Glück daß ich nach Franzenbrunn kam. Er hat mich von einigen Unbequemlichkeiten, die mir doch sehr verdrieslich waren, umsomehr als ich mich sonst recht wohl befand, ohne große Umstände geheilt. Nun bleibt er wohl noch in Carlsbad vierzehn Tage neben mir. Nächstens hörst du mehr. Ich befinde mich so wohl als lange nicht und hoffe dich auch so zu sehen. Adieu geliebtes Kind.

d. 22. Jul. 1808.

G.


NB. Mit der fahrenden Post erhälst du eine Schachtel in Wachstuch, worinn ein Häubchen, mit aufgestecktem Tuche. Ich wünsche daß es zu einem Sonntags Dejeuné ankommen möge.


20/5568.


An Silvie von Ziegesar

Carlsb. d. 22. Jul. 1808

früh sechse.

Wie ich herüber gekommen weiß ich selbst nicht. Die Nacht war herrlich, der Weg so gut er seyn kann, die Pferde rüstig, der Kutscher brav. Ich war in Gedancken bey Ihnen geblieben und merckte nicht daß es fortging; endlich schlief ich abwechselnd und das liebe längliche Gesichtchen war mit aller seiner Freundlichkeit und Anmuth gegenwärtig, von dem rundlichen war gar nichts zu spüren. Nun besorg ich in Eile[118] einiges für Sie. Die Federn schneidet Riemer und ein armseliges Büschelchen lege ich bey gegen die schöne, reiche, geringelte Gabe. Sie sollen mir's aber gewiß nicht in allem so zuvorthun.

Was ich von leidlicher Speise senden wollte wird mir verkümmert. Die Zunge ist vermufft, Krebse, die schön da sind, räth man mir ab zu schicken, weil sie in der Hitze abstehn würden. Daher muß ich an Geistiges dencken das, wie Sie wissen besonders in die Ferne wirkt. Hierbey folgt also: Ein Sonet von Riemer der sich angelegentlichst empfielt, ein Fläschchen Cöllner Wasser einen Flakon der Schatulle damit zu füllen, ein Schächtelchen Franz Meyrischer Pfeffermünze, item eine Prise Thee, ferner andre getrocknete Pflanzen, doch nicht zum Aufguß bestimmt.

Der Kutscher will abgefertigt seyn, sonst könnte ich noch lange fortfahren. Empfehlen Sie mich aufs allerschönste Ihren verehrten Eltern und Ihrer ganzen Umgebung. Durch Frau v. Bock bitte um einige Worte, besonders um ein schon gebetenes. Tausendmal Adieu! Liebe, liebe Silvie.

G.


20/5569.


An Philipp Otto Runge

Carlsbad den 23. Juli 1808.

Sie haben mir durch Ihre übersendeten Zeichnungen soviel Vergnügen gemacht, daß es mir leid[119] thut, Sie wegen eines Theils derselben in Verlegenheit zu sehen. Die fehlenden sind aber nicht verloren: denn ich erinnere mich recht deutlich, daß ich gerade dieselbigen, kurz vor dem Einpacken, mit den Kupferstichen verglich; da ich denn freylich einen großen Unterschied fand, ob mir gleich jene Nachbildungen schon Vergnügen genug gewährten. Gewiß liegen sie noch an jener Stelle, und sobald ich nach Hause komme, will ich sie auf dem vorigen Wege wohleingepackt zu Ihnen schicken. Können Sie sich einrichten, daß Sie vom nächsten Oktober an, oder später, einige Monate bey uns zubringen, so würde es uns und Ihnen gewiß erfreulich und nützlich seyn. Denn über die Puncte, die uns beyde interessiren, muß man sich mündlich verständigen. Man muß sich, wenn man auch nicht in allem übereinstimmend denken könnte, doch die Grundmaximen deutlich machen, welche das Urtheil und die Thätigkeit des Andern führen und leiten. Den vorigen Winter ist uns dieses Vergnügen, dieser Vortheil durch Herrn Werner geworden, der sich drey Monate bey uns aufhielt und uns bekannt ward wie wir ihm. Sie werden von mir, wie von Mehreren, auf das freundlichste empfangen seyn. Der ich recht wohl zu leben wünsche und mir recht bald einige Nachricht erbitte.[120]


20/5570.


An den Herzog Carl August

[31. Juli.]

Indem ich eben beschäftigt war von dem was mir bisher begegnet und zu Augen und Ohren gekommen einiges aufzuzeichnen und das bedeutendste zu überliefern, vernehme ich daß Ew. Durchl. In Töpliz sind, wohin Fr. v. Eibenberg abgeht, welche gegenwärtiges überreichen wird. Da die zarten Lippen und die spitze Zunge dieser Freundinn eine weit bessere Schilderung der Carlsbader Vorkommenheiten zu liefern im Stande sind als meine Feder; so beziehe ich mich auf dieselbe, überzeugt daß Ew. Durchl. Auf diesem Wege wundersames genug und fast unschreibbares vernehmen werden. Denn wie sehr der Durchlauchtige Nachbar die Menschen in Erstaunen gesetzt, läßt sich schwarz auf weiß wirklich nicht ausdrücken.

Von mir sey erlaubt zu sagen daß ich einen sehr schönen einsamen May, einen regnigten geselligen Juni, einen heißen Juli zum Theil hier zum Theil in Franzenbrunn zugebracht. Am letzten Orte war mir die Gegenwart Dr. Kappes abermals sehr heilsam, wobey ich abermals Gelegenheit fand Ew. Durchl. Im Stillen zu dancken daß Sie vor einem Jahre meinen Unglauben durch Nöthigung überwunden und mich diesem Manne gleichsam zugetrieben. Selbst daß ich ihn dieses Frühjahr nicht consultirt mache ich mir[121] Vorwürfe, ich würde über einige Unbequemlichkeiten, die mir doch manche Stunde verdorben, früher hinausgekommen seyn.

Übrigens habe ich dieses Jahr mehr in bekannten Cirkeln gelebt, ob es gleich auch an neuen Begegnenden nicht gefehlt hat. Mit der Zigesarischen Familie und Fr. v. Eibenberg setzten sich die früheren Verhältnisse recht angenehm fort. Die Fürstinn Schönburg mit ihrer Familie, Fürstinn Leiningen, Herzoginn von Würtenberg beyde Coburgischen Ursprungs, Graf Bose, Graf Lieven der mit Kayser Alexander in Weimar war, General Benkendorf seinen Schwiegervater Graf Grünne, habe ich mehr und weniger gesehen. Generalin von Berg und ihre Tochter, unsre ehemalige Hofdame nun Zigesar sind noch hier. Einige wunderbare Erscheinungen aus Ungarn, Galizien, Polen sind auch an mir vorbey gegangen.

Fleißig war ich auch auf mancherley Weise theils fortsetzend, theils beginnend. Die Gegend um Franzenbrunn habe ich fleißig durchsucht, besonders den problematisch vulkanischen Cammerberg. Nun ist Berg Rath Werner angekommen und da geht die Conversation und Halbcontrovers auf die alte Weise wieder fort. Dr. Kappe, den ich gestern fragte ob Töpliz mir nicht frommen könnte? hat es sehr entschieden verneint und mich noch auf vierzehn Tage nach Franzenbrunn gewiesen. Ich läugne nicht daß ich Ew. Durchl. Gern dieses Jahr in Töpliz aufgewartet hätte was sich[122] voriges Jahr nicht fügen wollte. Erhalten Sie mir indeß auch entfernt ein gnädiges huldvolles Andencken, das vor wie nach die Base meines Glücks ausmacht. Empfehlungen von so vielen bringt Frau v. Eibenberg.

Goethe.


20/5571.


An Johann Heinrich Meyer

[Juli.]

Ihren lieben Brief der mir das Urtheil über die Steine bringt habe ich wohl erhalten. Die beyden vorzüglichen, alter Kopf und zwey Genien, werde ich wohl für das geringe Geld, das Sie aussprachen, erhalten. Was Sie wünschen und voraussetzen trifft ein. Der alte Kopf ist in einen herrlichen Carneol, die Gruppe in eine Milchlage auf Carneolgrund geschnitten. Köstlich ausführlich. Besonders die Köpfe der Kinder mit süßem Ausdruck.

Da ich höre daß der Herzog nach Töpliz ist; so wird wohl die Versetzung der Zeichenschule anstehen. Lassen Sie sich nur auf keine Weise aus dem Besitz setzen. Wenn man anfinge abzubrechen; so zaudern Sie. Lassen Sie den Gang verschlagen. Lassen Sie jüngsten unfähigsten Kinder wegbleiben. Machen Sie Ferien. Nur weichen Sie nicht bis ich komme.

Leben Sie wohl mein bester. Betreiben Sie doch die letzte Hand am Schmettauischen Grabmal, wo es nicht vollendet ist. Adieu.

G.[123]


20/5572.


An Christiane von Goethe

Du erhältst hierbey, mein liebes Kind, das Kappische Gutachten im Original und in Abschrift. Die letzte behälst du zu unsrer Nachricht. Kappe sagt: es sey da nichts bedenckliches noch gefährliches, nur müsse man dazu thun und räth viel Fuß Bewegung. Kommst du nach Weimar zurück; so habe in der Niedermühle und thue Camillen und Schafgarbe in das Bad.

Daß dir der Lauchstedter Aufenthalt keinen Spas Diesjahr gemacht hat, thut mir leid; aber es bleibt sich nichts gleich! Wir wollen nun auf Herbst und Winter hoffen.

Mit meinem hiesigen Aufenthalte bin ich noch sehr zufrieden, ich habe mich viel besser befunden und mehr gethan als vor einem Jahre. Ich gehe noch einmal nach Franzenbrunn auf Kappes Verordnung, Trincken und Baden zu wiederhohlen, das mir auserordentlich wohlgethan.

Am 21. Julius habe ich dir eine Assignation auf 200 rh. Und eine Schachtel mit einem liebenswürdigen Häubchen geschickt; Ich hoffe zu hören daß du beydes wohl erhalten hast.

Was wirst du aber sagen wenn ich dir erzähle daß Büry uns überrascht hat und ein Paar Tage bey uns geblieben ist. Noch ganz der Alte, eben so brav und liebevoll und fahrig. Er hat etwas gemacht,[124] das ich dir nach Weimar schicke. Du lachst gewiß wenn du's eröffnest.

So ist auch seit heute Kaas hier. Beyde grüßen. Eh du von Lauchstedt gehst schreibst du mir. In Weimar erhältst du bald Nachricht durch Frau von Seebach.

August hat mir einen Brief von Werner geschickt und ist in den Ferien nach Strasburg.

Nun lebe wohl. Heute ist Frau v. Eibenberg sonst Marianchen genannt von hier abgegangen, sie hat mir viel Freundliches erzeigt. Äugelchen giebts unzählige, wer nur die kostbare Zeit daran wenden könnte und möchte.

Das Liebste ist mir daß sich dein Befinden wieder einrichtet und daß nach Kappes Meynung alles wieder recht hübsch werden kann. Lebe recht wohl, grüße alles und gedencke mein.

Carlsb. d. 1. Aug. 1808.

G.


[Beilage.]

Ich glaube daß ausser der Schlaffheit des Darmkanals auch noch eine Schlaffheit der Blutgefäße des Unterleibs vorhanden ist; daher Anhäufungen von Blähungen und Unreinigkeiten in dem ersten und Blutstockungen in den zweyten.

Ich würde zu etwas Tonischen Extrackten z.B. von Schaafgarbe mit etwas Enzian und dergl. Zu einem Pulver aus Pomeranzenrinden mit etwas Rhabarber[125] und ein Paar Tropfen Cajaputöhl, vorzüglich aber zu spirituosen und etwas gewürzhaften Einreibungen rathen.

Die Fr. Geh. Rath muß sich viel Bewegung zu Fuß machen und alle fette und blähende Speisen vermeiden. Zum Geträncke wäre rother Wein mit Wasser am zuträglichsten.

d. 1. Aug. 1808.

Kappe.


Es versteht sich daß du gleich nach Merseburg gehst Herrn Dr. Schlegel die Inlage zeigst und seine weitere Verordnungen befolgst. Denn er wird dir nun freylich erst die Rezepte schreiben.


20/5573.


An Silvie von Ziegesar

Ob ich schon, liebste Silvie, früher als heut keinen Brief von Ihnen hoffen konnte; so war ich doch ungedultig und wünschte mir oft zu wissen wie es Ihnen ergehe. Desto erfreulicher war mir's als Ihre freundlichen Blätter den Weg so geschwind zurückgelegt hatten. Es sind die ersten aus jener Gegend die ich so bald erhalte.

Nun statt des Dancks meine Geschichte. Die ersten Tage begriff ich nicht warum ich von Franzenbad weggegangen? warum ich nicht bis den Sonntag geblieben? Hernach erneut ich meine Geschäfte und ganz[126] unerwartet kam ein alter Freund, mit dem ich in Rom gelebt, einige Tage mit mir zuzubringen, so brav, so tüchtig, so liebevoll und so wunderlich wie sonst. Es traf gar vieles zusammen, das uns an die vorigen Zeiten erinnerte, das heiße Wetter und meine Heiterkeit, die er in Zwischenzeiten an mir nicht gewohnt gewesen. Wir schieden und ich wendete meine Bemühen besonders Morgens an Gegenstände die Ihnen, hoffe ich, auch Freude machen sollen. Abends war ich viel mit Fr. v. Eibenberg und machte mir abermals Vorwürfe daß ich Sie beyde nicht zusammengebracht. Ich lernte die Töchter der Herzoginn von Curland, erst später ihre Hoffräulein kennen. Ihr selbst wartete ich erst gestern auf, sie verreist Morgen frühe. Alle waren sehr freundlich und anmuthig; zutraulich, gefällig, gnädig, und wie man die erwünschten Stufen des Wohlwollens bezeichnen mag. Ich habe dagegen durch allerley Gespräch und Vorlesen mich möglichst danckbar erwiesen. Nach Löbichau bin ich schönstens, und, wenn ich mir nicht zu viel schmeichle, wircklich im Ernst eingeladen. Und geht nicht ganz natürlich der Weg von Altenburg über Drackendorf nach Jena? Doch wie es mit mir werden wird weis ich nicht; noch vierzehn Tage muß ich tüchtig fleißig seyn, sonst wird mirs für Herbst und Winter bange, im Juni und Juli habe ich mir allzuwohl seyn lassen. Und doch hätte ich einen schönen Gewinn auf andre Weise erwerben können?

[127] Ihr Fürst, als er mir zufällig begegnete, war sehr freundlich. Die Paar Stunden die ich neben ihm auf dem Spaziergang zubrachte, hatte ich Gelegenheit seinen Geist, seinen Witz, seine glücklichen Einfälle zu bewundern. Schade daß er nicht fühlt, oder nicht fühlen will, wie hoch einem die Menschen ein Geringes anrechnen wodurch man sie verletzt, und wie sehr ihnen das seltsame fast mehr als das böse zuwider ist. Wie die Sachen jetzt stehn und gehn wird jedermann irre an ihm und wie es angefangen hat wird es endigen.

Der Churfürst von Hessen hat uns durch seine Gegenwart überrascht, um somehr als er den ersten Tag mit seinem Gefolge in völliger Uniform erschien. Sie können dencken zu was für Conjeckturen seine Erscheinung Anlas gab.

An keinen öffentlichen Ort bin ich gekommen, als gestern, wo ich mir einem wohlthätigen Conzert warme und lange Zeit bereitet fand. Mit Fr. v. Eibenberg bin ich oft auf den Hammer spazieren gefahren, auf dem Choteckschen Wege war ich nur einmal, zum Findlater's Tempel bin ich noch nicht wieder gestiegen und begrüße nur täglich die lieben Sylben am Glase und am Fensterpfosten.

Und nun lasse Sie mich meine Gedancken zu Ihnen wenden liebes gutes Kind. Wenn Sie Ihrer verehrten Eltern pflegen so gedencken Sie mein und fügen meine besten Wünsche für das Wohlseyn dieser[128] werthen zu den Ihrigen. Für unsre herzlich gegrüßte Loder liegt ein Blättchen bey, das hübsche Mütterchen beglückwünschen Sie schönstens und wenn Sie die eine Cousine tragen und andre leiten; so gedencken Sie eines Freundes der Ihnen auch so gern an der Seite wäre. Blicken Sie Ihre Burg, Ihr Dörfchen, Ihre Vögel und Blumen auch in meinem Namen freundlich an, damit sie mir auch wenn ich komme um Ihrentwillen ein freundlich Gesicht machen. Diese nächsten vierzehn Tage will ich ganz stille vor mich hingehn und meinen hiesigen Aufenthalt abschließen. Schreiben Sie mir, ich bitte noch einmal.

Riemer empfielt sich zum allerschönsten. Frau von Berg und Ihre liebe Schwägerinn die alle Tage hübscher wird habe ich nur wenig gesehen. Frau v. Bock und ich wir wünschen vereint die Franzenbrunner Zeiten zurück. Leben Sie wohl liebste Silvie! Wie sehr hoffe ich darauf Sie bald in Ihren freundlichen Umgebungen zu begleiten. Gedencken Sie mein! Nochmals lebhaften Danck für Ihre lieben Blätter.

CarlsBad d. 3. Aug. 1808.

Goethe.


20/5574.


An Silvie von Ziegesar

CarlsBad d. 5. Aug. 1808.

Da beykommendes Blat bis heute liegen geblieben füge ich noch einige Worte hinzu. Die Herzoginn[129] von Curland ist abgereist und ich habe Ihrem Herzog die Aufwartung gemacht, er war gnädig und vertraulich, ja ich muß gestehen daß eine Schilderung verschiedner Characktere mit etwas scharfem, aber auch sehr genauem und richtigem Werckzeug, mich in Erstaunen gesetzt hat. Und so geht mir's Epochen weis, bis die schöne Epoche wieder kommt auf die ich mich so sehr freue.

Gestern Abend habe ich bey herrlichem Mondschein, die große Tour um die Promenaden gemacht, durch das Tempelchen und so weiter; daß eine schlancke weiße Gestalt neben mir herging können Sie dencken.

Wie viel hätte ich nicht zu sagen; aber ich will enden und fleißig seyn; die Tage rauschen vorbey und mein Ende ist vor der Thür, um drüben wieder von vorn schon um so vieles näher!

Dem Herrn Vater sagen Sie zum Troste daß Serenissimus in Kaufen und Schencken sich mäßig verhalten, daß von dem äußeren Seltsamen nur noch die Kutschermäntelchen übrig sind. Daß der Fürst gegen manche seine ganze Liebenswürdigkeit entfaltet, wenn er auch gegen andre den Quälgeist spielen mag, daß er einige gute weibliche Gemüther durch sein Betragen eingenommen, deren Umgang ihm wohlthätig, gewiß nicht schädlich ist. Seine beyden Begleiter haben sich Achtung und Neigung zu erwerben gewußt. Herrn von Hardenbergs kluges Benehmen[130] ist bekannt. Frl. Dalwig hab ich nicht näher gesehen. Übrigens scheint der Medicus wie ein wahrer Dorl an jedermann anzuschnurren.

Adieu nun, liebste Silvie; von der Herzoginn von Curland und ihren Umgebungen mündlich. Haben Sie Frl. Knabenau gesehen, oder von ihr gehört. Es ist ein wundersames Wesen. Sie besitzt eine Art von allgemeiner Liebenswürdigkeit, so daß man sich betrüben könnte wenn sie nur Einem angehörte und wenn man der Eine selbst wäre. Zunächst hat sie mich an unsre Wolfskeel, jetzige Fritsch erinnert. Mit einem Gefühl das dieser Betrachtung sich ganz entgegen stellt sage ich Ihnen liebste Silvie das beste Lebewohl.

G.


20/5575.


An Christiane von Goethe

Diese Abendstunden, da man wegen der großen Hitze nur in der Nacht ausgehen mag, will ich anwenden, dir, mein liebes Herz einiges zu schreiben; am Tage bin ich sehr fleißig. Bis eilf Uhr wird an dem Farbenwesen dicktirt, nachher kommt Kaas, der Landschaftmahler und da geht es an ein Zeichnen und Pinseln, das nach Tische wieder von vorne anfängt, woran ich mich denn sehr ergötze.

Die Schachtel wird nun angekommen seyn, auch wirst du nach Kappes Verordnung nunmehr verfahren[131] und ich hoffe es soll besser werden, da denn doch das Übel von keiner Bedeutung zu seyn scheint. Wir wollen künftig uns aber nicht so lange mit Unglauben hinschleppen und besonders Kappen auch in Briefen fragen. Ich habe ihn erst recht kennen lernen was das für ein trefflicher Mann und Artzt ist. Wenn die gute Laune sich nicht einstellen will; so dencke nur über welche ungeheure Übel wir hinausgekommen sind und wie es uns vor Millionen Menschen gut geht. Ein recht trauriger Fall betrifft den trefflichen Kriegsrath v. Stein, seine junge, schöne liebe Frau ist ihm gestorben, die einzige Tochter sehr reicher Eltern. Auch hier im Bade kann man erinnert werden wie es in der Welt aussieht, da von allen Enden Menschen zusammen kommen. Es ist ein Jammer nur hinzuhorchen.

Du thust wohl in Lauchstedt bis zu Ende zu bleiben und mir geschieht eine große Liebe. Denn ohne dich weißt du wohl könnte und möchte ich das Theaterwesen nicht weiter führen. Wenn wir wieder zusammen kommen machst du mich mit den Ereignissen des Sommers bekannt und über den Winter wollen wir auch schon hinauskommen. Auf die Music freue ich mich bey Eberweins Wiederkehr.

Dein Geburtstag ist doch glücklich und fröhlich gefeyert worden?

Solltest du nicht auf einige Tage nach Dessau gehen? Ich wünsche daß du diese Sachen in der[132] schönen Jahrzeit sähest. Wir finden in der Erinnerung auch wieder eine neue Unterhaltung. Daß du nicht nach Carlsbad kamst war wohlgethan, ich habe mich an den Gegenden schon so abgelaufen, daß sie kein Interesse mehr für mich haben. Übers Jahr müßtest du gleich Anfangs mit mir her, nach deinen Zuständen taugt dir zwar der hiesige Brunnen nichts; aber es wäre dich umzusehen und wir könnten am Eger Brunnen länger verweilen, der dir doch wohlthätig ist.

Was mich betrifft; so mag ich noch von hier nicht fort; ich komme sobald nicht wieder in die Arbeit wie ich jetzt im Zug bin, in Weimar bin ich nicht nötig; ja der Herzog hat mir von Töpliz sehr freundlich geschrieben, ich solle mir nach Möglichkeit wohl seyn lassen. Also will ich es noch eine Weile so forttreiben, biß es unvermeidlich ist von Wöchnern und Austheilungen zu hören.

Meine Hauswirtschaft geht so ziemlich ihren alten Gang und seit ich wieder von Eger zurück bin wieder im Gleise. Einiges zu kaufen bin ich doch verführt worden. Du wirst aber mich nicht tadeln wenn ich dir sage daß ein sehr schönes Toilettenkästchen, mit allem Zubehör dabey ist, für dich bestimmt, das ich dir gern geschickt hätte, man kann aber dies Jahr gar nichts mit Gelegenheit wegbringen und auf der Post werfen sie die Sachen so herum daß zerbrechliches nicht gut auf diesem Wege transportirt wird.

[133] Einige geschnittne Steine habe ich gekauft die mir auserordentliche Freude machen.

Ich bin nun fast ganz ohne Gesellschaft, gehe meist allein spaziren; doch nur die Abende, die du wohl auch genießen wirst. Und nun lebe recht wohl mein liebstes Kind! Es wird dunckel und mein Papier geht zu Ende. Liebe mich und gedencke mein.

Carlsbad d. 7. Aug. 1808.

G.


20/5576.


An Marianne von Eybenberg

Hier sende ich durch Gefälligkeit des Herrn Grafen von Einsiedel die Dosen und die Cameen zurück; die Intaglios will ich für 120 Rh. Sächsisch selbst behalten und lege deshalb eine Assignation an Frege in Leipzig bey, mit einem Ersuchen an den Reisekassier des Herzogs Ihnen diese Summe wenigstens in Silber auszuzahlen. Meine Reisekasse konnt ich nicht entblößen und wollte diese Dinge, auch zum Andencken Ihrer Gegenwart, die übrigens ganz artig sind, mir zueignen.

Aber bey näherer Betrachtung, insofern man selbst Geld dafür geben soll, entsteht manche Bedencklichkeit. Man begreift nicht warum die Faunen, das geringste von allen, so hoch angesetzt sind, und was einem sonst beyfällt. Doch war ich bey dieser Sache in Sorge, da man Kunstliebhabern kein Gewissen zutraut, es möchte[134] scheinen als wollte ich Ihre freundschaftliche Nachsicht misbrauchen. Niemand hat auch nur ein Gebot auf die Dinge gethan und meines ist nach genauer Prüfung annehmlich genug. Soviel von diesem Handel und auch heute nicht mehr. Empfehlen Sie mich Durchl. Dem Herzoge dem ich für den gnädigen Brief auf das lebhafteste dancke. Nächstens mehr. Adieu liebe Freundinn. Erhalten Sie mir Ihre Gesinnung.

CarlsBad d. 7. Aug. 1808.

G.


[Beilage.]

Herr Geh. Sekretair Vogel oder wem sonst die Aufsicht über Durchl. des Herzogs von Weimar Reise Kasse anvertraut ist, wird hiedurch ergebenst gebeten, eine Assignation von mir auf den Herrn Frege in Leipzig gestellt, von 120 Rh. sächsisch von Frau von Eybenberg andossirt zu übernehmen und ihr dagegen die gedachte Summe, wo nicht in Gold, doch wenigstens in Silber gefällig auszuzahlen.

Carlsbad d. 7. Aug. 1808.

J. W. v. Goethe.


Hier sende auch das Verzeichniß zurück. Wir hatten für die Vier vorgehabten, von mir zurückbehaltenen 48 Ducaten angesetzt. Die von mir assignirte Summe beträgt ohngefähr 40 Duc. So viel zur Nachricht. Diese Dinge sind mir als Denkmale unserer schön verlebten Tage erst recht werth.[135]


20/5577.


An Friedrich Immanuel Niethammer

Wohlgebohrner

Insonders hochgeehrtester Herr

Schon seit der Hälfte May befinde ich mich in Carlsbad und erhalte leider Ihre sehr erfreuliche Mittheilung, von 22. Juni datirt, erst heute. Ich eile sogleich dieses anzuzeigen, um mich von dem Verdacht zu befreyen als könnte ich einen so ehrenvollen Antrag gleichgültig aufnehmen und nachlässig behandeln. Die nächsten ruhigen Stunden werde ich anwenden diese wichtige Sache zu überdencken und alles in mir hervorzurufen was sich auf sie beziehen kann, damit ich mich einigermaßen in den Stand setze meine gefühlteste Danckbarkeit durch Vorschlag und allgemeinen Plan an den Tag zu legen, wobey ich nur vorläufig bitte die Absicht geheim zu halten. Mich angelegentlichst empfehlend

Ew. Wohlgebornen

Carlsbad

Gehorsamster Diener

den 8. Aug. 1808.

J. W. v. Goethe.


20/5578.


An Franz Kirms

Der ehmals bey uns angestellte Theaterschneider Einmann beklagt sich bey mir daß er seine in Weimar zurückgelassene Sachen nicht erhalten kann. Da mir[136] die nähren Umstände unbekannt sind; so kann ich auf sein Ansuchen, gegenwärtig den Wunsch äussern daß er nach Beschaffenheit derselben möge zufrieden gestellt werden.

Carlsb. d. 9. Aug. 1808.

Goethe.


20/5579.


An Marianne von Eybenberg

Carlsbad den 12. August 1808.

Ihren lieben erstern Brief von Töplitz erhalte ich heute den 12. Und damit mit der umgehenden Post wieder etwas fortgehe, soll nur kürzlich Einiges diktirt werden. Kurz nach Ihrer Abreise traf ich mit den Hoffräuleins der Herzogin von Curland auf der Wiese zusammen, besuchte sie einigemal und ließ mich sodann ihrer Gebieterin vorstellen. Den Abend vor ihrer Abreise war ich noch dort, las Einiges vor und war so artig als ich seyn konnte; dafür man mich denn auch recht gut behandelt und nach Löbichau eingeladen hat. Fräulein von Knabenau ist wirklich ein merkwürdiges Wesen, von großer Anmuth und Lebensleichtigkeit.

Dem Herzoge von Gotha, den ich dort angetroffen hatte, wartete ich gleichfalls auf, wurde gut aufgenommen, nachher zur Tafel geladen und auch über ihn habe ich mich nicht zu beklagen. Beynahe scheinen Kapp und ich die einzigen, die sich nicht über ihn[137] zu beschweren haben. Sonst bin ich selbst Zeuge von ganz schonungslosen Späßen geworden, mit denen er Fremde so gut als seine eigenen Leute geschoren und geschunden hat. Übrigens habe ich ihn einige Mal wegen sehr treffender Charakterschilderungen, geistreicher Bemerkungen und Repartien bewundern müssen. Der Eigensinn seines Arztes, der Gebrauch des Sprudels beym heißesten Wetter, Diätfehler haben in den letzten Tagen ihm die wunderlichen Paroxysmen, geistig und leiblich, verursacht, von denen ich mich enthalte weiter zu sprechen.

Madame Eskeles habe ich nur im Konzert gesehen, den Fürsten Clary auf meiner Hausbank empfangen und wie ich fürchte an beyden Ihrer Empfehlung nicht genug gethan. Entschuldigen Sie mich bey dem letzten; die erste hoffe ich noch in Franzenbrunn zu finden, oder bey ihrer Rückreise zu sehen.

Übrigens leben wir in vollkommener Einsamkeit, Gestein liegt um uns her, physikalische Erscheinungen werden beachtet, unter Anleitung eines Dresdner Malers werden Landschaften colorirt, und so geht ein Tag nach dem andern hin. Ich wollte, es stünden uns noch mehr Sommermonate bevor und die Bewohner des Fasans kehrten wieder zurück. Leider daß alles Wünschenswerthe, wie das tausendjährige Reich, sich in Zwischenräumen wiederholt!

An Ihren vertraulichen Relationen kann ich mir den Töplitzer Zustand recht gut vorstellen. Er scheint[138] doch etwas kleinstädtischer zu seyn als der Carlsbader. Empfehlen Sie mich Ihren artigen kurländischen Kindern und gedenken Sie mein im Stillen; denn es ist mir schon zu Ohren gekommen, daß man es nicht ganz gut aufnimmt, wenn Sie meiner in der Welt allzu vortheilhaft erwähnen. Wenn wir selbst nur wissen, was wir an uns und einander haben, ist es völlig hinreichend. Peppinen grüßen Sie schönstens von mir. Auch Riemer empfiehlt sich zu freundlichem Andenken. Wir besuchen Sie beyde noch oft in Gedanken und Worten, da es in Werken nicht mehr angehen will. Seckendorfen will ich schreiben. Er und Stoll machen ein schlechtes Zugpaar aus. Ich fürchte, der Prometheus'sche Karren bleibt darüber stecken.

G.


20/5580.


An Johanna Frommann

Auch von mir soll ein Blättchen beyliegen mit compendiösen, doch herzlichen, Grüßen. Mir geht es wohl und ich könnte mich fleißig nennen, wenn wir uns nicht nach allzuviel Seiten hinauswagten. Mit einiger gewonnenen Ausbeute hoffen wir den Freunden an der Saale zu dienen und wünschen dagegen freundlichen Empfang.

CarlsBad d. 14. Aug. 1808.

G.[139]


20/5580a.


An Marianne von Eybenberg

Carlsb. d. 14. Aug. 1808.

Wenn die Briefe nicht im Wechsel gehen; so ist es keine rechte Correspondenz, deshalb gleich wieder ein Wort; solange wir so nah sind wollen wir daraus Vortheil ziehen.

Zuerst noch etwas von unserm Handel! Mir geht es zwar nicht mit diesen Steinchen nach der Hemsterhuisischen Lehre, ich schätze sie nicht etwa geringer weil ich sie jetzt besitze; doch ist indeß Meyers Schätzung eingelangt die freylich so hoch nicht hinaus geht. Einen lustigen Einfall, eine artige Entdeckung muß ich indeß mittheilen. Ich konnte nicht begreifen, warum das entschieden Geringste, die Faunetti, so hoch angesetzt war, nun ist mir ein Licht aufgegangen. Man kann, wenn man will, etwas unsittliches, zotenhaftes drinne finden, und dergleichen mag wohl bey gewissen Liebhabern besonderen Werth haben. Was ich Ihnen zu bedencken gebe wäre das: Wenn Sie mir den Merkur im Cameo noch in den Kauf geben; so steht die Bilanz allenfalls zu meinem Vortheil wie sie jetzt zu meinem Nachtheil steht. Doch ists Ihnen ganz überlassen. Ich bin auch so zufrieden. Übrigens macht es mir eine Art von Vergnügen mich mit Ihnen einmal über solch eine Angelegenheit zu unterhalten. Die Schwiegels kommen nur bald wieder an die Reihe.

[114] Carlsbad wird nun sehr leer und ich werde nun auch bald abfahren und mich leider um soviel von Ihnen entfernen. Wahrscheinlich gehe ich Montag d. 22ten nach Franzenbrunn. Was Sie also an mich mögen gelangen lassen geschehe in der Zwischenzeit. Jedes Wort von Ihnen ist mir herzlich willkommen. Wir werden hoffentlich beyde der guten Sommertage von 1808 lange gedenken.

Meine Lebensweise schleicht fort nach alter Art, ausser daß ich heut bey Findlater speiße. Sonst werden Steine gepocht und geordnet, Zeichnungen angefangen und nicht geendigt; doch sollen Sie von Weimar aus etwas von mir erhalten, woran ich meinen möglichsten Fleiß wenden will, das freylich nicht viel heißt. Übrigens packe ich ein, zahle, löse mich los, um die letzten Tage noch recht frey zu seyn.

Viele Empfehlungen den Wohlwollenden. Mit den besten Wünschen schließe ich, wie ich anfange. Adieu!

G.[115]


20/5581.


An Charlotte von Stein

Der Schluß Ihres Briefes, theuerste Freundinn, stach freylich gegen den wohlwollenden Anfang desselben nur allzusehr ab. Mit herzlichem Bedauern vernehm' ich den Unfall, der unsern lieben abermals betrifft. Es ist manchmal als wenn das was wir Schicksal nennen gerade an guten und verständigen Menschen seine Tücken ausübte, da es so viele Narren und Bösewichter ganz bequem hinschlendern läßt. Fromme Leute mögen das auslegen wie sie wollen und dadrinn eine prüfende Weisheit finden; uns andern kann es nur verdrüßlich und ärgerlich seyn. Grüßen Sie ihn schönstens und versichern ihn meiner aufrichtigsten Theilnahme.

Haben Sie Dank, daß Sie meine scheidende Pandora so gut aufgenommen. Ich wünsche der Wiederkehrenden zu seiner Zeit dasselbe Glück. Daß Sie einzelne Stellen ausgezeichnet hat mir viel Vergnügen gemacht. Das Ganze kann nur auf den Leser gleichsam geheimnißvoll wirken. Er fühlt diese Wirkung im Ganzen, ohne sie deutlich aussprechen zu können, aber sein Behagen und Missbehagen, seine Theilnahme oder Abneigung entspringt daher. Das Einzelne hingegen was er sich auswählen mag, gehört eigentlich sein und ist dasjenige was ihm persönlich convenirt. Daher der Künstler, dem freylich um die Form und um den[140] Sinn des Ganzen zu thun seyn muß, doch auch sehr zufrieden seyn kann, wenn die einzelnen Theile, auf die er eigentlich den Fleiß verwendet, mit Bequemlichkeit und vergnügen aufgenommen werden.

Ich habe mein Leben indessen hier so fortgeführt, bin zufrieden und fleißig gewesen, und so sehr ich mich vor Bekanntschaften gehütet, manche neue und genugsam interessante gemacht.

Alle meine wissenschaftlichen literarischen und poetischen Unternehmungen sind um etwas zugerückt. Gezeichnet und sogar gemalt ist worden. Ich befinde mich wohl und kann mit diesem Sommer sehr zufrieden seyn.

Alle Zustände der Gesellschaft von der größter Einsamkeit bis zum größten Lärm und Drängen und jetzt wieder bis zur Einsamkeit habe ich erlebt. So ein Bade- Sommer ist wirklich ein Gleichniß eines Menschenlebens.

Mit der Witterung war es eben so. Die schönsten Maytage, Regen, Hitze und wieder Nässe, Herbstverkündende Nebelabende mit den schönsten Mondnächten, das alles geht zwar überall uns über dem Haupt weg; allein in diesen Gebirgen und Felsklüften empfindet man doch jedes bedeutender, weil es sich an solchen Gegenständen characteristischer ausspricht. Die Hitze wird gleich zum Glutofen und ein Regenguß zur Sündfluth.

Wenn Sie alle wieder zusammen sind, so gedenken[141] Sie mein. Empfehlen Sie mich den Fürstlichen Damen und sämtlichen Freundinnen. Ich bleibe zwar noch einige Zeit auswärts, werde aber meinen hiesigen Aufenthalt bald verlassen und nach Franzenbrunn gehen, doch darf ich mir keine Briefe mehr erbitten, weil ich nicht weiß, wie und wo sie mich treffen, da die Posten hierher gar zu langsam gehen. Und somit will ich mich für dießmal schönstens empfohlen haben.

Carlsbad d. 16. August 1808.

G.


20/5582.


An Charlotte von Schiller

[16. August.]

Vor meiner Abreise von Carlsbad muß ich Ihnen, theuerste Freundinn, noch meinen lebhaften Dank sagen für den freundlichen Brief, den ich kurz nach meiner Ankunft erhielt und der mich seit der Zeit, in einsamen Stunden, manchmal gar heiter angeblickt hat. Wie schätzenswerth ist es nicht zu erfahren, daß die wenigen Resultate unsres Lebens, die auf dem Papier mit gedruckten Lettern stehn bleiben, unsern Freunden wirklich etwas sind, unser Andenken erneuern und an die Stelle der Gegenwart treten. Haben Sie recht vielen Dank daß Sie Ihre Empfindungen und Gesinnungen so treu und kräftig aussprechen mögen. Nicht jedermann vermags und unter den vermögenden sind nicht alle so wohlthätig.

[142] Ich bin nun in der vierzehnten Woche hier. Ich wollte der Sommer ging von neuem an und ich wollte immer so fort mein Leben und Wesen hinführen. Das klingt nicht sehr höflich für die abwesenden Freunde! und doch habe ich vielleicht in diesen Woche auch für Sie mehr gethan als sonst in Jahren. Freyheit bey geistigen Bedürfnissen, Mäßigung bey körperlichen giebt ein Gleichgewicht, das man vielleicht nur in einem Verhältniß wie das hiesige, erhalten kann. Ich habe mich sehr wohl befunden und bringe davon einige Zeugnisse mit.

Wahrscheinlich gehe ich Montag den 22. Hier weg und bleibe noch vierzehn Tage in Franzenbrunn, wo ich schon etwa zwölf Tage versucht habe zu trinken und zu baden, wobey ich mich vortrefflich befand. Hier habe ich viele alte Bekannte wieder gesehen; Niemand aber, soviel ich weiß, der Sie besonders interessirte. Auch dießmal bin ich nicht weit vom Ort gekommen, weder nach Prag noch Töplitz; die Zeit geht aber ohnehin sehr geschwind herum wenn man eine Cur brauchen, sich der Gesellschaft nicht ganz entziehen und noch etwas arbeiten will. Ich weiß wirklich nicht, wo die drey Monate hin sind. Nun steht meine Hoffnung zunächst, meine lieben weimarischen Freundinnen versammelt wieder zu finden, und die Dienstage, die Mittwoche und was sonst noch Festliches vorkommen mag, wieder mitzufeyern. Empfehlen Sie mich Herrn und Frau von Wolzogen[143] zum allerschönsten, so wie auch Frau von Stein. Grüßen Sie auch die lieben Ihrigen.

Goethe.


20/5583.


An August von Goethe

Carlsbad den 17. August 1808.

Der Bibliothekar hat mir deinen Brief vom 4. August zugeschickt, woraus ich mit Vergnügen sehe, daß deine Reise glücklich abgelaufen und du manches interessante gesehen und bemerkt hast. Dein gegenwärtiger Aufenthalt hat freylich den Vortheil, daß er in einer Gegend liegt die an Natur- und Kunstmerkwürdigkeiten reich ist. An Monumenten und Trümmern, die an eine vergangene Zeit erinnern, fehlt es auch nicht. Woran du schon viel Vergnügen gehabt hast und künftig haben wirst. Richte deine kleinen Excursionen, wie die Ferien es dir erlauben, von Heidelberg aus nach allen Seiten hin, bis du einmal späterhin weitere Sprünge machen kannst.

Schreibe mir doch nun auch, wenn es gegen Michael kommt, wie du dein vergangenes halbes Jahr in Absicht der Studien betrachtest; worin du glaubst weiter gekommen zu seyn und was du auf den Winter vornehmen wirst. Eben so melde mir auch, wie es mit deinem öconomischen steht und wie du den Auswurf deines Etats fürs nächste halbe Jahr zu machen gedenkst. Zu deinen Touren und sonstigen Extraordina riis[144] werde ich mich ja wohl mit einem Zuschuß einstellen müssen.

Mir ist es bisher immer noch recht wohl gegangen. Ich habe mich gut befunden und bin fleißig gewesen. Auch hat es mir an guter Gesellschaft und mancherley Unterhaltung nicht gefehlt. Der Landschaftmaler Kaaz von Dresden hat uns recht lebhaft ins Zeichnen und Malen hineingeführt.

In der Hälfte Juli war ich in Franzenbrunn und habe zwölf Tage getrunken und gebadet, welches mir so wohl bekommen ist, daß ich wieder hingehen werde, sobald man nur wieder Quartier haben kann: denn gegenwärtig ist alles übermäßig besetzt; Carlsbad aber schon wieder ziemlich leer, indem die hiesige Gesellschaft theils nach Franzenbrunn, theils nach Töplitz gegangen ist.

Unser Herzog ist in Töplitz und befindet sich, wie ich höre, recht wohl daselbst. Bergrath Werner ist hier. Übrigens sind von der großen Masse der Besuchenden vorzüglich deine Freunde, die Polen und Juden, übrig geblieben.

Die Mutter war in Lauchstedt nicht ganz zufrieden. Freylich gegen sonstige Jahre mag es still gewesen seyn. Die Leipziger kamen wohl zum Schauspiel, fuhren aber gleich wieder fort. Die Einnahmen waren auch nicht wie sonst, doch muß man jetzt mit allem zufrieden seyn und sich nur zu erhalten suchen.

Die Mutter wird vor einigen Tagen wieder in[145] Weimar angetroffen seyn. Schreibe ihr doch bald wenn du es noch nicht gethan hast, und vernachläßige womöglichst deine Hand nicht gar zu sehr. Der Tag ist lang und wenn du ein Drittel der Zeit mehr auf einen Brief wendest, so liest ihn dein Correspondent mit Vergnügen, indem er nicht nöthig hat die mühselige Dechiffrirkunst anzuwenden.

Ich werde wohl vor Hälfte September nicht nach Hause kommen. Es behagt mir gar wohl in diesen Gegenden, und überdieß kann ich meine Zeit gut genug anwenden. Ich stehe gewöhnlich früh auf und dann wird den Tag über mit allerley Beschäftigungen abgewechselt.

An der Geschichte der Farbenlehre ist manches geschehen. So habe ich auch meine Gedanken auf kleine Romane und Erzählungen gewendet, einiges dieser Art angelegt, anderes ausgeführt. Auch das Steinreich hat mich in einzelnen Theilen angezogen, besonders ist mir der Vulcanische oder Pseudovulcanische Hügel bey Eger, der Cammerbühel genannt, sehr merkwürdig erschienen. Versäume doch nicht auf deinen Reisen eine geologische Bemerkung in dein Tagebuch zu notiren. Es ist gar zu angenehm, wenn einem die Oberfläche der Welt mit ihren Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten, nach und nach, vor die Augen Tritt, und man wird alsdann überall veranlaßt das Gesehene wieder in die Einbildungskraft zurückzurufen.

Schildere mir doch auch gelegentlich die vorzüglichen[146] Personen, die du kennen gelernt, an Lehrern und Lernenden, Jungen und Alten. Besonders auch bemerke auf deinen Wallfahrten das Volk der verschiedenen Provinzen, ihre Gestalt und Art, ihre Sitten und Betragen. Vergleiche sie mit denen, die du schon kennst, und bereite dich auch hierdurch zu einer weitern und breitern Erfahrung.

Empfiehl mich Herrn Thibaut, Voß und sonstigen Freunden, und führe dein Wesen fort wie bisher zu deiner eigenen und zu Anderer Zufriedenheit. Laß mich in Weimar einen Brief finden, auf den du vor Michael noch Antwort haben kannst. Lebe recht wohl und gedenke unser.

G.


20/5584.


An Johann Heinrich Meyer

[17. August.]

Jede Zeitepoche überhaupt und so auch die unsrige läßt sich einem Piknik vergleichen, wozu jeder das Seinige, nach dem bekannten Geschmack der Gäste, beytragen will. So auch einer Illumination wo neben den lebhaftesten und brillantesten Feuern auch wohl ein unscheinbares Lämpchen angezündet wird. Eben so scheint es mir, daß wir, in diesen tumultuarischen und dislocirenden Tagen, doch auch an unserer Seite nicht stillsitzen und die National Wanderungen, indem wir wenigstens von Haus zu Haus ziehn, wenigstens[147] einigermaßen nachahmen wollen. Haben Sie also recht vielen Dank, daß Sie, als ein weiser Mann, sich in den Geist der Zeit finden und ihm nicht wiederstreben mögen. Und wenn die Veränderungen Unbequemlichkeiten für Sie mit sich führen, so suchen Sie die Umstände so viel möglich zum Vortheile der Sache zu nutzen. Sollte nicht eben gerade jetzt eine Sichtung recht am Platze seyn? so wie Sie auch Niemanden erlauben werden sich willkürlich zu placiren, sondern vielleicht mit Anschreibung der Namen oder Nummern nach verdienst oder Schicklichkeit die Plätze vertheilen werden. Da ich nicht weiß, wie nah oder fern diese Veränderung ist, und ich vor Hälfte Septembers wohl schwerlich nach Hause komme; so überlasse ich Ihnen alles nach Ihrer Einsicht einzurichten. Sehen Sie wenn es möglich ist, gleich ein Holzdeputat zu erhalten, wenn es auch nur zuerst für diesen Winter wäre: denn bey einer solchen neuen Einrichtung kann man den daraus herfließenden Aufwand nicht übersehen, und es ist immer gut dergleichen zu Anfang zur Sprache zu bringen. Wenn wir Mittel finden sollen manche Schwierigkeit zu heben, so ist es billig daß man andrerseits auch mit eingreife.

Die geschnittenen Steine habe ich alle viere nicht weglassen können. Freylich mußte ich über Ihre Schätzung hinausgehen; doch wenn man eins ins andre rechnet, so werden Sie mich nicht tadeln. Alle viere sind unstreitig antik, wohlerhalten, schöne Steine[148] zwey gefaßt, und werden durchaus besser, je genauer man sie betrachtet. Die beyden Kinder und der alte Kopf sind genugsam ausgeführt, der Merkur sehr naiv, und die Faunetti gar lustig. In diesen steckt eine verborgene Ungezogenheit, um derentwillen dieser Stein, übrigens der geringste, am theuersten gehalten wurde. Da ich sie alle vier nahm, so kann ich sie einzeln rechnen, wie ich will. Abdrücke in schwarzem Wachs liegen für Sie bereit; doch konnte ich sie noch nicht zu Ihnen bringen. Es sind diesmal so wenige Personen hier aus jenen Gegend.

Kaaz von Dresden ist hier und unterrichtet uns in einer Art von Mittelgouache, einer gar hübschen und heiteren Manier, worin man auf eine bequeme Weise gerade soviel leisten kann, als man versteht, indem man durch Überlasiren und Aufhöhen den Effect nach Belieben verstärken, verändern und das bedeutende zuletzt geistreich aufsetzen kann, da zum Aussparen eine sichre Einlage von vorn herein, viel Abstraction und eine vollendete Technik gehört. Sie sprachen kurz vor meiner Abreise von etwas Ähnlichem und ich habe deshalb um desto lieber zugegriffen. Kaaz wird auch wohl etwas zu Ihrer Ausstellung schicken. Es ist ein gar tüchtiger guter Mensch, der mit dem was ihm die Natur gegeben hat, ernstlich und rasch nach seinem Ziele hinschreitet.

Vor einiger Zeit hat mir Bury's Gegenwart auch viel Freude gemacht. Er ist noch immer der alte[149] und sowohl in Kunst als in Leben immer noch ein Sturmlaufender. Alles ist noch beynahe convulsiv; doch haben sich sein Charakter und seine Weltansichten gar hübsch und rein ausgebildet. Was die höheren Kunstansichten betrifft; so entspringen sie, wie fast bey allen Künstlern, aus der Reflexion und nicht aus der Erfindungskraft; wodurch denn ein Schwanken zwischen dem Wahrhaft- und zwischen dem Scheinbarbedeutenden entsteht, das sich bey jedem einzelnen Falle erneuert. Ich habe meiner Frau etwas geschickt was er hier gemacht hat. Wenn ich nicht irre, so werden Sie ihn von seiner besten Seite darin wieder erkennen.

Sonst ist mir nichts begegnet was uns gemeinsam interessiren könnte. Ich bin auf allerley Weise fleißig und denke die drey vier Wochen, welche ich noch auswärts bleibe, bestens zu nutzen. Leben Sie recht wohl und gedenken mein, bis wir wieder an unsre gemeinsamen Betrachtungen und Arbeiten gehen können.

Goethe.


20/5585.


An Friedrich Justin Bertuch

Ew. Wohlgeboren

bin ich für die mitgetheilten Nachrichten auf das lebhafteste dankbar. Sie sagen mir was ich voraussetzen konnte, daß das von Ihnen übernommene Geschäft seinen sichern Schritt fortgeht, wofür ich, insofern ich daran theilnehme, zum schönsten danke und zu[150] allem, was beschlossen und unternommen wird, zum voraus beystimmend glückwünsche. Grüßen Sie die übrige Gesellschaft zum allerschönsten.

Was das Local in dem Palais der Herzogin betrifft, so habe ich die Anfechtungen, die wir deshalb haben würden, wohl vorausgesehen. Daß wir den 24. Oktober darin feyern, wird uns wohl nicht versagt werden, und alsdann würde ich rathen, die Theaterzimmer wie ehmals zu unsern Zwecken zu benutzen und nur den Gebrauch jener Etage im Palais für außerordentliche Fälle vorzubehalten und zu erbitten. Ist die Wohnung nicht besetzt, so wird man es uns nicht abschlagen; wird sie aber an fremde oder sonstige Personen, für kürzere oder längere Zeit, abgetreten, so fiele unsre Benutzung ohnehin weg. Doch wird sich das alles finden und geben, wenn man nur jedesmal die nächsten Umstände betrachtet. Der ich recht wohl zu leben wünsche und mich unter jeder Form Ihrer freundschaftlichen Theilnahme bestens empfehle.

Carlsbad den 17. August 1808.

Goethe.


20/5586.


An Christiane von Goethe

Carlsbad den 19. August 1808.

Ich muß dich nun auch in Weimar begrüßen, da du wieder daselbst angelangt bist. Ich bin noch[151] immer hier und kann nicht loskommen. Von allem was ich zu thun habe, wird immer was gefördert und dann kommt wieder etwas neues hinzu. So lehrt uns Kaaz, zum Beyspiel, allerley Malerkünste, die denn auch, so gut es gehn will, ausgeübt werden.

Demungeachtet wäre ich hier schon weg, wenn es in Franzenbrunn nicht so voll wäre, daß Niemand Unterkommen finden kann. Ich will noch acht Tage warten und dann auf Gerathewohl hinübergehen. Mit dem bestellen der Quartiere ist es eine unangenehme Sache.

Da es nun hier gegen das Ende geht, so habe ich dir verschiedenes besorgt. Das Service habe ich gestern selbst noch einmal recht dringend gemacht. Die Fabrik hat zu wenig Vorrath, und weil ihr Zeither, wegen Unreinigkeit der Masse und der Materialien zur Glasur, mehrere Brände unrein ausgefallen; so haben sie saubere ganze Service nicht zusammensortiren können. Das einzelne, es mag noch so schlecht ausfallen wie es will, verkaufen sie ins Land und besonders nach Carlsbad, wo bey so vielen Gästen eine Menge Geschirr nöthig ist und vieles zu Grund geht. In die nähern Ortschaften geht auch viel. Sie sind mit ihren Preisen etwas aufgeschlagen; doch wird das Service zu 12 Personen, wovon ich Dessert, Salzfässer und solche Kleinigkeiten weggelassen, uns mit dem Transport nicht viel über zwey Carolins zu stehen kommen. Sie haben mir versprochen die nächste Woche es abzuschicken.

[152] Auch ein hübsches Seiden Kleid habe ich dir angeschafft, ein Zeug, den sie Levantine nennen, königsblau, eine Farbe, die jetzt viel getragen wird. Es werden Kleider draus gemacht, ohne Schleppe, wie eine Art Pekesche, womit man aber überall hingeht, wenn man sich nicht ausdrücklich putzen will.

Mit den Krausen will ich bis nach Franzensbrunn warten. Die Frau bey der ich das Häubchen gekauft hatte sehr schöne Sachen von dieser Art.

Chocolate nehme ich etwas mit und was dergleichen Dinge mehr sind.

In Franzenbrunn werde ich etwa vierzehn Tage bleiben. Du kannst nur sogleich dahin schreiben. Man setzt Franzenbrunn bey Eger. Ich melde dir auch etwas von daher.

Vierzig kleine Flaschen Egerwasser will ich auch abschicken. Es ist mir jetzo ein Weg durch Fuhrleute bekannt geworden.

Ersuche doch Hofrath Meyer, daß er ein Blättchen beylegt und mir Nachricht giebt von dem Befinden der Herzoginn, wenn sie wiedergekommen. Er möchte sich aber genau darnach erkundigen. Ferner wie es sonst in Weimar aussieht. Dein Bruder schreibt mir manchmal Neuigkeiten; aber er ist ein fataler Correspondent: man erfährt nie etwas Ordentliches durch ihn, weil er meistens übertreibt, und ohne Noth ängstlich oder wehklagend ist. Grüße mir diejenigen vom Theater, die sich zu dir halten und sich freundlich meiner erinnern.

[153] Möchtest du nun, meine liebe, indem du in dein Haus zurückgekommen auch deinen guten Humor wieder gefunden haben. Ich wünsche recht schönes Wetter zum Vogelschießen und gute Unterhaltung.

Wenn die Leute dir deinen guten Zustand nicht gönnen, und dir ihn zu verkümmern suchen; so dencke nur daß das die Art der Welt ist, der wir nicht entgehen. Bekümmre dich nur nichts drum; so heißts auch nichts. Wie mancher Schuft macht sich jetzt ein Geschäft daraus meine Wercke zu verkleinern, ich achte nicht drauf und arbeite fort. Ich habe die wunderbaren Anträge die wir zusammen überlegen wollen.

G.


20/5587.


An Dorothea von Knabenau

Carlsbad d. 19. August 1808.

Wenn Sie wissen könnten, schöne Freundinn, wie ergötzlich es ist von Ihnen angeblickt zu werden: denn das kann Ihnen der Spiegel doch nicht sagen; so würden Sie sich selbst erfreuen über die Wirkung die Ihr Bote auf dem Carlsbader Markte hervorgebracht, nachdem seit einiger Zeit von der Apotheke bis zu den drey Mohren, ja bis zum Maltheserkreuz nichts als Klagen erschallen wollten.

Ihr schönes Couvert mit weißen Rosen durch und durchgestempelt versprach mir den erfreulichsten Inhalt. Den fand ich auch aber nicht ohne Dornen. Denn[154] der Gedanke an eine so herrliche Einladung sticht und peinigt mich schon seit dem Empfang Ihres köstlichen Briefes, und zwar dergestalt, daß ich lieber vergessen hätte ihn erhalten zu haben; ja daß ich bis auf den heutigen Tag mich nicht entschließen konnte zu antworten, weil ich nicht nach meinen Wünschen und Gesinnungen antworten konnte.

Betrachtet man es recht genau so kleidet ein freundliches Ja eine liebenswürdige Elpore nicht allein, sondern wirklich Jedermann und das Nein ist ein ver dreißliches Wort, bey dessen Aussprache man nothwendig das Gesicht verzerren muß.

Wie sollt' ich also sagen, daß ich zu dem schönen Fest nicht anlange als etwa jetzt, da es wirklich unmöglich ist. Denn ich weiß nicht einmal ob dieser Brief bis zu Ihnen dringt, um mich noch zur rechten Zeit zu entschuldigen. Obgleich eine jede Entschuldigung auch wieder etwas unzeitiges ist: denn es wäre besser man bedürfe ihrer gar nicht.

Also vor allen Dingen zürnen Sie mir nicht und dann verwenden Sie Ihre Anmuth dergestalt zu meinen Gunsten, daß Ihre vortreffliche Fürstinn mir auch nicht zürnt, und mir einige Frist gestatte, meine Versäumniß wieder gut zu machen.

Noch 14 Tage muß ich mich in Franzenbrunn aufhalten. Das ist die Verordnung des Arztes, und wie sehr wünsche ich hernach an einem schönen Septembertage in Löbichau aufzuwarten. Bis dahin lebe[155] ich in steter Sorge, ich möchte plötzlich nach Weimar beordert werden, welches mir manchmal geschieht, wenn ich den mir milde und läßlich ertheilten Urlaub bis in die späte Jahreszeit auszudehnen wage.

Kann das Vergnügen das die kleinen hier beykommenden Gedichte in dem schönen Kreise erregen, meine Vergebung beschleunigen, so lassen Sie solche ja nicht lange ungelesen, damit meiner so nachsichtig und freundlich gedacht werde, als ich aufgenommen ward, da ich sie selbst vortrug.


20/5588.


An Friedrich Immanuel Niethammer

Wohlgeborner

Insonders Hochgeehrtester Herr,

Meine dankbare Bereitwilligkeit gegen Ihre vertrauliche Mittheilung kann ich nicht besser an den Tag legen, als indem ich Ihnen zu beliebiger weiterer Beförderung meine Gedanken über die Verfassung eines lyrischen Volksbuches aufrichtigst mittheile. Da ich diesen Plan mit ähnlichen schon lange bey mir hege; so wünsche ich daß davon nichts öffentlich bekannt würde, weil er in unsern schreib- und verlaglustigen Zeiten und bey der hergebrachten Präoccupation einer Idee, die sich nur irgendwo blicken läßt, gar leicht durch geschäftliche Hände auf eine ungeschickte Weise zu Tag gefördert werden könnte. Habe Sie[156] die Güte mir anzuzeigen, in wie fern er den mir geäußerten Wünschen entgegenkommt.

Fände man ihn jenen Zwecken gemäß, so würde ich mich gern näher darüber erklären; wozu ich mir aber Frist, wenigstens bis Weihnachten, auszubitten hätte. Es findet sich gar zu viel Dringendes um mich her, als daß ich mich mit Ernst sogleich zu einem so bedeutenden Gegenstande wenden könnte.

Überhaupt ist es eine von den Unternehmungen, die immer wachsen jemehr man sich ihnen nähert, die immer tiefer werden, je tiefer man hineinkommt, wobey ein entschiedner Plan, ein förmliches Engagement kaum denkbar ist, weil man vielleicht ganz zuletzt den Stoff den man nach einer Methode gesammelt hat, nach einer ganz andern zu ordnen bewogen wird.

Daß die Idee des Ganzen von Einem ausgehe und die endliche Redaction von Einem abhange, ist vielleicht eine unerläßliche Bedingung und ich verehre daher die Einsichten und das Zutrauen eines hohen Gouvernements, das eine solche Einleitung beliebt und mir das besondere Vertrauen geschenkt hat. Die Zeit die ich mir erbitte, die Sache genauer zu überlegen, soll für das Geschäft nicht verloren seyn. Jedoch wünschte ich einen förmlichen Antrag bis auf jene Epoche verschoben; wobey ich Ew. Wohlgebornen bitte meine dankbare Ergebenheit Hohen und Höchsten Ortes auf das lebhafteste auszusprechen.

Möchten Sie vielleicht indessen was den technischen[157] äußern Theil betrifft, einige Berechnungen machen lassen sowie auch wegen des Betriebs und zu hoffenden Absatzes. Vielleicht könnte gerade bey Gelegenheit dieses Werks die gewünschte Einleitung geschehen, daß in allen Bundesstaaten kein Nachdruck stattfinden könnte. Vielleicht ließe sich dieß auch in den östreichischen Erblanden durch hohen Einfluß erhalten, und so müßte das Werk die darauf zu verwendenden Unkosten, wie mich dünken sollte, sattsam wieder einbringen, und für die Folge da sich mehrere Auflagen nothwendig machen werden, noch eine Rente versprechen, wie bey solchen fortdauernden Verlagsartikeln mehr oder weniger der Fall ist.

Was wir sonst bey meinen Überlegungen und Vorarbeiten zur völlig zweckmäßigen Leitung dienen könnte, bitte mir auf das freyeste mitzutheilen. Es wäre gewiß so interessant als nothwendig manches locale Bedürfniß, so wie manche örtliche Gesinnung zu beachten.

Ich bitte das Extemporirte und Aphoristische meines Aufsatzes und Briefes zu entschuldigen. Beyde wurden unter mancherley Drang concipirt. Ich eile jedoch, um den zufälligen Aufschub wieder gut zu machen.

Eine Antwort auf das gegenwärtige bitte nach Weimar zu senden, weil es ungewiß ist, wie lange ich mich hier noch aufhalte.

Der ich mich unter den besten Wünschen zu geneigtem Andenken empfehle, und mich gar zu gern[158] jener Zeiten gemeinsamen Strebens erinnere, die für uns und unser Vaterland nicht ohne Folgen geblieben sind.

Ew. Wohlgeboren

Carlsbad

gehorsamster Diener

den 19. Aug. 1808.

J. W. v. Goethe.


20/5589.


An Marianne von Eybenberg

Wie man den Vogel an den Federn, den Löwen an den Klauen erkennt, so erkennt man die Freunde an den Lanzen, die sie wohl gelegentlich für einen brechen. Es geziemt Ihrem Charakter, ihre Überzeugung nicht zu verbergen, und ich freue mich, daß Sie gerne bekennen, wie Sie von mir denken, es ist aber auch lebhaft wechselseitig.

Was Sie mir für Beaulieu geben mögen, empfangen er und ich mit dem schönsten Danke. Senden Sie mir noch Alles hieher, ich bleibe noch acht Tage und dann geb' ich Anweisung, mir's nachzusenden.

Von dem Italiener lassen Sie sich die nächsten Preise von jedem Steine melden und zeigen mir sie an. Man hat alsdann noch die Wahl, ein und den andern zu behalten.

Was soll ich aber sagen, daß ich Sie zu Ende Ihrer Kur und dieses schönen Sommers in solcher Sorge sehe, wie sich die öffentlichen Angelegenheiten[159] wenden können? Und was das allgemeine Schicksal für Einfluß auf Sie haben wird? Möge das drohende Gewitter vorübergehen! Ist es demonstration, ist es Ernst, wer kann das ahnden?

Empfehlen Sie mich der Prinzeß Solms Hoheit zum schönsten und besten, so auch den wohlwollenden Freundinnen.

Sagen Sie mir, wie lange unser Herzog noch in Töplitz bleibt, oder ob er schon weg ist? Empfehlen Sie mich ihm zu Gnaden und Hulden, wenn er noch neben Ihnen wandelt.

Von mir kann ich so viel sagen, daß ich meine Tage gerade so zubringe, als wenn ich erst mein Fortkommen in der Welt suchen wollte. Ich bin unausgesetzt auf allerley Weise fleißig. Möge dadurch Ihnen auch einmal eine frohe Stunde werden. Adieu, beste.

Carlsbad den 22. August 1808.

Goethe.


20/5590.


An Christiane von Goethe

Carlsbad d. 28. Aug. 1808.

Da es mir bisher so gut gegangen, dachte heute auf meinen Geburtstag dir und mir ein Fest zu bereiten und dich nach Franzenbrunn einzuladen, wohin ich übermorgen abgehe. Da es aber gerade auf dem Weg den du zu nehmen hättest unruhig aussieht;[160] so ist es besser du bleibst zu Hause und ich suche bald zu dir zu kommen. Etwa vierzehn Tage will ich in Franzenbrunn verweilen, indem trincken und baden mir gar zu wohl bekommt, welchen Weg ich alsdann nehme werden die Umstände entscheiden. In der Hälfte September dencke ich bey dir zu seyn, ich schreibe auch noch indessen. Du schreibst mir aber nicht mehr, weil die Briefe mich schwerlich treffen würden. Mit meinem hiesigen Aufenthalte kann ich wohl zufrieden seyn, meine körperlichen Zustände haben sich recht gut hergestellt, ich habe manches Vergnügen gehabt und bin fleißig genug gewesen. Kaas hat uns die letzten Wochen noch recht zum Zeichnen und Mahlen animirt. Lebe recht wohl. Ich freue mich herzlich dir wieder näher zu rücken und dich bald zu erreichen. Sey meinetwegen außer aller Sorge. Gedencke meiner in Liebe.

G.


20/5591.


An Marianne von Eybenberg

Wir nehmen zu guter Letzt noch ein großes Blatt, um unserer trefflichen Freundin recht in guter Form Abschied zu sagen. Um's Scheiden ist es übrigens eine böse Sache. Die ersten Tage denkt man immer noch die Gegenwart festzuhalten; wie wir denn auch Anfangs durch eifriges Hin- und Wiederschreiben redlich gethan haben; dann stockt es aber doch, und[161] wenn man sich zu einer gegenwärtigen, leidenden Freundin an's Kanape setzen kann, so kann man ihr in die Ferne nichts werden.

Lassen Sie uns also der Nothwendigkeit gehorchen und leben Sie recht wohl. Ich gehe morgen nach Franzenbrunn und habe mich sehr gefreut, heute noch ein Briefchen von Ihnen zu erhalten. Vielleicht hören wir noch wechselseitig von einander, ehe uns die Poststationen weiter auseinanderrücken.

Was die Kriegsgerüchte betrifft, so möchte ich Sie gerne beruhigen. Ich müßte mich sehr irren, oder Sie haben vor Endigung Ihrer Kur nichts zu besorgen. Reisen Sie alsdann gelassen nach Wien zurück. Wer weiß, ob sich die Götter dieses Ninives nicht noch erbarmen, worin »so viele gute Menschen zu bedauern wären, nicht weniger so vieles Vieh.« Siehe Buch Jonä am Schluß.

Also nochmals Ihnen und Ihrer liebevollen Umgebung ein herzliches Lebewohl. Auf alle Fälle schreibe ich sobald ich nach Weimar komme. Thun Sie dasselbige von Wien aus. Wir empfehlen uns beide bestens und danken zum schönsten für alles erwiesene Gute.

Carlsbad den 29. August 1808.

Goethe.[162]


20/5592.


An Christiane von Goethe

Dieses Blat kann ich durch Frau Obrist v. Seebach zu dir dringen um dir zu sagen daß ich mich recht wohl befinde und fleißig bade. Hier muß ich geselliger seyn als in Carlsbad, welches denn auch gut ist. Man kan hier Wagen haben die einen wenigstens eine Strecke bringen und so will ich etwa in zehen Tagen aufbrechen und dann bald bey dir seyn, worauf ich mich herzlich freue. Lebe recht wohl und gedencke mein in Liebe.

Franzenbrunn d. 4. Sept. 1808.

G.


20/5593.


An Christiane von Goethe

[14. September.]

Durch diesen Boten vermelde ich dir, mein liebes Kind, daß ich in Jena glücklich angekommen bin. Ich finde hier allerley zu thun und einzurichten, auch höre ich daß ihr noch immer mit Durchmärschen geplagt seyd, darum möchte ich nicht gleich hinüber. Mehr aber noch weil ich manches von hier aus erst überschauen möchte.

Deßwegen wünscht ich du entschlössest dich nach Kötschau zu fahren, etwa Freytag früh, ich wollte auch bey guter Zeit da seyn, du brächtest mir mit[163] was indessen angekommen, wenn es nicht gar zu gros ist, und ich brächte dir von meiner Seite auch einige hübsche Sachen. Ich erführe von dir was mir zu wissen nötig ist und wir könnten zusammen vieles überlegen. Wie sehr wünsche ich dich wiederzusehen und dir zu sagen wie sehr ich dich liebe. Lebe recht wohl und antworte nur kürzlich

Mittwoch Abends.

G.


20/5594.


An Carl Friedrich Zelter

Sie verbinden mich aufs neue, theuerster Freund, durch die gute Aufnahme Herrn Eberweins. Als ich ihm nach Berlin den kurzen Urlaub gegeben, konnte ich freylich nur die Absicht haben, ihn gewahr werden zu lassen, daß die Kunst eine Höhe und Tiefe habe, die er nur dunkel zu ahnden schien, und ein Gesetz, von dem man sich freylich so von außen, und bey der gewöhnlichen Art wie junge Menschen in die Vorhöfe gelangen, nicht den mindesten Begriff machen kann. Leider kann ich seinen Urlaub dießmal nicht verlängern, und es soll mir schon genug seyn, wenn er, mit den Herrnhutern zu reden, als ein Sünder zurückkommt, wenn er fühlt daß manches abzulegen ist was er fürs Rechte gehalten hatte, wenn er merkt, daß das oft Irrwege sind, was die Welt für Wege zum Ziel hält, wenn in ihm eine unendliche Sehnsucht[164] erregt ist, Sie wiederzusehen und sich unter Ihnen zu bilden. Finde ich ihn auf diese Weise angegriffen, so will ich suchen ihm das künftig zu verschaffen, was er jetzt entbehren muß.

Ich bin glücklich von Carlsbad zurück und habe dort manches gearbeitet, das ich Ihnen früher oder später ans Herz zu legen denke. Leben Sie recht wohl, und wenn Sie von Ihren Confessionen etwas mittheilen mögen; so lassen Sie mich den ersten seyn. Sobald ich etwas ruhiger bin, hören Sie mehr von mir. Herrn Eberwein lassen Sie, wenn sein Urlaub um ist, wieder abgehen

Weimar den 19. September 1808.

G.


20/5595.


An Johann Georg Lenz

Vor meiner Abreise von Jena habe ich dem Schloßvogt einige Mineralien übergeben, um sie Ew. Wohlgebornen zuzustellen. Es ist das problematische Basaltähnliche Gestein in welchem bey Schleiz der Amirant vorkommt. Möchten Sie mir dieses Gestein nach seinen äußern Kennzeichen genau beschreiben und mir Ihre Gedanken sagen, wohin Sie es zählen würden; so geschähe mir eine Gefälligkeit.

Auch wünschte ich gar sehr den kleinen Aufsatz von Born über das Vulcanische Vorkommen bey Eger zum Durchlesen. Wahrscheinlich haben Sie es in Ihrer[165] Bibliothek. Ich weiß aber nicht, ob es besonders abgedruckt oder in irgend einer Sammlung befindlich ist. Ich wünschte diese kleine Schrift bald möglichst zu erhalten.

Der ich recht wohl zu leben und weitern guten Succeß Ihrer Anordnungen wünsche.

Weimar den 19. September 1808.

J. W. v. Goethe.


20/5596.


An Jakob Stock

Nur die Überzeugung daß unsre theure Mutter von trefflichen und theilnehmenden freunden umgeben sey, konnte uns in der letzten Zeit beruhigen, in der wir menschlicher Weise bey ihrem hohen Alter ein herannahendes Ende befürchten mußten. Nehmen Sie deshalb den aufrichtigsten Dank, daß Sie unsre Stelle vertreten und eine liebevolle Vorsorge für die Abgeschiedene bis ans Ende fortsetzen wollen. Tragen Sie diese Gesinnungen auf uns über und haben Sie die Güte bey den vorkommenden Angelegenheiten uns zu leiten. Sobald wir erfahren, daß es zeit sey, wird meine Frau sich auf den Weg machen und bey diesem traurigen Anlaß des Vergnügens und Trostes so werthe Freunde wiederzusehen, genießen.

Herr Dr. Schlosser schreibt mir, daß meine Mutter vor ihrem Ableben einiges gegen ihn geäußert, weshalb mit demselben gefällige Rücksprache zu nehmen[166] bitte. Dankbar für das bisherige thätige Wohlwollen empfehle ich mich und die meinigen zu fortdauernder Freundschaft.

Ew. Wohlgeboren

Weimar

Weimar ganz ergebenster Diener

den 19. September 1808.

J. W. v. Goethe.


20/5597.


An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

[19. September.]

Mit lebhaftem dank erkenne ich, werthester Herr Doctor, die freundschaftliche Theilnahme, die Sie uns bey dem traurigen Ereignisse erwiesen, sowie den Beystand, den Sie meiner guten Mutter in ihrer letzten Zeit geleistet, indem wir dadurch beruhigt werden, daß unsre Pflicht von treugesinnten Freunden und Verwandten erfüllt worden. Haben Sie die Güte, diese Gesinnungen auch gegen fortzusetzen und uns bey den vorkommenden Angelegenheiten gefällig beyzustehen. Daß alles in einem engern Kreise abgethan werden möge ist auch unser Wunsch. Sobald wir Nachricht erhalten, daß es die rechte Zeit sey, so wird meine Frau sogleich die Reise nach Frankfurt machen.

Herr Schöff Stock hat unserm Namen den ersten nothwendigen Schritt gethan. Ich bitte mit diesem würdigen Manne und werthen Freunde die[167] Sache zu besprechen und meiner Frau bey ihrer Ankunft nach Überzeugung zu assistiren. Der ich mich bestens empfehle und beyliegenden Brief ihrem Herrn Bruder zuzusenden bitte.


20/5598.


An Johann Georg David Melber

[19. September.]

Für den gütigen Beystand, den Sie meiner lieben Mutter bis an das Ende geleistet, bin ich Ihnen den lebhaftesten Dank schuldig, indem wir uns um desto eher beruhigen können so weit entfernt von ihr gewesen zu seyn. Wir wünschen diese Freundschaft auch gegen uns fortgesetzt zu sehen; weshalb sich meine Frau, welche Frankfurt bald besuchen wird, bestens empfiehlt. Gedenken Sie unser bey Ihrer lieben Mutter und behalten uns in einem geneigten Andenken.


20/5599.


An Carl Cäsar von Leonhard

Ihnen einen kleinen Beytrag zu den Taschenbuche zu senden, war schon früher meine Absicht. Ich habe diesen Sommer den problematischen Kammerbühl bey Eger zu untersuchen Gelegenheit gehabt und über denselben einen kleinen Aufsatz gefertigt, den ich schon von Franzenbrunn abzusenden gedachte, weil ich aber[168] Erst das, was schon darüber geschrieben worden, nachzulesen wünschte, behielt ich ihn um so mehr bey mir, als ich glaube, der Druck Ihres Taschenbuches müßte schon weit gerückt seyn. Da ich aber vernehme, daß es noch Zeit ist, so geh' ich gern über jene Bedenklichkeit hinaus und sende ehstens eine Abschrift. Da ein Kupfer dazu nöthig ist, so werde ich die Zeichnung nachschicken.

Mich indessen geneigtem Andenken bestens empfehlend

Weimar, 19. September 1808.

Goethe.[169]


20/5599a.


An Johann Jacob Otto August Rühlevon Lilienstern

Ew. Hochwohlgeboren

danke ich zum allerbesten für das übersendete Werk, von dem ich viel Unterhaltung und Belehrung verspreche. Daß Sie das Wort Mathematik im ausgedehntesten Sinne brauchen, giebt mir keinen Anstoß. Um jedoch die Sache einigermaßen in's Gleichgewicht[115] zu bringen, hoffe ich, es werde nächstens Jemand aufstehen und versichern, daß mit der Poesie alles in der Welt zu thun sey, und daß sich besonders die Planeten und Cometenbahnen am allerbequemsten durch die Ode darstellen lassen. Sobald dieses einmal recht ausgeführt ist, so werden wir uns hoffentlich völlig verstehen.

Durchlaucht dem Prinzen Bernhard bitte mich zu Gnade zu empfehlen und von der vorzüglichsten Hochachtung überzeugt zu sein, mit der ich mich zu unterzeichnen die Ehre habe.

Ew. Hochwohlgeboren

ganz gehorsamster Diener

J. W. v. Goethe.

Weimar den 20. September 1808.[116]


20/5600.


An Silvie von Ziegesar

Als mich, liebste Silvie, der Eilbote aus Ihrem freundlichen Thale wegrief ahndete ich nicht was mir bevorstehe. Der Tod meiner theuren Mutter hat den Eintritt nach Weimar mir sehr getrübt. Nur mit wenig Worten empfehle ich mich heute Ihrem Andencken und wünsche daß die mitfolgenden schneidenden Instrumente nichts am Gewebe Ihrer Freundschaft lostrennen mögen.

d. 21. Sept. 1808.

G.[169]


20/5601.


An Heinrich Carl Abraham Eichstädt

Ew. Wohlgeboren

Danke zum allerbesten für das übersendete Münchner Diplom. Ich werde nicht verfehlen meinen Dank dorthin sogleich gelangen zu lassen.

Nach einer so großen literarischen Fasten, ist uns besonders Ihre Literaturzeitung willkommen, wodurch wir zuerst wieder geistiges Leben und Bewegung gewahr werden.

Haben Sie über Oehlenschlägers Aladdin noch nichts bestimmt, so würde ich gern dieses problematische Werk in Ihrer Zeitung anzeigen. Bin ich nur erst einigermaßen wieder in ruhigem Gange, so theile ich wohl noch einige andre Wünsche mit.

Bey meinem nächsten Aufenthalt in Jena hoffe ich auf das Vergnügen, mündlich mit Ew. Wohlgeboren zu sprechen.

Der ich mich bestens empfehle.

Weimar denn 23. September 1808.

Goethe.


20/5602.


An Pauline Schelling, geb. Gotter

Sie könnten dencken, liebe Pauline, undanckbare Freunde hätten der schönen Carlsbader Stunden, aller freundlichen Ereignisse, so wie alles Versprechen und[170] Zusagen vergessen. Daß dem nicht also sey wünschte ich Sie zu überzeugen und ich fange damit an Ihnen, aus einem brausenden Hof und Weltgetöse, den stillen Amyntas zu übersenden, der bey Ihnen gewiß, freundlich aufgenommen seyn wird. Gedencken Sie mein, wenn Sie Sich in die ideellen Wälder versetzen und lassen sie mich bald hören daß sie der böhmischen Fichtenthäler noch eingedenck sind.

W. d. 28. Sept. 1808.

Goethe.


20/5603.


An Johann Georg Lenz

Dem Schloßvoigt sind bey meiner Abreise etwa ein halbduzzend Steine übergeben worden, um sie Ew. Wohlgeb. zuzustellen, unter demselben befanden sich zwey sehr harte, und schweere schwarze nebst einem dergleichen in Kugelform. An diesen ist mir besonders gelegen. Haben sie Ew. Wohlgeb. noch nicht erhalten; so bitte Sich darnach zu erkundigen und mir eine Beschreibung derselben, so wie auch eine Beurtheilung wohin sie zu rechnen seyn möchten, gefällig, nebst den Exemplaren selbst zu übersenden.

d. 28. Sept. 1808.

G.[171]


20/5604.


An Silvie von Ziegesar

[28. oder 29. September.]

Tausend Danck für Ihr liebes Abschieds Wort! Warum kann ichs nicht mündlich empfangen. Hier Delphine statt vieles andern. Auch das zugesagte gefundene. Adieu liebe Silvie. Gedencken Sie mein. Von Erfurt gewiß!

G.


20/5605.


An Christiane von Goethe

Eh ich von Erfurt abgehe muß ich dir ein Wort sagen und dir dancken daß du mich herübergetrieben hast. Zum Schauspiel kam ich nicht; aber nachher fügte sich alles zum Besten. Ich habe dem Kayser aufgewartet, der sich auf die gnädigste Weise lange mit mir unterhielt. Nun geht's zu den Weimarischen Festen, wobey ich dich wünschte. Manchmal ist mir's verdrieslich daß du so eigensinnig auf deiner Reise bestandest. Dann denck ich wieder: Es wird wohl gut ausfallen, da so vieles gut ausfällt. Lebe recht wohl. Grüße deine Gesellschafterinn und alle Freunde. Dienstag d. 4 Octbr. 1808.

G.[172]


20/5606.


An Silvie von Ziegesar

[9. oder 10. October.]

Nicht von Erfurt, wohin ich nicht wieder gegangen, sondern von Weimar erhält die Liebe Silvie diesen freundlichen Grus, der nur von Carlsbader Haide begleitet wird, die ich eben finde. Kartenschlägerinnen und Träume, wovon ich Ihnen die artigsten Dinge zu erzählen habe, wollen mich in Furcht und Sorge setzen. Ich suche zu widerstehen und glaube recht zu haben. Sagen sie mir das auch recht bald.

G.


20/5607.


An Marianne von Eybenberg

Herzlichen Danck, liebe Freundin, daß Sie mir sogleich die Verlängerung Ihres Dresdner Aufenthaltes anzeigt. Ein Brief von Riemer schildert umständlicher die Zustände, in denen wir uns diese Tage befanden. Auch jetzt stehe ich wieder auf dem Sprunge nach Erfurt.

Adieu! Lassen Sie uns nur immer wissen, wo sie Sich befinden.

d. 9. Oct. 1808.

G.[173]


20/5607a.


An Christian Gottlob Voigt

[Weimar, 10. October 1808?]

Ew. Exzel.

communicire schuldigst einen Aufsatz nebst Schreiben die ich an den Fürsten Primas zu erlassen im Begriff bin. Die darinn enthaltnen Vorschläge fanden den beyfall des Ministers Grafen von Bose, der mich aufmunterte, sie an den Fürsten Primas zu bringen, welcher sie gleichfalls billigte, von mir eine Note verlangte und die Sache sogleich zu initiren versprach. Zu dieser meiner Privathandlung erbitte mir Ew. Exzellenz freundliche Beystimmung.

G.[116]


20/5608.


An Friedrich Theodor von Müller

Ew. Hochwohlgebornen

Haben die Gefälligkeit inliegenden Brief an Herrn von Humboldt durch eine sichre Gelegenheit nach Paris zu bringen und dessen Abgabe bestens zu empfehlen.

Da ich schwerlich wieder nach Erfurt hinüberkomme, so bitte mein Andenken nochmals allen hohen Gönnern zurückzurufen, besonders auch Herrn von Remusat einige verbindliche Worte von mir zu sagen, nicht weniger Herrn Le Lorgne, dessen hiesiger Aufenthalt mir sehr interessant gewesen ist. Den Herren vom Theater Dazincourt, Talma, Lafond recht viel Artiges. Ich bin aufrichtig, wenn ich sage, daß ich mich mit Enthusiasmus ihrer erinnere.

Bey unserm gnädigsten Herrn gedenken Sie auch meiner, so wie bey dessen Umgebung. Herr Rath Conta hat mir versprochen die Erfurter Zeitungen und Couriere, wie sie heißen, zu sammeln. Ich wünsche, daß er sie mir gelegentlich herüberschicke.

In Ihrem Zimmer im Schlehdorn habe ich eine wollene Decke liegen lassen. Wenn Herr Hofrath Sartorius, den ich ersuche sie mitzubringen, sie etwa nicht erhält, so bitte ich gefällige Ihren Bedienten aufmerksam zu machen.

Wie manches Schöne werden Sie uns zu erzählen[174] haben, worauf ich mich freue und bestens empfehle.

Weimar den 11. October 1808.

Goethe.


20/5609.


An Christiane von Goethe

Da ich dir heute, mein liebes Kind, die Vollmacht nicht schicken kann, weil Schuhmann nicht hier ist der sie aufsetzen würde; so will ich dir wenigstens schreiben und dir sagen daß es mir recht gut geht.

Hofrath Sartorius und Frau sind bey mir eingekehrt und bedauern gar sehr dich nicht zu finden; ich will sehen wie ich meiner Strohwittwerschaft Ehre mache.

Geh in allem vorsichtig und sachte zu Wercke, daß du Freunde erwerbest und erhaltest. Wenn die Vertheilung geschehen ist, schreibe mir laß nichts verkaufen. Es könnte nichts schaden wenn man ein klein Quartier, auf der Bockenheimer Gasse, oder unter der Allee, nicht weit vom Schauspielhause nähme und es meublirte. Man muß auf allerley dencken. Du hättest einen angenehmen Aufenthalt eine Zeit des Jahres, wir wären eine Zeitlang zusammen. Denn für mich wird Carlsbad, für dich Lauchstedt am Ende doch auch nicht erfreulich. Mehr nicht für heute. Grüße August und pflege ihn wohl.

d. 12. Octbr. 1808.

G.[175]


20/5610.


An Silvie von Ziegesar

Beykommendes ist einige Tage liegen geblieben und geht erst heute mit dem Boten. Auch habe ich noch eine Pflanze mit Voigts Bemerckung beygefügt. Ich hoffe Sie dencken noch manchmal an Napoleons Unterredung, an die Abfahrt des Königs v. Sachsen und an soviel Sterne und Lichter. Und noch an etwas, oder an jemand und sagen mir bald ein freundlich Wort.

d. 12. Octbr. 1808.

G.


20/5611.


An Wilhelm von Wolzogen

Ew. Excellenz erhalten hierbey einen kleinen Aufsatz wegen Morgen. Ist etwas dabey zu erinnern, was in mein Fach schlägt, so bitte es mir zu bemerken. Eine Abschrift möchte wohl ins Hofamt und eine an Durchlaucht die Herzogin gefällig zu besorgen seyn.

Soll man ein leichtes Dach über der Thür anbringen, wo Kayser und Könige aussteigen, oder soll man neulich auf gutes Wetter hoffen und vertrauen?

Wäre Herr von Ziegesar hier, so übernähm er ja wohl die Austheilung der Billets nach den vorigen Registern.

Mich bestens empfehlend

Weimar d. 13. October 1808.

Goethe.[176]


20/5612.


An Dorothea von Knabenau

Der Morgenstern, der mir diese Tage aufgegangen ist, ward besonders deshalb freundlich begrüßt und höchlich gepriesen, weil er die purpurnen Blätter über mich ausschüttet, die Ihre zarten Fingerchen mir bestimmt hatten. Und nun will ich auch Ihnen ohne weiteres Zaudern und Sinnen sogleich für Ihre Güte danken, obgleich der große Weltstrom immer noch um uns braust und die hohe Fluth von Kaisern Königen und Fürsten unsere Gegend noch nicht wieder verlassen hat. In Erfurt machte man uns hoffen, Ihre theure Fürstinn würde sich auch daselbst einfinden; worauf ich mich lebhaft freute. Es ist nicht geschehen und nun muß ich mich damit begnügen, die Versicherung meiner Abhängigkeit und Verehrung in die Ferne zu senden.

Ältere Bekanntschaften und Freundschaften haben vor neuen hauptsächlich das voraus, daß man sich einander schon viel verziehen hat; nun scheint es, liebenswürdige Freundinnen, als wenn wir unser Verhältniß recht geschwind volljährig machen wollten. Mir war schon manches zu verzeihen; aber auch Sie wollen nicht zurückbleiben, Sie setzen mich in den Fall Ihnen auch Ihren letzten schönen bezaubernden Brief zu vergeben, da ich nicht geschwind finde, wie ich mich rächen soll.

[177] Als eine wahre Taschenspielerin und Tausendkünstlerinn sagen Sie mir voraus, daß Sie mich ärgern wollen. Sie lassen der Feder ganz natürlich ihren Lauf, ich folge mit den Augen und dem Herzen ihren Zügen, vergesse gutmüthig Ihre Drohungen und ärgere mich wirklich ehe ich's mich versehe. Da ich weiß, daß Ihnen dieses mein Bekenntniß Freude macht, so thue ich es gern; dafür werden Sie mir aber auch unsere verehrte Fürstin versöhnen, versöhnt erhalten und sie auf alle Ihnen mögliche Weise überzeugen, wie sehr ich von dem gnädigen Versprechen eines unschätzbaren Denkzeichens gerührt bin, das mir ungeachtet meiner Verirrungen werden soll.

Nach so viel Äußerungen von Freundlichkeit und Gnade, Liebenswürdigkeit und Güte die Ihr süßer Brief enthält, merke ich wohl, war es für unsere liebe künstlerische Freundinn eine schwere Aufgabe mich gleichfalls zu strafen und zu schonen, mich zu verletzen und zu heilen. Sie wählt also nach ihrer ungeduldigen Art den kürzeren Weg, nimmt ein doppelt erfreuliches Versprechen zurück und entreißt mir mit dürren Worten die Hoffnung, ein mit Sehnsucht erwartetes Bild zugleich mit einem schätzenswerthen Musterstück ihrer Kunst zu sehen.

Doch eben dieser Lakonismus belebt meine Hoffnung; denn ich vermuthe hinter dem ernsten Blick, den finstern Augenbrauen auch nur eine quälerische Schalkheit und lebe der festen Zuversicht, daß mir[178] von Osten (nicht aus dem Orient mit dem ich nicht in Verbindung stehe sondern von Löbichau) nach dem willkommneren Morgenstern nunmehr die Sonne der Gnade, Freundschaft und Liebe recht heiter durch die überhandnehmenden Herbstnebel durchbrechen werde.

Sie, meine freudespendende geliebte Freundinn, werden gewiß das Ihrige dazu beytragen. Erscheinen Sie mir ja bald, wie es schon zugesagt ist, und Sie sollen als die wohltäthigste aller Horen immerfort angebetet werden. Von meiner Seite will ich nicht verfehlen einiges zu senden, womit ich hoffe Ihnen willkommen zu seyn. Fahren Sie fort mir manches zu verzeihen, so wie auch dieses, daß ich durch eine fremde Hand schreibe. Wenn ich im Zimmer auf und abgehe, mich mit entfernten Freunden laut unterhalten kann und eine vertraute Feder meine Worte auffängt; so kann etwas in die Ferne gelangen. Mich hinzusetzen und selbst zu schreiben, hat etwas peinliches und ängstliches, das mir den guten Humor, ja ich möchte beynahe sagen die Vertraulichkeit lähmte. Rechnen Sie also auch diese Freyheit, die ich mir nehme, zu den Rechten der Monate und Jahre, die wir uns schon kennen sollten.

Ihr lieber Brief so oft ich ihn wiederlese, versetzt mich unmittelbar in Ihren Kreis und erregt in mir eine unendliche Sehnsucht. Schreiben Sie mir ja oft an[179] der Heiterkeit Ihres Wesens erfreue und die Leichtigkeit Ihrer Feder beneide.

Wie manches hätte ich Ihnen noch zu sagen und doch wollen wir dießmal das Blatt nicht umwenden. Daß ich der freundlichen Gnade, womit Ihre lieben Prinzessinen die Unterhaltung einiger Abende aufgenommen, noch recht lebhaft eingedenk bin, versteht sich von selbst; doch bitte ich es in meinem Namen auszusprechen und mich ihnen sowie der dritten durchlauchtigen Schwester, deren Fest ich leider versäumt, auf das angelegenste und anmuthigste zu empfehlen.

Weimar am 2. Jahrstag der Schlacht von Jena.


20/5613.


An Hugo Bernard Maret

[Concept.]

Votre Excellence

Accoutumee a distribuer journellement des graces, a obliger de la maniere la plus humaine tant de personnes pourroit a peine sentir l'effet que Sa Lettre, qui m'annonce les hautes faveurs dont il a plu a Sa Majesté l'Empereur de m'honorer, devait faire sur moi.

Votre Excellence voudra avec sa bonté ordinaire accueillir les expressions faibles d'une reconnoissance respectueuse et profonde; Elle voudra se faire Interprete vis a vis de Sa Majesté des sentiments que[180] je suis incapable d'articuler, et que je voudrois pouvoir temoigner par un devouement parfait; Elle daignera conserver sa bienveilannce precieuse a celui qui a l'honneur de se soussigner avec la veneration la plus sentie.

de Votre Excellence

le tres humble et le tres obeissant

Weimar

Serviteur

ce 14 Octbre 1808

W. Goethe.


20/5614.


An Silvie von Ziegesar

An einem sehr bewegten Morgen liebe Silvie nur ein Wort. Ihr freundlich-sorglicher Brief ist über Erfurt an mich gelangt. Mir geht es freylich sonderbar genug. Die Geschäfte nach meiner guten Mutter Ableben sondern meine Gegenwart in Franckfurt, nach Paris werde ich dringend eingeladen, der Kayser beehrt mit dem Zeichen der ehren Legion Ihren Freund, das sind alles Wincke und Reizungen die mich nach Südwest locken, da ich sonst mein Heil nur in SüdOst zu suchen pflegte. Dem sey wie ihm wolle! Diesen Winter wünsche und hoffe ich in Weimar zuzubringen, fleißig zu seyn und die lieben Nachbarn zu besuchen. Diese Freude hoffe ich soll mir die nächste Woche werden. Adieu süßes Kind!

d. 15. Octbr. 1808.

G.[181]


20/5615.


An Christiane von Goethe

Endlich mein liebes Kind, erhältst du die Vollmacht. Schuhmann war nicht hier, ich mußte sie von Scheibe aufsetzen lassen, dann gab es Aufenthalt bey der Regierung. Du wirst mich darinn als Ritter des St. Annen Ordens aufgeführt sehen. Der Kayser von Frankreich hat mir auch den Orden der Ehrenlegion gegeben und so wirst du mich besternt und bebändert wiederfinden und mich hoffentlich wie immer lieb haben und behalten. Ich habe bey dieser Gelegenheit gesehen daß ich viel Freude habe, denn viele Menschen freuten sich darüber. Die schönen Kinder bey Hofe waren die artigsten, versicherten, es stünde sehr gut und die Äugelchen waren unendlich. Sartorius und Frau sind heute nach Jena. Mittewoch gehen Sie fort, ich dencke auch alsdann nach Jena zu gehen, um nur des Gastirens überhoben zu seyn, das kein Ende nimmt, denn von allen Weltgegenden kamen hier Freunde zusammen. Jetzt verläuft es sich so ziemlich. Oft habe ich gewünscht du möchtest hier seyn. Nun wünsche ich dir in deinen Angelegenheiten guten Success, mache alles nach dem Rath der Freunde und nach deiner Überzeugung. Alsdann besuch Heidelberg gehe über Würzburg und Bamberg nach Hause damit du ein wenig Welt siehst; ich will dir schreiben wen du an gedachten Orten besuchen[182] mußt. Pflege indessen den guten August aufs beste und dancke in Heidelberg allen und jeden Freunden schönstens.

Hiermit schließe ich denn es fehlt nicht an Anlauf und Störung. Lebe recht wohl. Liebe mich und komme gesund wieder.

W. d. 16. Octbr. 1808.

Goethe.


Eben da ich siegeln will kommen Briefe Tagebuch u.s.w. an. Taufscheine, Vollmacht wegen des Bürgerrechts und was sonst verlangt wird soll folgen. Noch schwirrt alles von Fremden um mich her. Lebet wohl und vergnügt.

Da mir noch einige Zeit übrig bleibt; so will ich noch ein Paar Wort hinzufügen. Benehme dich im Ganzen in Franckfurt als wenn du wiederkommen wolltest. Empfange freundliches und Gutes von jedermann und bemercke nur womit du wieder dienen kannst. Herrn Schmidt dancke in meinem Nahmen für die gefällige Aufnahme im Theater. Biete ihm die Manuscripte von Götz, Egmont Stella an, sie hätten sie längst gern gehabt. Wie sehr wünscht ich daß du für den nächsten Sommer dir dort ein erfreuliches Plätzchen bereitest. Ich mag hingehen wohin ich will, in Weimar werde ich schwerlich seyn. Lauchstedt ist nichts mehr für dich und das Theater wird sich schon halten und finden.

[183] Was die Aufträge betrifft so muß man sich an wenige halten. Schlosser ist uns der nächste. Lehnt dieser abkünftig unsere Geldsachen zu besorgen; so hab ich zu Nicolaus Schmidt das größte Zutrauen.

Seyd aufmerksam gegen jedermann. Herrn Mylius vernachlässiget nicht, ich halte viel auf ihn.

Wegen des Taufscheins werde ich die größte Vorsicht brauchen. Es ist wahr du hast mich zum lachen gebracht. Was aber doch noch merkwürdiger ist Kayser Napoleon hat mich in der Unterredung mit ihm zum Lachen gebracht. Er war überhaupt, auf eine zwar sehr eigne Weise, geneigt und wohlwollend gegen mich. Laß dir nur die Zeitungen geben damit du das äussere siehst was bey uns vorgegangen ist. Gar manches vom Innern sollst du beym Wiedersehn erfahren.

Übereile und verspäte dich nicht. Es wird dir alles gelingen. Was ihr von Papieren, Vollmachten, Briefen, verlangt soll folgen. Heute früh kommt ein alter Freund den ich in 36 Jahren nicht gesehen. Der ehemalige iuristische Hufland zu Jena; jetzt Burgemeister in Danzig ist auch hier. Viele andere Bekannte. Den Fürsten Primas habe ich auch hier gesprochen. Adieu. Fahrt in eurem Tagebuch fleißig fort. Grüße Carolinen, ich wünsche ihr einen reichen Franckfurter.

August soll seine Stammbücher nur immer bereichern.[184]


20/5616.


An Louis Lelorgne d' Ideville

Weimar, 16. Octobre 1808.

Permettez, mon cher hôte, que je vous réveille en vous demandant un service. Ce que j'ai à répondre à S. E. le ministre, je le sais très bien; mais le comment est le plus difficile, et je ne puis en venir à bout. Tantôt mes remerciments sont trop longs, tantôt je les trouve trop abrégés, et je n'ai jamais mieux senti combien je possède peu votre langue. Ayez donc la bonté de m'aider et donnez-moi par là la plus agréable preuve de votre amitié. (Amitié réciproque de deux hôtes.) Pardon!

Goethe.


20/5617.


An Silvie von Ziegesar

Meiner lieben Freundinn zeige ich an daß ich Jena angelangt bin und zu wissen wünsche was die theure Mutter und das gute Töchterchen für einen Tag hat; ich hoffe einen schönen. Ist dem Freund erlaubt beykommenden Fasan Morgen Mittag mit Ihnen zu verzehren; so stellt er sich zur rechten Zeit ein. Schickt man ihn nach dem Kaffee nicht fort; so ist er eingerichtet zu bleiben Morgen Übermorgen und so weiter. Sagen Sie mir ein freundlich Wort! Ist der Papa in Altenburg? Hätten Sie hier einen[185] Auftrag? Märchen von guter Art bring ich mit. Und sonst noch einiges. In Hoffnung! Adieu.

d. 19. Octbr. 1808.

G.


20/5618.


An Friedrich Justin Bertuch

Eben war ich im Begriff, nach Weimar zu fahren, um heute Abend bey der ersten feyerlichen Versammlung nicht zu fehlen, als ich vernehme, daß unsere verehrte Herzogin wahrscheinlich morgen herüberkommt und sich in den Museen umsehen will.

Dadurch sehe ich mich veranlaßt, hier zu bleiben, sende diesen Boten mit der Bitte, mich entschuldigt zu halten; denn ich möchte nicht gern einen Augenblick gleichgiltig gegen eine so theure und bedeutende Verbindung scheinen.

Alles Gute und viel Freude zum gedeihlichen Anfang wünschend

Jena, den 24. October 1808.

Goethe.


20/5619.


An Silvie von Ziegesar

Was wird meine theure Silvie sagen? wenn Ihr dieses Blättchen nicht einen wiederholten Abschied sondern einen neuen freundlichen Willkomm bringt. Der Freund findet sich noch hier. Wie das zugeht[186] wird er Ihnen mündlich sagen wenn er Sie im Grünen, oder unter Buden, oder unter Steinen antreffen kann. Biß dahin das freundlichste was sich in ein Blatt einschließen läßt.

d. 24. Octbr. 1808.

G.


20/5620.


An Christiane von Goethe

Jena d. 25. Octbr. 1808.

In Erwartung unsrer verehrten Herzoginn, welche heut herüberkommt, schreibe ich dir mein geliebtes Weibchen und freue mich daß es dir wohlgeht. Diesmal freylich ist es sehr angenehm daß ich soviel von dir erfahre, dancke deiner Gefährtinn dafür, und wünsche ihr einen recht hübschen gradgliedrichen Verehrer zum Schluß, damit sie von Franckfurt ungern scheide. Viel werth ist mir daß du schon fühlst für dich und mich finde sich dort kein Heil. Lass uns in Thüringen auf unserer alten Stelle verharren und unsre Gesellschaft nicht erweitern sondern ausbilden.

Einigemal hab ich Gesang gehabt. Die Göttingischen Freunde waren darüber sehr vergnügt. Eberwein ist noch nicht wieder zurück. Er fühlte den großen Vortheil jenes Aufenthalts und hat alles in Bewegung gesetzt, so daß der Hofkammerath mich selbst ersuchte ihn dort zu lassen. Um so nöthiger wirst du seyn daß nicht alles in Stocken geräth.[187] Laß dich aber dadurch und durch anderes in deiner Gemüthsruhe und deinen Franckfurter Geschäften nicht stören. Bringe alles schönstens zur Ordnung besuche August in Heidelberg, dancke seinen Freunden und Gewogenen und kehre über Würzburg und Bamberg zurück. Wenn du gut Wetter hast wird dir diese Tour viele Freude machen.

Wegen des Bürgerwerdens habe ich mich anders bedacht. Es war ja eigentlich nur ein Wunsch, eine Grille von mir und gegenwärtig ist es gar nicht nötig daß du und August euch besonders darum bewerbest. Ich dachte da Franckfurt jetzt einen Souverain hat; so könnte man über verschiedene Umständlichkeiten hinauskommen, wenigstens bey uns wäre alles mit Einem Federstrich des Herzogs abgethan, so aber setzt man dort die alten Reichstädtischen Förmlichkeiten fort, die uns diesmal inkommodieren. Lassen wir also die Sache hinhängen, biß ich vielleicht einmal persönlich den Fürsten darum ersuche. Was sollen wir Taufscheine produciren die von einer Seite das große Geheimniß Frauenzimmerlicher Jahre verrathen und von der andern mit den Trauscheinen nicht zusammenstimmen. Was sollen wir Gelder bezeugen die niemals da waren u.s.w. Herrn Landrath Schlosser schreibe ich beyliegend in gleichem Sinne. Er wird es ja auch wohl so gut finden. Man muß auch der Zukunft etwas überlassen.[188]


d. 26ten.

Durchl. die Herzoginn mit der Prinzess und sämtlichen Damen ihrer Umgebung war gestern bey schönem Wetter hier und alle ganz heiter und vergnügt. Wenn der obere Theil des Schlosses wird eingerichtet seyn kommen sie wohl öfter hierher. Kayser Napoleon hat manches für Jena bestimmt. Eine Summe zu Aufbauung der Häuser, zu Einrichtung einer katholischen Kirche und so weiter. Glücklicherweise sind dagegen alle Feste die man bey uns gegeben sehr anständig und erfreulich ausgefallen. Auf dem Napoleonsberge ist ein sehr artiger Saal mit einer Säule Vorhalle, wie am römischen Hause, gebaut. Leider siehst du das nicht denn er wird abgetragen.

Nun etwas von Freunden! Der Bremische hat an deinen Bruder einen weitläufigen Brief geschrieben, woraus erhellet daß er völlig entschieden ist nach Weimar zu ziehen. Rechte Freude kann ich nicht daran haben. Er thut es um wohlfeiler zu leben. Das wäre recht gut wenn er irgendwo wohlfeil leben könnte. Vom Übrigen sag ich nichts, du weißt was davon zu dencken ist. Doch muß man es kommen lassen und ihm beyhülflich seyn. Geheimrath Voigt hat gerathen, er solle erst allein kommen, seine Verhältnisse arrangieren und sodann erst Frau und Sachen hohlen. Schicke deine Briefe nur vor wie nach. Diese Tage geh ich zurück. Lebe wohl. Liebe mich recht[189] schön und sey versichert daß ich mich recht ungeduldig nach den Schlender- und Hätschelstündchen sehne.

August schreib ich nächstens.

G.


20/5621.


An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

Wohlgeborner

insonders hochzuehrender

Herr Landrath.

Indem ich Ew. Wohlgeb. auf das lebhafteste, so wie Ihrer theuren Frau Mutter, meinen Danck abtrage, daß Sie den Meinigen in diesem Augenblicke soviel Freundschaft erzeigen und mit Rath und Tath beystehen, so erwidre ich Ihr letztes gefälliges Schreiben durch einige Betrachtungen.

Daß die Meinigen in dem gegenwärtigen Augenblick das Franckfurter Bürgerrecht gewinnen ist eigentlich nicht unumgänglich nothwendig. Es war ein Wunsch von mir, um auch für die Zukunft alles arrangiert zu sehen. Da aber so manche Dinge dabey zur Sprache kommen, die man lieber nicht anregt; so dächte ich man könnte die Sache gegenwärtig ruhen lassen und in der Folge bey günstiger Gelegenheit mit dem Besuch wieder hervortreten.

Aufrichtig zu seyn, so sind wir in unsern Verhältnissen gewöhnt, oder verwöhnt, daß in Fällen wo etwas versäumtes nachzuholen, etwas verfehltes[190] zu verbessern ist, der Souverain, mit Beseitigung üblicher Formen, den Mantel der Gnade überzieht und das Vergangne der Vergessenheit widmet. Ich glaube wohl daß dorten, bey kaum veränderter Verfassung dergleichen nicht so ganz leicht sey. Da wir aber nicht gedrungen sind; so warten wir lieber einige Zeit ab. Vielleicht gelingt es mir einmal persönlich, um so mehr als ich hoffen kann meine liebe Vaterstadt auch wieder zu sehen und unserm Fürsten aufzuwarten schuldig bin.

Empfehlen Sie mich und die Meinigen wo es sich gebührt und schickt zu Gnaden und Gunsten und setzen Sie Ihre Freundschaft bey dem gegenwärtigen Geschäfte so wie künftig fort, wogegen wir uns herzlich danckbar und verpflichtet erkennen.

Ew. Wohlgeb.

Jena d. 26. Octbr. 1808.

gehorsamster DienerJ. W. v. Goethe.


20/5622.


An Carl Friedrich Zelter

Nehmen Sie den besten Dank, lieber Freund, für das was Sie an dem jungen Eberwein thun wollen und können. Die Kunstwelt liegt freylich zu sehr im Argen, als daß ein junger Mensch so leicht gewahr werden sollte worauf es ankommt. Sie suchen es immer wo anders als da wo es entspringt, und wenn[191] sie die Quelle ja einmal erblicken, so können sie den Weg dazu nicht finden.

Deswegen bringen mich auch ein halb Dutzend jüngere poetische Talente zur Verzweiflung, die bey außerordentlichen Naturanlage schwerlich viel machen werden was mich erfreuen kann. Werner, Öhlenschläger, Arnim, Brentano und andere arbeiten und treibens immerfort; aber alles geht durchaus ins form- und charakterlose. Kein Mensch will begreifen, daß die höchste und einzige Operation der Natur und Kunst die Gestaltung sey, und in der Gestalt die Specification, damit jedes ein besonderes bedeutendes werde, sey und bleibe. Es ist keine Kunst sein Talent nach individueller Bequemlichkeit humoristisch walten zu lassen; etwas muß immer daraus entstehen, wie aus dem verschütteten Samen Vulcans ein wundersamer Schlangenbube entsprang.

Sehr schlimm ist es dabey, daß das humoristische, weil es keinen Halt und kein Gesetz in sich selbst hat, doch zuletzt früher oder später in Trübsinn und üble Laune ausartet, wie wir davon die schrecklichsten Beyspiele an Jean Paul (Siehe dessen letzte Production im Damenkalender) und an Görres (Siehe dessen Schriftproben) erleben müssen. Übrigens giebt es noch immer Menschen genug die dergleichen Dinge anstaunen und verehren, weil das Publicum es jedem Dank weiß, der ihm den Kopf verrücken will.

Haben Sie die Gefälligkeit, lieber Freund, wenn[192] Sie eine Viertelstunde Zeit finden, mir die Verirrungen der musikalischen Jugend mit einigen Zügen zu schildern: ich möchte sie mit den Mißgriffen der Maler vergleichen; denn man muß sich ein für allemal über diese Dinge beruhigen, das ganze Wesen verfluchen, an die Bildung anderer nicht denken und die kurze Zeit die einem übrig bleibt zu eigenen Werken verwenden.

Indem ich mich aber so unfreundlich hierüber ausdrucke, so muß ich doch, wie es den gutherzigen Polterern zu gehen pflegt, mich sogleich zurücknehmen und Sie ersuchen, Ihre Aufmerksamkeit auf Eberwein wenigstens bis Ostern fortzusetzen, da ich ihn denn abermals zu Ihnen senden werden. Großes Zutrauen zu Ihnen, großen Respect vor Ihrer Anstalt hat er gefaßt; aber auch das will leider bey jungen Männern nicht viel sagen: denn heimlich dencken sie denn doch, man könne das Außerordentliche auch auf ihre eigne alberne Manier hervorbringen. Vom Ziel haben viele Menschen einen Begriff, nur möchten sie es gern schlendernd auf irrgänglichen Promenaden erreichen.

Durch die Zeitungen sind Sie diesen Monat über genugsam an uns erinnert worden. Bey diesen Begebenheiten persönlich gegenwärtig zu seyn, war viel werth. Von einer so seltsamen Constellation habe ich auch günstigen Einfluß erfahren. Der Kaiser von Frankreich hat sich sehr geneigt gegen mich erwiesen. Beyde Kaiser haben mich mit Sternen und Bändern[193] beehrt, welches wir denn in aller Bescheidenheit dankbar anerkennen wollen.

Wie sehr wünsche ich daß auch Sie und Ihre Mitbürger von dieser Epoche an Trost und Beruhigung finden mögen; denn Ihre Leiden gingen bisher über das erträgliche Maaß. Sie sind also persönlich noch immer in öffentlichen Geschäften? Sagen Sie mir gelegentlich ein Wort, in welchen Verhältnissen. Herrn Geheimrath Wolf grüßen Sie vielmals: wir denken bald sein Töchterchen bey uns zu sehen.

Verzeihen Sie, wenn ich über die neusten Begebenheiten nicht mehr schreibe. Verwundern werden Sie sich schon beym Lesen der Zeitungen, wie diese Fluth von Mächtigen und Großen der Erde sich bis nach Jena gewälzt. Ich enthalte mich nicht Ihnen einen merkwürdigen Kupferstich beyzulegen. Der Punct wo der Tempel steht ist der fernste wohin dießmal Napoleon gegen Nordost gekommen ist. Wenn Sie uns besuchen, welches der Himmel gebe! so will ich Sie auch auf den Fleck stellen, wo hier das Männchen mit dem Stocke in die Welt deutet.

Für heute nicht mehr. Ich habe so viele Briefschulden, daß ich nicht weiß wo ich anfangen soll sie abzutragen.

Weimar den 30. October 1808.

G.[194]


20/5623.


An Johann Friedrich Rochlitz

Ew. Wohlgeboren

erhalte hierbey das mitgetheilte der Antigone mit Dank zurück. Es wäre in mehr als einem Sinn sehr Schade, wenn Sie diese Arbeit nicht fortsetzen wollten. Auch auf dem Theater glaube ich daß sie Glück machen werde. Ist des Stück vollendet, so bitte mir es zuzuschicken. Ob und wie man eine solche Production auf die Bühne bringen könne, darüber läßt sich zum Voraus nichts entschieden aussprechen, weil sich gar zu viel unvorhergesehene Hindernisse in den Weg stellen, und ich selbst vielleicht weniger als sonst das Ungewohnte einleiten mag. Doch ist es mein Wunsch und Vorsatz Ihre Antigone zu Anfange künftigen Jahres auf die Bühne zu bringen, deshalb ich sie mir Anfang Decembers wo möglich erbitten müßte. Der ich recht wohl zu leben wünsche und mich zu geneigtem Andenken empfehle.

Weimar den 30. October 1808.

Goethe


20/5624.


An Christiane von Goethe

Da ihr so viel und oft schreibt, so ist es auch billig daß ich oft Nachricht von mir gebe. Ich bin nun wieder in Weimar, aber auch gleich wieder von[195] Fremden und Andern umgeben daß es zu gastiren immer Noth thäte; doch will ich's ein und abstellen biß du wiederkommst. Von Jena hast du einen Brief erhalten, heute kommt dein Tagebuch biß zum 27ten incl. darüber ich viel Freude habe. Macht es nur mit allen Menschen recht, verbindet euch mit den zuverlässigen, ergötzt euch mit den Unterhaltenden, und ertragt die Seltsamen und Langweiligen. Übereile dich nicht zu kommen, ob du mir gleich jede Stunde sehr erwünscht und lieb kämest. Wollende das Geschäft besuche August und handle in Heidelberg wie in Franckfurt.

Eberwein ist wieder da, gestern war zum erstenmal Gesang. Günthers und ein Carlsbader Äugelchen Pauline Gotter von Gotha die bey ihnen wohnt waren gegenwärtig auch Fremde. Darauf speißte ich bey Hof auf specialen Befehl des Herzogs. Alles andere geht gut. Nur daß ich in 6 Wochen gar nichts gethan habe und aus einer Zerstreuung in die andre gefallen bin.

Im Hause gehts recht gut. Die ersten Kastanien sind angekommen. Die zweyten, mit dem Eingemachten erwarte ich. Im Theater hat sich manches wohl gemacht. Sargino ist gegeben. Den Fridolin haben wir schon hier, du brauchst ihn nicht mitzubringen. Die Elsermann müßte den Fridolin machen.

Von Werner, Delenschläger und manchen andern Auswärtigen habe ich Grüße an dich.

[196] Kommst du nach Heidelberg so gehe nach deiner Art sachte und Wercke. Was August wohlgethan ist dir das nächste, denen dancke, sey freundlich und wohlgemuth mit Ihnen. Was sich sonst zeigt lehne nicht ab, und schaue ringsumher. Sie hassen und verfolgen sich alle einander, wie man merckt um nichts und wieder nichts, denn keiner will den andern leiden, ob sie gleich alle sehr bequem leben könnten wenn alles was wären und gölten. Adieu lieb Kind. Riemer legt etwas bey. Wenn unser Franckfurter Wesen befestigt ist wollen wir an hiesigen dencken. Mehr nicht.

d. 31. Octbr. 1808.

G.


20/5625.


An N.N.

[Concept.]

Hochwohlgeborner

insonders Hochgeehrtester Herr.

Daß Ew. Hochwohlgebornen mit Ihrer theuren Frau Gemahlin sich meiner bey einem erfreulichen Familienfeste erinnern wollen, dafür hätte ich schon früher meinen Dank abzustatten gehabt. Gegenwärtig fühle ich recht gut, daß weder eine lange Abwesenheit von Hause noch mancherley Ereignisse, die mir zeither begegneten, hinreichende Entschuldigung meines Stillschweigens werden können. Demohngeachtet kann ich meine Pflicht nicht ganz versäumen und will also hiermit obgleich spät doch aufrichtig und herzlich[197] meinen Glückwunsch abstatten, Ihnen und Ihrer werthen Familie das beste Gedeihen wünschen und mich zu einem fortdauernden freundlichen Andenken empfehlen.

Weimar d. 31. Octb. 1808.


20/5626.


An Carl Ludwig Kaaz

Farben und Papiere sind glücklich angelangt. Ich eile, dafür zu danken und meine Schuld abzutragen. Seit meiner Rückkunft von Carlsbad haben mich nur historische Gegenstände umgeben, dergestalt daß man an die Landschaft gar nicht hat denken können. Wenn uns der Winter bald enger einschließt, so werden vielleicht Erinnerungen rege, welche auszudrucken die übersendeten Materialien wohl höchst erwünscht seyn möchten. Ich wünsche von Herzen Befestigung Ihrer Gesundheit und ununterbrochene Thätigkeit. Herr Friedrich hat uns durch eine Sendung sehr viel Vergnügen gemacht. Möchten Sie doch auch diesem guten Beyspiel folgen! Eben jetzt, da die Blätter fallen, freut man sich desto mehr, sie auf dem Tuche fixirt zu sehen.

Die überschickten Abdrücke geschnittener Steine haben mich durch ihre Reinlichkeit in Verwunderung gesetzt. Wäre ich in der Nähe dieser Künstler, so würde ich mir gern etwas nach meiner Weise bey[198] ihnen bestellen. Bey sehr viel Verdienst fehlt, wenn ich aufrichtig seyn soll, das Geistreiche in Absicht auf den Gegenstand und die Freyheit in Absicht auf die Ausführung. Doch das läßt sich in wenig Worte nicht fassen. Die geringsten antiken Dinge unterscheiden sich dadurch auf eine sehr bedeutende Weise. Heute nicht mehr! Viele Empfehlungen an Demoiselle Bardua.

Weimar den 1. November 1808.

Goethe.


20/5627.


An Christiane von Goethe

Weimar den 7. November 1808.

Da du nun Anstalt machst von Franckfurt abzugehen, will ich versuchen und hoffen mit diesem Brief dich noch zu erreichen. Leider gehen die Briefe hinwärts so langsam, daß ich noch nicht einmal weiß, ob du den meinigen, der dir das Bürgerwerden für den Augenblick abrieth und vom 27. October war und eigenhändig, erhalten hast. Doch ist das von keiner Bedeutung: denn wenn man auseinander ist, muß Jedes nach seiner Überzeugung und nach den Umständen handeln, das Übrige giebt sich alles.

Dein Eingemachtes und die Kastanien sind glücklich angekommen. Die Kasten und was du sonst schickst, sollen nicht eröffnet werden bis du selbst dabey präsidirst. Alles geht auf die gewohnte Weise, d.h.[199] zwischen dem Guten kommt einmal was Abgeschmacktes und gelegentlich was sehr Abgeschmacktes vor. Da muß man denn nur suchen, es wieder ins Gleiche zu bringen und nicht aufs äußerste zu gerathen. So sind z.B. beym Theater Dinge vorgekommen die viel gelinder abgegangen wären, wenn du dagewesen wärest. Doch hoffe ich die Sache noch so zu halten, daß der Riß wieder zu heilen ist. In die Länge geht's freylich nicht; doch will ich, so lange ich noch einen Zug thun kann, mich nicht ungeschickter Weise gefangen geben.

Allen Freunden, ehe du von Frankfurt weggehst, wirst du die besten und verbindlichsten Sachen sagen. Bist du einmal zurück, so will ich allen denjenigen schreiben, wie du es für gut und nothwendig hältst.

Wegen deiner Herreise von Heidelberg weiß ich weiter nichts zu sagen. Von Würzburg aus erkundige dich selbst. Ich glaube nicht, daß es gut ist über Bamberg zu gehen, sondern auf Meiningen. Kömmst du nach Bamberg so sind Paulus da. Von Meiningen laß dir auch eben am Orte rathen. Du kannst auf Eisenach, auf Gotha, auf Erfurth deinen Weg richten. Bey allem ist ein Für und Wider, je nachdem die Jahrszeit sich findet und die Wege. An August habe ich nach Heidelberg geschrieben und was ich dort von euch wünsche; besonders daß ihr nach Mannheim fahrt und Herrn und Frau von Luck besucht. Es ist mein Wunsch; du weißt, daß ich nicht gern sage[200] mein Wille. August drückt sich von solchen Verhältnissen weg, das nehm' ich ihm nicht übel. Aber du mußt diese Personen mit ihm sehen. Du fühlst warum, und die ganze Sache ist ja nur eine Spazierfahrt. Lebe recht wohl.


20/5628.


An August von Goethe

Da du in einigen Tagen deine Mutter erwarten kannst, so will ich dir auch von väterlicher Seite erscheinen. Daß du ganz leidlich wieder hergestellt von Frankfurt abgereist bist, hat mir viel Vergnügen gemacht: denn die Nachricht von deinem Übelbefinden hatte mich sehr beunruhigt. Ich wünsche, daß du diesen Winter in deinen guten Vorsätzen nicht mögest gestört werden. Denjenigen Freunden die dir in diesem üblen Falle beygestanden wirst du, sowie auch die Mutter, in meinem Namen den besten Dank sagen. Laß mich ein Wort hören wenn ihr beysammen seyd; ich wünsche nur, daß die Mutter gut Wetter finde, damit sie auch der Gegend froh werde.

Dabey empfehle ich euch, ja ich trage es euch auf, zusammen nach Mannheim zu fahren, damit die Mutter eine Stadt sehe, dergleichen sie noch nicht gesehen hat; wobey ihr aber nothwendig Herrn und Frau von Luck besuchen müßt. Es würde mir sehr unangenehm seyn, wenn ihr das nicht thätet: denn[201] er hat sich schon in einem Brief gegen mich sehr freundschaftlich beklagt, daß du ihn nicht besucht hast. Dießmal ist es Gelegenheit alles wieder gut zu machen, und der Mutter, der du diesen Brief zeigen wirst, kann es nicht anders als zum Vergnügen gereichen. Sie wird eine Comödie dort sehen und die freye Rheingegend. Sogar wäre es mir lieb, wenn ihr Schwetzingen besuchtet. Wenn man einmal so weit von Hause entfernt ist; so muß man die Nachbarschaft in die man kommt zu sehen nicht versäumen: denn man gelangt nicht sobald wieder an solche Orte.

Wenn deine Collegien angegangen sind, so schreibe mir was du genommen hast und wie du dich darein findest. Was du mir vorläufig anzeigtest, hat meine vollkommene Billigung. Nenne mir doch auch einige von deinen nächsten Gesellen und ob du einen wiedergefunden hast, der dir Boie einigermaßen ersetzt. Freylich sind alle früheren und älteren Verhältnisse immer die erfreulichsten, weil die neuen auch immer erst ein gewisses Alter erreichen müssen, um jenen ähnlich zu werden.

Bey uns ist es wieder stille; doch giebt es keine Ruhe; Fremde sind immer da, und das Theater läßt seine Mucken nicht. Sage der Mutter, daß ich allerley hinhalte bis sie kommt, damit wir auch in diesen Dingen, besonders insofern sie unser Haus wegen der Singstunden berühren, mit einander Abrede nehmen können.

[202] Ich höre Görres ist weggegangen. Schreibe mir doch etwas über diesen Mann, wenigstens über die äußerlichen Verhältnisse, die ihn vertrieben haben.

Herrn Kastner will ich suchen eine Carlsbader Sammlung wenn ich nach Jena komme, zusammenzulegen. Es sind mehrere Dubletten dort, ich habe auch noch etwas. Kann ich sie nicht ganz vollständig liefern, so complettire ich sie nächsten Sommer, wenn ich wieder hingehe. Mache ihn aufmerksam auf eine kurze Beschreibung des Cammerbergs bey Eger, die ich Herrn Leonhard in sein mineralogisches Taschenbuch gegeben habe. Auch von diesen bedeutenden Natur-Vorkommnissen kann ich einiges beylegen. Weißt du Jemand, dem mit dem Diplom der Naturforschenden Gesellschaft oder der mineralogischen gedient ist und der es werth wäre; so schreibe mir Namen und Charakter. Du hast, wie ich eben erinnert werde, schon einmal so etwas erwähnt, ich kann aber deinen Brief nicht sogleich finden.

Lebe recht wohl und mache den freundlichen und thätigen Wirth gegen die Mutter und Carolinchen. Ich möchte wohl bey euch seyn und einige schöne Stunden auf dem alten Schlosse zubringen.

Vielleicht sehen wir einander übers Jahr dort zusammen. Möge dir es wohl ergehen.

Weimar den 7. November 1808.

G.[203]


20/5629.


An Carl Friedrich Zelter

Weimar den 7. November 1808.

Wir haben uns gestern an manchen Ihrer Gaben ergetzt, an Ihren Compositionen so wie an Ihren Rüben; auch habe ich Ihrer dankbar gedacht, indem Eberwein etwas von Ihrem Ernst mitgebracht zu haben scheint. Er kommt mir vor wie Moses der vom Berge kam und dessen Gesicht glänzte. Wenn das auch nur eine äußerliche Wirkung ist, so läßt sich vermuthen daß doch auch etwas ins Innre eingedrungen seyn mag. Ich danke Ihnen, daß Sie ihm so gütig fortgeholfen haben; denn seine Wiederkunft ist für ihn und für uns günstig. Unser kleiner Chorgesang wäre den Winter ganz zu Grunde gegangen; nun mag er sich fassen und prüfen und etwa auf Palmarum wieder zu Ihnen wallfahrten.

Für so vielerley Gutes Ihnen auch was freundliches zu erzeigen, war lange mein Wunsch und gerade passirt mir mit den guten Exemplaren meiner Werke, wovon Ihnen eins zugedacht war, der alberne Streich, daß sie incomplet ankommen und ich nun erst erwarten muß wie sich die Sache aufklärt oder abthun läßt.

Reichardt von Cassel ist gestern hier gewesen; er besucht die Theater des südlichen Deutschlands um für die Casseler Bühne, die freylich seltsam genug[204] eingerichtet werden muß, Personagen aufzusuchen, die à deux mains gebraucht werden können.

Froriep ist auch hier, um nach Tübingen zu gehen. Möchte ich doch bald hören, daß bey Ihnen auch wieder eine Art von Ruhe und bürgerlicher Ordnung Fuß faßt. Ist es möglich so besuchen Sie uns. Schreiben Sie mir aber vorher, damit Sie mich zu Hause antreffen. Inzwischen hier und Jena werde ich immer zu finden seyn.

G.


20/5630.


An Philipp Otto Runge

Weimar den 7. November 1808.

Wie ich es in Carlsbad voraussetze, hat es sich auch gefunden. Ihre Zeichnungen lagen noch an dem Platze, wo ich sie verlassen hatte. Verzeihen Sie, daß ich auf Ihren Brief vom 19. September nicht eher antwortete. Äußeres und Inneres hat sich in diesen paar Monaten bey mir so übereinander gethürmt, daß ich mich kaum durchfinden konnte. Ihre Zeichnungen gehen wohleingepackt an Herrn Gleditsch ab; ich wünsche, daß sie glücklich zu Ihnen gelangen. Könnte es doch bald möglich seyn, daß wir uns einige Zeit mündlich unterhielten; so würde in der Folge auch schriftlich mehr zu sagen seyn.

Daß der unglückliche Ekmark die Erde verlassen hat, gereicht ihm und Andern zum Wohl. Er war[205] Natur nicht ohne Talent, konnte aber eigentlich nichts machen. Was ich von ihm gesehen, waren skizzirte und angefangene Dinge, wie man sie einem Dilettanten verzeiht. Die Noth machte ihn zum Lügner und gewissermaßen zum Schelmen. Seine Natur und sein Unglück erregten Interesse, Zutrauen, und einige Hoffnung; er fand Wohlthäter, die nicht klug aus ihm werden konnten und damit aufhörten, höchst unzufrieden mit ihm zu seyn. Deswegen war er zuletzt unstät und flüchtig, und es ist ihm zu gönnen, daß er aus einem so traurigen Zustand erlöst ist. Soviel für diesmal, mit dem besten Lebewohl und den aufrichtigsten Wünschen.


20/5631.


An Carl Friedrich von Reinhard

Wenn ich noch länger zaudern will, verehrter Freund, Ihnen ein schuldiges Wort zu sagen, so erhalten Sie es nie. Also nur geschwind eine Anfrage. Ist es wahr, daß Sie als Gesandter nach Cassel gehen? Man hat es mir in Erfurt zur Zeit der großen Monarchen Fluth, und jetzt wieder hier versichert. Im Geiste sind Sie gewiß bey uns gewesen als die Gewässer so hoch stiegen, daß die französische Tragödie in Weimar spielte und sich Ihr Freund eben der Farbe mit Ihnen erfreuen kann. Einen Dank für Ihre Briefe, besonders für den letzten, der[206] mir meine zwölf so nothwendig abgedrungenen als zufälligen zusammengewürfelten Bänden recht werth macht, setze ich nicht hinzu. Ist es an dem, daß Sie nach Cassel gerathen, so weiß ich nicht ob Ihnen zugleich gerathen ist; aber dann wollen wir uns gleich in Eisenach sehen; denn in Absicht auf die explicite Wirkung in die Ferne, aufs Briefschreiben, behalte ich immer und ewig etwas Ungeschicktes. Die implicite, das Andenken an meine wahrhaften Freunde, bleiben desto besser, ächter und unveränderlicher. Den freundlichsten Gruß in mehr als einem und in jedem Sinn.

Weimar den 7. November. 1808.[207]


20/5631a.


An Caroline Sartorius

[Weimar, 7. November 1808.]

Haben Sie recht vielen Dank, liebe kleine Frau, für die baldige Nachricht Ihrer glücklichen Zurückkunft. Daß die vegetabilischen Späße ihre gute Wirkung gethan haben freut uns sehr. Versäumen Sie nur nicht jährlich dergleichen bey uns von dem famosen Markte abzuholen.

Ihrem theuren Gatten empfehlen Sie mich auf's beste. Was er mir schreibt ist in einem treuen Herzen verwahrt. Möchte er mich doch einige Nachricht von den englischen und irländischen Klosterstudien geben können aus jener dunklen Zeit von der man wenig weiß. Wäre es auch nur Nachricht, daß man nicht viel wisse. Empfehlen Sie mich im Blumenbachischen Hause zum allerschönsten. Zwey Hefte für den Herrn Präfecten liegen bey. Er dürfte nur die Nummern der Verzeichnisse angeben, die ihn interessieren und ich würde gern Exemplare davon überschicken. Leben Sie recht wohl und denken in Ihrem häuslichen Kreise mit freundschaftlicher Neigung an uns, wie wir an Sie und lassen uns manchmal von Ihren Befinden etwas erfahren.

Goethe.[117]


20/5632.


An Franz Carl Leopold von Seckendorff

Ew. Hochwohlgeboren

auf verschiedene Anfrage zu antworten verschob ich immer, weil ich einige Hefte des Prometheus zu erhalten hoffte. Diese sind nun zwar angelangt, allein ich finde die Fortsetzung der Pandora nicht darin, welche doch dieser Zeitschrift ganz besonders gewidmet war. Freylich konnte nichts schlimmeres begegnen als die Entzweyung der Redacteurs, wenn die Redaction und der Verleger nicht ganz einig sind. Ich wünsche gar sehr, daß Sie ein so schönes und in manchem Sinn bedeutendes Institut möchten erhalten[207] können. Was mich betrifft, so kann ich keinen sonderlichen Beystand zusagen; denn ich bin durch so mancherley Ereignisse in meinen Arbeiten dergestalt gestört worden und zurückgekommen, daß ich kaum weiß, wo ich zuerst wieder anknüpfen soll. Bleiben Sie indeß von meiner Theilnahme versichert, und lassen mich bald wieder von sich hören.

Weimar den 8. November 1808

Goethe.[208]


20/5632a.


An die Hoftheater-Commission?

Mohrhardt beyliegender biß Ostern 1809 daurender Contrackt, ist zu Michael von keiner Seite aufgekündigt worden, würde also nach § 5 abermals auf zwey Jahre prolongirt seyn. Wobey zu bemercken das Morhardt um eine Zulage nachgesucht über die man noch nicht einig geworden.

[Weimar] d. 8. Nov. 1808.

Goethe.[118]


20/5633.


An Christian Gottlob Voigt

Ihro des Herrn Erbprinzen Durchl. haben über die angelangten Müllerischen Papiere und deren Inhalt auch des Unterzeichneten Gesinnungen zu vernehmen verlangt, welche hiermit schuldigst an den Tag gelegt werden.

So sehr uns die durch p. Müllern eingesandten Nachrichten abermals an dasjenige erinnere, was wir unserer regierenden Herzogin Durchl. schuldig geworden, so erfreulich muß es uns seyn, auch die Wünsche unseres gnädigsten Herrn des Herzogs, der ganzen fürstl. Familie und aller Getreuen der Erfüllung so nahe zu sehen.

Die Gunst Ihro Majestät des französischen Kaisers in dem gegenwärtigen Augenblick, so ausgezeichnet zu Erhaltung, ja zu Erhöhung der Existenz des fürstlichen Hauses wirksam zu sehen, ist ein so glückliches[208] Ereigniß, daß man sich die Ungeduld nicht erwehren kann, die geschehenen Äußerungen auf eine bestimmte und würdige Weise acceptirt und dadurch gesichert und völlig außer Zweifel gesetzt zu wissen.

Die von RegierungsRath Müller so sehr gewünschte Reise unsers gnädigsten Erbprinzen nach Berlin scheint gerade dasjenige Mittel zu seyn, wodurch dem ganzen Ereigniß die Entscheidung zugesichert wird. Jene Bedenklichkeiten, welche dagegen entstehen konnten, sind in dem einsichtsvollen Botum des Herrn Geh.Rath Voigt, wie mich dünkt, hinreichend beseitigt, und ich glaube nur noch zu den bejahenden Argumenten hinzufügen zu dürfen, daß ein solcher Schritt auch Serenissimo deshalb sehr angenehm seyn werde, weil dadurch ein Eingang gemacht und dasjenige, was Höchstdieselben in eigner Person zu thun etwa geneigt seyn möchten, vorbereitet und alles künftige erleichtert wird.

Schließlich kann ich nicht verschweigen, daß Privatbriefe von dorther für diese wichtige Angelegenheit noch immer sehr günstig lauten, daß aber zugleich eine Annäherung der männlichen Glieder des fürstl. Hauses als eine unerläßliche Bedingung eines glücklichen Fortschrittes theilnehmend und dringend gewünscht und gleichsam gefordert wird.

d. 9. Nov. 1808.

S.M.J. W. v. Goethe.[209]


20/5634.


An Johann Friedrich Fuchs

Wenn Ew. Wohlgebornen mit dem Dienstbetragen Ihres Anatomie-Wärters so wie mit seiner Heirath zufrieden sind; so haben Sie die Gefälligkeit beyliegendes Blatt an den Rentamtsadministrator abzugeben, der dadurch den Auftrag erhält, den gebetenen Vorschuß auszuzahlen. Der ich recht wohl zu leben wünsche.

Weimar den 9. November 1808.

Goethe.


20/5635.


An den Herzog Carl August

Gnädigster Herr,

Indem Ew. Durchl. ich auf das lebhafteste zu dancken habe, daß Sie so gelind die unangenehme Morhardsche Sache beendigen wollen – wie er denn zu Ostern recht gut entlassen werden kann – so befinde ich mich in der von allen Seiten gedrängten Lage, nicht den Fürsten, sondern den Wohlwollenden inständigst bitten zu müssen, mich von einem Geschäft zu entbinden das meinen sonst so wünschenswerthen und danckenswerthen Zustand zur Hölle macht.

Was mir außerdem obliegt werde ich mit alter Treue und frischer Lust zu fördern suchen.

[210] Gnädigste Verzeihung hofft, Huld und Gnade erbittet sich

Ew. Durchl.

unterthänigster

Weimar den 10. Nov. 1808.

Goethe.


20/5636.


An Silvie von Ziegesar

Indem ich Ihnen geliebteste Silvie, den dritten Kalender sende; so will ich wohl damit sagen daß, da ich nicht hoffen kann Sie das nächste Jahr täglich zu sehen, ich jeden Tag den ich in Ihrer Nähe zubringe für drey feyern will; ja es könnte jeder für ein ganzes Jahr gelten und so würde man in der Continuation mit Vergnügen Methusalems Alter erreichen, ohne sonderlich zu altern. Daß Sie mit Ihrer theuren Mutter nach Jena ziehen, gereicht auch mir zum großen Trost. Sie empfinden gewiss wie Ihre Sorge, Ihr Kummer mich ängstigt. Warum soll ich Sie nicht in Ihrer natürlichen Lage der Ruhe und Heiterkeit dencken, die Ihnen so wohl ansteht.

Für das schöne Obst, das zierliche Tuch besonders aber für Ihre lieben Worte den herzlichen Danck. Seyn Sie nicht karg gegen Ihren Freund mit dem Ausdruck dessen was Sie für ihn empfinden es ist gewiß gut angewendet.

Nächstens kommt auch der Nachtrag zum Jahrmarckt,[211] zwar einfach an sich, doch etwas seltsam verziert. Ich wünsche daß er Ihnen nicht mißfalle.

Beyliegendes Ihrem Herren Vater mit den besten Empfehlungen.

Paulinchen ist hier. Ein eignes Wesen wie ich's noch nicht kannte bald liebevoll und zutraulich, bald neckend und eigen.

Die Tages Eintheilungen der Woche sind wieder gemacht und so rauscht die trübe Zeit auch hinweg.

Leben Sie recht wohl. Sagen mir viel von Sich und bleiben mir Silvie wie ich Sie nun einmal kenne.

d. 12. Nov. 1808.

G.


20/5637.


An Bernard Germain Etienne de Lacépéde

[Concept.]

Monsieur le Grand Chancelier

Depuis l'epoque on Sa Majesté l'Empereur et Roi etonna le monde par ses hauts faits, je me sentois pressé d'avouer hautement la Veneration profonde que ses grandes qualités m'inspiroient.

Aujourd'hui que Sa Majesté Imperiale et Royale daigne me distinguer en me decorant de son Ordre je me sens tres hereux de continuer par devoir et par reconnoissance ce que j'avois commencé par l'impulsion du sentiment.

En osant mettre mes tres respectueux homages au pied du Throne, Votre Excellence voudra bien[212] suppleer a tout ce que je ne pourrois exprimer que tres faiblement.

Flatté d'avoir reçu ce Gage precieux des Mains de Votre Excellence je La prie d'agreer et mes treshumbles remercimens et l'assurance de la haute consideration avec la quelle j'ai l'honneur d'etre

de Votre Excellence

les tres humble et tres obeissant

Weimar

Serviteur

ce 12 Nov. 1808.

de Goethe.


20/5638.


An Friedrich Theodor von Müller

Ew. Hochwohlgeb.

sind mit den französischen Curialien trefflich bekannt und ich bitte daher beykommendes Conzept eines Antwortsschreibens an des Herrn Canzlers Exzellenz zu prüfen und mir Ihre Gedancken zu sagen; auch gefällig die Adresse mitzutheilen unter der es abgehen könnte. Mich bestens empfehlend

d. 12. Nov. 1808.

G.


20/5639.


An Johann Friedrich Cotta

[Concept.]

Die vier Trauerspiele welche Sie mir zugesandt habe ich sogleich durchgesehen und kann darüber, wie[213] Sie wahrscheinlich schon selbst vermuthen, wenig Tröstliches vermelden. Ich begreife wohl, daß es eine milde Kritik giebt, die sich mit solchen Dingen befassen und sie mit Aufmerksamkeit würdig mag, für mich aber existiren sie gar nicht, und wären mir solche Manuscripte zufällig in die Hände gekommen, schon nach den ersten Seiten hätte ich sie aus der Hand gelegt.

Dießmal bin ich um Ihres Wunsches willen weiter gegangen und theile hierbey einige Betrachtungen mit. Alle vier deuten auf eine besondre Cultur, die jetzt in Deutschland, vorzüglich aber im nördlichen herrscht; man könnte sie die verständig-vernünftig-gemüthliche nennen. Dazu kommt noch eine gewisse Übung Stücke zu sehen, zu lesen, einiges Geschick einen Plan zu concipiren, und leidliche Verse zu machen; deswegen man denn auch solche Productionen, insofern man sie als Masken betrachtet, hinter denen ganz schätzenswerthe Individuen stecken, nicht durchaus schelten kann. In allen vier gegenwärtigen Stücken ist von tüchtiger Sinnlichkeit, blühender Phantasie, Erhebung des Herzens und Geistes und von so manchem andern, was zur Dichtkunst unerläßlich ist, die mindest mögliche Spur, ja die Nüchternheit dieser Hefte geht über allen Begriff.

Idmon ist ein abgetragenes griechisches Gewebe mit moderner Sentimentalität aufgemalt, und ein Hauptpunkt, das Eintreten Idmonds als Kämpfer für seinen Pflegevater, höchst schlecht motivirt.

[214] Seila völlig kraftlos und man begreift nicht, wie ein Menschenopfer in einer so zahmen Gesellschaft, die sich jeden Augenblick um den Theetisch setzen könnte, stattfinden kann.

Die Sühne der Enkel, gäbe ein ganz gutes Gespenster Märchen; aber als Schauspiel taugt es ganz und gar nichts. Die Schriftsteller dieses Gelichters begreifen nicht wo und wie etwas interessant ist und werden das Romanhafte vom Theatralischen nie unterscheiden lernen.

Im Simson ist noch das meiste Naturell. Es wird aber dadurch auch nichts geleistet und wenn man anfangen wollte theilweise zu loben, so würde man gleich wieder genöthigt theilweise zu tadeln.

Über dergleichen Dinge ist eigentlich gar nichts zu sagen: denn indem ächte Kunstwerke ihre eigene Theorie mit sich bringen, und uns den Maaßstab in die Hand geben, nach dem wir sie messen sollen; so thäte es bey solchen tappenden Versuchen halbgeübter Diletanten Noth, man stellte erst ein theorethisches Kunstmodell auf, an dem sich denn ihre Unzulässigkeit bald offenbaren würde.

Und so bin ich, was mich betrifft, der Überzeugung, daß keinem von diesen Stücken irgend eine Art von Preis gebühre: denn man kann sie, wenn man es streng nehmen will, in dramatischer, theatralischer und tragischer Hinsicht sämmtlich absurd nennen.

Soviel sage ich unter uns mit Aufrichtigkeit, mit[215] Bitte von diesen Äußerungen öffentlich keinen Gebrauch zu machen; denn warum soll man in diesem einzelnen Fall gegen das Mittelmäßige grausam seyn, da das Mittelmäßige bey uns so recht an der Tagesordnung ist, und immer mehr daran kommen muß, je mehr die mögliche Bildung übrigens völlig talentloser Menschen, von der ich oben gesprochen, ihrer Natur nach täglich mehr überhand nimmt. Indessen will ich die Stücke so lange hier behalten, sowie auch eine Abschrift des gegenwärtigen nehmen, ob sich vielleicht, Ihren Wünschen gemäß, in dieser Sache noch etwas thun ließe. Ich erwarte deshalb gefällige Antwort und danke zum schönsten für die überschickten Idyllen.

Abgesendet d. 14. Novbr. 1808.[216]


20/5639a.


An Ludwig Achim von Armin

Ihre Sendung, mein Lieber, war dießmal so reichlich, und von gar vielen Seiten mir angenehm, daß ich meinen Dank nicht länger zurückhalten will. Freylich kann ich nicht läugnen, daß mir darin, nach meiner Art zu sehen, auch manches verdrießlich fiel und deswegen wünschte ich, Sie wären nur gleich hier, damit man mündlich hin und wieder redete: denn schriftlich mag ich mich gar nicht mehr über dergleichen auslassen. Man theilt die Resultate mit, die gelegentlich etwas hart klingen, weil man nicht zugleich ausdrucken kann, wie sie aus dem Individuum entspringen, und wie sie mit unserer ganzen Weise zu seyn nothwendig zusammenhängen. Fördern Sie also nur so immerfort aus dem Berge was Sie dort von eingeborenen Naturschätzen, vergrabenen oder verschütteten Kunstschätzen auffinden. Ist ja in den Bergwerken auch nicht alles lauteres Metall und man muß, um sich Raum zu machen, mitunter taubes Gestein ans Tageslicht bringen. Kann ich einigermaßen mit mir[141] selbst über diese Ihre neusten Dinge einig werden, so bezeige ich Ihnen meine Theilnahme öffentlich. Wenn Sie nach Landshut schreiben, so empfehlen Sie mich viel mals und nehmen Sie meinen lebhaften Dank für das freundliche das Sie den Meinigen in Heidelberg erzeigen. Das beste Lebewohl.

Weimar den 14. November 1808.

Goethe.[142]


20/5639b.


An den Herzog Carl August

Unterthänigster Vortrag.

Ew. Herzogliche Durchlaucht geruhen Sich über einige Punkte, die freye Zeichenschule sowohl hier als in Eisenach betreffend, eine gutachtliche Meynung vortragen zu lassen.

Erstlich: Was das hier zurückfolgende unterthänigste Supplicat des Aufwärters bey dem hiesigen Zeicheninstitute betrifft, welcher um ein freyes Quartier in dem neuen Local ansucht; so ist nicht zu läugnen, daß es der Sache zum Vortheil gereichen würde, wenn dieser Mann, der mit dem Holze, dem Einheizen, der Reinigung zu thun und manches andere an Ort und Stelle, auch außer den bestimmten Tagen, zu leisten hat, ein Quartier in dem Gebäude selbst erhalten könnte. Inwiefern dieß möglich und thunlich sey, muß ich denenjenigen überlassen, die eine nähere Kenntniß[118] des Locals und dessen gegenwärtiger und künftiger Bestimmung haben; wie denn die Entscheidung dieses Punktes Höchstem Ermessen und Gnade anheim gestellt bleibt.

Zweytens gehen die von Eisenach eingegangenen Vorschläge wegen der dortigen Einrichtung gleich falls hier wieder zurück. Es findet sich sowohl im Ganzen als im Einzelnen dabey nichts zu erinnern. Daß diese Anstalt, mit dem Gymnasio vereinigt, zunächst unter dem Director und wie dieser unter dem Ephorus und OberConsistorio stehen sollte, ist sehr zweckmäßig, indem eine unmittelbare anhaltende Aufsicht höchst nöthig ist, und man schon früher die Erfahrung gemacht, daß eine vortheilhafte Einwirkung von hier aus nicht wohl thunlich sey. Was die übrigen besondern Einrichtung betrifft, so sind sie durchaus geeignet, die nöthige Ordnung zu erhalten und Ew. Hochfürstliche Durchlaucht könnten, nach meinem unmaßgeblichen Dafürhalten, die eingereichten Statuta unbedenklich confirmiren.

Man wird von hier aus, auf geschehens Ansuchen der nunmehr Vorgesetzten, immer gern mit Musterzeichnungen und was sonst etwa nöthig wäre, zu Hülfe kommen; wie es denn auch wohlgethan seyn möchte, daß von dorther zu der hiesigen Ausstellung alljährlich Probezeichnungen eingeschickt würden, damit von den dortigen Fortschritten wenigstens einiges Zeugniß hieher gelangte.

[119] Was das Gesuch des Zeichenmeisters Hose betrifft; so könnte es damit vielleicht einigen Anstand haben bis die neue Einrichtung im Gang wäre, und die neuen Vorgesetzten von dem Betragen der Lehrer und Schüler ein gutes Zeugniß geben könnten.

Weimar den 15. November 1808.

Goethe.[120]


20/5640.


An Pauline Schelling, geb. Gotter

Da ich nicht hoffen konnte, daß mein Dank für Ihre letzten lieben Worte, daß ein freundliches Lebewohl Sie noch in Weimar erreichen könnte, so soll es Ihnen bey dem schönsten Sonnenschein auf dem Fuße folgen. Leben Sie recht wohl und heiter, wie Ihr Reisetag sey Ihr Leben, liebe, gute Pauline. Und wenn es so recht hell Mittag ist, dann lassen Sie die Freunde in der Camera clara Ihres feinen Gemüths auf- und abspazieren und seyn Sie den wandelnden Bildern freundlich. Lassen Sie einmal wieder von[216] sich hören und erlauben, daß ich Ihnen manchmal ein Büchelchen oder sonst etwas unterschreibe.

Adieu liebes Kind.

W. den 16. Nov. 1808.

Goethe.


20/5641.


An Wilhelm von Wolzogen

W. den 17. November 1808.

Dem Freunde sey ich mit Verlangen entgegen. Wie aber wird es mit Herrn und Frau von Reck? welche, wie mir v. Müller versichert, mit Humboldt kommen. Wären auch diese nicht bey Hofe, würden Sie bey Ihnen zu Mittag seyn?

Ich richte mich für heute Abend auf einen Thee und frugales Abendessen ein, worüber wir noch näher sprechen.

Nehmen Sie nochmals meinen Danck für Ihre letzte freundliche Erklärung. Lassen Sie uns von nun an im Reflex der Abgeschiedenen des Überbliebenen genießen. Werden Sie wohl gleiche Gesinnungen in den Gemüthern Ihrer Schwester und Frau von Stein wecken? Lassen Sie uns das worüber wir einig sind gemüthlich und vollständig vollbringen.

G.[217]


20/5642.


An Silvie von Ziegesar

[etwa 19. November.]

Ich muß doch noch ein Blättchen nehmen und hinzufügen daß Herr von Humbold aus Rom uns besucht hat. Er ist aber schon wieder nach Erfurt zurück und will wenn er wiederkommt mit mir Jena besuchen. Paulinchen ist abgereist und hat ihr wechselndes Wesen bis ans Ende sehr anmuthig fortgesetzt. Ich bin verlangend aus Ihrem Munde, oder aus Ihrer Feder etwas über sie zu vernehmen. Empfehlen Sie mich den theuren Ihrigen und gedencken mein.

G.


20/5643.


An Dietrich Ludwig Gustav Karsten

[Concept.]

Wohlgeborner,

Insonders hochgeehrtester Herr,

Ew. Wohlgeboren haben mir durch baldige Mittheilung Ihrer aufs neue ausgearbeiteten Tabellen ein großes Vergnügen gemacht. Schon der ersten Ausgabe bin ich sehr viel Belehrung schuldig geworden; die gegenwärtige soll bey diesen Studien mein Leitfaden werden und dieses interessante Werk weder zu Hause, noch auf Reisen, jemals von meiner Seite kommen.

[218] Daß Ew. Wohlgeboren demjenigen was ich in einer Region, in die ich nur manchmal zum Besuch komme, zu äußern gewagt, einige Aufmerksamkeit gönnen, dient mir zur großen Ermunterung. Ich mußte freylich in meiner Lage gar wunderbare Wege nehmen, um in die Naturwissenschaften nur einigermaßen hinein zu gelangen.

Über den Cammerberg bey Eger lege ich einen Aufsatz bey. Wenigstens wünsche ich das Problematische dieses Falles recht ins Licht gestellt zu haben. Ich habe erst später den Vornischen Aufsatz gelesen, mit dem meine Überzeugung in der Hauptsache meist übereintrifft; nur daß er die weitentfernten Liebensteiner Basalte, nach einem damals allzu weitgreifenden Vulcanismus, auch heranzieht, die doch mit dem Cammenberg nicht in der mindesten Verbindung stehen.

Übrigens freue ich mich voraus dadurch Ew. W. Beyfall zu erhalten, daß ich bey der Beobachtung mich hauptsächlich an die verschiedenen Stufen des veränderten Glimmerschiefers gehalten haben, da mir bekannt ist und ich auch gegenwärtig wieder pag. IX. Ihrer Vorrede gesehen habe, daß Sie bey vulcanischen Producten das vorhergehende selbständige nun aber veränderte Fossil der Betrachtung vorzüglich empfehlen.

Die eingeschriebene Stelle aus dem Seneca war mir deswegen merkwürdig weil sie eine wirkliche[219] Naturerscheinung genau so dargestellt, wie ich sie mir hypothetisch bey Betrachtung des Cammerbergs denken mußte, nur daß in Griechenland die Naturwirkung viel stärker und gewaltsamer war.

Von den Cammerberger Producten stehen Exemplare zu Diensten. Sobald ich nach Jena komme, wo einiger Vorrath davon liegt, werde ich sogleich eine Auswahl treffen.

Die kleine Abhandlung wird in dem Leonhardischen Taschenbuch erscheinen, wo ich noch einige andre Bemerkungen mitzutheilen gedenke. Darf ich künftighin solche Aufsätze vor dem Druck Ew. Wohlgeboren erbitten, so würde ich dadurch sehr gefördert werden: denn ich kann auf solche Arbeiten nicht immer die gehörige Aufmerksamkeit wenden, und doch möchte ich sie nicht gerne länger zurückhalten, da ich dadurch mit Naturforschern von Range in Bekanntschaft und ein gewisses Verhältniß komme, wie es mir denn mit Ew. W. zu meinem größten Vergnügen geworden ist.

Der ich die Ehre habe mich mit vorzüglicher Hochachtung zu unterzeichnen.

Weimar den 20. November. 1808.[220]


20/5644.


An Carl Ludwig von Knebel

Vielen Dank, lieber Freund, für deinen guten und freundlichen Zuruf. Meine Absichten dich zu besuchen sind durch mehr als einen Anlaß vereitelt worden. Nach der Abreise der Kaiser und anderer hohen Herrschaften bemerkte ist erst daß ich einen ganzen Sommer abwesend gewesen war und fand gar manche Lücke in Geschäften und Unternehmungen, wo nicht alle Fäden so leicht anzuknüpfen waren. In Hauptsachen hab ich auch noch wenig vor mich gebracht.

Die Mittwoche sind wieder in Gang. Ich lese die Niebelungen vor; allein dabey geht es mir auch wie einem jungen Professor, oder wie einem Koch, der sein Leben zubringt um einige Stunden etwas Genießbares aufzutischen. Indessen ist es mir selbst von großem Werth und Nutzen; denn ich hätte das Gedicht für mich vielleicht niemals durchgelesen, und noch viel weniger soviel darüber nachgedacht, als ich gegenwärtig thun muß, um durch Reflexionen und Parallelen die Sache anschaulicher und erfreulicher zu machen. Der Werth des Gedichts erhöht sich, je länger man es betrachtet, und es ist wohl der Mühe werth, daß man sich bemühe, sein Verdienst aufs Trockne zu bringen und ins Klare zu setzen; denn wahrlich die modernen Liebhaber desselben, die Herren Görres und[221] Consorten, ziehen noch dichtere Nebel über die Nibelungen, und wie man von andern sagt, daß sie das Wasser trüben um Fische zu fangen, so trüben diese Land und Berg um alle gute kritische Jagd zu verhindern. Mir sind dabey recht artige Aperçüs vorgekommen und wenn man ihnen hier und da leugnen möchte, daß sie ganz genau zum Gegenstand passen, so sind sie doch schon lustig für sich selbst. Z.B. so hab' ich, im Sinn der Voßischen Karten zu Homer, Hesiodus und Aeschylus, eine Karte zu den Nibelungen gezeichnet, die auf sehr hübsche Reflexion führt. Auch habe ich nächst genauer Betrachtung des Süjets, der Motive, der Ausführung, auch aufs Costüm und andre Nebenvorkommenheiten, als äußere Kennzeichen, wohl aufgepaßt, wodurch man dem Alter und dem Ursprung des Gedichts näher beykommen kann. Das alles, wenn ich es mehr im Reinen habe, theile ich dir, an einem hübschen traulichen Winterabende, dereinst mit.

Überhaupt lasse ich mich nicht irre machen, daß unsre modernen, religiosen Mittelältler mancherley Ungenießbares fördern und befördern. Es kommt durch ihre Liebhaberey und Bemühung manches Unschätzbare an Tageslicht, das der allerneusten Mittelmäßigkeit doch einigermaßen die Wage hält.

Deine Bemerkung zu Ehren der Naturstudien gilt nicht für Jena und für diesen Moment allein; es liegt ein viel allgemeineres dahinter und daran.

[222] Schon fast seit einem Jahrhundert wirken Humaniora nicht mehr auf das Gemüth dessen der sie treibt und es ist ein rechtes Glück, daß die Natur dazwischen getreten ist, das Interesse an sich gezogen und uns von ihrer Seite den Weg zu Humanität geöffnet hat.

Ich danke dir, daß du mich an die Bedürfnisse des jungen Voigt erinnerst; ich will in diesen Tagen seine Sache vornehmen und wünsche gar gerne ihm etwas zu Liebe zu thun, weil ich ihn gar gerne be- und erhalten möchte: denn es ist ein Individuum, dergleichen zum zweytenmal nicht wieder geboren wird.

Meine Frau ist von Frankfurt zurückgekommen, wo sie mir die Liebe erzeigt hat, die Erbschaftsangelegenheiten nach dem Tode meiner guten Mutter auf eine glatte und noble Weise abzuthun. Sie grüßt dich und die Deinigen vielmals und wünscht euch gelegentlich zu bewirthen, da sie diesen Winter wohl schwerlich nach Jena kommen möchte.

Übrigens ist es doch bey uns sonderbar genug. Die Abreise des Erbprinzen, das vermuthliche Außenbleiben der Hoheit und anderes haben das Gefühl der Geselligkeit bey uns äußerst angeregt und die Woche könnte mehr Tage haben und immer doch noch genugsame Unterhaltung darbieten.

Bey Frau Hofrath Schopenhauer sind der Donnerstag und der Sonntag jeder auf seiner Art interessant: der erste wegen vieler Societät, wo man eine sehr mannigfaltige Unterhaltung findet; der zweyte, wo[223] man wegen kleinerer Societät genöthigt ist, auf eine concentrirte und concentrirende Unterhaltung zu dencken; und was du mir kaum vorstellen könntest, in kurzem wird unser gefelliges Wesen eine Art von Kunstform kriegen, an der du dich gelegentlich selbst ergetzen sollst.

Eine mir sehr angenehme und lehrreiche Unterhaltung giebt mir Dr. Werneburg. Er bringt das allerfremdeste, was in meinem Haus kommen kann, die Mathematik an meinen Tisch; wobey wir jedoch schon eine Convention geschlossen haben, daß nur im alleräußersten Falle von Zahlen die Rede seyn darf. Wenn es mir nachgegangen wäre, so hätte ihr ihn schon lange in Jena und er würde in dem Kreise, den du belebst, redlich und erfreulich mitwirken. Aber so ist er leider dort noch nicht angestellt und muß, wider meinen Willen, zu meiner größten Zufriedenheit, mein Nachbar seyn.

Wenn das Papier noch mehr Raum darböte, so möchte ich noch manches mittheilen. Nimm indessen mit dem Gegenwärtigen vorlieb. Laß mich bald von dir hören und reize uns von Zeit zu Zeit zu Mittheilungen.

Weimar den 25. November 1808.

Goethe.[224]


20/5645.


An Johann Friedrich Cotta

[Concept.]

[2. December.]

Da mir bisher alles so glücklich gegangen ist, so sah ich den Verlust der ersten Lieferung auf Berlin als eine kleine Revanche an, die das Geschick an mir nehmen wollen, indem der Fall mir wie Ihnen sehr unangenehm war. Doch ließ ich nach Ihrer letzten positiven Antwort nochmals alles durchsuchen und sie fanden sich wirklich. Es möchte mir nun beynahe wie dem Polykrates bange werden; doch hoffe ich es soll nichts zu sagen haben, da mein Zustand nicht auf Tyranney gegründet ist.

Von so vielen Freunden, und vorzüglich von Ihnen, war ich überzeugt daß Sie lebhaften Antheil nehmen würden an dem, was mir Gutes widerfahren, und ich will gerne gestehen, daß mir in meinem Leben nichts Höheres und Erfreulicheres begegnen konnte, als vor dem französischen Kaiser und zwar auf eine solche Weise zu stehen.

Ohne mich auf das Detail der Unterredung einzulassen, so kann ich sagen, daß mich noch niemals ein Höherer dergestalt aufgenommen, indem er mit besonderem Zutrauen mich, wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, gleichsam gelten ließ, und nicht undeutlich ausdruckte, daß mein Wesen ihm gemäß sey; wie er mich denn auch mit besondrer Gewogenheit[225] entließ, und das zweytemal in Weimar die Unterhaltung in gleichem Sinne fortsetzte, so daß ich in diesen seltsamen Zeitläuften wenigstens die persönliche Beruhigung habe, daß wo ich ihm auch irgend wieder begegne, ich ihn als meinen freundlichen und gnädigen Herrn finden werde. Wie werth muß mir in dieser Betrachtung das hinterlassene Zeichen seyn, und wie höchst vergnüglich das demselben zugefügte Russische: denn wer möchte nicht gern ein Denkmal jener wichtigen Epoche besitzen, ein Zeichen der Vereinigung zweyer so großen als entfernten Mächte, wenn es auch weniger schmeichelhaft wäre. Daß alle litterarischen Arbeiten zugleich mit allen andern Geschäften durch diese Begebenheiten unterbrochen worden ist leider zu vermuthen. Ich versuche dieses und jenes wieder anzuknüpfen; noch aber will es nicht fließen. So ist indeß von der Farbenlehre leider nur ein Bogen zu Stande gekommen.

An Ausarbeitung anderer in Carlsbad vorbereiteter fürs Publicum vielleicht mehr erfreulicher Arbeiten ließ sich bis jetzt gar nicht denken. Indessen wird eins nach dem andern, wenigstens im Geiste, vorgeschoben.

Daß noch einige Berlin-Exemplare für mich auf dem Wege sind, ist mir sehr angenehm. Auch wünschte ich zwey Exemplare auf Schweizerpapier, die mit der letzten Sendung ankamen, und an welchen die vier ersten Theile fehlen, completirt. Wie ich denn wünsche[226] daß Sie die Gefälligkeit hätten mir anzuzeigen, um welchen Preis Sie mir ein Exemplar von den geringsten bis zu den besten überlassen möchten, auch mir Ihre Commissionärs anzeigten, von welchen ich sie verlangen könnte. Meine Verhältnisse gehen ohne mein Zuthun immer mehr ins Breite. Ich werde so vielen Menschen Dank schuldig und weiß für so viele Dienstleistungen und Gefälligkeiten oft nicht was ich erwidern soll. Ich würde daher mit Exemplaren meiner Werke manches gut machen und abthun können, ohne Ihnen zur Last zu fallen. Betrachten Sie mich in diesem Falle als einen Handelsfreund und notiren mir dergleichen Exemplare ohne weiteres ins debet; ich werde sie mir auch aufzeichnen.

Diese Tage ist bey uns eine höchst merkwürdige Erscheinung vorübergegangen. Mr. Lemarquand, an dem wir schon, als er französischer Commissär in Erfurt war, einen uneigennützigen, ehrliebenden und geistreichen Mann kennen lernen, hat sich die letzte Zeit in Berlin aufgehalten und ohne sonderliche Kenntniß des Deutschen sich an den Faust dergestalt attachirt, daß er mir ihn theilweise, das Buch vor sich habend, sehr frey und anmuthig in Prosa übersetzte. Die dunklen Stellen fühlt und kennt er auch alle und hat über manche Erklärung verlangt und erhalten. Einige Stellen hatte er schon poetisch übersetzt, sehr heiter und glücklich. Ich kannte schon früher kleinere poetische Sachen von ihm die sehr[227] gelenk und elegant sind. Den Sinn des ganzen sowohl als der einzelnen Charaktere und Situationen hat er vollkommen durchdrungen. Ich wünschte mir viel solche deutsche Leser. Nun arbeitet er das Einzelne durch und will nicht ruhen bis er das Ganze zu einer genießbaren französischen Production umgearbeitet hat. Er wird während seiner Arbeit mit uns beständig conferiren und das Resultat wird immer höchst merkwürdig seyn, weil der französische und deutsche Geist vielleicht noch niemals einen so wunderbaren Wettstreit eingegangen haben.

Bey dieser Gelegenheit habe ich zum erstenmal die kleine Edition des Faust gesehen. Auf obige Bedingungen wünschte ich gleichfalls ein halb Dutzend Exemplare.

Unser diesmal sehr geselliger Winter ruft gar manches hervor. So habe ich z.B. übernommen wöchentlich ein paar Stunden vor einer geistreichen Gesellschaft die Nibelungen vorzulesen, zu erklären und zu commentiren; wobey sehr interessante Puncte zur Sprache kommen, indem sowohl der ethische als der ästhetische Theil von großer und weit ausreichender Bedeutung sind.

Unser guter Freund leidet viel und sein Zustand läßt uns wenig Hoffnung. Indem seine Freunde durch Berichtigung seines ökonomischen Zustandes, durch Vorsorge für seine Kinder, ihn wenigstens einigermaßen zu beruhigen suchen; so erfahren sie,[228] daß er auch Ihrer Güte und Gefälligkeit noch manches abzutragen hat. Möchten Sie mir vielleicht vertrauen, wie viel er Ihnen schuldig ist, damit man bey einer Convention über seine Nachlassenschaft darauf Rücksicht nehmen könnte.

Herr Titel von Florenz schreibt mir vom 8. November, und ist noch in Zweifel ob das Hackertsche Porträt an mich gelangt sey. Wenn ich nicht irre so zeigten Sie mir an, daß die zehn Ducaten dafür ausgezahlt werden sollten oder schon wären. Wollten Sie wenigstens vorläufig die Gefälligkeit haben ihm melden zu lassen, daß dieß Porträt angekommen ist, und die Zahlung gelegentlich verfügen. Er heißt Wilhelm Titel und ist zu finden in Casa del Signor Biondi.


20/5646.


An Carl Friedrich von Reinhard

Seyn Sie mir also, verehrter Freund, in der Nachbarschaft willkommen! Vielen Dank daß Sie mich aus meiner Ungewißheit gezogen. Wären Sie doch einige Tage früher nach Frankfurt gekommen, so hätten Sie meine Frau angetroffen, die sich sehr glücklich gefunden hätte, Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin wieder zu begegnen. Lassen Sie uns nun wegen unserer Zusammenkunft nähere Abrede nehmen. In diesen letzten Tagen war unsre kleine Theaterwelt in einer starken Krise, woran sogar das Publicum[229] Theil nahm. Es wird zwar nicht schwer seyn alles wieder in die rechten Fugen zu rücken; doch kann ich mich in der ersten Zeit nicht entfernen, auch steht es zwar mit meiner Gesundheit ganz leidlich, doch möchte ich mich gerade in dem Augenblick nicht auf den Weg machen. Eine Stelle Ihres Briefes verstehe ich nicht ganz: es scheint mir als sollte ich etwas ostensibles schreiben und Sie zu einer Zusammenkunft einladen. Haben Sie die Güte sich näher zu erklären und ich will recht gerne thun was erforderlich ist. Lassen Sie uns indessen, und wenn es auch nur kurze Briefe sind, lebhafter wechseln.

Es freut mich, daß Sie sich entschließen konnten und mußten wieder in Thätigkeit zu treten. Unter einem solchen Heerführer wer möchte da nicht streiten und wenn es auch mit Aufopferung und Unbequemlichkeit geschähe.

Also ist das wunderbare Wort des Kaisers womit er mich empfangen hat, auch bis zu Ihnen gedrungen? Sie sehen daraus, daß ich ein recht ausgemachter Heide bin, indem das Ecce homo im umgekehrten Sinne auf mich angewendet worden. Übrigens habe ich alle Ursache mit dieser Naivität des Herrn der Welt zufrieden zu seyn.

Da es Ihnen, wenn ich Ihre Lage betrachte, nothwendig seyn möchte sich selbst in Cassel erst einzurichten und umzusehen, ehe Sie sich, und wär' es auch nur auf einige Tage, von dort entfernen, so[230] unterdrückte ich im so eher meine Ungeduld die ich habe Sie wiederzusehen. Auf alle Fälle erfahre ich bald von Ihnen. Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlin und nehmen Sie sich ein hübsches Quartier, damit Sie Ihren Rhein nicht gar zu sehr vermissen. Doch höre ich die Wohnungen sind sehr theuer. Frau von Wolzogen empfiehlt sich mit und vor andern Freunden auf das beste. Ich bitte um eine förmliche Adresse.

Weimar den 2. December 1808.

Goethe.


20/5647.


An Marianne von Eybenberg

Weimar den 4. December 1808.

Nun sollten wir, theure Freundin, unsern Brief eigentlich mit Scheltungen anfangen. Denn wie ist es möglich, daß eine im diplomatischen Wesen gewandte Dame sechs Wochen in Dresden bettlägerig seyn kann, ohne durch einen Arzt, einen Freund, ja etwa durch einen gewandten Kellner selbst die ihr so sehr Verbundenen zu benachrichtigen, daß es ihr nicht zum Besten gehe, daß ein theilnehmendes Wort, (oder) es muß heißen und irgend sonst eine interessante Mittheilung ihr Vergnügen machen würde. Was für wunderliche Künste brauchen die Gefangenen, sich nach außen mitzutheilen, und Ihnen ist keine davon in der Freyheit eingefallen. Haben wir doch immer[231] allerley Curiosa, die von einer oder der andern Seite reizend seyn möchten.

An dieser Stelle könnten Sie nun gleich sagen: was ihr nicht nach Dresden geleistet habt, das schafft mir nun nach Prag her, wo ich auch gelegentlich wieder auf dem Kanape oder auf dem Bette residire und doch immer gefällig und freundlich bin, um einem Etwas mit offenem Sinn und Gemüth oder einem Nichts und Halbnichts mit angeborner Anmuth zu begegnen.

Hiedurch setzen Sie uns nun gleich in die vollkommenste Verlegenheit; denn ob wir gleich mit mancherley Bedeutendem und Erfreulichem umgeben sind, wie es denn auch an Verdrüßlichem und Unlustigem keineswegs mangelt, so ist es doch schwer, im Augenblick den Rahm, die Sahne, den Schmant, den Schmetten, das Obers und wie man nur die Blüthe der Milch (fior di latte) nennen mag, seiner entfernten Freundin, in Ermanglung silberner Schalen, in einem hübsch geschliffenen Glasschälchen vorzulegen, damit sie das eben so nehme und schlürfe, wie sie sonst gewohnt ist.

Vor allen dingen haben wir Nachricht zu geben, daß wir wirklich, nachdem die Fluth der Kaiser und Könige sich von unsren Bergeshöhen zurückgezogen hat, wieder einigermaßen bey Sinnen sind und daß gegenwärtig der Gescheuteste sich blos dadurch von dem Albern unterscheidet, daß er weiß, nach so[232] capitalseltsamen Begebenheiten sey er etwas weniger verrückt als die übrigen. Untersucht man die Grade der Verrücktheit, so findet man die für die tollsten, die sich einbilden, sie hätten wirklich eine Art von Urtheil über das, was sie gesehen haben.

Wer jedoch Alles gesehen hätte, was auch nur öffentlich in diesen Zeiträumen bey uns sich ereignet, der könnte schon sagen, daß ihm das Bunteste und Wunderlichste vor den Augen vorüber gegangen wäre. Ich selbst war nicht so glücklich; denn da ich mich körperlich und geistig zu menagiren Ursache habe, so konnte ich in diesen Tagen eigentlich nur gegenwärtig seyn, wo ich gefordert war und wo ich was zu leisten hatte.

Unsern Versäumnissen, wir mögen nun nah oder ferne gewesen seyn, kommt aber die Weimarische Industrie zu hülfe; wobey es denn hauptsächlich darauf ankommt, daß sie ein Komptoir hat. Es liegt im selbigen Couvert der Prospectus eines Prachtwerkes, von welchem ich Sie bitte, ein Exemplar in Ihren Cirkel auf irgend eine Weise gelangen zu lassen. Denn wenn Sie das Alles gelesen und gesehen haben, so wissen Sie mehr von der Sache als ich, der ich nur zwey Hände breit davon entfernt war und selbst mitgewirkt und mitgespielt habe.

Die französischen Schauspieler sind mit ihrer wundersamen, obgleich in der Verirrung tüchtig begriffenen Kunst bis nach Weimar gelangt und haben[233] in dem Hause gespielt, durch dessen Dach zwey Jahre vorher eine französische Kugel durchflog. Es ist nun darüber eine gewaltige Bewegung, die mich nichts angeht. Ich wollte nur, ich könnte durch ein ungeheures Wunder aus diesem französischen Tragödienspiel das Falsche durch einen Blitzstrahl herausbrennen; so hätte die Welt noch immer Ursache zu erstaunen über das Rechte, was übrig bliebe.

Talma ist ein köstlicher Mensch, der aber auch, wie wir Alle, von dem Elemente leidet, in dem er schwimmt, der, indem er mit Wind und Wetter kämpft, gar wunderliche Richtungen nehmen muß, wissend oder unwissend – was geht mich das an! – die ihn von dem Ziele, nach dem er ernstlich strebt, zu entfernen scheinen. Das Blatt geht zu Ende und ich könnte nun erst anfangen zu erzählen, was von jener Epoche an sich bey uns ereignet. Humboldt von Rom ist angekommen und hat sein Hauptquartier in Erfurt aufgeschlagen. Mathematiker, Baumeister und anmuthige Künstler sind unsre Nachbarn und Tischgesellen geworden. Wir erwarten Wernern, Dehlenschlägern, Baggesen, Arnim, Brentano, Gerning, Kügelgen, und wenn das Glück will, so muß uns von den zwölf großen und den zwölf kleinen Göttern diesen Winter keiner fehlen. Nun da es an den Schluß geht, merke ich erst, daß ich in's Großthun und Aufschneiden gekommen bin. So fatal das in der Politik ist, so lustig ist es in der Societät.

[234] Nehmen Sie also, daß an alle dem, was ich bisher gesagt, kein wahres Wort sey, und lachen Sie darüber. Dafür soll das letzte desto wahrer seyn, daß ich Ihnen herzlich ergeben bin, und daß ich mich Ihrer schönen Wirthin und Freundin recht ernstlich empfohlen wünsche.

Goethe.


Können Sie einwirken, daß man mir in Löbichau geneigt sey und bleibe, ob ich mich gleich ein bischen ungeschickt betragen habe, so sollen Sie noch außer allem Übrigen auch hierfür den besten Dank erwarten.


20/5648.


An August von Goethe

[5. December.]

Dadurch daß deine liebe Mutter dich in Frankfurt gesehen und nachher in Heidelberg besucht hat, fühle ich mich beynahe eben so als wenn wir selbst wieder zusammen gewesen wären. Deine Krankheit erfuhr ich zugleich mit deiner Genesung und so ward mir diese Nachricht erträglicher. Leider daß sich durch das Übel, welches du erduldet, die alte Wahrheit bestätigst, kein Ort auf der ganzen Erde eigentlich für einen gesunden Aufenthalt anzusprechen. Jedes Clima, jede Lage, haben ihre Tücken; nimm dich vor den Heidelbergischen ja so gut in Acht als es gehen will. Mich freut es, daß du an dem Vossischen und[235] Thibautschen Hause so gute Freude gefunden hast. Lasse dich ja nicht durch Kleinigkeiten empfindlich oder gar mißtrauisch machen und lerne bey Zeiten, daß man in der Welt, was nur irgend möglich ist, vermitteln soll. Es giebt Verhältnisse genug mit denen das nicht angeht.

Ich freue mich deines Fleißes, und es ist recht wohl gedacht und gethan, daß du dir die besondern halbjährigen Zeugnisse von deinen Lehren erbittest. Du nimmst dadurch das löbliche stillschweigende Engagement, daß du immer so fortfahren wollest und werdest. Insofern dergleichen Zeugnisse zu deiner künftigen Legitimation dienen sind sie auch höchst schätzenswerth: denn in einer Zeit, wo alles so wunderlich und willkürlich durcheinandergeht, ist es nicht genug sich mit innerm Verdienst zu rüsten; man thut auch wohl, wenn man sich nach außen bepanzert und ausputzt.

Mir ist es im Ganzen recht wohl gegangen, nur haben mir die Händel beym Theater schon mehrere Wochen eine Störung in die vorgenommenen Arbeiten gebracht. Es geht mit dieser Krise, wie mit Krisen in einem Körper, der sich mit allerley heimlichen Mängeln hinschleppt die vielleicht gar selbst einander die Wage halten, und eine Art von kranker Gesundheit ausmachen; wird dann aber auch zufällig hier einmal das Gleichgewicht aufgehoben, dann geht es bunt her und es wird schwer den völligen Untergang[236] zu verhüten. Noch habe ich nicht alle Hoffnung aufgegeben, und wenigstens die Sache theils für mich, theils mit Wohlgesinnten genugsam durchgedacht, um eine Radicallkur dem Patienten vorschlagen zu können.

Ich habe mit Vergnügen gehört, daß du in Frankfurt überall, besonders aber bey meinem alten Freund Willmer wohl empfohlen bist. Versäume nicht, wenn der Fall kommt ein solches angenehmes und gutes Verhältniß zu cultiviren.

Ich lege hier auf einem besondern Blättchen eine Anfrage bey, die vielleicht Herr Horstig selbst an der Seite, vielleicht auch einer seiner Zuhörer beantwortet. Du thust mir einen Gefallen, wenn es bald geschieht.

Von der Reinlichkeit deiner Wohnung, von deinen Vögeln, deiner Aufwartung und was dich sonst betrifft, haben mir die Mutter und Carolinchen gar Erfreuliches erzählt; besonders war mir lieb, daß ihr Herrn und Frau von Luck gesehen, die ältesten Freunde auf weimarischem Grund und Boden.

Ich vernehme von der Mutter, daß du wegen deiner rothen Backen Anfechtung hast, und das es Leute giebt, die behaupten solche Farbe sey eben nicht grade ein Anzeichen guter Gesundheit. Ich hoffe du wirst selbst von dieser Gunst der Natur, womit sie dich bezeichnen wollen, einen bessern Begriff haben, und immer so fort leben, wie bisher, daß du sie nicht verscherzest.

[237] Deine übrigen weimarschen Correspondenten, deren du wie ich weiß nicht wenige hast, werden dir von dem was vorgeht schon umständliche Nachricht geben.

Über die Erfurter Zusammenkunft der Kaiser und Könige ist eine Art von höchst abgeschmacktem Tagebuch zum Vorschein gekommen. Vielleicht lege ich es die bey, wenn die Weyhnachtssendung abgeht, welche soeben von der Mutter vorbereitet wird. Nun lebe recht wohl und schreibe mir von Zeit zu Zeit, wie du dich befindest und wie du in dem ernsten Gebäude der Pandecten herumwanderst.

G.


20/5649.


An Johann Jacob von Willemer

Noch ehe ich Ihnen, theurer alter Freund, ein Wort des gefühltesten Dankes zu sagen mich entschließen konnte, erscheint schon ein Brief von Ihnen an meine gute Frau, der mich so sehr erfreut als das was sie mir mündlich und schriftlich mitbrachte. Nehmen Sie den aufrichtigsten Dank für das viele Gute, das Sie den Meinigen erzeigt, und für jeden Antheil, den Sie an uns nehmen. Wie sehr wünschte ich einige Zeit mit Ihnen zu verleben, theils um mich früherer Jahre zu erinnern, theils um mich über manche Resultate des Lebens mit Ihnen zu besprechen. Ich begreife recht wohl, daß Sie bey allen Gütern,[238] womit das Glück Die begünstigt hat, sich doch manchmal in einer peinlichen Lage befinden, die aber nach meiner Einsicht blos von einem unvollendeten Strebern herkommt. Diejenigen Menschen die nichts weiter verlangen als dasjenige, was Welt und Natur gleichsam von selbst geben, sind am besten dran und gewinnen meistens den Vorsprung vor denen, welche Forderungen einer höheren Bildung an sich und andere machen, und welchen der Vorgeschmack höhere Genüsse in ihr Inneres eingepflanzt ist. Dergleichen Anlagen völlig fertig auszubilden, zu wissen was wir selbst sollen und vermögen, und was wir von unsern Umgebungen erwarten können, darüber geht meistentheils das Leben hin und man darf wohl sagen, daß der isolirte Mensch hier niemals zum Ziele gelangt; ja sogar wenn er auch so glücklich wäre mit gleichgesinnten zu wirken, so wird er sich doch nur dem Unerreichbaren immer mehr und mehr anzunähern scheinen. Doch wie mag man über solche Hauptpunkte schreiben, da Gespräche darüber allein erquicklich und fördernd seyn können. Leben Sie recht wohl und gedenken unsrer mit den lieben Ihrigen.

Weimar, den 5. December 1808.

J. W. v. Goethe.[239]


20/5650.


An Christian Gottlob Voigt

[7. December.]

Auf das von Ew. Exzell. mir geneigt überschickte möchte ich mich schuldigst gern sobald als möglich vernehmen lassen. Da ich aber unter allen Schriftstellern der unschreibseligste bin; so wollte gehorsamst anfragen; ob nicht der Geh. Secr. Vogel heute Nachmittag um vier Uhr zu mir kommen könnte, damit ich ihm das Nöthige dicktirte, ferner etwa morgen früh um zehn Uhr wiederkäme das Conzept wo es erforderlich wäre zu mundiren.

Mich bestens empfehlend

Mittwochen.

Goethe.


20/5651.


An Christian Gottlob Voigt

Die gnädigsten Gesinnungen Serenissimi, die sich mir durch Mittheilung einer projectirten Constitution einer Hofthester – Directions – Commission beweisen, kann ich nicht besser und dankbarer erkennen, als indem ich von der einen Seite Höchst Ihro Sinn zu penetriren suchen und von der andern meine Persönlichkeit ganz vergesse, um nur daran zu denken, wie eine Hof – Theater – Intendanz und Commission für künftige Zeiten einzurichten seyn möchten. Wenn ich jenes[240] Project auf das genauste und schärfste betrachte, so finden sich darinne eigentlich zwey Hauptpunkte welche unter den Buchstaben E und G angegeben sind und die ich auf meine Weise folgendermaßen aussprechen möchte:

1) Ohne Vorwissen Serenissimi kann kein Mitglied des Theaters angenommen noch entlassen werden.

2) Durchl. befehlen daß die Rechnungen Ihnen vorgelegt werden.

Indem ich nun gegen diese beyden einzigen Hauptpunkte, wie ich sie ausgedrückt habe, nichts zu erinnern finde, so könnte die Sache hierdurch sogleich abgethan scheinen, allein es läßt sich bey der Art und Weise, wie der Aufsatz sich ausspricht, noch manches erinnern. Ich setze voraus, daß jener Text zur Hand ist, zu dem ich die wohlgemeinten Noten liefere.

ad 1) E) Es ist ein Geschäft das sich zur Berichterstattung keinesweges qualificirt, das Vorzügliche worauf Alles hierbey ankommt, läßt sich nicht zu Papier bringen, wie das Theater – Geschäft überhaupt eines derjenigen ist, wobey sich nicht viel mit Worten, am wenigsten mit geschriebenen thun läßt. Nach dem Buchstaben des Textes hätte die Comission nicht einmal die Initiative, nicht einmal das Recht auszusprechen, wen sie beybehalten, verbessert, angenommen und abgedankt wünschte. Wer sollte einen Fürsten, der sich die Entscheidung vorbehält, über den jedesmaligen Zustand aufklären und wie soll die Commission[241] sich von den höheren, selbst erleuchteten Willen Subjecte zutheilen lassen, mit denen sie im dornigsten aller Geschäfte dreymal die Woche zu vorgeschriebener Stunde einen entschiedenen Effect machen soll. So lange die Theater – Commission und ihrer Überzeugung nicht ein entschiedenes Übergewicht selbst über den höchsten Willen zugestanden wird, so bleibt sie ein armseliges verstimmtes Werkzeug, das nicht leisten kann, was von ihr gefordert wird. Mir bleibt also nichts übrig als das obengesagte zu wiederholen: die Theater – Commission macht zur rechten Zeit Serenissimo einen mündlichen, cor daten Vortrag über die Sache, welchen Höchstdieselben nach einiger Einsicht schon genugsam balanciren werden. Allein es kann derselben durch bloßen Befehl weder ein Mitglied entrissen noch hinzugegeben werden.

ad 2) G) wüßte ich nichts zu erinnern als daß die Rechnungen, die etwaigen Auszüge, die Raisonnements bey den verschiedenen Capiteln Serenissimo und Ihrem Geheimen Conseil etwa durch den Rath Kruse, als Mitglied der Theater-Commission, vorgelegt würden, übrigens aber secretirt blieben, weil nicht leicht ein Geschäft durch Publicität so sehr leidet, als das theatralische.

Auch würde ich rathen, daß Serenissimus dem Intendanten und der Commission eine gewisse Summe zugestünden worüber sie nicht Rechenschaft zu geben brauchten, weil man in diesem Geschäft mit wenigem[242] Außerordentlichen und Willkürlichen sehr vieles leisten, und so wie mit einem guten Wort also auch mit einer kleinen Gabe über manches hinaus kommen kann. Noch vieles andere würde zur Sprache kommen, wenn man das Geschäft in seiner Art und Weise schildern wollte.

Außer diesen beyden Punkten welche entscheidend sind und für sich bestehen, ist das übrige mehr oder weniger gleichgültig und läßt sich auf mancherley Weise einrichten. Doch mache ich über den Text einige aufrichtige Bemerkungen:


Personale der Comission.


Es ist ein Intendant und Chef gesetzt, dessen Thätigkeit und Befugnisse, vorausgesetzt daß er die Sache versteht, durch das folgende äußerst beschränkt sind, vorausgesetzt daß er sie nicht versteht, finde ich nicht genug dafür gesorgt, daß seine Unfähigkeit supplirt sey. Es bedürfte mehreren Bogen Schrift, diese wenige Worte zu commentiren und auseinander zu setzen; ich gehe sogleich weiter.

Ein bisheriges Mitglied der Commission bleibt in seiner Stelle, ein drittes wird hinzugefügt, das zugleich Sitz und Stimme im Hof- und Stallamte hat. Eine sehr wünschenswerthe Einrichtung, weil ein Hoftheater niemals vom Hofamte abgesondert werden kann, und der Hofmarschall oder Ober-Cammerherr von Rechtswegen immer Theater-Intendant seyn sollte.

[243] Bey den Untergebungen ist leider, nach unserm Herkommen, von zwey Wöchnern die Rede. Die Regie durch Wöchner abwechselnd versehen zu lassen war eigentlich nur eine provisorische Einrichtung, die bey uns, wie es so oft geschieht, perennirend und eben deshalb höchst schädlich geworden; so lange sie nicht abgeschafft und der Regie mehr Einheit gegeben wird, so lange ist keine Hoffnung, daß die Mängel, an denen unser Theater leidet, verbessert werden können. Da einmal eine Veränderung Statt finden soll und muß, so wird es Pflicht dahin zu deuten, wo eigentlich die Haupthindernisse einer höheren und erfreulicheren Wirksamkeit liegen.


Wie die Commission sich wegen Führung der Geschäfte arrangiren wollte, könnten Serenissimus derselben überlassen; indessen sey bey den verschiedenen Rubriken Folgendes bemerkt:

ad A) Eine Zusammenkunft in der Woche möchte hinreichend seyn. Eine Registrande und Resolutions-Tabelle wäre einzuführen nützlich. Das Protocoll fürcht ich würd bald stocken.

ad B) Dem Intendanten wäre, wie obgesagt, überlassen, sich wegen der Form mit seinen Mitarbeitern zu verständigen.

ad C) So würde er sich auch der Signatur der Concepte und der Unterschrift nicht entziehen.

(Diese drey Puncte beziehen sich auf die Form[244] der Commission nach innen, die zwey folgenden auf ihr Verhältniß im currenten Geschäft zu Serenissimo)

ad D) Um hier unüberwindlichen Unannehmlichkeiten zu entgehen, so würde ich rathen, daß man Serenissimo sogleich ein Repertorium überreichte, worin die Stücke verzeichnet wären, die man im Laufe des Winters allenfalls zu geben bereit ist, und Höchstdieselben zeichneten an, welche darunter Ihnen vorzüglich zu sehen gefiele, da man denn die übrigen nur gelegentlich und im Nothfall mit einschieben würde; dadurch wird eine monatliche Austheilung sehr erleichtert, auf welcher, wenn sie approbirt ist, der Intendant aufs strengste zu halten hätte, obgleich immer vorauszusehen ist, daß auch alsdann noch manche Ausnahmen und Abweichungen vorkommen werden.

Übrigens scheint bey diesem Puncte im Context etwas ausgefallen zu seyn, denn es wird auch verlangt: die Beysetzung des Personals, unter welches die Rollen zu vertheilen sind, wobey man voraussetzen muß, daß von neuen noch nie gespielten Stücken die Rede sey. Hierbey muß ich aber die Bemerkung machen, daß dieses eine Bedingung ist, welche sich kein Intendant, und wenn er auch das Handwerk nicht verstünde, dürfte gefallen lassen; er würde so klug seyn sich einen Regisseur, Theaterdichter, oder welcher einigermaßen Sachverständiger es wäre, beyzusetzen[245] um diesem Geschäftstheile mit Einsicht vorstehen zu können. Die entscheidungen hierinnen aber einem äußern Ermessen, und wenn es das höchste wäre, zu unterwerfen liegt ganz außer der Natur des Geschäfts, wie ich denn die Stelle, weil sie nicht ganz klar ist, vielleicht falsch gedeutet habe.

ad F) Da Serenissimus mit den Ihrigen so vieles persönlich, mündlich und sträcklich abthun, so werden Höchstdieselben ja wohl die Theater-Commission dieses Vortheils nicht berauben, um so weniger als das Theater-Geschäft vielleicht weniger als irgend eines schwarz auf weiß verträgt und durch vota Protokolle und Berichte in kurzem gar bald vernichtet werden könnte.

ad H) Was die Wöchner betrifft, so habe ich mich schon oben erklärt, daß diese Einrichtung erst aufgehoben werden müßte wenn das Weimarische Theater gedeihen soll. Sollten sie aber bestehen, so würden sie eine erneuerte und revidirte Instruction von der Commission zu erhalten haben.

Die verschiedenen im Texte angegebenen Punkte, die theils schon in Übung sind, theils recht wohl eingeführt werden können, übergehe ich und erlaube mir nur zu zweyen einige Bemerkungen.

ad 4) wird ihnen viel zu viel zugestanden. Sie sollen die Austheilung für jeden Monat fertigen und sollen bey neuen Stücken Vorschläge zu Besetzung der Rollen thun. Dies kann ihnen weder von der Commission[246] im Ganzen noch besonders von der Intendanz als Recht zugestanden werden, ob sie gleich ihren Rath, wenn man sie darum fragt, nicht zu versagen haben.

ad 9) Dieser Punct setzt den Wöchner oder Regisseur, indem er ihn so hoch erhebt, in die größte Verlegenheit. Man verzeihe mir! aber daß ein Subaltern für jeden einzelnen Fall vor der höchsten Behörde persönlich einstehen soll, ist weder ihm zuzumuthen, noch verträgt es sich mit der Würde der Vorgesetzten, die Lob und Tadel von oben durch die dritte Hand erfahren und, um Weitläufigkeiten aus dem Weg zu gehen, mittelbar empfangenen, vielleicht mißverstandene Befehle mit Beschämung ausführen sollen. Der Intention Serenissimi auch von dieser Seite entgegen zu kommen, wäre Pflicht der Commission.


Betracht' ich nun Vorstehendes, wegen dessen Weitläufigkeit ich mich zu entschuldigen habe, obgleich nicht der tausendste Theil von dem was zu sagen wäre, gesagt ist, so bin ich doch eigentlich dem Zwecke nicht näher gelangt; denn wollte man auf meine, blos das detail betreffende Erinnerungen achtend, eine Constitution entwerfen, so würde sie doch nur scheinbar, aber keineswegs dauerhaft seyn, und ich bin, eingedenk so vieler Erfahrungen, auf das innigste überzeugt, daß in 14 Tagen bis vier Wochen dennoch die größten verderblichsten Händel und Extreme abermals[247] hervorbrechen würde und die Sache noch schlimmer als gegenwärtig stehen würde. Soll ich deswegen aufrichtig seyn, so weiß ich kein Heilmittel für den gegenwärtig sehr verletzten Zustand des Weimarischen Theaterwesens als die Separation des Schauspiels von der Oper, gleich so viel wie möglich, und zunächst völlig.

Sollte dieser Vorschlag nicht ganz verwerflich gefunden werden, so erbiete ich mich einen Aufsatz über die Nothwendigkeit, Thunlichkeit und Schicklichkeit einer solchen Trennung ungesäumt einzureichen, indem ich mich erbiete bey einer neuen Einrichtung die Stelle eines Intendanten und Chefs der Theater-Commission im allgemeinen zu übernehmen, mich dem Schauspiel insbesondre zu widmen und, nach Serenissimi mir bekannten Intentionen, nicht allein das bisher übliche fortzusetzen sondern auch bey hinwegzuräumenden Hindernissen mit neuer Luft und Energie der Zeit und ihren Forderungen gemäß fortzuschreiten.

Wobey ich nur noch bemerken will, daß baldige Resolutionen nöthig sind, weil ein ohnehin schwankendes Geschäft höchlich periclirt, wenn eine Anzahl dabey nothwendiger Menschen auch nur für einige Zeit wegen ihres künftigen Schicksals in Furcht und Sorge gesetzt werden.

Mein guter Wille und meine redliche Absichten, so wie der Drang des Augenblicks, mögen vorstehendes entschuldigen und suppliren. Weit besser würden solche[248] Dinge mündlich verhandelt, wenn mündliche Verhandlungen nicht andere Nachtheile hätten.

Weimar den 7. Decbr. 1808.

J. W. v. Goethe.


20/5652.


An Heinrich Carl Abraham Eichstädt

Ew. Wohlgeboren

übersende die mitgetheilten Manuscripte mit vielem Dank. Meine Meinung darüber ist kürzlich folgende:

1. Der Aufsatz gegen Schlegel ist eine jammervolle Salbaderey, wodurch die Fragen um nichts weiter ins Klare kommen. Man könnte sich erbieten ihn einzurücken, wenn ihn ein bekannter Mann unterschreiben wollte. Mich däucht dieß kann man in dem gegenwärtigen Fall verlangen. Warum sollte sich der Verfasser nicht nennen, da ein genannter Künstler gegen einen genannten Schriftsteller vertheidigt wird?

2. Der Aufsatz über den ersten Band meiner Werke hat mir viel Vergnügen gemacht. Ich erkenne darin den Mann, der von jeher mit Wohlwollen meinen Arbeiten seine Aufmerksamkeit schenkte und der ein Interesse fand sich meine Art und Weise zu vergegenwärtigen. Er hat Gedichte und Stellen, auf die ich selbst einen besondern Werth lege und die lange unbemerkt geblieben sind, hervorgezogen und sich überhaupt, wie mich dünkt, mit Offenheit und Redlichkeit betragen.[249]

3. Die auf altdeutsche Poesie sich beziehende Aufsätze haben mir desto weniger Freude gemacht. Dem Verfasser fehlt es gar sehr an historischen Kenntnissen. Das habe ich desto lebhafter gefühlt, da ich selbst von ihm etwas zu lernen gewünscht hätte. Was soll man zu der großen Lücke zwischen Bodmer und Tieck sagen? Warum ist denn von Herdern einmal gar nicht, und das andere Mal nur im Vorbeygehen die Rede? Wer diese vierzig Jahre mitgelebt und mitgewirkt hat, der weiß besser, wem man diese Ämter schuldig ist, welche die jungen Herren mit soviel Dünkel abmähen. Das Wunderhorn, das ich sehr schätze, ist keineswegs unmittelbar und augenblicklich aus dem Boden entsprungen. Es geziemte denen, die sich mit solchen Dingen abgeben, die Geschichte solcher Erscheinungen zu erforschen. Ferner gehört der Verfasser zu den eingebildeten Neulingen, die gegen das was sie Ästhetik nennen sich auflehnen, damit nur ihre Orakelsprüche als etwas erscheinen sollen. Nicht daß ich alles verwerfe, was die neue Zeit lebhafter als die ältere treibt, aber wie verdrießlich ist es erprobten Maximen des Urtheils von solchen verworfenen zu sehen, die in jener Äußerung zeigen, daß sie weder von Gehalt noch von Behandlung eines Kunstwerks den wahren Begriff haben. Ich will gerne glauben, daß ich dem Verfasser einigermaßen Unrecht thue: denn ich muß gestehen, daß ich nur den geringsten Theil der Blätter gelesen habe; aber ich sehe gar nicht ein, warum man[250] gegen Ungerechte gerecht seyn soll. Ich war schon einigemal in Versuchung bey gegebenem Anlaß mich in Ihrer Zeitung einmal derb und deutlich über dieses Anwesen vernehmen zu lassen; doch wer behielte die Luft einen Mohren zu waschen? und ich habe in meinem Leben genug erfahren, daß die Thoren von vernünftigen Menschen grade nur soviel lernen und annehmen, als sie brauchen um noch närrischer zu seyn.

Für ein Neujahrsprogramm wird gesorgt. Das Kupfer wird hoff' ich etwas angenehmes darstellen.

Der ich recht wohl zu leben wünsche und mich zu geneigtem Andenken empfehle.

Weimar den 8. December 1808.

Goethe.


Lassen Sie sich jedoch durch obenstehendes nicht abhalten Aufsatz und Recension abdrucken zu lassen. Dergleichen Gesinnungen müssen doch nun einmal ins Publicum und es ist gut, daß es je eher je lieber geschehe. Der Widerstreit wird erregt und die Sichtung geschieht. Über die Recension des Attila nächstens.


20/5653.


An Christian Gottlob Voigt

Ew. Excell.

erhalten hierbey einen Aufsatz das Theaterwesen betreffend, wie ich ihn gestern Abend dicktirt. Heute würde ich ihn anders und Morgen wieder anders[251] schreiben, denn die Sache ist unendlich und leider muß man im gegenwärtigen Falle mit Redensarten nur dran hergehen, ohne den Hauptpunckt zu bezeichnen worauf alles ankommt.

Glauben Ew. Exzell. daß der Aufsatz überreichbar sey; so mag es dabey bewenden, findet Sie etwas zu erinnern, so bitte es zu bemercken und er kann umgeschrieben werden. Doch ist keine Zeit zu verlieren. Leider wird sich bald zeigen welchen Schaden diese Erschütterung der Anstalt zugefügt hat. Ich habe auch gar kein Zutrauen daß Vermittelung und Wiederherstellung möglich sey. Bitte desto angelegentlicher um Fortsetzung Ihrer Freundschaft.

W. d. 8. Dec. 1808.

G.


20/5654.


An Johann Friedrich Rochlitz

Ew. Wohlgeboren

danke vielmals für die überschickte Antigone. Sie hat mir bey einem flüchtigen Durchlesen gar wohl gefallen und dem ersten Anblick nach sollte ich glauben sie müßte aufführbar seyn. Ich werde sie in ruhigen Stunden mit dem Original vergleichen, damit ich einsehe, wie Sie verfahren sind.

In dem Vertrauen das ich zu Ihnen hege kann ich indessen nicht verbergen, daß unser Theater in einer Crise steht, bey welcher ich noch nicht übersehen kann, ob ich die Direction, die ich für den Augenblick[252] niedergelegt, wieder aufzunehmen werde im Falle seyn, deswegen ich mir das Nähere jenes Stück betreffend vorbehalten muß.

Nun aber eine Bitte. Ich bin Herrn Dr. Kapp soviel Dank schuldig, daß ich ihm wenigstens etwas Gefälliges erzeigen sollte. Mein Gedanke ist, ihm ein Berlin Exemplar meiner Werke anzubieten. Wenn Sie erlaubten so würde ich es wohlgepackt an Sie adressiren; es ist nur broschirt, ich wünschte aber daß es in Leipzig durch Ew. W. Vorsorge geschmackvoll gebunden würde. Was würde man für 12 Bände zu bezahlen haben? Ich würde das Geld gleich beylegen. Mit Bitte um baldige Antwort empfehle ich mich bestens.

Weimar den 8. December 1808.

Goethe.


20/5655.


An Christian Gottlob Voigt

[8. December.]

Da Serenissimus wenigstens neugierig sind meine Einfälle anzuhören oder anzusehen; so bitte Morgen früh Zehen Uhr mir den Geheimschreiber zu senden. Im Kopfe hab ich so viel:

Daß alle Leinwand von Gent soviel auch ihrer gemacht wird

nicht zureichte das alles zu fassen. Eine gute Partie Ellen würden nötig seyn um Ihre Geduld und Langmuth zu preisen.

G.[253]


20/5656.


An Christian Gottlob Voigt

[9. December.]

Ew. Excellenz

erhalten hierbey, da Vogel heute früh nicht zu mir kommen konnte, den befohlnen Aufsatz von einer andern vertrauten Hand. Geruhen Serenissimus das Commissorium, um daß ich bitte, zu stellen; so soll dem künftigen Bericht an Klarheit im Einzelnen nichts abgehen. Die bisherigen Mängel unserer Einrichtung, durch die ich selbst soviel gelitten habe, indem meine Thätigkeit bey dem Geschäft dadurch zuletzt fast gänzlich paralysirt worden, sollen insofern sie abgethan werden müssen, ausgesprochen, in so fern bey der neuen Einrichtung von selbst weglassen, mit Stillschweigen übergangen werden. Meinen vorgestrigen Aufsatz von dem ich kein Concept habe, würde ich mir so wie den gegenwärtigen zurück erbitten. Es sey mir erlaubt hier nochmals darauf zu appüyiren, daß es eigentlich nur zwey Hauptpuncte sind, worin sich die neue Verfassung von der alten unterscheidet, und daß gegen diese nichts einzuwenden ist. Noch um einige Geduld und Nachsicht bittend.

Weimar den 9. December 1808.

Goethe.[254]


20/5657.


An Christian Gottlob Voigt

Wenn ich in meinem vorgestrigen Aufsatz den Vorschlag that, daß man beym Weimarischen Theater das Schauspiel von der Oper trennen möchte; so habe ich nur einen Gedanken, einen Wunsch geäußert, den ich schon längst gehegt. Ich erlaube mir, ehe ich unsern besondern Fall ausspreche, einige allgemeine Betrachtungen.

Die Oper ist ihrer Natur nach von dem Schauspiel durchaus unterschieden; sie ist es auch bey den Nationen geblieben, die, indem sie etwas Vollkommnes Auffallendes auf ihrem Theater sehen wollen, die verschiedenen Arten der Kunstwerke auf strengste sondern. In Deutschland ist die Oper nach und nach und man möchte sagen zufällig mit dem Schauspiel verknüpft worden. Um nicht allzuweit vorwärts zu gehen, so bringe ich in Erinnerung, daß vor vierzig bis funfzig Jahren die Oper: der Teufel los, zuerst große Sensation erregte, worauf die Hillerschen Opern folgten, bey denen es gar keine Sänger brauchte, um sie ganz leidlich vorzutragen. Die Französischen kleinen Operetten, das Milchmädchen und dgl., kamen in südlichen Deutschland zuerst auf die Bühne durch Marchand, einen Director, der selbst leidlich sang und sich mit Versemachen abgab. Hier hatte die Epoche der Handwerksopern ihren Anfang; die Schmiede,[255] Böttcher, Töpfer erschienen hintereinander; die Action des gemeinsten Schauspiels ward durch Musik und Tact etwas veredelt; die ersten schmucklosen italiänischen Opern: das gute Mädchen, Robert und Caliste, die eingebildeten Philosophen, schlossen sich an und die Directoren fanden es sehr bequem mit sehr wenigem Aufwand von Naturell und Talent das Publicum zu unterhalten, ja zu entzücken. Man erinnere sich der Zeit, in welcher ein Ackermann lange auf dem Weimarischen Theater für den ersten Buffo und seine Frau wenigstens als zweyte Sängerinn gelten mußte. Man erinnere sich der Gattin des Director Belluomo, die, mit einer leidlichen Stimme, einem völlig oberdeutschen Dialect und einem unscheinbaren Äußerung, mehrere Jahre die ersten Liebhaberinnen vortrug.

Dieser Art auf eine genügsame Weise sich zu vergnügen, gab Dittersdorf neue Nahrung. Personen aus dem gemeinen Leben, lebhafte Intriguen, allgemein faßlicher Gesang, verschafften seinen auf einem Privat-Theater entstandenen Opern einen allgemeinen Umlauf, und wer in Weimar mag sich nicht gerne des rothen Käppchens erinnern, mit dessen heiterer Erscheinung das jetzige Hoftheater eröffnet wurde.

In einem ganz entgegengesetzten höheren Sinne hatte Mozart durch die Entführung aus dem Serail Epoche gemacht. Diese Oper, noch mehr aber die Zauberflöte, die eigentlich nur den Theatermeistern Mühe machte, wurde unzähligemal wiederholt und[256] beyde brachten das darauf verwendete reichlich ein, weniger die folgenden Zauberopern, die auch nach und nach alle von der Bühne verschwunden sind.

Indessen hatten sich bey Aufführungen solcher Singstücke bessere Stimmen nöthig gemacht, eigentliche Sänger wurden engagiert und je besser sie wurden, je mehr traten sie mit dem Schauspiel außer Verhältniß. Auch unser Theater war glücklich genug manche zu besitzen, bis wir endlich in der letzten Zeit das Singspiel auf einem Gipfel sahen, wo es wohl verdiente eine Anstalt für sich zu heißen. Ich brauche nur einige Aufführungen: der Müllerin, der Camilla, der Wegelagerer zu gedenken, und man wird mich alles andern Beweises überheben.

Indessen hatte aber auch in Rücksicht auf die innere Einrichtung, besonders was Vorbereitung und Problem betrifft, die Oper das Übergewicht über das Schauspiel genommen. Jene braucht ihrer Natur nach mehr Proben als dieses, aber bey uns waren sie ganz außer allem Verhältniß. Man unternahm, es ist wahr, schwere Opern, aber man brachte sie meiner Überzeugung nach viel zu langsam zu Stande, und wenn auch dieß nicht zu ändern gewesen wäre, so wiederholte man eine, endlich mit so viel Mühe und Aufopferung zu Stand gekommene Oper nicht oft genug, nicht einmal so oft, daß das Publicum hätte damit bekannt werden und ihr Geschmack abgewinnen können. Singspiele welche lange gelegen[257] bedurften gleichfalls vieler Proben, und weil es meist solche waren in welchen Chöre und Statisten nöthig sind, so wurden die Schauspieler dabey gleichfalls fatigirt, und es war bey uns zuletzt fast herkömmlich, daß weil der Sonnabend brillant seyn sollte, Montag und Mittwoch vernachlässigt, ja oft dem Zufall überlassen wurden: denn indem man bedeutende Stücke an diesen Tagen nicht gehen wollte, um sie einen Sonnabend zu bringen, wenn die Oper ebenfalls fehlte, indem man Personen, welche zugleich im Schauspiel und in der Oper bedeutend find, des Mittwochs nicht zumuthen konnte eine starke Rolle vorzutragen; so kam in die monatlichen, ja wöchentlichen Austheilungen, wobey man unmöglich alle und jede wechselseitigen Verhältnisse stets vor Augen haben konnte, ein solches Schwanken, das der Direction höchst verdrießlich seyn mußte und von Hof und Publicum oft genug unangenehm empfunden ward.

Der Vorschlag Schauspiel und Oper zu trennen hat daher den Hauptzweck beyde Gattungen auf sich selbst zu weisen, um jede separat zu ihrer Pflicht an halten zu können. Sobald der Schauspieler ohne Zerstreuung seine Zeit der Erlernung neuer Stücke, der Repetition älterer widmen kann, sobald man festsetzt, daß Sonnabends gewiß Oper seyn werde, so hat der Schauspieler den Donnerstag, Freytag, Sonnabend und Sonntag vor sich, um Montag und Mittwochs ehrenvoll und zur Freude der Zuschauer zu erscheinen.[258] Austheilungen können auf einen Monat gemacht werden und müssen gehalten werden. Von Zeit zu Zeit eintretende Unmöglichkeiten sind von keiner Bedeutung, wenn nur nicht jeden Augenblick die Willkür waltet.


Man bedenke hier vor allen Dingen, daß der Hauptzweck unsers Theaters sey, dreymal die Woche bedeutende, gefällige Vorstellungen zu geben. Darauf muß man losgehen, alles andere sind Nebensachen.

Durch die Trennung des Schauspiels von der Oper kann bey uns dieser Zweck ganz allein erreicht werden. Die Hauptursachen sind oben schon angedeutet; es liegen aber noch andre im Hintergrund, welche sich zu künftiger, vielleicht nur mündlicher Mittheilung qualificieren. Wollte man eine solche Scheidung im Augenblicke streng machen, so würde sich finden, daß das Schauspiel wohl ohne die Oper, die Oper aber nicht ohne das Schauspiel bestehen könnte. Man lasse daher vorerst diejenigen die eigentlich als Schauspieler anzusehen sind, wie Unzelmann und Deny, bey der Oper mitwirken; nur gehe man aufs schärfste zu Rathe, wie die Proben vermindert und das Einstudiren einer Oper beschleunigt werden könne, damit solche Personen nicht mehr als billig von ihrer Obliegenheit beym Schauspiel abgehalten werden.

Das zweyte was einer Trennung entgegen zu stehen scheint, ist, daß man bey Oper und Schauspiel wechselseitig Statisten und respective Choristen gemacht hat.[259] Dieses alte Recht der Directionen die besten Schauspieler und Sänger zu den geringsten Functionen zu beordern, ist für einen Entrepreneur, besonders für einen herumziehenden, von Bedeutung, und man hat sich es bisher bey der Commission, welche in jene Stelle eintrat, ganz wohl gefallen lassen. Untersucht man aber genau wie viel man davon nachgelassen, wie mancher, wo nicht ausdrücklich, doch stillschweigend, wo nicht für immer, doch öfter, dispensirt und freygelassen; so zeigt sich, daß es in der Ausübung keinesweges so viel als man glaubt, relevire.

Das Schauspiel so wie die Oper würden künftig noch immer in sich selbst Statisten machen. Bey der Oper sind die Chorschüler gegenwärtig, und wenn man zu den subalternen Sängerinnen, die anfangs noch bey der Oper mitwirken möchten, einige Mädchen aus der Stadt heranzieht, so würde nichts verloren und viel gewonnen seyn.

Überhaupt müßte es leichter seyn als jemals, sich ein stehendes Chor zu bilden, da durch den Einfluß der großen Berliner Singacademie sich überall Privatgesellschaften bilden, die eine Freude darin finden mehrstimmige Gesänge auszuführen. In Berlin selbst haben sich mehrere solche Privatchöre gebildet, in Halle, Leipzig, Jena, Weimar sind sie auch schon entstanden und es bedürfte bey uns nur ein geringes, um eine solche Neigung weiter zu verbreiten. Noch nie ist ein Zeitpunkt günstiger gewesen als der gegenwärtige.

[260] Es möchte unfreundlich aussehen, wenn ich hier umständlich ausführen wollte, wie vorzüglichere Sänger, wenn man sie zum Chorgesange fordert, zwar erscheinen, um nicht gestraft zu werden, aber kein Laut von sich geben; welches man nicht eben so gut als eine Abwesenheit beweisen konnte.

Daß noch manches bey einer neuen Einrichtung wird zu bedenken, daß noch manches wird zu thun seyn, bis die beyden getrennten Abtheilungen des Theaters sich in sich selbst runden und consolidiren, liegt in der Natur der Sache. Was wegen Lauchstädt zu thun sey, wird gefragt werden, worauf sich aber auch recht gut wird antworten lassen.

Führt man aber die Oper wieder mehr zum Gesang, das Schauspiel mehr zur Recitation und Declamation zurück, entäußert man sich nach und nach alles unnöthigen Prunks und Lärms, so wird die Anstalt nach innen und nach außen gewinnen und die Casse gewiß nichts verlieren. Schon wenn die Montage und Mittwoche bedeutender werden; so muß eine erhöhte Einnahme an diesen Tagen schon manchen Sonnabend-Statisten bezahlen. Es giebt noch andere Vorschläge zu Erhöhung der Einnahme, und gewiß wenn mehr Einheit und Einigkeit in die verschiedenen Gliederungen der neuen Einrichtung gebracht werden, so lassen sich manche faux-frais vermeiden, deswegen mir selbst höchst angenehm ist, daß jemand mit frischem Blick zu den Cassegeschäften hinzutritt.

[261] Ganz unschätzbar aber für den raschern Gang der Geschäfte, für bessere Disciplin und so vieles andere, ist bey der neuen Maßregel, daß die Wöchnerschaft aufgehoben werde. Genast würde allein bey dem Schauspiel, Becker allein bey der Oper angestellt, und man wüßte genau was man von Jedem zu erwarten und zu fordern hätte; und jeder könnte sich mit dem was er leistet, besonders und persönlich, Ehre machen.

So viel zur allgemeinen Einleitung des Vorschlags. Zu weiterer Aufklärung und näherer Bestimmung desselben würde ich unterthänigst bitten, Durchlaucht geruhten auf Unterzeichneten, auf den Hofcammerrath Kirms und den Rath Kruse ein Commissorium zu stellen blos zu dem Zwecke die Sache von allen Seiten durchzudenken und zu bearbeiten, wobey die bekannt gewordenen gnädigsten Intentionen im Auge behalten, und die übrigen Einrichtungen so weit als möglich ins Detail verfolgt würden. Ein Aufsatz deshalb würde baldmöglichst mit unterthänigstem Bericht einzureichen und Serenissimi höchste Entschließung abzuwarten seyn.

Weimar den 9. Decemb. 1808.

Goethe.


20/5658.


An Christian Gottlob Voigt

Ew. Excellenz

erhalten hierbey eine kurze Punctation, in der so viel ich mich, bey Abgang früherer Papiere, erinnern[262] kann, alles enthalten ist, worüber bisher gehandelt worden. Ich darf wohl sagen, daß ich meine Überzeugung hiermit abgeschlossen habe. Ich wünsche, daß mein guter Wille und meine Ergebung Höchsten Orts Beyfall finden und baldiger Genehmigung bewirken mögen.

Mich angelegentlichst empfehlend

Weimar den 11. December 1808.

Goethe.


[Beilage.]

Entschiedene und noch zu entscheidende Punkte, die neue Einrichtung des Theaters betreffend.

1) Ohne Serenissimi Vorwissen und Einwilligung wird kein Schauspieler noch Sänger angenommen oder entlassen.

2) Die Rechnungen werden vorgelegt.

3) Das Schauspiel wird von der Oper gesondert.

4) Genast erhält die Regie des Schauspiels, Becker der Oper.

5) Der Geheimrath von Goethe besorgt das Kunstfach beym Schauspiel allein und unbeschränkt. (S. Beylage.)

6) Wie es hiemit bey der Oper zu halten, ist in weitere Überlegung zu ziehen.

7) Monatliche Austheilungen werden eingereicht.

8) Zur Commission tritt Rath Kruse hinzu.

9) Die ersten Geschäfte der Commission sind:

a) die innere Form zu organisiren.

[263] b) zu überlegen, wie bey dem von der Oper getrennten Schauspiel ein Bezug zu wechselseitiger Beyhülfe erhalten werden möge.

c) ferner wie Serenissimi Desiderata bey einzelnen Stücken am besten und schicklichsten zu ihrer Kenntniß gelangen mögen u.s.w.

Weimar den 11. December 1808.

Goethe.


Beylage.


Unter dem Kunstfach wird verstanden:

Das Lesen und Beurtheilen der Stücke.

Die Bestimmung derselben zur Aufführung.

Die Redaction, Verkürzung, Umänderung derselben in einzelnen Stellen.

Die Austheilung der Rollen.

Die Haltung der Leseproben.

Die Repetition der Rolle mit einzelnen Schauspielern, wo es nöthig.

Die Besuchung der Theaterproben, besonders der Hauptproben.

Die Angabe des Costüms, sowohl in Kleidern als Requisiten.

Ingleichen neuer Decorationen zum Schauspiel.

Und was sonst noch irgend nöthig seyn möchte, die Aufführung eines Glücks zu beleben und zu erhöhen.[264]


20/5659.


An Christian Gottlob Voigt

[11. December.]

Unter uns wenigstens ein aufrichtiges Wort! in einer Sache die eigentlich blos hinter dem Mantel gespielt wird. Ich übersende mein Ultimatum. Hier tritt freylich ein neuer Hauptpunckt ans Licht sub No. 5. Ich glaube nicht daß man jenseits nachgeben wird und ich werde kein Haarbreit weichen. Es ließt sich voraussehen daß die Sache hier scheitern würde. Mündlich mehr. Bitte alles schriftliche abzulehnen.

G.


20/5660.


An Christian Gottlob Voigt

[Mitte December.]

Ew. Excell.

bitte inständigst nur einen interimistischen Auftrag für uns dreye zu veranlassen. Die neue Instrucktion (Constitution) müßte erst völlig fertig seyn, ehe ich mich wieder als Mitglied der Commission geriren kann. Meine Obliegenheit hörte mit der Berichtserstattung auf. Täglich entstehen grössere Bedencken.

G.[265]


20/5661.


An Christian Gottlob Voigt

[Mitte December.]

Ew. Excell.

habe ein eilig Blättchen geschrieben mit Bitte zu verhindern daß nicht etwa ein Rescript erlassen werde, welches die Commission als schon formirt ansieht, ich würde es nicht eröffnen. Als Diener will ich mit zwey andern Dienern gern die Sache in die größte Klarheit setzen; aber wenn zuletzt nachdem was meine völlige Überzeugung ist nicht gehandelt werden soll, wenn Serenissimus diesen unmittelbaren Einwirkungen, wie leider Sonnabends eine geschehene, nicht rein entsagen; so muß ich aus der Sache scheiden. Dies unter uns. In der Maaße bitte das Commissorium zu stellen, daß der Auftrag nach erstattetem Bericht expirirt. Verzeihung!

G.


Viel Danck für den Morgengrus durch schöne Gestalten.[266]


20/5661a.


An Franz Kirms

[Weimar, erste Hälfte December 1808?]

Auch unsere bisherige Verfassung habe ich diese Tage Zeit und Gelegenheit gehabt durchzudencken. Sie hatte soviele Mängel daß ich nicht wünschen kann: es möge beym Alten bleiben. Trete ich wieder bey; so werde ich mir z.B. das Verschleifen der ausgetheilten Stücke und das ewige umändern der angesetzten auf keine Weise mehr gefallen lassen. Und dergl. mehr wozu ich mit Verdruß geschwiegen. Zu dem was man bis zu einer Entscheidung thun und vornehmen will kann ich nichts sagen. Mich bestens empfehlend

G.[120]


20/5662.


An Carl Friedrich Zelter

Sie erhalten hierbey, theurer Freund, die verlangte Handschrift. Es sind ein paar meiner Lieder, die ich auf Ihr Anregen gesucht und gefunden habe. Übrigens besitze ich selbst ein sehr schöne Sammlung von[266] Autographis, und manches, besonders von deutschen Schriftstellern, doppelt. Lassen Sie sich von Ihrem Freunde sagen, was ihm abgeht, vielleicht kann ich ihm in einigem nachhelfen. Für die Nachricht Ihrer politischen und bürgerlichen Lage danke ich Ihnen zum besten; ich habe es mir ohngefähr so gedacht, aber das besondre durch Sie selbst erfahren zu haben ist mir viel werth.

Mit der fahrenden Post erhalten Sie ein Velin-Exemplar meiner Werke, das sich endlich bey mir zusammengefunden hat. Meine Absicht war es noch recht hübsch binden zu lassen. Das giebt aber wieder neuen Aufenthalt und die hiesigen Buchbinder haben mich grade in solchen Fällen mehr wie einmal zur Verzweiflung gebracht.

Nun habe ich noch eine Bitte. Möchten Sie sich doch erkundigen wer in Berlin die Kotzebueschen Stücke, die noch nicht gedruckt sind, gegen bestimmte Honorar, an die Theater-Directionen abgiebt. Es wäre gegenwärtig von dem Intermezzo oder dem Landjunker zum erstenmal in der Residenz und von der jähzornigen Frau die Rede, ersteres in fünf Acten, letzteres in Einem. Haben Sie die Gefälligkeit zu hören was man dafür verlangt und sagen mir es bald, denn ich wünsche es bald zu haben. Ulrich von Hutten, sonst der Freymüthige genannt, wird wahrscheinlich darüber die beste Auskunft geben können.

Heute sage ich nicht mehr, damit nur das alles[267] auf die reitende und fahrende Post komme. Leben Sie recht wohl; lieben Sie mich. Ich gönne den Preußen und besonders den Berlinern den zurückkehrenden Anschein des Friedens, nur fürchte ich sie werden sich dessen so unmäßig erfreuen, daß neue Händel daraus entstehen. Sagen Sie mir ja, wie man sich gegen Sie beträgt. Ich hege gar mancherley vor meiner Einbildungskraft und in meinen Gedanken und mag gar zu gern das was geschieht zusammenhalten mit dem was ich mir vorstelle. Das herzlichste Lebewohl.

Weimar den 15. December 1808.

G.


20/5663.


An Carl Friedrich Zelter

Hiebey das Exemplar meiner Werke, dem ich eine glückliche Fahrt wünsche.

Weimar den 15. December 1808.

Goethe.


20/5664.


An Carl Ludwig von Knebel

Weimar d. 17. December 1808.

Verzeihen mir, lieber Freund und Bruder, wenn ich diese Zeit her so stumm geblieben und was du gesagt und gesendet nicht auch freundlich erwidert. Ich werde von den nächsten und irdischen Dingen so gedroschen,[268] daß ich das Ferne und Himmlische ganz aus den Augen verliere.

Die Neronischen Verse mit der Übersetzung haben uns viel Vergnügen gemacht und zu allerley Bemerkungen Anlaß gegeben, die wir einmal mündlich mittheilen wollen.

Haben die Gefälligkeit und sende mir das Journal de physique von dem du sprichst. Ich war schon unterrichtet, daß ein Memoire von Hassenfratz über die Farben beym Institut liege und daß man sich vor diesem Noli me tangere einigermaßen scheue. Nun bin ich neugierig wie man sich aus der Sache gezogen hat. Ich hoffe eben so niederträchtig wie aus der Gallischen. Mehr sage ich nicht: denn mich drängt allerley.

Lebe wohl. Dir ist manches aufgespart zu einer Zusammenkunft hier oder in Jena. Laß mich manchmal wissen, wie sich die Deinigen befinden, und grüße sie schönstens.

G.


20/5665.


An Charlotte von Schiller

Möchten Sie uns wohl, theure Freundin, heute zu Mittag Ihre lieben Söhne und den Hofmeister, als Gäste zusenden? Einen wunderlichen Brief Werners theil ich mit. d. 18. Dec. 1808.

G.[269]


20/5666.


An Franz Kirms

Leider habe ich seit gestern Abend neue Ursache höchst verdrießlich und mißtrauisch zu seyn.

Ew. Wohlgeb. muß daher von nun anbitten sich schriftlich mit mir zu unterhalten, wogegen ich mich auch recht gern schriftlich erklären werde.

W. d. 18. Dec. 1808.

Goethe.


20/5667.


An Franz Kirms

Nachdem ich heute früh das Glück gehabt, die Gesinnungen unsrer Durchlauchtigsten Herrschaft über die Theater-Angelegenheiten zu vernehmen; so kann ich Ew. Wohlgeb. zu erkennen geben: daß Sie sehr wohl thun würden, für den Mittwoch ein Stück ankündigen zu lassen, in welchem Becker nicht spielt.

Weimar d. 19. Dec. 1808.

Goethe.


20/5668.


An Johann Friedrich Rochlitz

Ew. Wohlgebornen

bin so frey das Exemplar für Herrn Doctor Kapp zu übersenden. Ist es gebunden, so erbitte mir die Anzeige des Kostenbetrags. Sie hätten ja wohl die[270] Gefälligkeit bey Dr. Kapp anzufragen, ob Sie es in Leipzig lassen oder ihm nach Dresden schicken sollen. Ich schreibe ihm alsdann auf alle Fälle selbst. Bis dahin kann ich wohl auch etwas näheres von dem Schicksal unsers Theaters und Ihrer Antigone schreiben. Eins scheint mir unerläßlich, daß Sie sich nun auch die gleiche Mühe mit Ödipus, und Ödipus auf Colonus geben: denn eigentlich thut Antigone nur den vollkommenen Effect in Gefolg von jenen beyden Stücken. Sie könnten, um sich ein Stück Arbeit zu ersparen, die Solgersche Arbeit zum Grunde legen und diese nur deutschen Ohren mehr annähern. Doch davon läßt sich weiter sprechen wenn wir erst dazu kommen, Antigone voraus aufzuführen. Ich wünsche recht wohl zu leben und bitte meines Antheils und Danks gewiß zu seyn.

Weimar den 26. December 1808.

Goethe.


20/5669.


An Heinrich Carl Abraham Eichstädt

Weimar den 27. December 1808.

Ew. Wohlgeboren

übersende die Recension des Attila, die ich vielleicht etwas zu lange behalten. Ich würde nicht rathen sie aufzunehmen, selbst wenn auch Werner nicht bey uns der Gastfreundschaft genösse. Es ist viel wahres in der Recension, vieles ausgesprochen wie ich es ungefähr[271] auch denke; aber sie ist nicht gerecht, voll bösen Willens, nicht urtheilend, aufbauend, sondern verdammend und vernichtend. Werners Talent müßte man erst vollkommene Gerechtigkeit widerfahren lassen und sodann den unerlaubten Mißbrauch rügen, den er davon macht; ein Verfahren, das man noch gegen ein halb Dutzend jüngerer Schriftsteller ergreifen sollte. Aber will's thun? Auch halte ich die gegenwärtigen Recension deswegen verwerflich, weil, auch abstrahiert vom Inhalt, die äußere Form nicht redlich ist. Mit dieser Art von Persifflage will ich Hamlet und Othello, die Jungfrau von Orleans und Tell ebensogut als die Geißel Gottes vor den Augen der Welt, wie sie ist, lächerlich machen. Vielleicht nehm' ich Gelegenheit Ew. Wohlgeboren im neuen Jahre, zu dessen Antritt ich alles Gute wünsche, einmal meine Gedanken über das gegenwärtige ästhetische Wesen und Anwesen auf dem deutschen Parnaß mitzutheilen.

Der ich indessen recht wohl zu leben wünsche.

G.


20/5670.


An Christian Gottlob Voigt

Ew. Exzell.

will ich nicht läugnen daß die Abänderung im Rescript mich stutzig gemacht hat. Es ist recht schön andre zu schonen, aber ich habe bey dieser Gelegenheit alle Ursache an mich zu dencken. Erlauben Sie so[272] warte ich heute Abend um 5 Uhr auf. Ich habe so schon zu lange Ihres freundlichen persönlichen Einflusses entbehrt.

d. 27. Dez. 1808.

Goethe.


20/5671.


An Christian Gottlob Voigt

[27. December.]

Ew. Excellenz

entschuldigen mich wenn ich heute Abend nicht aufwarte. Morgen erscheine ich zu dem vorseyenden Wercke gerüstet.

G.


20/5672.


An Christian Gottlob Voigt

Mit E. E. gütiger Beystimmung könnten wir zum Neujahr unsern thätigen Jenaischen Untergebenen einige Freude machen.

1) daß N. die an 200 Rthlr. seines Vorgängers ihm noch fehlenden 50 Rthlr. zugelegt werde, sind E. E. schon zufrieden. Man könnte es von Michael angehen lassen, damit er gegenwärtig die erste Zahlung des vierten Theils erhielte.

2) M. hat bey Veränderung des Locals wirklich sehr große und man kann wohl sagen unübersehbare Mühe gehabt. Zur Disposition liegen noch zwey[273] Quartale von dem Jenaischen Frucht-Deputat, vier Scheffel Korn und vier Scheffel Gerste, ingleichen 1 1/2 Klaster weiches Floßholz unangerührt. Mit diesem möchte ich mit E. E, Genehmigung, ihm aus eigner Bewegung zu Hülfe kommen, wenn er auch nicht am Ende seines Briefs in die allgemeine Jenaische Jammer-Litaney mit einstimmte.

Auf geneigte Beystimmung setze eine kurze Verordnung an den Rentamtmann auf und erbitte mir Signatur und Unterschrift.

Weimar den 29. Dec. 1808.

Goethe.


20/5673.


An Carl Friedrich von Reinhard

Weimar den 30. December 1808.

Als ich Ihnen, verehrter Freund, von unserer Theater Crise schrieb, die mir einigermaßen zu schaffen machte, so dachte ich nicht, daß Ihnen aus diesem unserm Unheil etwas erfreuliches werden sollte. Gegenwärtiges sende ich nun durch einen Tenoristen, den wir ungern verlieren und der Ihnen, weil Sie denn doch wohl Ihr deutsches Theater besuchen werden, manches Vergnügen machen wird. Können Sie ihm irgend etwas freundliches erzeigen, so thun Sie es um seinet- und um unsertwillen. Ihn als Person werden Sie leicht beurtheilen: er ist gutherzig und gemüthlich, übrigens nicht roh, wenn auch nicht von der feinsten[274] Bildung. Von den Anlässen die ihn vor hier wegtrieben wird er zu reden wohl nicht ermangeln.

Ein vollständiges Wappen für Sie habe ich schon erfunden; ich muß es nur auszeichnen und färben lassen. Ich bin neugierig wie es Ihnen gefällt und ob es vor Ihren blasonirenden Instanzen gelten kann. Daß wir mit dem französischen Wappenschmuck nicht ganz unbekannt sind, zeigt die Beylage. Einige kleine Broschüren lege ich bey; sie unterhalten wohl einen Augenblick.

Leben Sie recht wohl und lassen mich manchmal hören, daß Sie bis auf fröhliches Wiedersehen meiner gedenken mögen. Ins neue Jahr hinein die besten Wünsche!

G.


20/5674.


An Silvie von Ziegesar

Wenn Sie, liebste Silvie, lange nichts von mir vernommen und auch heute nur wenig Zeilen sehen; so rechnen Sie es auf die Düsterheit der kurzen Tage, die mir durch mancherley hin und widersinnen und reden noch trüber geworden. Schon dachte ich von der theatralischen Welt abgeschieden zu seyn, durch den Ruf und Willen unsrer theuren Herzoginn aber kehre ich in ein Leben zurück das wenige Reitze mehr für mich hat. Wie gern flüchteten sich meine Gedancken manchmal zu Ihnen, und leider auch Sie weiß ich[275] in einer Lage die höchst peinlich ist und gegen die ich die meinige als glückliche preisen kann. Lassen Sie mir doch recht bald wieder von Sich und dem Befinden Ihrer theuren Mutter etwas erfahren.

Da ich die ganze Zeit her von Gästen, lieben und gleichgültigen, heimgesucht worden, so kam das herrliche Wildpret das Ihr Herr Bruder mir schickte der Küche sehr zustatten. Ersuchen Sie ihn auf's schönste von Zeit zu Zeit meiner zu gedencken. Was an den Jenaischen Schloßvoigt gelangt sendet mir dieser gleich herüber. Meine Schuld deshalb will ich danckbar abtragen.

Auch heute sey ich wieder Jenenser. Die Frommannischen und Steffens. Was ich dabey dencke und wünsche können Sie Sich wohl vorstellen. Möge mich das neue Jahr bald zu Ihnen führen! Sagen Sie mir indessen einige Worte. Viele Grüße den theuren Ihrigen.

W. Sylvester 1808.

G.[276]


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 20, S. 266-277.
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