Vierter Auftritt.

[442] Caliban. Prospero. Miranda.


CALIBAN erblickt Miranden, und eilt auf sie zu. Noch nicht ausgeschlafen, sprödes Liebchen?

MIRANDA fährt erschrocken auf und schreyt Caliban! Flieht in die Zelle.

CALIBAN. Sachte, sachte, scheue Gemse! Nimm wenigstens ein Küßchen mit auf den Weg! Will ihr nach.

PROSPERO vertritt ihm den Weg. Verwegner, wo du dich unterstehst! –

CALIBAN drohend. Ho! ho! nicht so laut, Herr! oder ich rede auch aus dem Tone. – Die neun Jahre sind um. Die Weissagung trift ein.[442] Eure Herrschaft hat ein Ende. – mit der Insel.

PROSPERO. Elender Gnome! du trotzest auf die ohnmächtige Drohung deiner Mutter?

CALIBAN. Ohnmächtig? Und doch erblaßt ihr vor Furcht, so oft ich euch daran erinnere! Mein Mütterchen hält Wort; sie ist mir diese Nacht im Traume erschienen: Söhnchen Caliban, sprach sie, morgen komm ich unter Blitz und Donner wieder! Morgen setz' ich dich in dein Erbtheil ein, und führe Mirandchen in deine Arme.

PROSPERO. Sohn einer Furie, du lügst, wie sie.

CALIBAN. Ich lüge nicht, und mein Mütterchen ist keine Furie. Aber ihr seyd ein Räuber. – Hört nur! wir wollen uns vergleichen. Gebt mir eure Tochter im Guten, so will ich euch aus Grosmuth die Insel noch ein Weilchen lassen. Wo nicht, so macht euch gefaßt,[443] hundert Klaftern tief bey Schlangen und Eidexen zu wohnen.

PROSPERO. Schweig, Undankbarer! wird es mir nie gelingen, dir sanftere Gesinnungen einzuflößen? Wie viel Mühe hab' ich nicht verschwendet, dich der thierischen Roheit zu entreißen, in der ich dich fand! du krochst auf allen Vieren, ich lehrte dich den Gang des Menschen. Du belltest wie ein Hund, ich verlieh dir die Sprache.

CALIBAN. O! dafür bin ich euch allerdings verbunden; denn ohne Sprache, könnt' ich euch nicht fluchen.

PROSPERO. Von nun an zieh ich meine Hand von dir ab. Ich will meine Wohlthaten nicht länger mit Füßen treten sehen.

CALIBAN. Ha ha ha! über die Wohlthaten! Mir meine Insel zu nehmen! mich zum Sclaven[444] zu machen! Mein armes Mütterchen ins Meer zu stürzen!

PROSPERO ergreift ihn. Hab' ich Hand an deine Mutter gelegt? Hab' ich sie ins Meer gestürtzt? –

CALIBAN schnell und bittend. Nein, nein! – Sie sprang von selbst hinein. – Laßt mich nur loß! Windet sich loß, und fährt hämisch fort. Aber daß ihr Sie in den Bauch einer bezauberten Fichte bannen wolltet, das könnt ihr doch nicht leugnen, he?

PROSPERO. Ich wollte nichts, als ihr Gleiches mit Gleichem vergelten. In eben diesem Ker ker ward von ihr die fromme Maja zwanzig Jahre lang gepeinigt.

CALIBAN. Das sind alte Geschichten; die wollen wir heute nicht aufrühren. Ich habe lustigere Dinge im Kopfe. – Sagt indessen eurer Tochter, daß diese Nacht unsre Brautnacht ist.[445]

PROSPERO spöttisch. Geh, Ungeheuer, und spiegle dich erst in der Quelle!

CALIBAN. O, dafür ist gesorgt! Wißt ihr nicht, daß ich Prinz Wunderschön werde? daß ich eine Gestalt annehmen kann, was ich für eine will?

PROSPERO drohend. Wenn du dich meiner Tochter auf hundert Schritte näherst, so will ich –

CALIBAN. Was willst du? Prahler! – Hast du vergessen, daß du verdammt bist, die Nacht meines Triumphs zu verschlafen? – Schlafe! Träume! – ich will schon mit Prinzessinn Mirandchen fertig werden.

Arie.


Ein schlaues Blendwerk dieser Nacht

Soll sie an meine Seite ketten.

Vergebens strebet deine Macht,

Die Stolze von der Schmach zu retten![446]

Wie soll ihr schauderndes Entsetzen,

Wie soll mich ihre Wuth ergötzen,

Wenn sie getäuscht, verlacht –

In meinem Arm erwacht!


Prospero, der in tiefen Gedanken stand, geht ab in die Zelle; Caliban verfolgt ihn mit folgendem Gesange bis an den Eingang.


Als redende Zeugen,

Wie ganz sie mein eigen,

Beim festlichen Schweigen

Der Wundernacht ward –

Erscheinen,

Im kleinen,

Zwey süße Gestalten

Von Calibans Art.

Sie schrecken,

Sie necken,

Dich grämlichen Alten;

Sie spotten der Falten;

Sie rupfen,

Sie zupfen

Am Zottelbart.


Ab.
[447]


Quelle:
Johann Friedrich Reichardt: Die Geisterinsel, in: Friedrich Wilhelm Gotter: Literarischer Nachlass, Gotha 1802, S. 419–564, S. 442-448.
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