|
[42] Leo. Michael. Die richter.
Wer auf die rauhe bahn der ehren sich begiebt
Und den nicht falschen schein der wahren tugend liebt;
Wer vor sein vaterlandt nur sterben wil und leben
Und meynt verdienten danck von iemandt zu erheben;
Wer sich auffs schwache gold des schweren scepter stützt
Und auf die hertzen baut, die er in noth geschützt,
Die er aus schnödem staub in höchsten ruhm gesetzet:
Der komm und schau uns an! Hatt uns ein licht ergetzet
Von erster jugend an, da man den spiß ergriff
Und in die dicke schaar der grimmen feinde lieff,
Da wir mit blut besprützt, voll ruhms-verdienter wunden,
Verschrenkt mit stahl und tod den ersten preiß gefunden:
Da funden wir auch neid. Wer mit entblöstem schwerdt
Der Römer heer getrotzt, wer länder umgekehrt,
Die unser schild bedeckt, erschrack ob unsern siegen.[42]
Wer neben uns um lob must in den zelten liegen
Und suchen, was uns ward, verkleinerte die schlacht,
Die palm und lorberkräntz auf dieses haupt gebracht.
So wird die erste flamm, eh'r sie sich kann erheben,
Mit dunckel vollem dunst und schwartzem rauch umgeben,
Biss sie sich selbst erhitzt und in die bäume macht,
Dass der noch grüne wald in lichtem feur erkracht.
Doch wie der scharffe nord die glut mit tollem rasen,
In dem er dämpffen wil, pflegt stärcker auffzublasen;
Wie ein großmüthig pferd, wenn es den streich empfindt,
Durch sand und schrancken rennt, so hat der strenge wind
Der missgunst uns so fern, (trotz dem es leid) getrieben,
Biss unter diesem fuß sind feind und freunde blieben,
Biss Thrax und Saracen und Pontus unsern fleiß
Und stets bewehrten arm und kummer vollen schweiß
Mit urtheil angeschaut. Der Agarener hauffen
(Das schrecken diser zeit) begunten anzulaufen,
Was römisch sich erklärt; das hochbestürtzte land
Erzitterte vor angst, als der geschwinde brand
Der waffen uns ergriff! Wer hat sich nicht entsetzet,
Als auch ein held erblast! Doch uns hat nie verletzet
Verzagter furchten blitz. O tag! berühmter tag!
Den diß, was athem zeucht, was künfftig, preisen mag!
In welchem diese faust der väter siegeszeichen
Gleich in dem fall erhielt, da mit zwey tausend leichen
Der arm der grimmen pest der erden dargethan,
Dass tugendhafftes glück halt unter unser fahn.
Doch als diß milde blut das große land gebauet,
Hat uns der käyser selbst missgünstig angeschauet,
Und als dem Bulgar uns das reich entgegen schickt,
Uns beystand, sold dem volck, sich selbst dem thron entzückt.[43]
Wahr ist es, Crummus hat das feld mit mord beflecket
Und flammen in die saat, glut in die stadt gestecket,
Doch durch nicht unsre schuld. Es war nunehr geschehn!
Das unterdruckte volck begundt auf uns zu sehn,
Der, der ietzt vor euch steht, zwang mit entblößtem degen
Uns diß besteinte kleid, den purpur anzulegen,
Wie hoch wir uns gewehrt! der käyser stund es zu
Und sandte von sich selbst uns die gestickten schuh.
Wir haben denn die bürd auf disen halß geladen,
Die unerträglich schien; wir haben schmach und schaden
Und unruh abgethan, den Bulgar ausgetagt,
Den Agaren gedämpfft, der Scythen heer gejagt.
Der stoltze Crummus kam mit so viel tausend heeren,
Als wolt er see und land wie jener Pers auffzehren;
Doch lehrt ihn unser schwerdt, dass eines helden muth
Mehr mächtig denn der blitz, denn die geschwinde fluth
Des strengen Isters geh, als auch zwölff tausend hauffen,
Erschreckt durch einen mann, versuchten durchzulauffen.
Sein elend stellt ihm vor, was römisch fechten sey,
Als er voll wunden fiel, als ihn die ohnmacht frey
Von unserm degen macht. Wem haben wir versaget.
Was sitt und recht versprach? Wer hat umsonst geklaget,
Weil dieses haar gekrönt? Wurd iemand nicht ergetzt,
Der seine noth entdeckt? Wen hat diß schwerdt verletzt,
Den es nicht schuldig fand? das dieser offt verschonet,
Nach den die straffe griff? Blieb einer unbelohnet,
Der uns zu dienste stund? Doch sucht man unsern tod
Und wetzt das schwerdt auf den, dem in des landes noth
Gott, priester und gesicht den hohen thron versprochen![44]
Und du, du Michael, hast eyd und treu gebrochen
Dem, dem du stand und ehr und dich zu dancken hast!
Treuloser! Haben wir dich auf die schoß gefast?
Verräther! Aus dem koth hat dich der arm erhaben.
Undanckbar hertz! Hat dich die faust mit tausend gaben,
Meineydig mensch! bestreut? Gab ich, dir hund! das schwerdt,
Das du von meinem feind auf diese brust gekehrt?
Vergab man, mörder! dir so offt dein freches wütten,
Das dir den grimm erlaubt auf einmahl auszuschütten?
Hat unsre langmuth diß, hat unsre gunst verdient,
Dass du, verfluchter! dich zu dieser that erkühnt,
Die auch der feind nicht lobt! Wohlan denn! weil die güte
So übel angelegt, weil dein verstockt gemüthe
Durch keine freundligkeit zu zwingen, weil die pest
Durch linde mittel sich nicht von dir treiben läst,
Weil wohlthat dich verderbt, so fühle brandt Uud eisen!
Man soll der großen welt ein neues schau-spiel weisen,
Wie hart verletzte gunst und offt vergebne schuld
Und eingewigte rach und hochgepochte huld,
Wenn rechte zeit einbricht, erschütter' und zubreche.
Was stammelt nun der hund! Gebt achtung, was er spreche,
Der nichts denn lästern kan! Was kan er bellen?
MICHAEL.
Hört!
Wahr ists, dass Michael wohl reden nie gelehrt;
Wahr ists, dass ich mich auch zu heucheln nie beflissen;
Doch was dir meine faust genützt, wird dein gewissen
Entdecken, ob ich schweig. Erzehle deine that!
Doch auch, dass dessen faust befördert deinen rath,
Der mit dir und für dich in stahl und staub gestanden
Und in der schlacht geschwitzt. Man darff als schwere schanden
Nicht den geringen stand und schlechter eltern blut
Verhöhnen. Meine seel, mein nie verzagter muth[45]
Spricht vor mich. Tugend wird uns nicht angebohren.
Wie vieler helden ruhm hat sich in nichts verlohren!
Des vatern theures lob verschwindet mit dem geist.
Wenn nun der bleiche todt uns in die gruben reißt,
So erbt der edle sohn die waffen, nicht die stärcke.
Denkt nicht an meine wort! schaut auf der armen wercke!
Der armen, die diß reich mit starcker krafft gestützt.
Die armen haben dich (betracht es nur!) geschützt,
(Betracht es nur mein fürst!) da so viel tausend degen
Umschrenckten dein gezelt. Wer halff das volck bewegen,
Das dich zum haupt auffwarff? Wer hub dich auf den thron?
Der dich nicht zweiffeln ließ, als du der großen cron
Schier deinen hopff entzückt. Der käyser hieß dich kommen
Und wich aus dieser burg, die du zwar eingenommen,
Doch als ich bey dir stund. Hast du den feind erschreckt,
So dencke, dass mein schwerdt in seiner brust gesteckt!
Auch geb ich gerne nach, dass ich durch dein erheben
Was höher kommen sey; doch, kanst du dem was geben,
(Verzeih es, was die noth mich dürr ausreden lehrt!)
Das dieses auffrucks werth, der so dein gut vermehrt,
Dass du diß geben kanst? Lass öffentlich erzehlen,
Was ich von dir empfieng! Es wird noch hefftig fehlen,
Dass deinem käyserthum mein ampt zu gleichen sey,
Und deiner cron mein helm! Und beydes stund mir frey,
Als ich dir überließ, was ich ergreiffen können,
Als ich dir diesen stuhl und mir nicht wollen gönnen.
Und gönn ihn dir noch itzt. Man klagt mich gleichwohl an.
Warumb? Umb dass ich offt ein wort nicht hemmen kan,
Wenn ein verräther mich so hündisch reitzt und locket.
Wem hat verleumdung nicht ein mordstück eingebrocket?
Kan iemand ohne fall auf glattem eyß bestehn,
Wenn ihn der neid anstößt? Wer muss nicht untergehn,
Wenn die ergrimmten wind erhitzter lügen blasen?[46]
Wenn die erzürnten stürm untreuer zungen rasen?
Die wüten wider mich, die schaden meiner ehr
Und tödten meinen ruhm, erlangen sie gehör.
Belohnt man treuen dienst mit schmach und harten ketten?
Wil den, durch den er stund, der fürst zu boden treten,
So ists mit mir gethan, und eine zunge schlägt
Den, den kein grimmes schwerdt, kein scharffer pfeil erlegt.
1. RICHTER.
Was zung! verläumbdung! list! Welch umgekauffter ohren!
Hast du dich mörder nicht auffs käysers tod verschworen?
Der hof, die große stadt, das gantze läger lehrt,
Was man von fürsten-mord dich stündlich rasen hört.
2. RICHTER.
Was geyfert nicht sein maul? Soll diß entschuldigt heißen?
Soll man die zunge dir nicht aus dem nacken reißen?
Entdeckt die red uns nicht sein rasendes geblüt?
Was hält uns länger auf? Er bringt sein urtheil mit:
MICHAEL.
Gesetzt, dass mir aus zorn und unbedacht entgangen,
Was man so grimmig rügt, es hat doch mein verlangen
Nie würcklich deinen thron, nie deinen tod begehrt;
Man hat mit frembder schuld die feste treu beschwert.
LEO.
O recht verkehrte treu! wo ist die treu geblieben?
MICHAEL.
Mein blut hat diese treu ins buch der zeit geschrieben.
LEO.
Dein blut, das ieden tag nach unserm blute tracht![47]
MICHAEL.
Mein blut, das so viel jahr hat für dein blut gewacht.
LEO.
Gewacht nach meinem tod,
MICHAEL.
den ich vor dich zu tragen
War willig ie und ie.
LEO.
Nicht eins ist thun und sagen.
MICHAEL.
Ich sagts und thats, als ich mein blut für dich vergoss.
LEO.
Aus noth, aus eignem ruhm.
MICHAEL.
Das vor den deinen floss.
2. RICHTER.
Das dient der sachen nicht! Antwort, auf was wir fragen!
MICHAEL.
Fragt meine wunden denn, die diese brüste tragen!
Fragt feinde! Fragt den Parth, den Bulgar, Scyth und Franck!
3. RICHTER.
Diß laster macht zu nicht vorhin erlangten danck.
MICHAEL.
Diß laster thut hier nichts; verleumbdung wird uns zwingen.
4. RICHTER.
Verleumbdung, die allein dein mund weiß vorzubringen.
MICHAEL.
Verleumbdung liebt kein mund, der freye freyheit liebt.
5. RICHTER.
Der arm ist fest, der leicht dem munde beyfall giebt.
MICHAEL.
Man stößt offt aus im zorn, was man nie vorgenommen.
6. RICHTER.[48]
Wir wissen sonder zorn dem vorsatz vorzukommen.
MICHAEL.
Wer lebt ohn alle feil! Wer hat sich stets bedacht?
7. RICHTER.
Der, zu hoch nicht pocht auf seiner hände macht.
MICHAEL.
Wer lebt, der irrt und fällt.
8. RICHTER.
Wer frevelt, der mag leiden.
9. RICHTER.
Wir können laster wol von irrthum unterscheiden.
MICHAEL.
Ja laster! Wenn man die aus allen winkeln sucht!
LEO.
Du bist es denn, der uns nur in dem winkel flucht?
1. RICHTER.
Was ist es suchens noth, wenn nun kein ort zu finden,
Der rein von deiner schuld. Dein offenbar verbinden,
Der zeugen gantze schaar, dein anhang bringt ans licht,
Was in dem busen steckt.
MICHAEL.
Was mir der hass andicht.
LEO.
Wer ists, der uns das schwerdt wil durch die adern treiben?
1. RICHTER.
Wer ists, ohn den das reich nicht kan bey kräfften bleiben?
2. RICHTER.
Wer ists, auf dem die last der schweren crone steht?
3. RICHTER.
Wer ists, ohn dessen werck des käysers heil vergeht?
4. RICHTER.
Wer ists der fürsten kan mit seinem fall erdrücken?
5. RICHTER.
Wer ists, der fürsten weiß ins kalte grab zu schicken?
6. RICHTER.[49]
Dem Phocas, dem Iren so große sinnen macht?
7. RICHTER.
Vor dem der tieffe grund der großen erd erkracht?
8. RICHTER.
Der lieber einen tag begehrt gekrönt zu leben,
Als in dem höchsten ruhm und tieffster lust zu schweben?
9. RICHTER.
Was sprach dein mund nicht stracks, als man dich überfiel?
MICHAEL.
Nichts arges, wenn mans nicht zum ärgsten deuten wil.
10. RICHTER.
Nichts arges? Iedes wort hat zang und pfahl verdienet.
MICHAEL.
Weil ich was freyer nur zu reden mich erkühnet?
2. RICHTER.
Und nach des fürsten tod und seinem thron getracht.
MICHAEL.
Die aller-schärffste gifft ist rasender verdacht.
3. RICHTER.
Hat niemand beystand dir zu dieser thurst versprochen?
MICHAEL.
Den beystand suche der, der eyd und treu gebrochen.
4. RICHTER.
Meinst du, dass unentdeckt, wer mit dir in dem bund?
MICHAEL.
So weist du mehr dann ich.
5. RICHTER.
Versichre dich, der grund
Liegt nicht so tieff, dass ihn nicht unser bleymaß fühle.[50]
MICHAEL.
Grund hats, dass man allhier auf mein verderben ziehle.
1. RICHTER.
Stracks: peinbanck, strick und brand!
MICHAEL.
Wol! wolt ihr dass ich lieg,
Mit fremder unschuld spiel und recht und welt betrieg?
1. RICHTER.
Man sagt durch pein gepresst, was man nicht sagt mit güte.
MICHAEL.
Die folter überwand kein unverzagt gemüthe.
Bedenckt wol, was ihr thut? Ich steck in solcher noth,
In die ihr sincken mögt. Mein leben, heil und tod
Beruht in eurer hand. Doch soll um wort ich sterben,
So last durch meine faust mich selbst mein end erwerben,
Und zwar zu nutz des reichs. Der feind mag auf mich gehn!
Ich wil für euch im stahl beym schwartzen Pontus stehn,
Ich wil biss auf den fall mit Scyth und Parthe kämpffen;
Ich wil der Bulgar trutz mit diesem blute dämpffen.
So breche, was sich dir mein fürst entgegen setzt!
So schwinde, was dein reich, was diesen staat verletzt!
So dien euch, wenn ich hin, auch meine blasse leiche!
So blühe für und für dein hauß und stamm!
LEO.
Entweiche!
Ausgewählte Ausgaben von
Leo Armenius
|
Buchempfehlung
Der junge Vagabund Florin kann dem Grafen Schwarzenberg während einer Jagd das Leben retten und begleitet ihn als Gast auf sein Schloß. Dort lernt er Juliane, die Tochter des Grafen, kennen, die aber ist mit Eduard von Usingen verlobt. Ob das gut geht?
134 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro