|
[97] Der von Crambe. Die zusammen geschwornen. Ein diener.
So gehts! Wenn uns das glück mit süßem mund anlacht,
Denn trotzen wir den tod und brechen alle macht
Der strengen scepter ein; denn muss der grund der erden[97]
Erzittern unter uns und schier zu aschen werden.
Wir reißen berg entzwey und spalten felsen auf;
Wir hemmen schier dem Pont den strudelreichen lauff,
Der Ister muss sich nicht auf unser land ergießen;
Die große Thetis selbst lernt vor uns stiller fließen.
Wir gehen bündnis ein, die mächtig, was die welt
Und der gewölckte bau in seinen schrancken hält,
Zu zwingen an ein joch. Doch wenn die lüfft erhitzen
Und dicker wolcken nacht uns wil zu lichte blitzen,
Weiß niemand, wo wir sind; der große muth vergeht
Als schnee. Wenn Titan nun des widers horn erhöht,
So schnell als uns der mund, so langsam sind die hände.
Der anfang brennt und glüet, das mittel mit dem ende
Verkehrt die kält in eyß.
4. VERSCHWORENER.
Ruckt uns diß iemand auf?
Uns, die die grimme noth nicht in dem schnellen lauff
Der rach auffhalten mag? die schier die glut umgeben,
In welcher Michael für unser gut und leben
Leib, blut und geist auffsetzt? Uns, die die herbe nacht
Einmüthig, sonder furcht und argwohn durchgebracht?
Uns, die biss noch von nichts, als wie sein schloss zu brechen,
Und wie der, der ihn stürtzt, vom thron zu stürtzen, sprechen?
CRAMBE.
Da als der löw auf blut und mord und würgen drang,
War kein behertzter held, der ihm entgegensprang.
4. VERSCHWORENER.
Wer, wo kein vortheil ist, ein grimmes thier verletzet,
Gleicht dem, der ohne pfeil und hunde leuen hetzet.
CRAMBE.
Man greifft wo, wenn und wie man mag, tyrannen an.
4. VERSCHWORENER.
Der warnt, wer nicht zugleich angreifft und tödten kan.
CRAMBE.[98]
Ein schnelles schwerdt verricht weit mehr denn langes dichten.
4. VERSCHWORENER.
Ein kluger kopff kan mehr den tausend spieß ausrichten.
CRAMBE.
Wer alles überlegt, führt keinen anschlag aus.
4. VERSCHWORENER.
Schickt thoren nach der glut, so brennt eur gantzes hauß.
CRAMBE.
Kan nun ein kluger kopf des käysers flamme dämpffen?
4. VERSCHWORENER.
Kan nun ein schnelles schwerdt mit so viel scharen kämpffen?
CRAMBE.
Wer zweiffelt?
4. VERSCHWORENER.
Zwar nicht ich, der deinen muth erkant,
Dafern man sonder feind.
CRAMBE.
Schau an denn, ob die hand
Dem muth in kräfften gleich!
1. VERSCHWORENER.
Was thut ihr?
4. VERSCHWORENER.
Last versuchen,
Ob er so hoch behertzt zu fechten als zu fluchen!
CRAMBE.
Lass loß! Lass loß! Wie nun?
4. VERSCHWORENER.
Ich bitt euch, halt mich nicht!
2. VERSCHWORENER.
Bedenckt doch, wo wir sind! Diß tolle rasen bricht
Den festen bund entwey; Diß wütten wird entdecken,
Was wir mit so viel list und eyden kaum verstecken.
Habt ihr zu kämpffen sinn, stoßt das beherzte schwerdt
In des tyrannen brust, der euren tod begehrt.[99]
Rennt die trabanten an, die maur und thor besetzen,
Die um den kercker stehn! Wenn wir uns selbst verletzen,
So ist es, Michael! um deinen halß gethan,
So fallen wir mit dir, so gehn wir eine bahn
Nach der entdeckten grufft. Kan Leo mehr begehren,
Als dass wir unser schwerdt auf unsre hertzen kehren?
4. VERSCHWORENER.
Er ist nicht der, der mich und ieden trotzen kan.
CRAMBE.
Noch er, der mich und euch soll höhnen.
2. VERSCHWORENER.
Schaut doch an
Die angst, so uns umgiebt. Die auf den wellen rasen,
Wenn die ergrimmten nord in alle segel blasen,
Wenn das bestürmte schiff von klipp auf klippen rennt
Und sich bald hie bald dort in stück und scheiter trennt,
Sind unwerth, dass ein mann ihr schweres ach beklage.
Gebt meinem rath gehör und löscht am ersten tage
Mit unsers feindes blut die heißen flammen aus!
Muth, künheit, leib und ruhm und unser heil und hauß
Erfordert diß von euch. Der mag der stärckste bleiben,
Der durch die gurgel wird sein schwerdt dem käyser treiben.
Mehr giebt die stille zeit der schwartzen nacht nicht zu.
Geht, biss die morgenröth uns wieder rufft, zu ruh!
CRAMBE.
Wer da?
DIENER.
Mein herr!
CRAMBE.
Was ists?
DIENER.
Ein fremder an der thüren
Begehrt, ich woll alsbald ihn in diß zimmer führen.
6. VERSCHWORENER.
Wir sind verrathen!
CRAMBE.[100]
Frag ihn, was er dann begehr.
DIENER.
Er schlägt mir nachricht ab.
1. VERSCHWORENER.
O unfall!
2. VERSCHWORENER.
Ins gewehr!
CRAMBE.
Wen führt er an der seit?
DIENER.
Er ist, mein herr! alleine.
CRAMBE.
Gewaffnet?
DIENER.
Nein.
CRAMBE.
Sagt an, was dünckt euch?
6. VERSCHWORENER.
Ich vermeine,
Dass die zusammenkunfft durch falsche freund entdeckt
Und rotten um den hof, volck um den platz versteckt,
Dass man mit list zu uns gesonnen einzudringen,
Indem der käyser uns heist bey der nacht bespringen.
1. VERSCHWORENER.
Umsonst! so lang ich noch die finger regen kan.
Ihr helden sonder furcht! es geht uns sämmtlich an.
Viel besser, seinen feind mit eigner leich erdrücket,
Als in der hencker strick ohn gegenwehr ersticket.
CRAMBE.
Wer weiß noch, ob es so? Ich wil ins vorhauß gehn
Und forschen, wer es sey.[101]
2. VERSCHWORENER.
Wir wollen bey dir stehn,
Weil uns die brust hier klopfft.
CRAMBE.
Bleibt ihr allhie verborgen,
Biss ihr mich ruffen hört! Wer weiß, ob unser sorgen
Nicht eitel?
2. VERSCHWORENER.
Stelle dich, als ob du erst erwacht!
CRAMBE.
Wol.
2. VERSCHWORENER.
Reiß die kleider loß! Ach kummer-reiche nacht!
3. VERSCHWORENER.
Aus kummer wird die ruh, aus unlust lust gebohren.
Die vors gemeine gut zusammen sich verschworen,
Die muntert arbeit auf.
2. VERSCHWORENER.
Mich schreckt die arbeit nicht.
Wer sich vor noth entsetzt, dafern die angst einbricht,
Und das gesteckte ziel verkehrt, muss untergehn.
Wenn helden nach der angst auf schmertz und grabe stehn,
Der seuffzer reizt mich an, gleich als der flammen macht,
Die man verbergen wil, in ihrer eng erkracht
Und durch das krachen lebt.
1. VERSCHWORENER.
Wol helden! spart die worte
Und greifft die waffen an! Wir stehn auf diesem orte,
Auf dem man siegen muss.
2. VERSCHWORENER.
Wenn Leo unterliegt,
So hab ich (fall ich gleich auf seinen leib) gesiegt.
1. VERSCHWORENER.[102]
Recht! der ist lobens werth, der wenn er nun muss springen,
Diß was ihn zwingen wil, kan mit zu boden dringen.
Ausgewählte Ausgaben von
Leo Armenius
|
Buchempfehlung
Der junge Chevalier des Grieux schlägt die vom Vater eingefädelte Karriere als Malteserritter aus und flüchtet mit Manon Lescaut, deren Eltern sie in ein Kloster verbannt hatten, kurzerhand nach Paris. Das junge Paar lebt von Luft und Liebe bis Manon Gefallen an einem anderen findet. Grieux kehrt reumütig in die Obhut seiner Eltern zurück und nimmt das Studium der Theologie auf. Bis er Manon wiedertrifft, ihr verzeiht, und erneut mit ihr durchbrennt. Geldsorgen und Manons Lebenswandel lassen Grieux zum Falschspieler werden, er wird verhaftet, Manon wieder untreu. Schließlich landen beide in Amerika und bauen sich ein neues Leben auf. Bis Manon... »Liebe! Liebe! wirst du es denn nie lernen, mit der Vernunft zusammenzugehen?« schüttelt der Polizist den Kopf, als er Grieux festnimmt und beschreibt damit das zentrale Motiv des berühmten Romans von Antoine François Prévost d'Exiles.
142 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro