Zweiter Aufzug

[1003] Offener Gartensaal, gegen den Hintergrund zu mit einem halbmannshohen Marmorgeländer geschlossen. Es wird angenommen, daß hinter demselben der Garten terrassenförmig abwärts geht. Im Vorgrunde zu beiden Seiten Türen, daneben Bildsäulen. Der Haupteingang ist zwischen den Säulen, links an der Balustrade


ZAWISCH tritt lachend auf.

Ich bin verliebt! O weh, mein Herz ist fort!

Ihr Leute kommt zu Hilfe! Ha, ha, ha!

Wie sie mich ansah mit dem schwarzen Blick,

Die stolze Ungarin! Hilft alles nichts!

Und schön ist sie, beim wunderbaren Gott!

Ein adlig, wildes, reuterscheues Füllen,

Den Zaum anschnaubend, der es bändgen soll.

Auch sonst geht alles, wie es Gott gefällt!

Die Österreicher reißen tüchtig aus,

Seit Margarethe fort, die Königin.

Der eine rechts, der andre links; doch alle

Nach Frankfurt auf die Kaiserwahl. Nu, nu!

Sie legen dort wohl die Gesuche nieder,

Daß man doch ja Herrn Ottokar erwähle!

MILOTA von innen.

Nur hier herein indes!

ZAWISCH.

Wen bringt man da?


Gewaffnete bringen Seyfried von Merenberg gefangen. Milota, ganz gerüstet, folgt, einen versiegelten Brief in der Hand.


MILOTA.

Der König ist noch beim Turnier?

ZAWISCH.

Ja wohl!

Sieh da, Herr Merenberg? und so begleitet!

MILOTA.

Sein Vater, der Verräter, sandt ihn fort,

Mit diesem Schreiben an den Erzbischof

Von Mainz. Er hatt ihm Eile wohl geboten –

SEYFRIED.

Ob ers gebot!

MILOTA.

Allein der junge Herr,

Da ihn sein Weg am Schloß vorüberführte,

Wo Bruder Benesch haust mit seiner Tochter,

Wollt er noch einmal sehn sein altes Lieb;

Doch fing man ihn und sendet ihn hierher.[1003]

ZAWISCH.

So? Bei schön Mühmchen? Ei, bei Fräulein Bertha?

SEYFRIED.

Im heißen Fieber liege sie und rase,

Ward mir gesagt. Ich wollte sie nur sehn,

Nur wissen, ob sie lebt, und so gab ich

Des Vaters Haupt und mich in ihre Hand.

Tor, der ich war, verruchter, blinder Tor!

MILOTA.

Hier ist der Brief, die Aufschrift an den Mainzer.

SEYFRIED.

Herr Zawisch, seht, ich hab euch nie geliebt!

Für doppelsinnig hielt ich euch und falsch,

Doch sagt mein Vater, Menschen kennt ich nicht;

O zeigt mir, Herr, daß ich euch nicht gekannt!

Gebt mir den Brief, laßt ihn uns hier vernichten.

Mit mir könnt ihr beginnen, was ihr wollt!

Ich hab euch sonst wohl auch schon Liebs getan:

Als ihr mit euren Sippen da und Freunden,

Wißt ihr? im Vorgemach der Königin

Gar sonderbare Reden einst geführt;

Ich ging nicht hin und sagts dem König an,

Wie ich gekonnt, vielleicht wohl gar gesollt!

Denn damals ehrt und liebt ich noch den König,

Als meiner angebornen Fürstin Gatten

Und meinen wahren, rechtgesinnten Herrn.

ZAWISCH.

Hörst du, Freund Milota?

MILOTA.

Wer achtet sein!

ZAWISCH.

Der Brief ist richtig!


Er liest.


An den Erzbischof

Von Mainz. Du bist verloren, guter Freund,

Wenn dieser Brief dem König kommt zu Hand!

SEYFRIED.

Herr, rettet mich!

ZAWISCH.

Schon gut! schon gut!

Die Leute sind vertraut?


Auf die Wache zeigend.


MILOTA.

O ja! Warum?

ZAWISCH den Brief in der Hand wägend.

Der Brief kann viel enthalten – oder wenig.

Ein Tröpflein Gift vielleicht –


Die Hand mit dem Briefe schnell auf den Rücken gelegt.
[1004]

Ein Meer von Argwohn!


Zur Wache gekehrt.


Geht ihr nach Haus und grüßet Vetter Benesch.

MILOTA.

Was tust du?

ZAWISCH.

Geht ihr nur!


Gewaffnete ab.


Und du, mein Freund,

Was gibst du mir, wenn ich dich diesmal rette?

SEYFRIED.

Mein Leben –

ZAWISCH.

Ei, behalt das nur für dich!

Kannst du auch springen?

MILOTA.

Zawisch!

ZAWISCH.

Nun, so komm!

Hier hast du deinen Brief; so, und nun spring!


Er hat ihn ans Geländer geführt, Seyfried springt hinab.


MILOTA.

Wahnsinniger!

ZAWISCH.

Hei, was der Junge läuft!

MILOTA.

Ihm nach!

ZAWISCH.

Zurück! Hast du dich mir vertraut?

Nun, hast du es getan, so traue mir!

Ich weiß am besten, was sich fügt, was nicht;

Zu seiner Zeit wird sichs dir offenbaren.

Und dann – das junge Blut, mein gutes Herz!

Ha, ha! – Sprich nicht und geh! Es kommen Dinge,

Bei denen ich nach Zeugen nicht verlange.

Du gabst dein Wort, daß du mich läßt gewähren,

Drum geh!

MILOTA kehrt am Ausgange um.

Folgst du auch nicht mehr zum Turnier?

ZAWISCH.

Die Waffen hab ich schon von mir gelegt,

Der Preis ist mein! – Geh jetzt! Der Augenblick

Pocht wie ein Gläubiger und will was sein!


Milota ab.


Ich sehe sie den Gang herunterkommen,

Begleitet nur von einer Kämmerin;

Nun rasch ans Werk!


Zu einer Bildsäule der Liebesgöttin gewendet, die im Vorgrunde links steht.


Du keusche Liebesgöttin,[1005]

Getreue Gattin deines holden Gatten,

Dich fleh ich an: verleih mir deinen Schutz!


Er zieht ein Blatt hervor und steckt es, zur Bildsäule auf einer Stufe des Untersatzes emporsteigend, unter den halbgehobenen Fuß der Göttin.


Bewahre mir dies Blatt hier und bestell es!

Man kommt!- Ich muß noch etwas zögern! – Jetzt!


Er springt herab und eilt, wie betroffen, fort.

Die Königin tritt in demselben Augenblicke mit ihrem Kammerfräulein links im Hintergrunde auf.


KUNIGUNDE.

War das nicht Rosenberg? der Unverschämte!

Ruf ihn zurück!

FRÄULEIN in die Szene rufend.

Herr Zawisch! Kommt hierher!

Die Königin befiehlt es! Hier! Ihr sollt!


Zawisch kommt zurück, verschämt das Barett in der Hand drehend.


KÖNIGIN.

Ich weiß nicht, Herr, bin ich nicht voll bei Sinnen,

War ich im Fiebertraum, die Tage her;

Wie, oder seid ihr ganz so unverschämt,

So rasend – Nein! die Sprache hat kein Wort!

Verrückung möcht am ersten es bezeichnen –

So unverschämt-verrückt, als ihr euch zeigt?

Bei meiner Ankunft schriet ihr gellend auf –

Ihr warts! Ich stand drei Schritte fern und weiß es!

Seitdem verfolgt ihr rastlos mich mit Blicken,

Mit Blicken, die ich näher nicht bezeichne,

Doch regt sich mir der Ingrimm, denk ich dran.


Näher zu ihm tretend.


Nur erst, beim Tanz, als ich die Hand euch reichte,

Ja, Frecher, ja! Ihr drücktet mir die Hand!

Wer bin ich, Herr? und wer seid ihr?

ZAWISCH.

Verzeiht!

KUNIGUNDE.

Behandelt so hierlands man Königinnen?

Wär ich zu stolz nicht, meines Gatten Zorn

In meiner eignen Sache aufzurufen,

Wärs hier in Böhmen wie bei uns daheim,

Wo auch die Frau ein Recht hat, eine Stimme,

Und Macht, um zu vollführen, was sie denkt,

Wo eine Königin nicht bloß des Königs Gattin,[1006]

Wo sie Gebietrin ist; es sollt euch reun!

ZAWISCH.

Verzeiht!

KÖNIGIN.

Und nun: verzeiht! Erst frech und kühn.

Und nun so knechtisch, daß es an mich ekelt!

Was stecktet ihr an jene Säule hin?

ZAWISCH.

An jene Säule? Steckt was dort?

KÖNIGIN.

Ein Zettel.

ZAWISCH.

Ein Zettel, in der Tat!

KÖNIGIN zum Kammerfräulein.

Nimm ihn herab!


Es geschieht.


Was steht auf dem Papier?

ZAWISCH.

Ich weiß es nicht!

KÖNIGIN.

Ihr stecktets doch hinauf!

ZAWISCH.

Ich? Wahrlich nicht!

KÖNIGIN.

Nur erst, so wie ich kam.

ZAWISCH.

Ich war nicht hier;

Ich kam von jener Seite.

KÖNIGIN.

Nun beim Himmel!

Ich bin verrückt, der Kopf dreht sich im Wirbel!

Sind das hier Bäume? Ist das Luft und Erde?

Ich sah es ja, ich stand drei Schritte fern,

Als ihr den Zettel an die Säule stecktet!

ZAWISCH.

Wenn ihr es sagt, o hocherhabne Frau,

Dann muß es sein, und wär es nie gewesen!

KÖNIGIN.

Und was enthält der Zettel?

ZAWISCH.

Phantasien;

Die Ausgeburt von dichterischer Glut!

KÖNIGIN zum Kammerfräulein.

Zeig her!


Sie entwickelt den Zettel und liest die Aufschrift.


»Der Schönsten«

Ha, Verwegner,

Nimm hin das Zeugnis deiner frechen Torheit


Sie wirft ihm den Zettel vor die Füße.


Und wagst dus noch einmal, dich mir zu nahn,

So soll der König deinen Frevel strafen![1007]

ZAWISCH hebt den Zettel auf und kniet damit vor dem Kammerfräulein nieder.

Nun denn, so wißt, daß ich euch dienend folge,

Schon lang brennt das Geheimnis meine Brust.

In diesen Zeilen wagt ichs zu gestehen,

Verloren bin ich, Herrin, wenn ihr zürnt.


Er steht auf und geht.


KÖNIGIN.

Ha, lachen muß ich wahrlich des Verrückten!

KAMMERFRÄULEIN.

Seht, gnädge Frau, so komm ich, Hand kehr um,

Zu einem Ritter und zu Minnedienst.

KÖNIGIN.

Und glaubst du wirklich, dich hab er gemeint?

Nach mir blickt er, der Übermütge, Freche!

KAMMERFRÄULEIN.

Ei, gnädge Frau, was tuts? Der Wahn schon schmeichelt

Von solcher Werbung und von solchem Ritter.

KÖNIGIN.

Von solchem Ritter? Lachen machst du mich!

KAMMERFRÄULEIN.

Ja, gnädge Frau, im ganzen Böhmerland

Ist keiner, der dem Zawisch sich vergleicht

Von Rosenberg. Den edlen Gang, die Haltung,

Des Körpers mannigfache, edle Gaben,

Ihr saht sie, Königin, so gut als ich:

Doch auch an Heldenmut, an Tapferkeit

Steht er vor allen, die sich Ritter nennen.

In Padua hat er jahrelang studiert,

Auch macht er Reim' und singt sie zu der Zither.

KÖNIGIN.

So schlimmer denn!

KAMMERFRÄULEIN.

So schlimmer, gnädge Frau?

KÖNIGIN.

Bei uns daheim lohnt man die Zitherspieler

Mit Geld und mit Verachtung!

KAMMERFRÄULEIN.

So bei uns nicht!

Manch Edler eifert mit den Troubadours,

Und dieser Zawisch hat sich manches Herz

Ersungen bei den Klängen seiner Zither.


Den Zettel entfaltend.


Ihr sollt gleich sehn!

DIE KÖNIGIN hat sich gesetzt.

Er soll mirs wahrlich büßen![1008]

KAMMERFRÄULEIN liest.

»Der Schönsten« Nun, ich nehm es dankbar hin!

»O Hand von Schnee«

KÖNIGIN.

O Hand von Schnee, was heißt das?

KAMMERFRÄULEIN.

Weiß wie Schnee.

KÖNIGIN den Handschuh abziehend und ihre Hand betrachtend.

Ich denk, er hat die Hand noch nie gesehn,

Den Handschuh höchstens!

KAMMERFRÄULEIN lesend.

»O Hand von Schnee,

Und doch so heiß;«


Die Königin stampft mit dem Fuße.


KAMMERFRÄULEIN.

Beliebt euch, gnädge Frau?

KÖNIGIN.

Lies weiter nur!

Ich wollte sagen: tu, was dir gefällt!

KAMMERFRÄULEIN.

»O Hand von Schnee,

Und doch so heiß;

O Blick, so feurig,

Und dennoch Eis!«

KÖNIGIN.

Ich wollt, er wäre Glut und träfe dich!

Ich wollt ihn martern, bis ich voll gerächt.

KAMMERFRÄULEIN.

»Der Mund, so süße,

Spricht herber Art;

Die Brust, ob wogend,

Nicht minder hart.«

KÖNIGIN.

Schweig still!

KAMMERFRÄULEIN.

»O Blick, erwarme,

O Brust, erweich,

O Hand –«

KÖNIGIN.

Ich sage dir, du sollst verstummen!

KAMMERFRÄULEIN.

So laßt ihr mich nicht meines Sieges freun?

KÖNIGIN.

Ich glaube bald, die Törin nimmts auf sich!


Sie steht auf.


O, wär ich wieder fort aus diesem Land,

In Ungarn bei den Meinigen daheim![1009]

Da galt ich noch! Frei streift ich in die Ferne,

Dorthin, dahin, wohin der Wunsch mich rief.

Mein alter Vater war mir gern zu Dienst,

Zu Dienst die Fürsten, seine Sippen alle,

Und was nur Mann hieß in dem weiten Reich.

Und Leben war und Feuer, Glut und Mut!

Da riefen sie zum fernen Prag mich hin:

Ein König, sagten sie, regiere dort,

Vermählt in seiner Kraft der ältern Frau,

Dens dürste nach der feurigen Genossin,

Nach gleichem Mut in gleichgeschwellter Brust.

Ich komm und finde – einen Greis. Ja, Greis!

Denn spielt ihm nicht schon graulich Bart und Haar?

Sie sagen: von des Krieges Arbeit. Gleichviel!

Und ist er denn nicht mürrisch wie ein Greis?

Rechthaberisch, ungestüm? Beim reichen Gott,

Zum Schweigen und Gehorchen kam ich nicht!

Die andern aber schmeicheln, betteln, kriechen,

Sind trägen Bluts und weißen, kalten Herzens.

Nur dieser Rosenberg: bei uns in Ungarn

Trüg er sein Haupt keck unter Gottes Himmel,

Wie jener kühne Führer der Kumanen,

Dem er auch ähnlich sonst an Haupt und Brust,

Dem besten unter Ungarns starken Mannen!

Doch jener war ein freudig kühner Held,

Gerad in seinem Wollen, seinem Handeln;

Indes der Böhme feig und niedrig kriecht,

Und seinen Wert und all sein Selbst besudelt.


Trompeten von außen.


Was ist?

KAMMERFRÄULEIN.

Geendet ist wohl das Turnier,

Und man erteilt den Siegenden die Preise.

Euch, Königin, gebühret das Geschäft.

KÖNIGIN.

Man wird uns rufen. – Gib doch das Geschreibe,

Man merkt beim ersten Lesen kaum den Sinn.


Sie nimmt den Zettel.


KAMMERFRÄULEIN.

Ach, gnädge Frau, des Königs Hoheit naht,

Der ganze Zug; sie kommen vom Turnier.[1010]


Ottokar kommt mit Milota und Füllenstein. Hinter ihm Herren und Damen vom Turnier.


OTTOKAR zu denen, die ihm folgen.

Wenn er darauf besteht, so bringt ihn her!


Im Vortreten zu Kunigunden.


Es will der Sieger des Turnieres nur

Aus deiner Hand den Preis empfangen!

Nu, Kunthe, nu, wie gehts?


Er will sie am Kinne fassen, sie tritt zurück.


KUNIGUNDE.

Ganz gut.

OTTOKAR.

Potz Blitz!

Wohl übel gar gelaunt?

He, Milota!


Er tritt mit Milota auf die andere Seite des Vorgrundes.


Der junge Merenberg entsprang?

MILOTA.

Ja, Herr.

OTTOKAR.

Verwünscht! Doch woher weiß mans von dem Brief?

MILOTA.

Nach junger Leute Art hat er sich dessen

Gerühmt, man hat den Brief sogar gesehn.

OTTOKAR.

Die Aufschrift an den Erzbischof von Mainz?

MILOTA.

Derselbe, ja.

OTTOKAR.

Auch Wolkersdorf ist fort?

MILOTA.

Und Hartneid Wildon. Alle Österreicher,

Seitdem die Königin Margrethe fern,

Sind übeln Sinns und schleichen fort von Hof

OTTOKAR.

Hätt ich den Brief, so kennt ich die Verräter

Und meine Ferse setzt ich auf die Brut:

Nun aber wird ein jeder mir verdächtig,

Und alle muß ich hüten, alle, alle!

Pfui, Argwohn! Spürhund von des Teufels Meute!

Lockst du auch Könige zu deiner Jagd?


Man hat indes Zawisch von Rosenberg, als Sieger im Turnier, hereingebracht, er steht vor dem Könige.


OTTOKAR.

Was ist? – Ja, du bist Sieger im Turnier?

Ich habe stets als wacker dich gekannt;

Geh hin zur Königin und nimm den Preis!

He, Füllenstein!

FÜLLENSTEIN.

Mein gnädiger Gebieter!

OTTOKAR.

Du nimmst Gewappnete und alle Pforten[1011]

Besetzest du, die aus dem Schlosse führen.

Wenn nach dem Fest die Gäste heimwärts ziehn,

Verhaftest du, die ich bezeichnen werde,

Und hältst als Geisel sie in enger Haft.

Den dort, dem trau ich nicht.- Auch Lichtenstein,

Der glatte Ulrich –

FÜLLENSTEIN.

Herr, doch Heinrich auch?

OTTOKAR.

Was schreist du so! Komm hier und höre schweigend.


Er zieht sich mit Füllenstein etwas mehr gegen den Hintergrund und spricht leise. Sooft er dem, was jener erwidert, zuhört, wendet er die Augen nach der andern Seite, wo Zawisch und seine Gemahlin sprechen Zawisch hat sich vor die Königin hingestellt, die sitzt und in Gedanken vor sich hinstarrt.


KAMMERFRÄULEIN die Königin aufmerksam machend.

Erlauchte Frau!

KUNIGUNDE da sie Zawisch vor sich stehen sieht.

Verwegner, wie auch hier?


Sie springt auf.


KAMMERFRÄULEIN auf die reichgestickte Schärpe zeigend, die ein Page auf einem Samtkissen trägt.

Der Dank!


Die Königin nimmt die Schärpe, der Page legt das Kissen bei ihren Füßen nieder.


ZAWISCH zum Kammerfräulein.

Ei, Fräulein, gebt mir doch den Zettel,

Den ich vor kurzem nur euch überreicht.

Er kam nicht in die rechte Hand!

KAMMERFRÄULEIN.

Mein Herr! –

ZAWISCH.

Gebt ihn!


Er hält die Hand hin.


KAMMERFRÄULEIN.

Verzeiht!

ZAWISCH immer die Hand hinhaltend.

Er soll für jemand anders!

KAMMERFRÄULEIN.

Ich – hab ihn nicht mehr!

ZAWISCH.

Wie? ihr habt ihn nicht mehr?

Dann wahrlich ist er in der rechten Hand!


Er wirft sich vor der Königin auf das Kissen nieder. Feurig.


O Königin, habt tausend, tausend Dank –


Langsam.


Im voraus für den Preis, den ihr mir reichet.[1012]

OTTOKAR sein Gespräch unterbrechend.

Warum gebt ihr den Preis nicht, Kunigunde?

KÖNIGIN beleidigt.

Ich wollte früher schon, eh ihr befahlt!


Mit der Schärpe nahend.


Herr Ritter!

ZAWISCH.

Wie beglückt ihr mich, Gebieterin!

In Demut beugt sich euch mein dienstbar Haupt!


Leise.


»O Hand von Schnee

Und doch so heiß!«

KÖNIGIN leise.

Wenn ihr nicht schweigt!

ZAWISCH laut.

Mit diesem teuren Pfand

Statt Harnisch angetan, statt aller Waffen,

Will fahrend ich die weite Welt durchziehn

Und euren Ruhm und meines Königs Ruhm

Verkünden und verfechten überall,

Für ihn und euch mein Leben!


Da die Königin sich mit der Schärpe zu ihm neigt, leise und schnell.


Alte Männer

Sollten alte Weiber freien. Jugend

Gehört für Jugend!


Die Königin wirft die Schärpe auf den Boden.


OTTOKAR herbeirufend.

Nun, noch nicht zu Ende?

ZAWISCH leise.

Dies Haupt dem Henker, wenn ihr so es wollt!

OTTOKAR.

Was ist?

ZAWISCH.

Die Schärpe fiel.

KÖNIGIN zum Kammerfräulein.

Reich mir die Schärpe!

Die höchste Langmut findet doch ihr Ziel,

Verwegenheit mag es denn gleichfalls finden!

Hier nehmt die Schärpe und gehabt euch wohl!


Sie hängt ihm die Schärpe um. Wie sie sich über ihn beugt, faßt Zawisch die Schleife an ihrem Ärmel, die Schleife fällt, Zawisch bückt sich rasch und hebt sie auf.


KUNIGUNDE.

Ha, mein Gemahl!


Ottokar wendet sich nach ihr.
[1013]

ZAWISCH der aufgestanden ist und sich gegen die Mitte zurückzieht.

Die Königin, mein König!

OTTOKAR.

Was ist? Was willst du, Kunigunde?


Pause, während welcher die Königin Zawisch ansieht, der ruhig vor sich hinblickend dasteht. Sie blickt noch einmal hin, dann:


KUNIGUNDE.

Geht ihr noch heut nach Ribnik auf die Jagd?

OTTOKAR.

Wie kommt ihr auf die Frage? Heute, ja!

Auch bist du ganz verstört. Was war denn hier?

Das Dankerteilen macht dir so viel Müh,

Daß ich in Zukunft dirs ersparen werde!


Er wendet sich von ihr.


KUNIGUNDE zum Kammerfräulein, leise.

Die Schleife soll er geben; geh und sag ihms!


Ottokar ist in die Mitte des Saales getreten; die Versammelten bilden einen Halbzirkel, dessen linkes Ende die Königin, das rechte Zawisch bildet, der, dem Kammerfräulein ausweichend, bis in den Vorgrund kommt.


OTTOKAR.

Ihr Herrn, wer ist von euch, der einer Sorge,

Und einer drückenden, mich ledig macht?

Der alte Merenberg im Lande Steier,

An mir ist zum Verräter er geworden,

An mir und seinem Land, von dem ich Herr.

Mit Briefen an den Erzbischof von Mainz

Hat er den Sohn nach Frankfurt hingesandt;

Wahrscheinlich, unsre Wahl zu hintertreiben,

Der man dort pflegt, zum Kaiserthron der Deutschen,

Und Unruh anzustiften, Meuterei.

Der Sohn ist zwar entwischt, allein der Vater,

Er soll der Strafe nimmermehr entgehn,

Noch der Enthüllung seiner Spießgesellen.

Der Frevler hat sich auf sein Schloß gezogen,

Das wohl bewahrt ist gegen jeden Angriff;

Wer mir ihn bringt, wer mir ihn lebend bringt,

Was er ob Hochverrat verwirkt, die Lehen,

Sein ganzes Gut, sei des Ergreifers Lohn!

Ortolf von Windischgrätz, du scheinst bereit?

FÜLLENSTEIN.

So laßt den zweiten mich sein, gnädger Herr![1014]

OTTOKAR.

Von meinen Leuten geb ich euch die besten;

Den hier – und den –


Im Hintergrunde einzelne Wappner bezeichnend.


KAMMERFRÄULEIN die von hinten herumgegangen ist, zu Zawisch tretend.

Die gnädge Fürstin zürnt.

Ihr sollt die Schleife geben, läßt sie sagen.

ZAWISCH.

Die Schleife? Nun und nimmermehr, mein Kind!

Ich habe sie erobert, und mein Leben,

Den Kopf hier laß ich, doch die Schleife nicht!


Er zieht die Schleife hervor.


Sieh her, wie schön! Rot, wie ihr holder Mund,

Und weiß, wie ihres Nackens reines Silber.

Nein, die behalt ich, und auf meinem Sarge

Soll neben Schild und Helm sie prangend ruhn.

Setzt ich mein Blut nicht ein, um sie zu haben?

Du blutigrote Schleife, du bleibst mein!


Er hält sie vor sich hin in die Luft.


KÖNIGIN auf der andern Seite des Theaters.

Wahnsinnig ist er! Himmel, wenn der König –!

KAMMERFRÄULEIN zu Zawisch.

Die Königin macht Zeichen, steckt sie ein!

Der König naht.

OTTOKAR zurückkommend.

Was habt ihr, Rosenberg?

ZAWISCH hat die Schleife in den Busen gesteckt.

Nichts, gnädger Herr!

OTTOKAR.

Wie? Nichts?

ZAWISCH.

Herr, es gibt Dinge,

Die man mit Recht dem König selbst verbirgt!

OTTOKAR.

Ein Liebespfand?

ZAWISCH.

Ein Pfand, Herr, das man liebt.

OTTOKAR nach einer Pause der Beobachtung.

Wer hat die Königin heut angekleidet?

KAMMERFRÄULEIN.

Ich, gnädger Herr!

OTTOKAR.

Seid ihr so sorglos, Dirne,

Daß einen Arm ihr nur mit Schleifen ziert,

Indes der andre leer?

KAMMERFRÄULEIN.

Gewiß – verloren![1015]

ZAWISCH zum Suchen gebückt.

Man muß sie suchen.

OTTOKAR.

Laßt das nur, Herr Zawisch!

Wenn die Versammlung fort ist, macht sichs leichter;

Allein bis abends hoff ich sie zu sehn!

Dem aber, der sie fand, gebt diesen Ring


Er zieht ihn vom Finger und gibt ihn Rosenberg.


Im Namen meiner Gattin, seiner Frau:

Denn Königinnen schenken Diamanten,

Doch Busenschleifen nicht.- Euch, Königin,

Bitt ich, in Zukunft euren Anzug mehr

Und – meiner Würde mehr in acht zu nehmen!


Zu Zawisch.


Vergeßt es nicht und richtets aus dem Finder!

KUNIGUNDE.

In meinem Namen, Ritter, aber sagt ihm:

Er möge das behalten, was er fand;

Denn was ich schenke, Schleife, Diamant,

Indem ichs schenke, änderts die Natur,

Und ist nur noch der Königin Geschenk.

Auch mög er sehen, daß ich Herrin bin,

Zu schenken, was ich will; und wenn es mehr

Als Schleife wäre, mehr als Diamant!


Sie geht ab.


DER KÖNIG geht einigemal auf und nieder, dann bleibt er vor Rosenberg stehen.

Was war hier, Rosenberg?

ZAWISCH auf ein Knie niedergelassen.

Zürnt mir mein König?

OTTOKAR ihn betrachtend.

Du solltest töricht gnug sein, meinen Zorn,

Den Zorn des Ottokar auf dich zu rufen

Um einer Laune, eines leeren Nichts?

Wer bist du denn, daß du es wagen solltest?

Ich hauche – und wo war dann Rosenberg?

Ich aber kenne dich als klug! – Steh auf!

ZAWISCH.

Nicht wenn ihr zürnt!

OTTOKAR.

Ich sage dir: steh auf!


Zawisch steht auf.


OTTOKAR.

Ihr aber geht zu meiner Frau und sagt ihr:[1016]

Nicht stören möge sie der Gäste Frohsinn

Durch längeres Entbehren unsrer Wirtin!


Diener ab.


OTTOKAR.

Ihr, Ortolf, also richtet mir ins Werk,

Was ihr verspracht; den Lohn verbürg ich euch.

Ich will sie lehren, an das Reich sich wenden!


Auf die Brust schlagend.


Hier ist das Reich!

DIENER kommt zurück.

Die Königin ist unpaß.

OTTOKAR.

Ei, derlei Krankheit ist nicht schwer zu heilen!

Geh noch einmal und bitte sie zu kommen.


Diener geht.


Und nun, ihr Herrn, hinauf zum Rittersaal,

Und laßt den Tanz, laßt sich das Fest erneun.

Bis an den Morgen rege sich die Lust!


Zu Füllenstein.


Vergiß nicht, was ich dir gebot!

FÜLLENSTEIN.

Sorgt nicht!


Diener zurück.


OTTOKAR.

Nun, kommt die Königin?

DIENER.

Sie will nicht, Herr!

OTTOKAR.

Sie will nicht? will nicht, wenn ich es gebiete?

Sag ihr! – Doch laß! Sie wird sich selbst besinnen:

Mit Weiberlaunen hat man billig Nachsicht!

Nur fort, ihr Herrn!

DER ERSTE DER REICHSTAGGESANDTEN die sich unter der Menge befinden.

Mein gnädger Herr und König!

OTTOKAR.

Wie, mein Herr Abgesandter, ihr noch hier?

ABGESANDTER.

Noch immer harrend einer gnädgen Antwort

Für meine Kommittenten, für die Wahlherrn

Des Heilgen Römschen Reichs.

OTTOKAR.

Mein Herr Gesandter,

Die Antwort ist denn auch nicht gar so leicht!

Ich bin ein König über viele Länder,

Zu viel beinah für eines Menschen Kraft.

Nun soll ich mit der Sorge mich belasten

Für noch ein Land, und für ein Land, das selber

Mitsorgen will und sitzen mit im Rat.[1017]

Ich bin gewohnt, wenn ich mal sage: Ja;

So gilts den Kopf, wenn jemand spräche: Nein!

Und was könnt ihr denn eurem Fürsten bieten?

Die Zölle sind versetzt und die Gefälle;

Was nur des Kaisers war, es haben

Im langen Zwischenreich sich die und der

Mit räuberischen Händen drein geteilt.

Soll ich das Mark von meinem reichen Erbland

Nun setzen auf so trügerisches Spiel?

Euch Herrn gefiele wohl, mit meiner Habe

Zu helfen eurer dringend bittern Not;

Doch will ich lieber hier in Böhmen sitzen

Und eines armen deutschen Kaisers lachen,

Als selbst ein armer deutscher Kaiser sein.

Indes verschmäh ich nicht, die höchste Macht

Vielleicht zu krönen mit der höchsten Würde,

Auf Karl des Großen Thron, ein zweiter Karl,

Zu sitzen in des Reiches Vollgewalt:

Doch soll man mir die Kron erst selber bringen

Und legen auf dem Kissen dort vor mir,

Bevor ich mich entscheide, was geschieht.

Ich habe meinen Kanzler hingesandt,

Herrn Braun von Olmütz, auf den Tag nach Frankfurt,

Und seht, er schreibt mir,


Er zieht den Brief hervor.


Daß die Wahl des nächsten

Wird vor sich gehn. Dem Pfalzgraf bei dem Rhein

Trug man den Ausspruch auf im Kompromiß.

Er ist zwar nicht mein Freund; er und der Mainzer,

Sie schmieden Ränke, wie mein Kanzler schreibt;

Allein die deutschen Fürsten wagens nicht,

Dem Stirnenrunzeln Ottokars zu stehn.

Die Kron ist mein! das heißt: wenn ich sie mag.

Doch laßt sie hier erst sein, dann will ich sprechen.

DIENER kommt.

Der Kanzler, euer Hoheit, Braun von Olmütz.

OTTOKAR.

Seht ihr? er kömmt zurück.

DIENER.

Mit ihm ein Ritter[1018]

In lichter Rüstung, fürstengleich geziert,

Und zwei Herolde in des Reiches Farben,

Den Adler vor der Brust, die laut trompeten.


Trompeten von innen.


ZAWISCH.

Erlaube, königlicher Herr und Kaiser,

Daß wir die ersten deiner neuen Diener –


Die ganze Versammlung macht eine Bewegung nach vorn.


OTTOKAR.

Zurück! Wollt ihr dem Reichstagsboten zeigen,

Daß unverhoffte Freud er überbringt?

Auch wißt ihr nicht, ob ich die Wahl genehmge!


Zu den Gesandten, die sich zurückgezogen haben.


Wo geht ihr hin? Ich habe euch nicht entlassen!

Nichts ist geschehn, was Störung bringen kann.

Der Mainzer also, sagt ihms, mag sich hüten!

Denn komm ich an den Rhein, und das soll bald,

Zum Dank für all die frechen Winkelzüge

Treib ich ihn aus von seinem Bischofsitz.


Der Kanzler ist indessen eingetreten. Alle umringen ihn mit fragenden Gebärden; er bleibt im Hintergrunde, die Hände ringend.


OTTOKAR im Vorgrunde fortfahrend.

Der Pfalzgraf auch bei Rhein steht mir nicht an,

Ich werde seine Chur dem Baier geben.

Noch allerlei will ich in eurem Land,

Und alle, die mir dieses Schreiben nennt –

ZAWISCH im Hintergrunde losbrechend, doch halblaut.

Die Wahl des Reichs fiel nicht auf Ottokar?


Der Kanzler schüttelt mit gefalteten Händen das Haupt.


ZAWISCH.

Auf wen denn sonst?

KANZLER.

Auf Rudolf, Graf von Habsburg.


Unterdessen hat Ottokar den Gesandten den Brief gewiesen, mit dem Finger einzelne Stellen bezeichnend.


OTTOKAR.

Die müssen fort – seht, der! –


Bei der ersten Rede des Kanzlers horcht er, in derselben Stellung bleibend, nach hinten hin in höchster Spannung. Als jener den Namen Habsburg nennt, fährt Ottokar zusammen; die Hand, mit der er auf den Brief zeigt, beginnt zu zittern; er stottert noch einige Worte.


und der – muß fort!


[1019] Die Hand mit dem Briefe sinkt hinab; mit gebrochenen Knieen steht er noch eine Sekunde, starr vor sich hinsehend, dann rafft er sich empor und geht starken Schrittes in sein Zimmer.


ZAWISCH.

Herr Kanzler, sagt, ist es denn wirklich wahr?

KANZLER.

Nur allzu wahr; der Habsburg Deutschlands Kaiser.

ZAWISCH.

Allein wie kams?

KANZLER.

Es ging noch alles gut,

Die meisten Fürsten stimmten für den Herrn;

Da kommt mit einemmal der Kanzellar

Des Erzbischofs von Mainz – der hier gewesen –

Mit ihm ein Wolkersdorf aus Österreich

Und Hartneid Wildon aus dem Lande Steir,

Die klagten – still! der König kömmt zurück!

OTTOKAR kommt aus seinem Gemach.

Sagt meiner Frau, sie soll bereit sich halten,

Ich will noch heut vor Abend auf die Jagd.


Er geht mit starken Schritten auf und nieder.


KANZLER nach einer Pause.

Ach, gnädger Herr!

OTTOKAR.

Was ist?


Zusammenfahrend.


Ihr? – Wart ihr hier?

Vor kurzem hier?

KANZLER.

Ach ja!

OTTOKAR.

Und habt gesprochen?

KANZLER.

Ja, gnädger Herr!

OTTOKAR.

Verdammt!


Wirft ihm den Handschuh ins Gesicht; dann ihn an der Hand in den Vorgrund führend.


Was schwatztet ihr

Von Reichstag und von Wahl?

KANZLER.

Hier hört es selbst!


Der Burggraf von Nürnberg mit zwei Herolden voraus und mehreren Begleitern hinter sich, tritt ein.

Der König geht ihm mit starken Schritten bis in die Mitte des Saales entgegen.


OTTOKAR.

Wer seid ihr, Herr?

BURGGRAF.

Friedrich von Zollern bin ich,

Burggraf von Nürnberg, abgesandt vom Reich.

OTTOKAR.

Glück zu!


[1020] Er kehrt ihm den Rücken und geht wieder in den Vorgrund.


BURGGRAF.

Rudolf, von Gottes Gnaden Kaiser –

OTTOKAR.

Ich glaube, Herr, das Reich will meiner spotten?

Hier stehn noch die Gesandten, die die Krone

Mir anzubieten kamen, und ihr wählt,

Eh ich entschieden, einen andern?

BURGGRAF.

Herr,

Der Kanzellar des Erzbischofs von Mainz,

Er hat gemeldet, wie mit schnöden Worten

Von euch gewiesen ihr so Kron als Reich.

OTTOKAR.

Ha, frecher Treubruch deutscher Reichsbarone!

BURGGRAF.

Beschuldigt ihr des Treubruchs Deutschlands Fürsten?

So wißt denn, was die Wahl von euch gewandt!

Wir suchten einen Herrn, gerecht und gnädig,

Als einem solchen bot man euch den Thron.

Da kam der Ruf, da kamen selber Zeugen,

Die laut es riefen in der Fürsten Ohr,

Wie ihr getan an Königin Margrethen,

Die eure Gattin war, die ihr verstießt;

Wie ihr die Rechte schmälert jener Lande,

Die rechtlos vorenthalten ihr dem Reich;

Wie eure Ungnad schon ein Halsverbrechen,

Und Strafe trifft, wo noch kein Urteil traf.

Das sind wir nicht gewohnt in Schwaben und beim Rhein,

Wir müssen einen gnädgen Fürsten haben,

Vor allem aber soll er sein gerecht.

Dies überlegend, schritten sie zur Wahl –

HEINRICH VON LICHTENSTEIN hinter der Szene.

Verräterei!

OTTOKAR.

Wer ruft?

GEMURMEL unter den Anwesenden.

Der Lichtenstein?

HEINRICH VON LICHTENSTEIN tritt auf.

Wer Österreicher ist, der sei gewarnt!

Am Ausgang stehn des Schlosses Häscherrotten,

Die fangen jeden, der nicht böhmisch ist.

FÜLLENSTEIN kommt hinter ihm mit gezogenem Schwert.

Gebt euch gefangen![1021]

OTTOKAR vortretend.

Eure Wehre, Heinrich!

Ihr, Ulrich Lichtenstein, Graf Bernhard Pfannberg,

Chol Seldenhoven, Wulfing Stubenberg,

Ihr gebt die Schwerter und euch selbst in Haft!

LICHTENSTEIN.

Was taten wir?

OTTOKAR.

Damit ihr, Freund, nichts tut,

Send ich euch in die Haft. Damit ihr nicht

Euch flüchtet zu der neuen Majestät,

Wie Wolkersdorf und Wildon, die Verräter,

Und Merenberg –


Mit dem Fuße stampfend.


Wer schafft mir Merenberg?

Sobald der hier aus seinem Felsennest,

Soll euch der Richter gegenüberstellen,

Und wohl dann dem, der sich nicht schuldig fühlt!


Zu Zollern gewendet.


Und nun nur weiter fort in unsrer Sache!


Die Geisel werden fortgeführt.


BURGGRAF.

Der Auftritt hier erspart mir die Erklärung,

Warum die Fürsten, Herr, nicht euch gewählt.

Und nun zu meiner Botschaft, Böhmens König!

Rudolf, von Gottes Gnaden römisch-deutscher Kaiser,

Entbietet dich auf einen Tag nach Nürnberg,

Daß du dort waltest deines Schenkenamts,

Wie's dir als Churfürst ziemt des Deutschen Reichs.

Sonst auch nach Recht die Lehen dort empfangest

Von Böhmen und von Mähren, die dir zustehn.

OTTOKAR.

Wie das? Nicht mehr? Und Österreich und Steier?

BURGGRAF.

Und Österreich und Steier, Krain und Kärnten,

Nebst Eger, Portenau, der windischen Mark,

Stellst du zurück zu Handen unsers Kaisers,

Als böslich vorenthalten von dem Reich.

OTTOKAR.

Ha, ha, ha, ha! 'ne lustge Mär fürwahr!

Und sonst begehrt der neue Kaiser nichts?

BURGGRAF.

Nur was des Reichs!

OTTOKAR.

Herr, es ist aber mein!

Den Ungarn hab ich Steier abgewonnen

Mit meinem Blut, mit meiner Böhmen Blut.[1022]

Vererbt war Kärnten mir von meinem Ohm

Durch gleicher Erbverträge Wechseltausch,

Und Östreich brachte mir zur Morgengabe

Die Königin Margrethe, meine Gattin.

BURGGRAF.

Wo ist Margrethe nun?

OTTOKAR.

Wenn auch getrennt,

Bestätigt hat sie ihrer Lande Schenkung,

Und mein ist alles, was sonst ihre war.

BURGGRAF.

Die Lande Österreich und Steier fallen,

Vermög dem Majestätsbrief Kaiser Friedrichs,

Wohl an des letzten Lehnbesitzers Töchter,

An seine Schwestern nicht, und Margarethe

Ist nur des letzten Babenbergers Schwester,

Des Herzogs Friedrich, der den Mannstamm schloß.

Des Reiches Lehn vererben nicht,

Durch keine Heirat mag man sie erwerben:

Und so gib wieder, was dem Reich gehört.

OTTOKAR.

Ich glaube gern, daß es ihm wohlgefiele,

Dem neuen Herrn, wenn ich die reichen Lande

Ihm sendete nach Schwaben, seinen Säckel

Zu bessern und die dürftig leere Hand;

Allein nicht so! Ich bin nun alt genug,

Um auf Verlust mich zu verstehn und auf Gewinn.

Geht nur zurück, und sagt dem deutschen Reich –

Denn einen deutschen Kaiser kenn ich nicht –

Manch Geier soll noch Aases werden satt,

Bis sie gewinnen, was des Böhmen ist.

Er ladet mich zu sich? nun wohl, ich komme!

Doch will ich Gäste führen mit zum Tanz,

Daß von der Füße Stampfen weit umhin

Die Erde soll erzittern bis zum Rhein.

Gehabt euch wohl und sagt das euerm Herrn!

ZAWISCH.

Wir aber wollen zu den Waffen greifen.

Mit Gut und Blut für unsern großen König!


Er geht, mehrere wollen folgen.


OTTOKAR.

Halt da! Warum nicht gar! Für wen? und gegen wen?

Im Lande soll man handeln und verkehren,

Als wär der tiefste Fried. Wenns an der Zeit,[1023]

Will ich schon des Besuches Gäste wählen.

Und nun mit mir! Der neue Bettelkönig,

Nicht einem Reh soll er das Leben retten!

Auf Ribnik ist für morgen große Jagd,

Ihr alle seid geladen! Lust und Freude!

Bringt Lichter, es wird dunkel. Fackeln her!

Und so mit mir! Auf Weidwerk! In den Wald!


Ab, die übrigen folgen ihm tumultuarisch nach.

Es wird dunkler. Kurze Pause, dann hört man in der Ferne auf einer Zither spielen.


KAMMERFRÄULEIN tritt aus dem Zimmer der Königin.

So, sie sind fort! Wer spielt da auf der Zither?

KUNIGUNDE kommt.

Was ist? Wer spielt?

KAMMERFRÄULEIN an der Balustrade.

Ich weiß nicht, gnädge Frau.

Horch! Worte? »Hand wie Schnee, und doch so heiß«

Es ist Herr Zawisch Rosenberg. Er singt.

Soll ich ihn gehen heißen?

KÖNIGIN hat sich gesetzt.

Laß ihn nur,

Es hört sich gut zu in der Abendkühle.


Sie stützt ihr Haupt gedankenvoll in die Hand.

Der Vorhang fällt.
[1024]

Quelle:
Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 1, München [1960–1965], S. 1003-1025.
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