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[77] 1. Früh 4 Uhr von Marksuhl ab. Sandstein in größern und kleinern Platten, den wir gestern schon gesehen. Verwitterung desselben. Feld, Höhen und schöne Gründe. Kieselbach schöne[77] Lage. Werra Thal bis Vach. Große Fruchtbarkeit. Alter und schlechte Beschaffenheit von Vach selbst. Hessische Wege, Fuldische Wege. Mittag in Buttlar. Abends 8 Uhr in Fulda. Lage von Hühnefeld. Wasser das nach der Fulda zufällt. Schöne Lage von Fulda, in dem Thale, in welchem die Fulde hinfließt.
2. Früh 5 1/2 von Fulda ab. Mittags 10 1/2 in Schlüchtern. In Fulda ein wohlausgedachter Brunnen mit einem Wasserbehälter des Ablaufs. Hinter Neuhof wirds auf der Höhe rauher, diese scheidet zwey bedeutende Regionen; wie die Fulda mit ihren Wassern nach Norden geht, so fällt nun die Kinzing nach S.W. dem Main zu. Gegen Schlüchtern fällt das Terrain, und der Boden wird fruchtbarer. Egalität des Kinzingthales in Absicht auf den schönen Wiesengrund, Fruchtbau u.s.w. Bey Gellnhausen Weinberge, Nußbäume. Dieses Jahr giebt es sehr wenig Wein. Schöner Grund. Das Kinzingthal der älteste Weg vom Main nach Thüringen. Alter der kleinern Städte, die auf diesem Wege liegen. Gelegentlich ihre Geschichte aufzusuchen.
3. Früh 1 1/4 mit Extrapost von Gellnhausen. In Hanau Pferde gewechselt, morgens 8 Uhr in Frankfurth. Abends um 8 Uhr kamen die Meinigen nach. Früh Herr von Schwarzkopf. Nachmittag[78] bey Sömmering, über Auge. dessen schöne Arbeiten über dieses Organ.
4. Früh um die Thore gefahren, dann durch die Stadt, die neue Straße am Fahrthor gesehen, über die Brücke, Sachsenhausen, zurück, der Römer, die neue Kirche, durch die Querstraße nach der Zeile zu. Mittags mit meiner Mutter und den Meinigen in dem Schwanen gegessen. Nachmittags bey Sömmering, seine Arbeiten über das Ohr.
5. Früh um die Thore gefahren, in den Weinberg, in die Stadt zurück, auf den Pfarrthurm gestiegen, in den Wendelischen Laden. Mittags wieder im Schwanen gegessen. Nach Tische einige Briefe. Abends in die Comödie. Der Deserteur.
6. Verschiedne Anordnungen. Kamen die meinigen die Parade zu sehen. Mittags im Schwanen. Abends Schauspiel die Tempelherren.
7. Französche Kirche, deutsch reformirte besehen. Dann das Rathhaus das Schweizerische Haus. Kam Wilms. Mittag im Schwanen. Fuhren die meinigen um 3 Uhr fort. Abends bey Stocks im Garten.
Doppelte Farbe der Treppenstufen, dem Hinabgehenden angenehm, weil er nicht fehltreten kann
[79] Schöne Art die Fenster einzutheilen und zu öffnen.
8. Früh verschiedne Briefe. Mittag zu Haus. Nach Tische Neuhaus von Weimar und Schmidt von Friedberg. Verschiedne Aufsätze. Abends die Müllerinn.
9. Früh verschiedne Briefe und Aufsätze. Mittag zu Hause. Abends zu Schwarzkopfs auf das Bethmannische Gut, dahin kamen noch Frau von Vrintz, Hr. v. Floret in ChurCöllnischen Diensten, und einige andere, worunter ...... ein junger Engländer, der von unsern Macdonalds, die er in Leipzig kennen gelernt, viel Gutes sprach.
Topographische, politische Beschreibung der Reichs- Wahl- und Handelsstadt Frankfurth a. M. von D. Faber 2 Bände 1788. Versuch einer Einleitung in die Staatsverfassung der Reichsstadt Frankfurth. Erster Theil von Anton Moritz. Frankfurth 1785.
10. Früh die Briefe geschlossen. Mittag zu Hause bis gegen Abend, dann in das Schauspiel. Die 4 Vormünder.
11. Früh Fabers Beschreib. von Frankfurth, Visiten bey den Verwandten. Graf Beust. Mittag zu Hause, kam Sömmering, gegen Abend nach Oberrad zu Senat. Kellner, dann nach Offenbach zu la Roche, wo ich zwey Ratschers aus Graubünden antraf und Dem. Kühn aus Eisenach als Frau des einen.[80]
Sah ich bey Nothnagel die Radirungen von Boisieu, des Lyoners Imgl. eine gute kleine Copie der Aurora und Cephalus des Carrache.
12. Früh bey Sömmering, verschiedene Präparate durchs Mikroscop gesehen, dann zu Herrn Schmidt. Mittag zu Hause, nach Tische Herr Demmer und Graf Beust. Abends das Mädchen von Marienburg.
13. Früh mit Sömmering in der Allee, über die Abhandlung vom Barte, die er vorhat. Über die Sinne, ihre Übereinstimmung und Verschiedenheit. Bey Moritz Bethmann. Bey Senator Hetzler über manches der hiesigen Staats Verhältnisse, über die Contribution, über das Verhältniß der Syndicorum und ihren Einfluß. Mittags zu Hause. Nach Tische Melber, seine Geschichte vor dem Inquisitionsgerichte in Parma. Abends Palmira, sehr schöne Vorstellung, besonders in Absicht auf Decoration. Syndicus Schmidt in der Loge, verschiedenes über die hiesigen Staats Verhältnisse.
14. Früh mit Sömmering in der Allee, über sein Verhältniß, da man ihm das anatomische Theater genommen und seine Vorsätze deßhalb. Syndicus Hut. Mit Sömmering noch ferner über gewisse alte und neue politische Verhältnisse. Hernach bey Frau Schmirmer und Jaquet. Bey Riesen und Doctor Hufnagel. Mittags zu Hause. Moritz[81] Bethmann, Willms, manches über das hiesige Theater und seine gegenwärtige Einrichtung. Küstners Reise. Senior Hufnagel. Über sein hiesiges Verhältniß, über Spaldings neuste Schriften; über die hiesigen Schulen, über Wilhelm Meister und dessen Wirkung. Zu Moritz Bethmann in den Garten. Zwey junge Reck, aus Venedig. Über die Begebenheiten daselbst. Hr. Previllier erzählte viel und gut von dem Aufenthalte der Franzosen und ihrem Betragen in Frankfurth, ihrem Character, den leidlichen und unleidlichen Seiten, von mancherley unverschämten Concussionen, bey Tische ward viel über die französischen Staatspapiere gesprochen und lustige Geschichten von Speculationen erzählt.
15. Expedition verschiedener Briefe nach Weimar. Nach Tische Dr. Textor und seine Frau. Abends kurzer Spatziergang durch die Gärtnerey, vor dem Eschenheimer Thor. Früh gleichfalls, Major Schuler und Frau; verschiedne Geschichten und Vorfälle vom Bombardement.
16. Früh abermals Briefe nach Weimar vorbereitet. Nach Tische Brief an Schiller über Sentimentalität gewisser Beobachtungen. Abends das Städelsche Cabinet besehen.
17. Briefe völlig berichtigt, sodann durch die Stadt gegangen, um nach verschiedenem zu sehen. Hr. Schmidt. Nachmittags mit demselben zu[82] Fuentes, vorher Lieut. Buchholz von den Mainzern, wie auch Hr. Bernus. Abends Comödie. Richard Löwenherz.
18. Früh Aufsätze über die öffentlichen und Privatgebäude der Stadt, wie auch über das natürliche in Kunstwerken. Mittag zu Hause, Hr. v. Fleischbein d. ältere. Gegen Abend zu Hrn. Städel, den übrigen Theil seiner Gemählde zu sehen.
19. Schluß des Dialogs über das Natürliche in Kunstwerken. Abends bey Hrn. Städel. Nachts war das große Gewitter, das vom Abend bis an den Morgen dauerte. NB. Das Phänomen des dunkeln Streifens zwischen den zwey Regenbogen näher zu beschreiben und zu untersuchen.
20. Früh nach Bockenheim, die Basaltgruben zu besehen. Hr. Riese und Nikolaus Schmidt besuchten mich. Nach Tische machte ich Visiten bey Horn, Malz, von Wiesenhüten und Abends bey Stocks im Garten. Früh verschiedenes durchdacht, besonders die Wirkungen verschiedner Culturen, nützlich und schädlich auf Menschen.
21. Früh verschiedenes zu den Acten. Nach Tische Hufnagel und von Wiesenhüten. Abends Spatziergang auf die Höhen vor dem Eschenheimer Thor.
22. Früh verschiedne Briefe und Aufsätze, gegen Mittag Hölderlein, nach Tische zu Fleischbein und dem Decorationsmahler.[83]
Mittwoch den 23. Aug.
Briefe und ein Kästchen nach Weimar expedirt, ingleichen die Briefe und Ankündigungen nach Schwaben und der Schweiz. Willms, Abschied zu nehmen. Beschäftigung mit den franz. satirischen Kupferstichen. Ging der Koffer nach Stuttgard ab.
Donnerstag d. 24. Aug.
Vollendung der gestrigen Expeditionen. Leg. R. Mattei.
d. 25. Früh nach 7 Uhr von Frankfurth ab. Auf dem Sachsenhäuser Berge vieler und wohlgehaltner Weinbau, nebliches bedecktes, angenehmes Wetter. Die Chaussee mit Kalkstein ausgebessert. Hinter der Warte Wald. Der Kletterer der mit dem Strick und zwey Eisen an den Schuhen auf die starken und hohen Buchen stieg. Welsches Dorf. Todtesliegendes an der Chaussee aus den Hügeln bey Langen. Sprenglingen. Basalt im Pflaster und auf der Chaussee bis Langen, muß sehr häufig in dieser flach erhobnen Gegend brechen wie drüben bei Frankfurth; sandiges, fettes, flaches Land, viel Feldbau, aber mager. Ich sah seit Neapel zum erstenmal wieder die Kinder auf der Straße die Pferdeexcremente in Körbchen sammeln. Um 10 Uhr in Langen. Der Boden wird etwas besser; aus Darmstadt um 12 1/2, nachdem wir in einer Viertelstunde expedirt worden waren. Auf der Chausse finden sich nun Steine des Grundgebirgs:[84] Syenite, Porphyre, Thonschiefer und andere Steinarten in dieser Epoche. Darmstadt hat eine artige Lage vor dem Gebirg und ist wahrscheinlich durch die Fortsetzung des Wegs aus der Bergstraße nach Frankfurth und früheren Zeiten entstanden. Eberstadt. Fechenbach, halbe Stationen. In dieser Gegend liegen sandige Hügel, gleichsam alte Dünen gegen den Rhein; vor und hinterwärts gegen das Gebirg ist eine kleine Vertiefung, wo sehr schöner Feldbau getrieben wird. Bis Zwingenberg bleibt der Melibokus sichtbar, und das schöne wohlgebaute Thal dauert. Die Weinberge sangen an sich über die Hügel bis an das Gebirge auszubreiten. Bentzheim. Heppenheim. Man ist mit der Erndte in dieser Gegend wohl zufrieden. Zwey schöne Ochsen, die ich beym Postmeister sahe, hatte er im Frühjahr vor 23 Karolin gekauft. Jetzt würden sie vor 18 zu haben seyn. Die Kühe sind im Preise nicht gefallen. Um 5 1/2 erst von Heppenheim wegen Pferdemangel. Hemsbach. Die Birnbäume hingen unglaublich voll. Beym Purpurlicht des Abends waren die Schatten besonders auf dem grünen Grase wundersam smaragdgrün. Man passirt zum erstenmal wieder ein Wasser von einiger Bedeutung, die Wüschütz, die bey Gewittern sehr stark anschwillt. Weinheims schöne Lage und Schlösser. In Heidelberg Abends 9 1/2 eingekehrt in den 3 Königen, der goldne Hecht, der vorgezogen wird, war besetzt.
[85] Den 26. Aug. Man lobt hier die Erndte, sie soll besonders im Spelz beynah doppelt ausgefallen seyn.
Heidelberg d. 26. August 1797.
Ich sah Heidelberg an einem völlig klaren Morgen, der durch eine angenehme Luft zugleich kühl und erquicklich war. Die Stadt in ihrer Lage und mit ihrer ganzen Umgebung hat, man darf sagen, etwas Ideales, das man sich erst recht deutlich machen kann, wenn man mit der Landschaftmahlerey bekannt ist und wenn man weiß, was denkende Künstler aus der Natur genommen und in die Natur hineingelegt haben. Ich ging in Erinnerung früherer Zeiten über die schöne Brücke und am rechten Ufer des Neckars hin auf. Etwas weiter oben, wenn man zurücksieht, sieht man die Stadt und die ganze Lage in ihrem schönsten Verhältnisse; sie ist in der Länge auf einen schmalen Raum zwischen den Bergen und dem Flusse gebauet, das obere Thor schließt sich unmittelbar an die Felsen an, an deren Fuß nur die Landstraße nach Neckargemünd die nöthige Breite hat. Über dem Thore steht das alte verfallne Schloß in seinen großen und ernsten Halbruinen. Den Weg hinauf bezeichnet durch Bäume und Büsche blickend eine Straße kleiner Häuser, die einen sehr angenehmen Anblick gewährt, indem man die Verbindung des alten Schlosses und der Stadt bewohnt und belebt sieht. Darunter zeigt sich die Masse einer wohlgebauten Kirche und so weiter[86] die Stadt mit ihren Häusern und Thürmen, über die sich ein völlig bewachsner Berg, höher als der Schloßberg, indem er in großen Parthien den rothen Felsen, aus dem er besteht, sehen läßt hinabwärts fort. Wirft man den Blick auf den Fluß hinaufwärts, so sieht man eine große Fläche davon zu Gunsten einer Mühle, die gleich unter dem untern Thore liegt, zu einer schönen Fläche gestemmt, indessen der übrige Strom über abgerundete Granitbänke in dieser Jahrszeit seicht dahin und nach der Brücke zu fließt, welche im ächten guten Sinne gebaut, dem Ganzen eine edle Würde verleiht, besonders in den Augen desjenigen, der sich noch der alten hölzernen Brücke erinnert. Die Statue des Churfürsten, die hier mit doppeltem Rechte steht, so wie die Statue der Minerva von der andern Seite wünscht man um einen Bogen weiter nach der Mitte zu, wo sie am Anfang der horizontalen Brücke um so viel höher sich viel besser und freyer in der Luft zeigen würden. Allein bey näherer Betrachtung der Construction möchte sich finden, daß die starken Pfeiler, auf welchen die Statuen stehen, hier zur Festigkeit der Brücke nöthig sind, da denn die Schönheit wie billig der Notwendigkeit weichen mußte. Der Granit, der an dem Wege heraussteht, machte mir mit seinen Feldspatkristallen einen angenehmen Eindruck. Wenn man diese Steinarten an so ganz entfernten Orten gekannt hat und wieder findet, so machen sie einen[87] angenehmen Eindruck des stillen und großen Verhältnisses der Grundlagen unserer bewohnten Welt gegen einander. Daß der Granit noch so ganz kurz an einer großen Pläne hervorspringt und spätere Gebirgsarten im Rücken hat, ist ein Fall, der mehr vorkommt, besonders ist der vom Roßtrab merkwürdig; zwischen dem Brocken und zwischen diesen ungeheuern Granitfelsen, die so weit vorliegen, finden sich verschiedene Arten Porphyre, Kieselschiefer u.s.w. Doch ich kehre vom rauhen Harz in diese heitere Gegend gern und geschwind zurück und sehe durch diese Granitfelsen eine schöne Straße geebnet, ich sehe hohe Mauern aufgeführt, um das Erdreich der untersten Weinberge zusammen zu halten, die sich auf dieser rechten Seite des Flusses den Berg hinauf gegen die Sonne gekehrt verbreiten. Ich ging in die Stadt zurück, eine Freundin zu besuchen und sodann zum Oberthore hinaus. Hier hat die Lage und Gegend keinen mahlerischen aber einen sehr natürlich schönen Anblick. Gegenüber sieht man nun die hohen gutgebauten Weinberge, an deren Mauer man erst hingehen in ihrer ganzen Ausdehnung. Die kleinen Häuser darinn machen mit ihren Lauben sehr artige Parthien, und es sind einige, die als die schönsten mahlerischen Studien gelten könnten. Die Sonne machte Licht und Schatten so wie die Farben deutlich, wenige Wolken stiegen auf.
Die Brücke zeigt sich von hier aus in einer Schönheit,[88] wie vielleicht keine Brücke der Welt. Durch die Bogen sieht man den Neckar nach den flachen Rheingegenden fließen und über ihr die lichtblauen Gebirge jenseit des Rheins in der Ferne. An der rechten Seite schließt ein bewachsner Fels mit röthlichen Seiten, der sich mit der Region der Weinberge verbindet, die Aussicht.
Gegend Abend ging ich mit Dem. Delf nach der Pläne zu, erst an den Weinbergen hin, dann auf die große Chaussee herunter bis dahin, wo man Rohrbach sehen kann. Hier wird die Lage von Heidelberg doppelt interessant, da man die wohlgebauten Weinberge im Rücken, die herrliche fruchtbare Pläne bis gegen den Rhein und dann die überrheinischen blauen Gebirge in ihrer ganzen Reihe vor sich sieht. Abends besuchten wir Frau von Cathcart und ihre Tochter, zwey sehr gebildete und würdige Personen, die im Elsas und Zweybrücken großen Verlust erlitten; sie empfahl mir ihren Sohn, der gegenwärtig in Jena studirt.
Heidelberg d. 26. August 1797.
An der table d'hote waren gute Bemerkungen zu machen; eine Gesellschaft österreichischer Officiere, theils von der Armee, theils von der Verpflegung, gewöhnliche Gäste, unterhielten sich heiter und in ihren verschiednen Verhältnissen des Alters und der Grade ganz artig.
Sie lasen in einem Brief, worin einem neuen[89] Eskadron-Chef von einem humoristischen Cameraden und Untergebenen zu seiner neuen Stelle Glück gewünscht wird; unter andern sehr leidlichen Bonmots war mir das eindrücklichste: Officiers und Gemeine gratuliren sich, endlich aus den Klauen der Demoisell Rosine erlöst zu seyn. Andere brachten gelegentlich Eigenheiten und Unerträglichkeiten der Proprietairs zur Sprache aus eigner Erfahrung. Einer fand grüne Chabracken mit rothen Borten bey seiner Eskadron und fand diese Farben ganz abscheulich und befahl in Gefolg dieses Geschmacksurtheils sogleich, daß man rothe Chabracken mit grünen Borten anschaffen solle. Eben so befahl er auch, daß die Officiers Hals- und Hosenschnallen völlig überein tragen sollten, und daß der Oberst alle Monate genau darnach zu sehen habe.
Überhaupt fand ich, daß sie sämmtlich sehr geschickt und mitunter mit Geist und Verwegenheit, mit mehr oder weniger Geschmack, die richtige und comische Seite der Sachen auffanden; doch zuletzt war das Sonderbare, daß ein einziges vernünftiges Wort die ganze Gesellschaft aus der Fassung brachte. Einer erzählte nämlich von dem Einschlagen eines Gewitters und sagte bezüglich auf den alten Aberglauben, daß so ein Haus eben immer abbrenne. Einer von den Freunden, der, wie ich wohl nachher merkte, ein wenig in Naturwissenschaften gepfuscht haben mochte, versetzte sogleich: ja, wenn es nicht gelöscht wird;[90] woran er zwar ganz recht hatte, allein zugleich zu vielem Hin- und Widerreden Anlaß gab, bey dem der ganze Discours in Confusion gerieth, unangenehm wurde und zuletzt sich in ein allgemein Stillschweigen verlohr.
Unter andern skizzirten sie auch einen Charakter, der wohl irgends wo zu brauchen wäre.
Ein Schweigender, allenfalls trocken humoristischer Mensch, der aber, wenn er erzählt und schwört, gewiß eine Lüge sagt, sie aber ohne Zweifel selbst glaubt.
Geschichten vom General W. und seinem Sohne, der im Elsas zuerst zu plündern und zu vexiren anfing, überhaupt von der seltsamen Constitution der Armee, ein Wunsch des Gemeinen nach Krieg, des Officiers nach Frieden.
Sinzheim den 27. Aug. 1797.
Aus Heidelberg um 6 Uhr an einem kühlen und heitern Morgen. Der Weg geht am linken Ufer hinaus zwischen Granitfelsen und Nußbäumen. Drüben liegt ein Stift und Spital sehr anmuthig. Rechts am Wege stehen kleine Häuser mit ihren Besitzungen, die sich den Berg hinauf erstrecken. Über dem Wasser am Ende der Weinbergshöhe, die sich von Heidelberg heraufzieht, liegt Ziegenhausen. Es legen sich neue Gebirge und Thäler an; man fährt durch Schlierbach. Über dem Wasser sieht man Sandsteinfelsen in horizontalen Lagen, diesseits am linken Ufer Frucht- und[91] Weinbau. Man fährt an Sandsteinfelsen vorbey; es zeigt sich über dem Wasser eine schöne, sanft ablaufende wohlgebaute Erdspitze, um die der Neckar herum kommt. Der Blick auf Neckar Gemünd ist sehr schön, die Gegend erweitert sich und ist fruchtbar. Neckar Gemünd ist eine artige reinliche Stadt. Das obere Thor ist neu und gut gebauet, ein scheinbarer Fallgatter schließt den obern Halbzirkel. Man hat hier den Neckar verlassen, man findet Maulbeerbäume, dann, neben einer geraden Chaussee durch ein sanftes nicht breites Thal, an beyden Seiten Feld- Obst- und Gartenbau; die gleichen Höhen sind an beyden Seiten mit Wald bedeckt; man sieht kein Wasser. Der Wald verliert sich, die Höhen werden mannigfaltiger; man sieht nur Fruchtbau, die Gegend sieht einer thüringischen ähnlich. Wiesenbach, sauberes Dorf, alles mit Ziegeln gedeckt. Die Männer tragen blaue Röcke und mit gewirkten Blumen gezierte weiße Westen. Hier fließt wenig Wasser. Der Hafer war eben geschnitten und das Feld fast leer. Der Boden ist lehmig, der Weg geht bergauf, man sieht wenig Bäume, die Wege sind leidlich reparirt. Mauer, liegt freundlich; eine artige Pappelallee führt vom Dorfe zu einem Lusthause. Die Weiber haben eine catholische nicht unangenehme Bildung. Die Männer sind höflich, keine Spur von Roheit; man bemerkt eher eine sittliche Stille. Runkelrüben und Hanf standen allein noch auf den Feldern. Hinter dem Ort findet man[92] eine Allee von Kirschbäumen an der Chaussee, die durch feuchte Wiesen erhöht durchgeht; sie wird mit Kalkstein gebessert. Meggersheim liegt artig an einem Kalksteinhügel, der mit Wein bebaut ist; es hat Wiesen und Feldbau vor sich. Zuzenhausen, auf Lehmhügeln; guter Fruchtbau an der rechten Seite, links Wiesen und anmuthige waldige Hügel. Hoffenheim; von da geht eine schöne alte Pappelallee bis Sinzheim, wo wir ein Viertel nach 10 ankamen.
Sinzheim. In den drey Königen eingekehrt; hat das Ansehen eines nach der Landsart heitern Landstädtchens, das gut angelegte Pflaster nach dem Krieg nicht reparirt. Ich bemerkte eine Anstalt, die ich in dem sehr reinlichen Neckar Gemünd auch schon, doch in einem sehr viel geringern Grade gesehen hatte: daß Mist und Gassenkoth mehr oder weniger an die Häuser angedrückt war. Der Hauptweg in der Mitte, die Gossen an beyden Seiten und die Pflasterwege vor den Häusern bleiben dadurch ziemlich rein. Der Bürger, der gelegentlich seinen Mist und Koth auf die Felder schaffen will, ist nicht durch eine allzu ängstliche Polizey gequält, und wenn er den Unrath sich häufen läßt, so muß er ihn unter seinen Fenstern dulden; das Publikum aber ist auf der Straße wenig oder nicht incommodirt.
Sinzheim hat schöne Wiesen und Felder, viel Kleebau, und alles ist Stallfüttrung. Sie haben[93] auch von der Viehseuche viel gelitten, in der Nachbarschaft grassirt sie noch. Die Gemeine hat das Recht, zusammen tausend Schafe zu halten, es ist verpachtet mit einer Anzahl Wiesen, diese zu überwintern; sie werden auf Stoppeln und Brache getrieben. Wenn das Grummet von den Wiesen ist, kommt erst das Rindvieh drauf; die Schafe nicht eher als bis es gefrohren hat, und betreiben sie bis Georgen Tag. Es ist eine Administration hier, welche die ehemaligen Kirchgü ter verwaltet, an denen Catholiken und Lutheraner in gewissen Proportionen Theil nehmen. Eine Klafter Holz, 6 Fuß breit, 6 Fuß hoch und die Scheite 4 Fuß lang, kostet bis ans Haus 18 fl., das Pfund Butter kostet gegenwärtig 30 Kreutzer, in Heidelberg 48 Kreutzer.
Um 2 Uhr.
Von Sinzheim ab. Draußen links liegt ein ansehnliches Kloster; eine alte schöne Pappelallee begleitet die Straße. Vorwärts und weiter rechts sieht man an einem schönen Wiesengrund Rohrbach und Steinfurth liegen, durch welche man nachher durchkommt. Die Pappeln dauern fort; wo sie auf der Höhe aufhören, fangen Kirschbäume an, die aber traurig stehen. Der Feldbau ist auf den Höhen und den sanften Gründen wie bisher, der Weg steigt sanft aufwärts. Die Kirschbäume zeigen sich schöner gewachsen. Flötzkalk in schmalen horizontalen, sehr zerklüfteten Schichten. Über der Höhe gehen die[94] Pappeln wieder an. Kirchhart. Der Weg geht wieder auf und absteigend. Der horizontale Kalk dauert fort. Gerade Chausseen und schöner Fruchtbau bis Führfelden. Geringer Landort. Weiter dauern die Fruchtbäume fort. Auf dieser ganzen Fahrt sieht man wenig oder gar kein Wasser. Man erblickt nun die Berge des Neckarthals. Kirchhausen liegt zwischen anmuthigen Garten und Baumanlagen; dahinter ist eine schöne Aussicht nach den Gebirgen des Neckars; man kommt durch ein artiges Wäldchen und durch eine Pappelallee bis Frankenbach. Die Kieshügel an der Chaussee erleichtern sehr die Erhaltung derselben. Schöne Pappelallee bis Heilbronn, die hie und da wahrscheinlich vom Fuhrwerk im Kriege gelitten hat und deren baldige Rekrutirung nach dem Frieden jeder Reisende zum Vergnügen seiner Nachfolger wünschen muß. Überhaupt sind von Heidelberg hierher die Chausseen meist mit mehr oder weniger Sorgfalt gebessert.
Heilbronn den 27. Aug. 97.
Abends um 6 Uhr angekommen. In der Sonne abgestiegen. Ein schöner Gasthof und bequem, wenn er fertig seyn wird. Man ist stark im Bauen begriffen.
D. 28. August.
Wenn man sich einen günstigen Begriff von Heilbronn machen will, so muß man um die Stadt gehen. Die Mauern und Gräben sind ein wichtiges Denkmal der vorigen Zeit. Die Gräben sind sehr tief und[95] fast bis herauf gemauert, die Mauern hoch und aus Quaderstücken gut gefugt und in den neuern Zeiten genau verstrichen. Die Steine waren als Rustika gehauen, doch jetzt sind die Vorsprünge meistens verwittert. Das geringe Bedürfniß der alten Defension kann man hier recht sehen. Hier ist blos auf Tiefe und Höhe gerechnet, die freylich kein Mensch leicht übersteigen wird; aber die Mauer geht in geraden Linien und die Thürme springen nicht einmal vor, so daß kein Theil der Mauer von der Seite vertheidigt ist. Man sieht recht, daß man das Sturmlaufen bey Anlage dieses großen Werks für unmöglich gehalten hat, denn jede Schießscharte vertheidigt eigentlich gerade aus nur sich selbst. Die Thürme sind viereckt und hoch, unten an der Mauer her geht ein gleichfalls gemauerter bedeckter Weg. Die Thürme an den Thoren springen vor, und es sind daselbst die nöthigen Außenwerke angebracht; nirgends ist ein Versuch einer Befestigung nach neuer Art sichtbar. Unterhalb des bedeckten Wegs und an dessen Stelle sind an einigen Orten Baumschulen und andere Pflanzungen angelegt.
Eine schöne Allee führt um den größten Theil des Grabens. Sie besteht aus Linden und Kastanien, die als Gewölbe gehauen und gezogen sind; die Gärten stoßen gleich daran in größern und kleinern Besitzungen.
Die Stadt ist ihrer glücklichen Lage, ihrer schönen und fruchtbaren Gegend nach auf Garten-, Fruchtund[96] Weinbau gegründet, und man sieht wie sie zu einer gewissen Zeit der Unruhe sich entschließen mußte, alle sämmtlichen Bewohner, sowohl die Gewerbetreibenden als Ackerbauenden, in ihre Mauern einzuschließen. Da sie ziemlich aus der Pläne liegt, sind ihre Straßen nicht ängstlich, aber meist alt mit Überhängen, Giebeln, auf die Straße gehenden großen hölzernen Rinnen, die das Wasser über die Seitenwege, welche an den Häusern her meistens erhöht gepflastert sind, hinweg führen. Die Hauptstraßen sind meistens rein; aber die kleinern, besonders nach den Mauern zu, scheinen hauptsächlich von Gärtnern und Ackerleuten bewohnt zu seyn. Die Straße dient jedem kleinen Hausbesitzer zum Misthof; Ställe und Scheunen, alles ist dort, jedoch nur klein und von jedem einzeln Besitzer zusammen gedrungen. Ein einziges großes steinernes Gebäude bemerkt ich zu Aufbewahrung der Frucht, das einen reichen Besitzer ankündigte. Man bemerkt nicht wie an andern Orten verschiedene Epochen der Bauart, besonders keine Ämulation, die solche Epochen mit sich führen. Ein einziges Gebäude zeichnet sich aus, das durch die Bildsäule des Äskulaps und durch die Basreliefs von zwey Einhörnern sich als Apotheke ankündigt. Noch einige neue steinerne aber ganz schlichte Häuser finden sich auch; das übrige ist alles auf alten Schlag, nur wird sich das Gasthaus zur Sonne durch einen Sprung, wenn es fertig ist, auszeichnen. Es ist ganz von Stein und[97] in gutem, wenn schon nicht im besten Geschmack, ohngefähr wie das Sarrasinische auf dem Kornmarkt zu Frankfurth. Das Untergeschoß hat recht wohnbare Mezzaninen, darüber folgen noch zwey Geschosse. Die innere Einrichtung, so weit sie fertig ist, ist geschmackvoll, mit französischem Papier sehr artig ausgeziert.
Was öffentliche Gemeinde Anstalten betrifft, so scheint man in einer sehr frühen Zeit mit Mäßigkeit darauf bedacht gewesen zu seyn. Die alten Kirchen sind nicht groß, von außen einfach und ohne Zierrath, der Markt mäßig, das Rathhaus nicht groß, aber schicklich. Die Fleischbänke, ein uraltes, ringsum frey auf Säulen stehendes, mit einer hölzernen Decke bedecktes Gebäude, sie sind wenigstens viel löblicher als die Frankfurther, scheinen aber für die gegenwärtige Zeit zu klein oder aus sonst einer Ursache verlassen. Ich fand wenig Fleischer darinn; hingegen haben die Metzger an ihren in der Stadt zerstreuten Häusern ihre Waare aufgelegt und ausgehängt; ein böser und unreinlicher Mißbrauch. Das weiße Brot ist hier sehr schön. Manns- und Frauenpersonen gehen ordentlich, aber nicht sehr modisch gekleidet. Keine Beschreibung noch Plan von Heilbronn konnte ich erhalten.
Was ich aus dem Erzählten und andern Symptomen durch das bloße Anschauen schließen kann, ist, daß die Stadt durch den Grund und Boden, den sie besitzt, mehr als durch etwas anders wohlhabend ist;[98] daß die Glücksgüter ziemlich gleich ausgetheilt sind; daß jeder still in seinem einzelnen vor sich hinlebt, ohne gerade viel auf seine Umgebungen und aufs Äußere verwenden zu wollen; daß die Stadt übrigens eine gute Gewerbsnahrung, aber keinen ansehnlichen Handel hat; daß sie auf gemeine bürgerliche Gleichheit fundirt ist; daß weder Geistlichkeit noch Edelleute in frühern Zeiten großen Fuß in der Stadt hatten; daß das öffentliche Wesen in frühern Zeiten reich und mächtig war, und daß es bis jetzt noch an einer guten mäßigen Verwaltung nicht fehlen mag. Daß der neuerbaute Gasthof auf einmal über alle Stufen der Architectur wegsprang, mag ein Zeugniß seyn, wie viel diese Bürgerklasse in diesen Zeiten gewonnen hat.
Die Menschen sind durchaus höflich und zeigen in ihrem Betragen eine gute natürliche stille bürgerliche Denkart. Es werden keine Juden hier gelitten.
Der Neckar ist oberhalb und unterhalb der Stadt zum Behufe verschiedener Mühlen durch Wehre gedämmt; die Schifffahrt von unten herauf geht also nur bis hierher, wo ausgeladen werden muß; man lädt oberhalb wieder ein und kann bis Kannstadt fahren. Diese Schiffe tragen bey hohem Wasser ohngefähr 800 Centner, auch wird hier viel ausgeladen und weiter ins Land hinein zur Axe transportirt.
Vor dem Thor steht ein großes Gebäude, das ehemals ein Waisenhaus war; die Waisen sind aber[99] gegenwärtig nach den bekannten Beyspielen auf Dörfer vertheilt.
Das Wirthshausgebäude ist von einem Zweybrücker Baumeister, der sich in Paris aufgehalten, gebaut, und von ihm sowohl das Ganze als das Einzelne angegeben. Daß die Handwerker ihn nicht völlig fecundirten, sieht man am Einzelnen.
An den Fensterscheiben fand ich eine Sonderbarkeit. Es sind länglich viereckte Tafeln, die in der Quere stehen und unten eingebogen sind, so daß man von dem Fenster und dem Rahmen etwas abnehmen mußte. Der Hausherr sagte mir nur, daß der Glaser sich nach den Tafeln habe richten müssen; er glaubt, daß sie sich, wenn sie noch biegsam sind, so werfen. Ich kann auch nichts zweckmäßiges darinn finden. Übrigens ist es Lohrer Glas.
An der Wirthstafel speiste außer der Hausfamilie noch der Oberamtmann von Mekmühl und seine Frauenzimmer.
Die Mägde sind meist schöne stark und fein gebildete Mädchen und geben einen Begriff von der Bildung des Landvolks; sie gehen aber meistentheils schmutzig, weil sie mit zu dem Feldbau der Familien gebraucht werden.
Den 28ten.
Abends um 6 Uhr fuhr ich mit dem Bruder des Wirthes auf den Wartberg. Es ist, weil Heilbronn in der Tiefe liegt, eigentlich die Warte und anstatt[100] eines Hauptthurms für dasselbe. Die eigentliche Einrichtung oben aber ist eine Glocke, wodurch den Ackerleuten und besonders Weingärtnern ihre Feyerstunde angekündigt wird. Er liegt ohngefähr eine halbe Stunde von der Stadt auf einer mit buschigem Holz oben bewachsenen Höhe, an deren Fuß Weinberge sich hinunterziehen. Vorwärts des Thurms ist ein artiges Gebäude mit einem großen Saale und einigen Nebenzimmern, wo die Woche einige mal getanzt wird. Wir fanden eben die Sonne als eine blutrothe Scheibe in einem wahren Sirokoduft rechts von Wimpfen untergehen. Der Neckar schlängelt sich sanft durch die Gegend, die von beyden Seiten des Flusses sanft aufsteigt. Heilbronn liegt am Flusse und das Erdreich erhöht sich nach und nach bis gegen die Hügel in Norden und Nord-Osten. Alles was man übersieht ist fruchtbar; das nächste sind Weinberge, und die Stadt selbst liegt in einer großen grünen Masse von Gärten. Es giebt den Anblick von einem ruhigen breiten hinreichenden Genuß. Es sollen 12000 Morgen Weinberge um die Stadt liegen; die Gärten sind sehr theuer, so daß Wohl 1500 Gulden für einen Morgen gegeben werden.
Ich hatte sehr schönes Vieh gesehen und fragte darnach. Man sagte mir, daß vor dem Krieg 3000 Stück Rindvieh in der Stadt gewesen, die man aber aus Sorge vor der Viehseuche nach und nach abgeschafft und erst wieder beyschaffen werde; eine[101] Kuh könne immer 12 bis 18 Karolin kosten und werth seyn. Viele halten sie auf Stallfütterung; geringe Leute haben Gelegenheit sie auf die Weide zu schicken, wozu die Gemeinde schöne Wiesen besitzt.
Ich fragte nach dem Bauwesen. Der Stadtrath hat es vor dem Krieg sehr zu befördern gesucht; besonders wird der Burgemeister gerühmt, der schöne Kenntnisse besessen und sich dieses Theils sehr angenommen. Vor dem Kriege hat man von Seiten der Stadt demjenigen, der nach Vorschrift von Stein baute, die Steine umsonst angefahren und ihm leicht verzinslichen Vorschuß gegeben. Was diese Vorsorge gefruchtet und warum sich die Baulust nicht mehr als es von Anfang den Fremden scheint, ausgebreitet, verdient einer nähern Untersuchung.
Die Obrigkeit besteht aus lauter Protestanten und Studirten. Sie scheint sehr gut zu haushalten, denn sie hat die bisherigen Kriegslasten ohne Aufborgung oder neue Auflagen bestritten. Einer Contribution der Franzosen ist sie glücklich entgangen. Sie war auf 140000 Gulden angesetzt, die auch schon parat lagen. Jetzt werden alle Vorspanne, welche die Österreicher verlangen, aus dem Ärario bezahlt und die Bürger verdienen dabey. Das beste Zeichen einer guten Wirthschaft ist, daß die Stadt fortfährt Grundstücke zu kaufen, besonders von fremden Besitzern in der Nachbarschaft. Hätten die Reichsstädte in früherer Zeit diesen großen Grundsatz von den Klöstern gelernt,[102] so hätten sie sich noch sehr erweitern und zum Theil manchen Verdruß ersparen können, wenn sie fremde Besitzer mitunter in ihr Territorium einkaufen ließen.
Die Stadt hat eine Schneidemühle mit dem Rechte, allein Bauholz und Breter zu verkaufen. Diese Befugnisse sind auf 30 Jahre verpachtet. Der Einwohner kann zwar von einem vorbeyfahrenden Flößer auch kaufen, muß aber den Monopolisten einen Batzen vom Gulden abgeben, so wie der Flößer ihm auch eine Abgabe zahlen muß. Da nun der Pachter, indem er Holz im Großen kauft und selbst stößt, das Holz so wohlfeil als der Flößer geben kann, so kann er sich einen guten Vortheil machen. Dagegen wird er, wenn er es zu hoch treiben wollte, wieder durch die Concurrenz des Flößers balancirt. Unter diesen Umständen scheint also nicht, wie ich anfangs glaubte, diese Art von bedingtem Alleinhandel dem Bauen hinderlich zu seyn.
Was die Abgaben betrifft, so sollen die Grundstücke sehr gering, das baare Vermögen hingegen und die Capitalien hoch belegt seyn. Es giebt hier große und wohlgebildete Mädchen. Die Mägde sehen größtentheils schmutzig aus, weil sie mit zur Feld- und Stallarbeit gebraucht werden.
Oben bey Erzählung von der Warte habe ich einer artigen alten Einrichtung zu erwähnen vergessen. Oben auf dem Thurm steht ein hohler, mit Kupferblech[103] beschlagner, großer Knopf, der zwölf bis sechzehn Personen zur Noth fassen könnte. Diesen konnte man ehemals mannshoch in die Höhe winden und eben so wieder unmittelbar auf das Dach herablassen. So lang der Knopf in der Höhe stand, mußten die Arbeiter ihr Tagewerk verrichten; sobald er niedergelassen ward, war Mittags Ruhe oder Feyerabend. Seiner Größe nach konnte man ihn überall erkennen, und dieses dauernde sichtbare Zeichen ist sichrer als das Zeichen der Glocke, das doch verhört werden kann. Schade daß dieses Denkmal alter Sinnlichkeit außer Gebrauch gekommen ist.
In dem Hinfahren sah ich auch Weinsberg liegen, nach dem man wohl, wie Bürger thut, fragen muß, da es sehr zwischen Hügel hineingedrückt ist, am Fuße des Berges, auf dem das, durch Frauentreue berühmte, jetzt zerstörte Schloß gelegen ist, dessen Ruinen ich denn auch, wie billig ist, begrüßt habe. Auch hier ist man mit der Erndte sehr zufrieden, sie kam, wie überall, sehr lebhaft hinter einander, so daß die Sommerfrüchte mit den Winterfrüchten zugleich reif wurden. Der Feldbau ist auch hier in 3 Jahresabtheilungen eingetheilt, obgleich kein Feld Brache liegt, sondern ihr drittes ist das Haferfeld; so wirds im Ganzen gebaut, ob gleich jeder noch außerdem, in so fern er es mit der Düngung zwingen kann, seinen Boden in der Zwischenzeit benutzt wie z.B. mit Sommerrüben.[104]
Ludwigsburg, den 29. Aug. 97.
Von Heilbronn gegen 5 Uhr, vor Sonnen Aufgang fort. Man kommt erst durch schöne Gärtnerey, verläßt dann die Allee und kommt auf die alte Ludwigsburger Straße. Nebel bezeichneten den Gang des Neckars. Bockingen lag rechts im Nebel des Neckarthals, links Feldbau auf der Fläche. Man kommt durch Sontheim, das deutschherrisch ist. Bis Ludwigsburg ist Ebene und eine immer abwechselnde Fruchtbarkeit, bald Wein bald Feldbau. Man fährt quer durch den obern Theil eines artigen Wiesenthals, in und an dem weiter unten Schloß und Dorf Thalen liegt. Man findet den horizontalen Kalkstein wieder.
Laufen. Eine artige Lage theils auf der Höhe theils am Wasser. Hier sind die Weinberge wieder häufig, man kommt über das Wasser, der Boden ist sehr gut, sie hatten nach der Erndte noch türkisch Korn gesäet, das grün abgehauen und verfüttert wird.
Man fährt durch eine schöne Allee von Obstbäumen. Man sieht den Neckar wieder, kommt durch Kirchheim, genannt am Neckar. Die Chaussee ist durchaus gut, der Feldbau fährt fort. Links im Rücken den Neckar. Der Fluß geht zwischen engern Hügeln durch, läßt aber hie und da schöne flache Rücken, an den ausspringenden Winkeln, zum Frucht- und Weinbau. Bey Wahlen Weinberge. Bey Besigheim fließen die Entz und der Neckar zusammen. Horizontale Kalkfelsen,[105] mit Mauerwerk artig zu Terrassen verbunden, und mit Wein bepflanzt. Ein runder hoher Thurm auch mit Rustica gebauet. Übelgebautes, schmutziges Landstädchen, Brücke über die Entz. Halb 7 Uhr daselbst rafrächirt. Bidigheim abermals Weinbau, Brücke über die Entz, man machte durchaus Grummet. Horizontale, mächtige Kalklager, schöne Allee von Fruchtbäumen, ferne und nahe Wäldchen durch Alleen verbunden. Man sieht den Asperg und bald Ludwigsburg.
Ludwigsburg.
Das bekannte geräumige Schloß sehr wohnbar, aber sowohl das alte als das neue in verhältnißmäßig bösem Geschmack ausgeziert und meublirt. Im neuen gefielen mir die äqualen Parketts von eichnem Holze, die sich sehr gut gehalten hatten. Wahrscheinlich waren sie nicht gerissen, weil die Etage an den Garten stößt und nur wenig über ihn erhoben ist; gegen den Hof aber ist sie um den ganzen Unterstock erhoben, diese Zimmer können also nicht so ganz vollkommen trocken seyn. Auf einer Galerie waren alte schlichte Gemählde von Venezianischen Lustbarkeiten, darunter war auch die berühmte Brückenschlacht von Pisa. Diese Bilder, besonders das eine, ob es gleich gar kein Kunstverdienst hat, ist auch sehr merkwürdig, weil man sieht, wie der unsinnigste Streich gleich einen.. andern Schiffe steht, zum Spaß der ganzen Welt gereicht, die alle Balkone füllt und mit[106] Zujauchzen, Schnupftuchwinken und sonstigem Antheil lebhaft ergötzt ist. Das Bild ist nicht übel, zwar nach Art der Dutzendbilder fabrikmäßig, aber doch charakteristisch gemahlt.
Das große Operntheater ist ein merkwürdiges Gebäude aus Holz und leichten Bretern zusammengeschlagen, Zeuge von dem Geiste des Erbauers, der viel und hohe Gäste würdig und bequem unterhalten wollte. Das Theater ist 18 Schritte breit, auch ungeheuer hoch, indem das Haus 4 Logen enthält. In seiner möglichen Länge hält es 76 Schritt. Das Proscenium ist sehr groß so wie auch das Orchester, so daß beyde zusammen sich gleichfalls in der Mitte des Saals befinden, das Parterre dagegen ist sehr klein, man konnte überall sehr gut sehen und höchst wahrscheinlich auch sehr gut hören. Gegenwärtig ist es seit der Anwesenheit des Großfürsten zu einem Tanzsaale eingerichtet. Der Tag war sehr heiß und ich verweilte bis gegen Abend.
Von Ludwigsburg um 5 Uhr abgefahren. Herrliche Allee, vom Schloßweg, an der langen Straße des Orts hin. Jede Seite der Allee vor dem Ort ist mit einer doppelten Reihe Bäume besetzt; links sieht man die Neckargebürge. Man kommt nach Kornwestheim; von da sind Fruchtbäume an die Chaussee gesetzt, sie liegt anfangs vertieft, und die Aussicht hat wenig Abwechslung. Man sieht die Solitüde in der Ferne.[107] Herrlicher Fruchtbau, man kommt über manche Hügel, man sieht einen Kalksteinbruch, zum Behuf der Chaussee, ganz nah dabey. Man fährt hinab nach Zuffenhausen, rechts liegt Feuerbach in einem schönen Wiesengrunde. Ein Bauer der eine Querpfeife auf dem Jahrmarkt gekauft hatte, spielte darauf im nach Hause gehen; fast das einzige Zeichen von Fröhlichkeit, das uns auf dem Wege begegnet war. Nach Sonnenuntergang sah man Stuttgard; seine Lage, in einem Kreise von sanften Gebirgen, machte in dieser Tageszeit einen ernsten Eindruck.
Stuttgard, d. 30. Aug. 1797.
Ich machte meine erste gewöhnliche Tour früh um 6 Uhr allein, und recognoscirte die Stadt mit ihren Umgebungen. Eine Seite hat eine Befestigung nach der Heilbronner Art, nur nicht so stattlich; die Gräben sind auch in Weinberge und Gartenpflanzungen verwandelt. Bald nachher findet man die schönsten Alleen von mehrern Baumreihen und ganze beschattete Plätze. Zwischen diesen und einer Art von Vorstadt liegt eine schöne Wiese. Durch die Vorstadt kommt man bald auf den Platz vor das Schloß vielmehr vor die Schlösser. Der Platz ist seit der Anwesenheit des Großfürsten schön planirt, und die theils auf Rasen, in großen regelmäßigen Parthien, theils als Alleen gepflanzten Kastanienbäume sind sehr gut gediehen. Das Schloß selbst ist von dem Geschmack der Hälfte dieses Jahrhunderts, das Ganze aber anständig frey[108] und breit. Das alte Schloß wäre jetzt kaum zu einer Theaterdecoration gut. Die alte Stadt gleicht Frankfurth in ihren alten Theilen, sie liegt in der Tiefe nach dem kleinen Wasser zu. Die neue Stadt ist in entschiedenen Richtungen meist geradlinigt und rechtwinklicht gebaut, nach einer allgemeinen Anlage ohne Ängstlichkeit in der Ausführung. Man sieht Häuser mit mehr oder weniger Überhängen, ganz perpendikulär, von verschiedner Art und Größe; man sieht, daß die Anlage nach einem allgemeinen Gesetz und doch nach einer gewissen bürgerlichen Willkühr gemacht wird.
Nachdem ich mich umgekleidet, besuchte ich nach 10 Uhr Herrn Handelsmann Rapp, und fand an ihm einen wohlunterrichteten verständigen Kunstfreund. Er zeigte mir eine schöne Landschaft von Both, er selbst zeichnet als Liebhaber landschaftliche Gegenstände recht glücklich.
Wir besuchten Professor Dannecker in seinem Studio im Schlosse. Eine kleine Figur auf einem Trauermonument von weißem Marmor ist sehr gut gestellt und zum Theil schon recht gut ausgeführt. Das Modell einer Büste des regierenden Herzogs, deren Ausführung in Marmor soll sehr gut gewesen seyn.
(Das weitere siehe im folgenden Brief.)
Den 31. Nachmittag war ich beym Mechanikus Tiedemann, einem schätzbaren Arbeiter, der sich selbst gebildet hat. Mehrere Gesellen arbeiten unter ihm, und er ist eigentlich nur beschäftigt seine Ferngläser[109] zusammenzusetzen. Eine Bemühung, die wegen der Zusammensetzung der Objectiv Gläser viel Zeit erfordert, indem diese, wie man weiß, wenn gleich das Verhältniß, wornach das Flint und Crownglas geschliffen werden muß, zwar wohl im Ganzen angeben, doch aber die Gläser, die eigentlich zusammen gehören, jedesmal durch die Erfahrung zusammensuchen muß. Ein Perspectiv, dessen erstes Rohr ohngefähr 18 Zoll lang ist und durch das man auf 600 Fuß eine Schrift, die ohngefähr einen Zoll hoch ist, sehr deutlich lesen, ja auf einer weißen Tafel kleine Puncte recht deutlich unterscheiden kann, verkauft er für 7 1/2 Carolin.
Wir besuchten Herrn Obrist Ltnant Wing, der recht gute Gemählde besitzt. Eins von Franz Floris, mehrere Frauen mit Säuglingen beschäftigt, ein, besonders in einzelnen Theilen, sehr gutes Bild. Von Hetsch Achill von dem man die Briseis wegführt. Es würde vorzüglicher seyn, wenn die Figur des Achills nicht in der Ecke zu sehr allein säße. Überhaupt haben die Hetschischen Bilder, so viel ich ihrer gesehen, bey ihren übrigen Verdiensten und bey glücklichen Apperçus, immer etwas, daß man sie noch einmal durchgearbeitet wünscht. Eine Landschaft mit Räubern, die für Rubens gegeben wird, die ich ihm aber, ob sie gleich in ihrer natürlichen Behandlungsart fürtrefflich ist, nicht zuschreiben würde. Einige andere mehr oder weniger kleine ausgeführte Bilder von Rubens.
[110] Gleichfalls besuchten wir Herrn Professor Harper, der ein gebohrner Landschaftsmahler ist. Die Begebenheiten und Bewegungen der Natur, indem sie Gegenden zusammensetzt, sind ihm sehr gegenwärtig, so daß er mit vielem Geschmack landschaftliche Gemählde hervorbringt. Freylich sind es alles nur imaginirte Bilder und seine Farbe ist hart und roh, allein er mahlt aus Grundsätzen auf diese Weise, indem er behauptet daß sie mit der Zeit Ton und Harmonie erhalten, wie denn auch einige 30 bis 40 jährige Bilder von ihm zu beweisen scheinen. Er ist ein gar guter, allgemein beliebter, wohlerhaltner Mann in den sechzigen und wird von hier bald nach Berlin abgehen.
Wir sahen die Aloe, die in einem herrschaftlichen Garten seit 3 Monaten der Blüthe sich nähert. Der Stengel ist jetzt 23 Fuß hoch, die Knospen sind noch geschlossen und brauchen allenfalls noch 14 Tage zur völligen Entwicklung. Sie ist auch zufällig, indem man sie in ein engeres Gefäß gesetzt, zu dieser Blüthe genöthigt worden.
Hierauf ein wenig spatzieren und dann in das Schauspiel. Ich habe nicht leicht ein Ganzes gesehen, das sich so sehr dem Marionettentheater nähert als dieses. Eine Steifheit, eine Kälte, eine Geschmacklosigkeit, ein Ungeschick die Meubles auf dem Theater zu stellen, ein Mangel an richtiger Sprache und Declamation in jeder Art Ausdruck irgend eines Gefühls oder höhern Gedankens, daß man sich eben[111] 20 Jahre und länger zurückversetzt fühlt. Und was am merkwürdigsten ist, kein einziger, der auch nur sich irgend zu seinem Vortheil auszeichnete; sie passen alle auf das beste zusammen. Ein paar junge wohlgewachsene Leute sind dabey, die weder übel sprechen noch agiren, und doch wüßte ich nicht zu sagen ob von einem irgend für die Zukunft was zu hoffen wäre. Es ward Don Karlos von Schiller gegeben. Der Entrepreneur Mihole wird abgehen und ein neuer antreten, der aber die Obliegenheit hat, sowohl Schauspieler und Tänzer, die sich von dem alten Theater des Herzogs Karl herschreiben und auf Zeitlebens pensionirt sind, beyzubehalten. Da er nun zugleich seinen Vortheil sucht und sich durch Abschaffung untauglicher Subjecte nicht Luft machen kann, so ist nicht zu denken, daß dieses Theater leicht verbessert werden könnte. Doch wird es besucht, getadelt, gelobt und ertragen.
Italiänisches Sprichwort: Geld ist das zweyte Blut des Menschen.
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